Die Anhänger der Liebe - Dominik Ruder - E-Book

Die Anhänger der Liebe E-Book

Dominik Ruder

4,9

Beschreibung

Jenny ist aufgeschmissen. Vor wenigen Sekunden war ihr Leben noch in Ordnung und dann, aus heiterem Himmel, verlässt ihr Vater die Familie. Für sie der absolute Beweis, dass Liebe purer Schwachsinn ist. Sie gibt sich selber das Versprechen, sich niemals auf das Spiel mit der Liebe einzulassen. Doch als der beliebteste Junge der Stadt, Jet Wilder, zu ihrer Schule wechselt, kommt sie ins Wanken. Wird sie es schaffen, der Versuchung zu widerstehen? Und was hat ihre Oma Hilde mit der ganzen Situation zu tun?

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Die Anhänger der Liebe

Ein Roman von
Dominik Ruder
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die Anhänger der Liebe Dominik Ruder
1. überarbeitete Neuausgabe Februar 2017
© 2017 DerFuchs-Verlag D-69231 Rauenberg (Kraichgau) [email protected] DerFuchs-Verlag.de Korrektorat/Lektorat: Sabrina Georgia, [email protected]
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk, einschließlich aller Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, Verbreitung, Übersetzung und Verfilmung liegen beim Verlag. Eine Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ohne Genehmigung des Verlags ist strafbar.
ISBN 978-3-945858-32-5 (Taschenbuch)
ISBN 978-3-945858-33-2 (E-Book)

Ich widme dieses Buch meiner treuen Freundin Simge, die mich schon mein halbes Leben lang begleitet und mich stets dabei unterstützt und ermutigt hat, dieses Buch zu schreiben.

Kapitel 1

Ich liebte diesen See. Hier war es so schön ruhig und friedlich. An diesem lauwarmen Sommerabend zwitscherten hier nur ein paar Vögel und der Wind streichelte mir sanft durchs braune Haar. Es war mein Lieblingsort, etwas außerhalb der Stadt. Ich schaute auf das schmutzige blaue Wasser, welches die Farbe meiner Augen widerspiegelte und beobachtete die Luftblasen, die aus dem Wasser aufstiegen. So ein Leben wie ein Fisch müsste man haben! Versteckt in der Dunkelheit der Tiefe leben und nur an die Oberfläche kommen, wenn man es auch wirklich musste.

»Jenny? Jenny, wo bist du?«

Das Rattern einer Fahrradkette und die schrille, aber nicht zu laute Stimme meiner besten Freundin Alina näherten sich. Zum Glück, denn noch länger und ich wäre zu den Fischen ins Wasser gesprungen.

»Ach, da bist du ja!«, sagte sie mit einem Lächeln im Gesicht, dass nur sie drauf hatte. Jedes Mal dachte man sofort, dass die Welt in Ordnung war, obwohl meine gerade in elenden Trümmern auf dem Boden der Tatsachen lag. »Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Was ist denn passiert?«

Sie setzte sich zu mir ans Ufer und schaute mich mit ihren kleinen, braunen Hundeaugen an. Keine Chance – diesem Blick würde selbst ein verbitterter, rüstiger Rentner nicht lange standhalten. Selbst wenn ihr langes blondes Haar sie manchmal etwas naiv wirken ließ, wusste ich, dass sie mehr drauf hatte, als mancher ihr zutraute. Ich holte also noch einmal tief Luft und begann, die Geschichte zu erzählen.

»Also ... ähm ... ich sag´s einfach gerade heraus, okay? Mein Vater hat uns verlassen.«

Sofort änderte sich ihre Miene. Das Lächeln verschwand und ihr eben noch leuchtender Blick wurde irgendwie leerer.

»Das tut mir echt leid! Erzähl«, sagte sie und ich schaute wieder aufs Wasser.

