Die Angst vor Tod und Sterben - Arngard Uta Engelmann - E-Book

Die Angst vor Tod und Sterben E-Book

Arngard Uta Engelmann

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Unter dem Titel „Zu(m) Ende denken. Herausforderung Suizidbeihilfe“ richteten die Evangelische Akademie Baden und die Katholische Akademie Freiburg bereits 2015 einen Studientag aus. Prof. Dr. Gerhild Becker leistete dabei einen herausragenden Beitrag zur Klärung und Meinungsbildung sowie zum interdisziplinären wissenschaftlichen Diskurs zwischen Medizinethik, rechtlichen Fragen und Theologie. Der Freundeskreis der Evangelischen Akademie Baden e. V. würdigte den Impulsvortrag „Palliativmedizin und Suizidprävention“ der Palliativmedizinerin und Theologin mit dem Bad Herrenalber Akademiepreis 2016. Ihr Vortrag wird hier zusammen mit ihrem Festvortrag über „Die Angst vor dem Sterben“ veröffentlicht, ergänzt um die Laudatio und die Predigt im Rahmen eines Gottesdienstes zur Preisverleihung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 85

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gerhild Becker /

Arngard Uta Engelmann /

Verena Wetzstein

Die Angst vor Tod und Sterben

Ein Impuls zur Sterbehilfedebatte

Mit einer Laudatio von Arngard Uta Engelmann und Verena Wetzstein

Herausgegeben von der Evangelischen Akademie Baden und dem Freundeskreis der Evangelischen Akademie Baden e. V.

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte biografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Herrenalber Forum Band 83

Beiträge zur Verleihung

des Bad Herrenalber Akademiepreises 2016

am 15. Januar 2017 in Bad Herrenalb

Ebook: © Evangelische Akademie Baden, Karlsruhe 2018

Redaktion: Christine Jacob, Ralf Stieber

Satz und Herstellung: Gabi Höhn

Umschlaggestaltung: Ralf Stieber

Titelbild: Astronomische Uhr am Altstädter Rathaus in Prag,

© visualpower - stock.adobe.com

ISBN 978-3-89674-590-3

Printversion im Buchhandel erhältlich unter ISBN 978-3-89674-589-7

Inhalt

Vorwort

Arngard Uta Engelmann

Verena Wetzstein

Interdisziplinäre Zusammenschau von Tod und Leben

Laudatio für Gerhild Becker

Gerhild Becker

Die Angst vor dem Sterben

Gerhild Becker

Das Lebensende ist kein von uns

zu gestaltendes Projekt

Essay zum Thema „Ärztlich assistierter

Suizid und Palliativmedizin“

Arngard Uta Engelmann

Die Angst vor dem Leben

Predigt zum

Bad Herrenalber Akademiepreis 2016

Bad Herrenalber Akademiepreis

Verfasserinnen

Vorwort

Im November 2015 beschloss der Bundestag zum einen, dass die Hospiz- und Palliativmedizin zukünftig besser versorgt werden soll, zum anderen, dass die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung verboten ist. Diese Gesetze, so erklärten die katholische und die evangelische Kirche, seien „Entscheidungen für das Leben und für ein Sterben in Würde“. Den Beschlüssen waren lange, konstruktive Diskussionen auf allen Ebenen und in allen beteiligten Fachgebieten vorausgegangen.

Bereits im April 2015 hatte die Evangelische Akademie Baden in Kooperation mit der Katholischen Akademie in Freiburg einen Studientag mit dem Titel „Zu(m) Ende denken. Herausforderung Suizidbeihilfe“ ausgerichtet. Die ärztliche Direktorin der Klinik für Pallia­tiv­medi­zin am Universitätsklinikum Freiburg, Prof. Dr. Gerhild Becker, leistete dabei einen herausragenden Beitrag zur Klärung und Meinungsbildung sowie zum interdisziplinären wissenschaftlichen Diskurs zwischen Medi­zinethik, rechtlichen Fragen und Theolo­gie.

Der Freundeskreis der Evangelischen Akademie Baden e. V. würdigte den Impulsvortrag „Palliativmedizin und Suizidprävention“ der Palliativmedizinerin und Theologin mit dem Bad Herrenalber Akademiepreis 2016. In ihrem Festvortrag sprach Becker über „Die Angst vor dem Sterben“. Patienten müssten heutzutage keine Angst mehr davor haben, hilflose Opfer einer seelenlosen Apparatemedizin zu werden. Waren bis zu den Achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts technische Fortschritte in der Medizin meist auch Fortschritte für die Rettung von Leben gewesen, käme es nun darauf an, das rechte Maß zu finden, um unheilbar Kranken und Sterbenden das Leben leichter zu machen und Schmerzen zu lindern, ohne die Grenzen des Todes zu verschieben. Nicht alles technisch Machbare sei immer auch die angemessene und optimale Therapie.

Zusammen mit dem Festvortrag, der Laudatio und Predigt liegt der gewürdigte Vortrag nun in der Reihe „Herrenalber Forum“ vor.