»Ich kam vorhin aus der Schule nach Hause. Als ich die Tür öffnete und in die Wohnung kam, lagen überall Klamotten auf dem Boden verstreut. Ich ging vorsichtig weiter hinein. Zuerst dachte ich an einen Einbrecher, aber dann, als ich im Wohnzimmer ankam, sah ich meine Mutter auf dem Sofa mit leerem Blick und einem Brief in der Hand. Ich fragte, was passiert war und wo Dad sei, aber sie hielt mir nur den Brief hin. Irritiert nahm ich ihn, denn ich hatte ja keinen Schimmer was drin stand und begann zu lesen. Mir wurde ganz anders. Natürlich erkannte ich Dads Handschrift. Er schrieb, dass er eine Neue hätte und uns schweren Herzens verließ. Er wolle ein neues Leben beginnen. Es falle ihm schwer, uns so zurückzulassen, aber es wäre das Beste für alle.«

Erschöpft atmete ich aus und schaute erneut zu Alina. Sie blickte noch immer konzentriert auf das Wasser und fragte mich, was ich jetzt machen wollte. Zugegeben, ich hätte jetzt gern meinen Vater gesucht und ihm eingetrichtert, seinen Arsch wieder zu uns nach Hause zu bewegen, dass dies ein ganz gemeiner Scherz war und er sich sofort bei Mum entschuldigen sollte! Aber das ging nicht. Das war leider kein Traum, sondern die Realität.

»Du kannst heute bei mir schlafen, wenn du erstmal nicht nach Hause willst«, sagte sie, aber ich lehnte ihr freundliches Angebot mit einem zaghaften Lächeln ab.

»Nein, ich muss zu Mum. Ich weiß nicht, wie es ihr geht und ich fühle mich auch nicht gut dabei, sie allein gelassen zu haben.«

Ich sah, dass es Alina nicht gefiel, aber trotzdem stand sie auf, nahm ihr Rad und wartete bis ich folgte. Ich hatte ganz vergessen, wie lange ich hier schon gesessen hatte, meine Beine jedoch nicht. Jeder Schritt tat weh, aber ich zeigte es nicht. Ich musste jetzt beweisen, wie stark ich war. Schließlich gehörte ich nicht zu der Sorte Mädchen, die bei einem abgebrochenen Fingernagel sofort einen Eiertanz aufführte.

Wir stiegen auf unsere Räder und fuhren den kleinen Waldweg entlang, weg vom See und zurück in die Stadt. Diese Strecke brachten wir noch zusammen hinter uns. Bevor Alina nach links abbog und sich unsere Wege trennten, lächelte sie mich ein letztes Mal mitfühlend an.

»Wenn etwas ist oder du einfach nur reden möchtest, dann melde dich bei mir, okay? Jederzeit!«, rief sie mir zu.

Sie war genau die Art von bester Freundin, die sich einfach jedes Mädchen wünschte, aber nicht jede fand. Ich nickte ihr zu und schon war Alina verschwunden.

Während des restlichen Wegs durch die einsamen Straßen der Wohnsiedlung grübelte ich, wie wir uns eigentlich kennengelernt hatten. Ich glaube, es war im Kindergarten gewesen. Damals hatte ich im Sandkasten gespielt und eine tolle Sandburg gebaut. Sie war riesengroß, die Größte des ganzen Kindergartens! Aber dann kam Dylan. Er war damals der Rowdy des Kindergartens. Nahezu jedes Kind hatte er bereits tyrannisiert und natürlich verschonte er auch mein Meisterwerk nicht. Gerade als er mit seinen Pranken die Burg zerstört hatte und ich nur fassungslos zuschauen konnte, nahm Alina ihre Plastikschaufel und schlug sie Dylan über den Kopf.

Von diesem Moment an war Alina nicht mehr nur ein Mädchen, welches neben mir im Sandkasten spielte. Sie war das Mädchen, das meine Sandburg vor dem Riesentroll namens Dylan verteidigt hatte. Meine Heldin! Im Grunde war sie das heute noch ...

Als ich endlich an unserem Haus ankam, schob ich das Fahrrad in den Radständer und legte das Schloss an. Meine Familie wohnte in einer Reihenhaushälfte. Jetzt also nur noch meine Mum und ich.

Langsam schlich ich durch den Vorgarten und musste meine Augen wirklich anstrengen um noch etwas zu sehen, denn die Dämmerung setzte bereits ein und selbst bei Tag war es eine recht dunkle Ecke. Behutsam zog ich den Haustürschlüssel aus der Hosentasche und versuchte, so wenig Lärm wie möglich zu machen. Mit etwas Glück würde ich mich unbemerkt in mein Zimmer schleichen können und musste meiner Mutter nicht mehr über den Weg laufen. Darauf hatte ich gerade überhaupt keine Lust, auch wenn sie nichts dafür konnte. Ich musste allerdings erstmal meine eigenen Gefühle sammeln. Dieser Brief von Dad hatte mich komplett durcheinandergebracht.

Kaum drehte ich den Schlüssel, öffnete sich die Tür auch schon. Es war sehr seltsam, nichts zu hören, und noch nicht einmal Licht war an, nirgendwo im Haus. Mum musste wohl schon schlafen gegangen sein. Ich zog meine Schuhe aus und stieg die Treppe ins Obergeschoss hoch. Mit jeder Stufe wurde es etwas lauter. Aus dem Schlafzimmer meiner ... Moment ... aus dem ehemaligen Schlafzimmer meiner Eltern hörte ich ein leises Schluchzen und Wimmern. Mum! Sie weinte sich offenbar in den Schlaf. Das zu hören versetzte meinem Herzen einen Stich. Ich war drauf und dran das Haus wieder zu verlassen. Zum Glück befand sich mein Zimmer direkt neben der Treppe. Ich ging hinein und schloss die Tür hinter mir zu. Heute wollte ich keinen mehr sehen oder hören. Das ertrug ich einfach nicht mehr.

Noch in Klamotten legte ich mich aufs Bett und schaute in den mittlerweile hell leuchtenden Sternenhimmel. Während ich versuchte, den Blick auf einen einzelnen Stern zu konzentrieren, schossen mir all die Fragen durch den Kopf, die ich bislang noch hatte verdrängen können. Warum war mein Dad gegangen? Liebte er mich und meine Mum nicht mehr? Zugegeben, ich hatte nicht gerade ein enges Verhältnis zu ihm. Er war dauernd arbeiten oder auf Geschäftsreise und kaum zu Hause, aber Mum hatte oft mit ihm geskypt und telefoniert.

Ich war nur selten dabei gewesen, da ich es einfach nicht wollte. Meine Sehnsucht nach ihm wäre nur noch schlimmer geworden, wenn ich lediglich seine Stimme hätte hören können.

Wieso tat er uns das an? Wie sollte es jetzt weitergehen? Ich hatte bereits genug damit zu tun, mein eigenes Teenagerleben auf die Reihe zu bekommen! Und jetzt sollten noch die Flucht meines Vaters und meine am Boden zerstörte Mum zu den Problemen zählen? Mann, das war alles so ungerecht! Bei mir lief es nie gut ... Andauernd wurden mir Steine in den Weg gelegt. Es war nun alles zu viel. Langsam hielt ich es echt nicht mehr aus!

Auf einmal bemerkte ich, wie mir eine Träne über die Wange kullerte und ich beschloss, dass es jetzt genug war. Es reichte wirklich! Meine Mum war schon eingeknickt, also musste wenigstens ich stark bleiben. Die Liebe war grausam, nicht mehr und nicht weniger. Der letzte Schrott!

Langsam stand ich auf, um die Jalousie herunterzuziehen. Im Dunkeln konnte ich einfach besser schlafen. Doch etwas auf dem Schreibtisch vor meinem Fenster spiegelte das, diese Nacht ungewöhnlich helle, Sternenlicht wider. Vorsichtig nahm ich es in die Hand und hielt es ins Licht. Es war die Kette, die mir Alina vor Jahren einmal geschenkt hatte. Nichts Besonderes. Sie war in irgendeiner Stadt gewesen und hatte sie mir als Souvenir mitgebracht. An einer schwarzen Schnur hing ein kleines, etwa daumengroßes, silbernes Plättchen, in das NL eingraviert worden war. Ich hatte vergessen, wofür das einmal stand. Aber mir kam eine Idee. Ich legte die Kette an und beschloss, ihr eine feste Bedeutung zu geben. Das NL stand von diesem Tage an für ›NO LOVE‹, keine Liebe erlaubt. Sie brachte ohnehin nichts als Ärger, also wollte ich mich damit gar nicht erst beschäftigen. Von diesem Tag an gab ich mir selbst das Versprechen mich niemals auf einen Jungen einzulassen!

Kein Junge, kein Verlassenwerden, kein Schmerz ...

Kapitel 2

Boah! Ich hasste diesen gottverdammten Wecker!

Wer auch immer diese dummen Dinger erfunden hatte, gehörte weggesperrt! Ich konnte es ja schon so nicht leiden aufzustehen, aber wenn man aus einem schönen Traum geweckt wurde, dann war es umso schlimmer.