Dr. Alexa Maria Kunz

Vorsitzende des Freundeskreises der

Evangelischen Akademie Baden e. V.

Pfarrerin Arngard Uta Engelmann

Akademiedirektorin, Evangelische Akademie Baden

Karlsruhe, im Februar 2018

Interdisziplinäre Zusammenschau von Tod und Leben

Laudatio für Gerhild Becker

Arngard Uta Engelmann

Verena Wetzstein

Arngard Uta Engelmann

Sehr verehrte Frau Professor Becker, sehr geehrte Damen und Herren,

was tut eine junge wissenshungrige Studentin, die das sichere Gespür hat, dass sie zwei Fächer studieren muss, was jedoch die Studienordnung gar nicht vorsieht? Ganz klar: sie lässt sich nicht beirren, setzt es durch und studiert die beiden Fächer. Parallel. Theologie und Medizin.

Und was tut eine junge wissenschaftsbegeisterte Stu­den­tin, die im Studium eine präzise Vorstellung von ihrem zukünftigen Beruf erlangt, den es jedoch so gar nicht gibt? Ganz klar: sie lässt sich nicht beirren, definiert diesen Beruf für sich und gibt ihm einen Namen: Pfarzt. Nein, Sie haben sich nicht verhört. „Ich werde Pfarzt“, sagt sie sich. Pfarrer und Arzt.

Und was tut die dann etablierte Theologin, Ärztin und Wissenschaftlerin, die in zwei Fachgebieten zuhause ist? Ganz klar: sie bleibt sich treu und behält den offenen neugierigen Blick für die unterschiedlichen Diszi­pli­nen. Wie durch ein optisches Prisma sieht sie dann die vielen Facetten dessen, was sich in Deutschland in der Medizin gerade etabliert und wie es sich in anderen Län­dern ausprägt. Und sie gestaltet den – im Lauf der Jahre entstehenden – Berufs- und Forschungsbereich Palliativmedizin maßgeblich mit, der die ihr notwendige Weite und Interdisziplinarität in der Wissenschaft ermöglicht und verbindet, was in ihrer Person schon verbunden ist.

Die Preisträgerin des Akademiepreises 2016, Frau Pro­fessor Gerhild Becker hat genau das getan. Wenn es rückblickend betrachtet wird, dann ist die Ent­schei­dung der jungen Studentin wegweisend für das gesamte berufliche und wissenschaftliche Schaffen der Ärztlichen Direktorin der Klinik für Palliativmedi­zin des Uni­versitätsklinikums Freiburg: Nie hat sie nur eine Sache in ihren Fokus gestellt. Sondern immer den Blick facet­tenhaft weit gehabt und dafür ihre volle Kraft und hoch­ver­antwortete Wissenschaftlichkeit an den Tag gelegt, und viel Dynamik eingesetzt für Dinge, die sich verbinden, die sich ergänzen und bereichern, auch wenn es dabei mitunter Hürden zu überwinden gab.

Ich darf hier heute über die Wissenschaftlerin Gerhild Becker sprechen, die die Gabe hatte, früh Bereiche zu erkennen, die eng zusammengehören und sie für ihren Wirkungsbereich zu verbinden. Das sind Leib und Seele, Körper und Geist, Physisches und Psychosoziales, Individuum und Gesellschaft.

Und dazu gehören für sie die Wissenschaften, die sie stu­dierte: Evangelische Theologie mit kirchlichen Exa­mi­na und Diplom, Medizin, mit Promotion und Habi­li­ta­tion, Caritaswissenschaften mit Diplom und Pal­lia­ti­ve Care mit dem Master of Science (King‘s Col­le­ge, London). Daraus realisieren sich für sie auch die Berufs­bil­der und Tätigkeitsfelder als Ärztin, Pro­fes­so­rin, Klinik­direktorin, Wissenschaftlerin und Pfar­re­rin, ordi­niert ins Ehrenamt in der Evangelischen Kirche in Baden.

Sie merken an dieser Aufzählung, was ich mit „Prismablick“ meine. Es ist ein großer Facettenreichtum, der sich ihr erschließt, wenn sie in die Welt blickt, weil sie sehr vieles aufnimmt. Ein großer Farbreichtum, den sie auch in ihrer Wissenschaft widerstrahlt.

Darüber hinaus verbindet Gerhild Becker ihre ärztliche Praxis und Forschung mit gesellschaftlichem und berufspolitischem Engagement. Ihre Aufgabe als Spre­cherin des KompetenzZentrums Palliative Care Baden-Württemberg, einem Zusammenschluss der fünf medizinischen Fakultäten zur Sicherung der Qua­li­tät in der Palliative Care, ist deutlicher Ausdruck davon. Unab­dingbar notwendig ist das, um etwa die Situa­tion langfristig zu verändern, dass es für die Pallia­tiv­medi­zin, die auch zukünftig immer mehr Menschen brauchen werden, noch so wenige Lehrstühle gibt. 2016 waren es nur acht im ganzen Bundesgebiet – bei 38 medi­zi­nischen Fakultäten.