Geträumt hatte ich von einem Tag mit meinem Vater. Ich war, glaube ich, vier Jahre alt gewesen. Wir beide waren zusammen auf dem Spielplatz und während ich keines der anderen Kinder dazu motivieren konnte mit mir zu spielen, saß mein Dad auf einer Bank und schaute mir zu. Es brauchte nur einen einzigen frustrierten Blick zu ihm und sofort sprang er von der Bank auf und winkte mich zur Schaukel herüber. Gelassen hatte er mir zu verstehen gegeben, dass ich mich hinsetzen sollte und dann schubste er mich. Ich flog immer höher und höher und das Gefühl, ich könnte die Bäume in den Blattkronen streicheln und die Wolken wegpusten, wärmte meinen ganzen Körper. Nie werde ich mein herzhaftes Lachen an diesem Tag vergessen und die Glückseligkeit, welche aus seinem zufriedenen Lächeln hervorging, als er mir den Schwung gab.

Tja, ›Träume sind Schäume‹ und heute sah die Situation leider ganz anders aus. Ich sehnte mich zurück in die glücklichen Kindertage ... Ohne eine weinende Mutter, ohne bescheuerten Vater, einfach ohne diese ganze, dämliche Situation!

Während ich noch so dalag, und versuchte den Traum festzuhalten, meldete sich mein Magen mit lautem Knurren zu Wort. Das war das Zeichen fürs Frühstück. Nur mühsam und noch total schlaftrunken kam ich aus dem Bett und schritt zur Treppe. Aber wo blieb der übliche Krach?

Normalerweise war meine Mutter um diese Zeit bereits wach und es polterte mächtig in der Küche, da sie alles fürs Frühstück vorbereitete. Ich machte kurz kehrt und riskierte einen Blick in ihr Schlafzimmer. Nichts zu sehen. Selbst das Bett war gemacht. Es sah aus, als hätte sie letzte Nacht gar nicht hier geschlafen! Echt komisch. Auch in der Küche war nichts gemacht. Normalerweise lag auf einem Teller ein leckeres Tomatensandwich für mich bereit, stattdessen fand ich lediglich eine Notiz. Interessiert begutachtete ich den Zettel.

›Bin bei meiner Freundin. Sandwich steht im Kühlschrank. Viel Spaß in der Schule, Jenny!‹

Naja, wenigstens an das Sandwich hatte sie gedacht und es schmeckte, wie immer, fantastisch. Das war typisch für sie. Es hatte zwar Vorteile, wenn die eigene Mutter Frühaufsteherin war (Beweisstück A: mein Frühstück), aber leider auch Nachteile. Wenn der Tag bei mir nach dem Wecken nur unfreiwillig begann, war sie schon voller Tatendrang und erledigte alles. Einmal hatte sie es sogar gewagt, an einem Samstagmorgen gegen sieben Uhr den Staubsauger vor meinem Zimmer anzuschmeißen. Nachdem anschließend als direkte Reaktion wilde Schreie und Beschwerden meinerseits folgten, saugte sie nur noch nachmittags. Besser so!

Auf dem Weg mit dem Fahrrad zur Schule musste ich wieder durch die vielen kleinen Straßen der Wohnsiedlung. Kurz bevor ich zur Hauptstraße abbiegen wollte, sah ich, wie eine Ehefrau ihren Mann verabschiedete. Der dicke Ehering mit dem Klunker war kaum zu übersehen. Sie waren noch jung, wahrscheinlich frisch verheiratet. Bah, war das geschmacklos! Wozu seine Liebe so offen zeigen? Das konnte man auch im Haus tun, bevor man es verließ. Besonders dann, wenn aus dem Abschiedskuss solch ein Geschlabber wurde wie bei den beiden.

Wozu sich überhaupt verlieben? Es ist doch so: Man flirtete zunächst mit einem Jungen, dann traf man sich, bis man irgendwann zusammen war und kurze Zeit vielleicht sogar glücklich. Tja und dann?! Zum Schluss folgte das große Jammern. Der nie enden wollende Liebeskummer ... Die Trennung, die man selbst eigentlich nie wollte, aber es sollte eben einfach nicht klappen. Oder man lebte sich einfach auseinander. Kurz gesagt: Man hatte keinen Bock auf seine Partnerin und brannte mit einer Jüngeren durch!

So war das mit der Liebe: Sie brachte nichts als Schmerzen und Leid über einen. Mann, das war vielleicht das einzig Gute an Dads Verschwinden. Solche widerlichen Liebesbekundungen und Probleme gehörten nun der Vergangenheit an!

Wenn ich nur daran dachte, dass mein Vater, der mich damals auf der Schaukel so voller Wärme und Freude angelacht hatte, jetzt für immer verschwunden war. Vermutlich war er mit seiner Neuen auf eine kleine Insel geflogen, erstmal Urlaub machen. Schön zu zweit am Strand liegen und sich von der Sonne verwöhnen lassen. Oder aber sie verbrachten Zeit zusammen in den Bergen. Die frische Bergluft, das Wandern, der starke Mann, der seine Frau trug, wenn sie total erschöpft war. Oder noch besser: Sie waren direkt nach Las Vegas geflogen um dort zu heiraten. Warum nicht gleich Nägel mit Köpfen machen? Dann wäre alles in trockenen Tüchern. Ihm fiel es auch nicht schwer, uns allein zurückzulassen, warum sollte er also mit einer Blitzhochzeit Probleme haben? Promis machten das ja schließlich auch ...

›TUUUUUUUUUUUUUT!‹

Himmel! Einmal in Gedanken versunken und sofort fuhr ich vom Radweg auf die Straße. Dieses blöde Auto! Anstatt dass es mich so erschreckt mit seiner dummen Hupe, hätte der Fahrer mir auch freundlich sagen können, doch bitte auf dem Radweg zu fahren. Was war nur los mit den Menschen, dass sie immer zuerst an sich dachten? Das waren doch alles Idioten! Nicht mehr und nicht weniger.

Einige Meter weiter sah ich, wie Alina bereits auf mich wartete. Sie zu erblicken, den einzigen Menschen, der immer für mich da war, ja, das besserte meine Laune erheblich.

»Hey Jenny! Ist alles okay bei dir? Nachdem, was du mir gestern erzählt hast, mache ich mir echt Sorgen um dich!«, stellte sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck fest.

Ach, war sie nicht süß! Sowas konnte auch echt nur von ihr kommen.

»Nein, bei mir ist alles in Ordnung. Ich weiß, du denkst jetzt, ich verheimliche wieder was, aber ich glaube, ich komme damit schon klar. Meine Mutter hat´s da schwerer.«

Sie nickte nur verständnisvoll und stellte keine weiteren Fragen mehr. Sie stand nur da, schaute mich an und lächelte. Wo wäre ich nur ohne sie?

»Aber ich muss dir noch was erzählen!«, fiel mir ein.

Direkt wurde aus ihrem Lächeln ein neugieriger Blick. Die Augenbrauen zusammengezogen, die Stirn gerunzelt und dieser fragende Blick, den Hunde drauf hatten, wenn ihnen nur vortäuschte, ihren Lieblingsball geworfen zu haben. Ich erzählte ihr von der Kette und von dem Versprechen, welches ich mir in der letzten Nacht selbst gegeben hatte. Das Detail meiner weinenden Mutter ließ ich weg. Sie machte sich ohnehin bereits zu viele Sorgen um mich, da musste sie das nicht auch noch wissen.

»Bist du dir auch sicher, dass du das schaffst? Ich meine, ob du dich verliebst oder nicht, das kannst du doch gar nicht beeinflussen!«, fragte sie mich.

»Und wie ich das kann! Ich entscheide doch selbst, ob ich Gefühle zulasse. Es ist meine Entscheidung und ich will von Liebe und diesem Kram nichts mehr wissen. So etwas brauche ich in meinem Leben einfach nicht!«, antwortete ich entschlossen.

Erneut sah sie mich nur besorgt an. Doch dann veränderte sich ihr Blick zu dem, den ich absolut nicht leiden konnte. Es war diese Mischung aus Unglaube und fast schon Schadenfreude. Mit hochgezogenen Mundwinkeln!

»Na gut, ich bin gespannt, wie lange du es durchhältst. Jeder von uns verliebt sich irgendwann, das kannst du nicht steuern«, meinte sie mit ungläubigem Unterton.

»Du wirst schon sehen!«, antwortete ich mit einem Konterblick, der seine Wirkung allerdings nicht lange genug entfalten konnte, da wir bereits in der Schule angekommen waren.