Mit dem Engagement für dieses KompetenzZentrum sieht man auch ganz deutlich, Forschung und Lehre sind für Professor Becker nicht einfach nur Begriffe, die im Vorlesungsverzeichnis nebeneinander stehen, sondern mit Leben gefüllte Herzensanliegen, die eng verbunden sind. Letzteres haben wir auch in der Akade­mie hier konkret erleben können. Nach einer Veranstaltung hat die Preisträgerin spontan angeboten, dass man zusammen ein Akademiemodul entwickelt für junge Theolo­gin­nen und Theologen sowie Ärztinnen und Ärzte. Die ersten Verabredungen sind getroffen. Wir sind in der Fein­abstimmung für die Umsetzung und Terminfindung.

Solche Kooperationen machen viel Freude und wir sind dankbar als Akademie für solche Gelegenheiten des äußerst lebendigen interdisziplinären Austauschs zwischen Theologie und Medizinischer Wissenschaft und Praxis. Es ist für uns kein Wunder, dass neben vielen Wissenschaftspreisen, die Gerhild Becker erhielt, auch ihre Lehre mehrfach ausgezeichnet wurde mit ver­schie­denen Preisen, zuletzt dem Lehrentwicklungspreis der Universität Freiburg.

Vor jeder Zusammenschau hat Gerhild Becker aber die wichtigste Erkenntnis erlangt, um alles andere so veri­ta­bel bündeln und verknüpfen zu können: nämlich die, dass Leben und Tod eng zusammengehören und – damit auch Sterben und Leben. Sie hat den Mut gehabt, diese Zustände, Seinsweisen, als zusammengehörig zu denken und sich dann auch mit ihrem Beruf ganz für die Erkenntnis einzusetzen: Zum Leben gehört Tod, zum Tod gehört Sterben, Sterben ist ein Teil des Lebens.

Warum braucht es dazu Mut – klingen diese Verbindun­gen doch, so nebeneinander gestellt, eher normal, ja viel­leicht sogar banal? In der Beschäftigung mit dem Thema Sterben ist ein Feld in der Medizin beschritten, das vielfach Respekt, Distanz, Scheu einflößt oder doch zum mindesten für viele gar nicht attraktiv ist.

Denn es ist der Bereich des Lebens, in dem die eigene Macht – des Menschen schlechthin, aber im speziel­len die Macht des Patienten und vor allem auch des Arztes – sichtbar eingeschränkt ist: Da ist nichts mehr zu machen, im Sinne von heilen, therapieren. Denn beim Sterben bleibt der erwartete Erfolg ärztlichen Handelns ja aus: die Gesundung, Heilung. Das ist ein Stachel. Und nach dem Tod berichtet auch kein Patient, dieser Arzt ist gut, der hat mir sehr geholfen, zu dem kann man gehen. „Halbgötter in Weiß“ wurden früher oft Ärzte mit angehaltenem Atem genannt, weil ihnen der Nim­bus des über die Krankheit Mächtigen, des gesund Machen­den zugeschrieben wurde. Einerseits war das eine Zuschreibung, weil man es sich so erhoffte, ande­rer­seits war es sicher auch oft der Ausdruck eines ärztlichen Selbstverständnisses: Die Macht zu haben, gesund zu machen, Leben zu erhalten. Etwas machen zu können. Sich nun mit dem Abschnitt des Lebens zu beschäftigen, in dem man nichts mehr machen, sprich nicht mehr heilen, nicht mehr therapieren kann, ist oder war zumindest in der Medizin lange Zeit nicht populär. Wir merken es noch an den Zahlen der Lehrstühle und ihrer Ausstattung, ich erwähnte es oben. Als Gerhild Becker ihr Studium begann, gab es keinen Lehrstuhl dafür. Das zeigt, wie jung die Disziplin ist, und wie viel Pioniergeist sie brauchte und bis heute braucht. Wer sich wie Frau Professor Becker der Palliativmedizin widmet, hat mit diesem Nimbus des Machens, der Macht über das Leben nichts zu tun.

Wer sich der Palliativmedizin verschreibt, akzeptiert, dass es etwas gibt, das manche Schicksal nennen, es also ein dem Menschen von außen Gegebenes gibt. Oder – christlich gesprochen – dass das Leben sich einer anderen Macht verdankt als der menschlichen, Gott.

Jede/r Palliativmediziner/in muss das erst einmal akzep­tie­ren. Und das hat die Preisträgerin getan. Dazu gehört auch, dieses Faktum nicht nur auszuhalten, sondern darauf ansprechbar zu sein. Farbe zu bekennen, dem Sterben und dem Sterbenden ins Auge zu blicken, dem Tod zu begegnen und über den Tod zu sprechen. Und das auch mit Experten, die gegebenenfalls mehr wis­sen darüber, weil sie näher dran sind. Das braucht Mut.

Wer im Angesicht des Todes gar über das Leben spricht, braucht auch dafür eine ganze Portion Mut, denn es wird oft in gewisser Weise radikal. Es geht an die Wurzel dessen, was Leben ausmacht. Für beide Gesprächspartner.