Noch am Fahrradständer kam mir etwas entgegen, was ich nur als ›Bling-Bling-Barbie‹ bezeichnete. Es handelte sich dabei um Abby. Sie war das reichste Gör an der Schule. Neben den ganzen Designerklamotten und dem persönlichen Stylisten, welcher sie jeden Tag neu zurechtmachte und ihr ihre Outfits heraussuchte, hatte sie natürlich auch noch Freude daran, alle, die ihrer Meinung nach unter ihr standen, zu schikanieren. Eine ganz normale, natürlich bei den Jungs sehr beliebte, Oberzicke eben.

»Tz, Jenny, was soll das denn für eine lächerliche Kette sein?«, schnarrte sie natürlich gleich los.

Jetzt, da ich nicht mehr auf dem Rad saß, sah man die Kette durch meine geöffnete Jacke hervorblitzen.

»Halt eine ganz normale Kette eben. Was juckt es dich eigentlich? Du interessierst dich doch nur für den neusten Schnickschnack.«

Ein hämisches Grinsen breitete sich langsam auf Abbys Gesicht aus und das passte mir absolut nicht.

»Natürlich! Sieht doch jeder, dass das ein billiges Plagiat ist. Naja, ich muss ja zugeben, es passt schon irgendwie zusammen. Eine schlechte Kopie, getragen von einer noch miserableren Fälschung.«

Noch bevor ich kontern konnte, mischte sich Alina in das Gespräch ein.

»Lieber ist sie eine schlechte Fälschung, als so eine Fehlproduktion wie du!«

Mit empörtem Blick und einem etwas unverständlichen Laut schwang sie ihre Designerhandtasche in unsere Richtung und zog ab. Alina und ich schauten uns nur grinsend an.

»Der war Top, High-Five!«, freuten wir uns über diesen Sieg.

Noch immer amüsiert übers Abbys dämlichen Gesichtsausdruck gingen wir ins Schulgebäude. Das würde ein langer Tag werden, aber vielleicht bot er mir ja etwas Ablenkung. Die wäre gerade jetzt gar nicht so schlecht ...

Kapitel 3

Mittag. Schulschluss. Endlich! Das war ein furchtbarer Tag. Jede freie Minute verfolgten mich die ganzen schönen Erinnerungen von mir und meinem Vater und jede davon stellte ich infrage. Gedanken wie ›Hat er mich damals wirklich geliebt?‹, oder: ›Wenn er jetzt weg ist, was nützen mir die schönen Erinnerungen dann überhaupt? Wieso tut er sowas?‹, ließen sich einfach nicht abschütteln. Und mit jeder weiteren Frage kam der Moment, in dem ich darauf keine Antwort hatte. Meine Ratlosigkeit schlug in Wut um und bitte sehr: Schon liebte ich meinen Vater nicht mehr! Na gut, ich liebte ihn immer noch, ist ja schließlich mein Vater. Aber irgendetwas war anders.

Vielleicht hätte ich darüber gar nicht nachdenken sollen. Möglicherweise sollte ich es einfach vergessen oder mich damit abfinden. Er würde nicht zurückkommen. Ganz sicher. Eventuell sollten wir nach vorn sehen. Trotzdem: Mein Versprechen blieb bestehen! Niemals würde ich mich verlieben. Das, was meiner naiven Mutter widerfahren war, würde mir auf keinen Fall passieren!

»Hey! Ich wollte mich doch noch von dir verabschieden. Ich muss jetzt los zum Klavierunterricht«, sagte Alina, als sie putzmunter und fröhlich auf mich zu spaziert kam.

Ich setzte mein schönstes, vorgetäuschtes Lächeln auf, obwohl ich wusste, dass sie es durchschauen würde. Trotzdem, die Botschaft war angekommen. Ihre Mundwinkel hingen nun etwas tiefer, aber sie fragte nicht weiter.

»Wir schreiben uns übers Smartphone, okay Jenny? Bitte melde dich aber auch!«, sagte sie vorsichtig.

»Ja, mache ich, keine Sorge. Ich schaffe das schon.«

Sie nickte, wir umarmten uns und sie schwang ihren eleganten Körper aufs Fahrrad, um wie der Wind davon zu sausen. Okay, zugegeben, nicht wie der Wind. Eher wie eine Brise. Ein laues Lüftchen. Aber es war ja auch echt schwer, bei Gegenwind ordentlich Fahrt zu bekommen. Erst recht, wenn man ein kleines Klapprad fuhr.

Zum Glück hatte ich solche Probleme nicht. Sofort ab aufs City-Bike und durch die Stadt. Ich wollte nicht direkt nach Hause, denn dort erinnerte mich einfach alles an Dad. Außerdem kannte ich da jemanden, der mir wohl gut helfen konnte. Auf dem Weg kam ich an den unterschiedlichsten Läden vorbei. Einer Wäscherei, die früher einmal ein Sushi-Restaurant gewesen war. Auch fuhr ich an einem kleinen Kino vorbei, das einmal als Schwimmbad viele Leute zum Baden eingeladen hatte. Aus den Schwimmbecken waren einfach Kinosäle gemacht worden. Gute Idee eigentlich, nur, nach Urin stank es dort immer noch wie im alten Schwimmbad!

In der Stadtmitte angekommen, suchte ich mir einen Fahrradständer und ging geradewegs zum Café. Na also, da saß sie! Wie erwartet. Eingewickelt in einer roten Decke vor dem Lokal und schlürfte Espresso. Ihre kurzen grauen Haare waren unter einer Pudelmütze versteckt und ihr Mantel ließ sie aussehen wie die etwas dünnere Schwester des Michelin-Männchens. Ihre ebenfalls grauen Augen erblickten mich und strahlten sogleich eine ungeheure Wärme und Freundlichkeit aus. Da würde jeder Stern direkt eifersüchtig werden. Ihr faltiges Gesicht begann zu lächeln.

»Jenny! Du hier? Du glaubst gar nicht, wie sehr mich das freut! Ich habe dich ja so vermisst!«, sagte sie und schlang ihre Arme um mich.

»Ja, Oma Hilde, ich hier. Ich wollte etwas mit dir besprechen. Du bist gerade, neben Alina, der einzige Mensch, dem ich noch vertraue.«

Sofort wurde ihre Miene ernst. Sie schaute mich fragendem Blick an und bedeutete mir, ich solle berichten, was mir auf dem Herzen lag. Zurückhaltung war gerade zur Zeit nicht meine größte Stärke und so plapperte ich wie ein Wasserfall. Ich erzählte von den Eltern, wie es mir dabei ging, dass ich scheinbar allen egal war und wie der heutige Schultag ausgesehen hatte. Das Detail mit der Kette und meinem Versprechen ließ ich weg. Ich meine, Omas müssen ja nicht alles wissen!

»Oh, meine Kleine ..., du hast aber viel erlebt in den letzten Tagen ...«, seufzte sie und streichelte dabei sanft über meine Wange.

»Ich weiß. Ich brauche einen Rat. Was soll ich tun?«

Sie sah nachdenklich in ihren mittlerweile erkalteten Espresso und nach einem Moment des Schweigens begann sie zu sprechen, ohne aufzusehen.

»Naja ... Jenny ..., weißt du, als ich mich damals mit deiner Mutter verkrachte, war dein Vater einer der Gründe dafür. Sie waren gerade erst frisch zusammen gewesen und wollten direkt heiraten. Es ging alles viel zu schnell, wenn du mich fragst. Ich sagte ihr deutlich, dass ich davon nichts hielt und dass es dieser Typ nicht wert war. Ich erklärte ihr, er wäre nicht der Richtige. Mütter spüren sowas. Sie aber wollte nicht auf mich hören. Sie warf mir vor, ich hätte keine Ahnung! Ich wäre zu verblendet und könne sie nicht gehenlassen, weil sie mich doch im Alter pflegen sollte. Sie habe doch nur meine billige Pflegekraft zu spielen.«

Wow, das war mir neu. Nie hatte sie mir davon erzählt. Immer, wenn ich Mum auf Oma Hilde ansprach, sagte sie nur, da gäbe es nichts zu wissen. Wie hatte sie so etwas Dummes und Furchtbares tun können?

»Wir haben nach diesem Streit ewig nicht mehr miteinander gesprochen. Zumindest, bis du auf die Welt kamst. Gleich nach deiner Geburt eilte ich ins Krankenhaus, um euch zu besuchen. Als ich jedoch in das Zimmer deiner Mutter trat, machte sie mir klar, ich solle es sofort wieder verlassen. Sie sagte, da ich ein Problem mit ihrem Mann hätte, hätte ich auch kein Anrecht auf eine Enkelin, da du ja zur Hälfte deinem Vater gehören würdest.«

Völlig geschockt fragte ich:

»Das hat Mum gesagt? Spinnt die Frau? Was hat die denn bitte über mich zu bestimmen?! Und ganz sicher gehöre ich nicht zur Hälfte meinem Vater! So ein Bullshit!«

Doch bevor ich mich weiter aufregen konnte, nahm sie meine Hand und lächelte mich an.

»Ich weiß, mein Kind, ich weiß. Nimm es deiner Mutter nicht übel. Das mache ich auch nicht. Sie war nun einmal verliebt. Weißt du, Jenny, wenn wir verliebt sind, machen wir die dümmsten Dinge und die Konsequenzen unserer Liebestaten werden uns meist erst viel später bewusst. Jedenfalls habe ich mich durchgesetzt und nachdem du als kleines Kind immer öfters nach deiner Oma gefragt hast, durfte ich dich ab und an besuchen. Aber nie länger als eine halbe Stunde und immer nur unter der Aufsicht deiner Eltern. Meist die deines Vaters, der dann auch gern versuchte, mich rauszuwerfen. Aber so leicht ließ ich mich nicht von meiner Enkelin trennen!«

Ihr Lächeln war erschlafft und ich sah, wie ihr eine Träne aus dem Auge rann und an ihrer eingefallenen Wange hinab lief.

Ich wusste gar nicht, was ich dazu sagen sollte. Die Geschichte hörte ich zum ersten Mal! Ich war sauer, aber auch traurig und unglaublich enttäuscht. Fassungslos dachte ich über die Dummheit meiner Mutter nach und wurde noch wütender bei dem Gedanken an die Skrupellosigkeit meines Vaters gegenüber Oma. Wie konnten sie ihr das nur antun? Oma Hilde war die liebste und einfühlsamste Frau der Welt! Niemals könnte ich ihr so etwas antun. Erst recht nicht, wenn sie meine Mutter wäre.

Sie wischte sich die Träne weg und durchschaute den Ausdruck in meinem Gesicht. Sofort versuchte sie, sich zu fangen, und fuhr fort.

»Jenny, ich habe gelernt zu verzeihen. Ich möchte auch, dass du versuchst, deine Mutter zu verstehen. Ich denke, jetzt, da dein Vater euch verlassen hat, wird ihr erst bewusst, was sie alles angestellt hat. Habe Verständnis für sie und ihre Situation. Gib ihr Zeit. Ich weiß, dass auch du Zeit brauchst und dass es keinesfalls einfach für dich ist. Aber ich habe ihr bereits verziehen und wenn ich als alte Frau das schaffe, dann schaffst du es auch. Da bin ich mir ziemlich sicher.«

Mit mildem Lächeln schaute sie mir direkt in die Augen und diesmal war ich diejenige, der die Tränen übers Gesicht liefen. Ich war überwältigt, geschockt, fassungslos und noch viele weitere Gefühle kämpften in meinem Herzen um Aufmerksamkeit. Alle gleichzeitig und jedes wollte das Andere übertreffen.

»Oma ..., danke ..., ich weiß nicht, was ich sagen soll ...«, versuchte ich, mich zu erklären.

»Du musst gar nichts sagen. Kind, fahr nach Hause. Ruh dich aus. Finde erstmal ein wenig Frieden und verarbeite das Ganze. Du brauchst jetzt Zeit, genau wie wir alle.«

Ich stand auf und schloss sie zum Abschied in die Arme. Nicht so, wie sich Freunde verabschiedeten ... Ich umarmte sie so fest, als würde man sie mir entreißen wollen. Niemals könnte ich jemandem das antun, was meine Mutter ihr angetan hatte. Niemals!

Auf dem Heimweg bemühte ich mich, meine Gedanken zu ordnen. Es war wirklich schwer, alles zu verarbeiten und zu verstehen. Viel zu viele Fragen schwirrten mir durch den Kopf und verlangten, beantwortet zu werden. Es war echt zu viel! Ich ging ins Haus und sofort hörte ich aus dem Wohnzimmer die Stimme meiner Mum.

»Jenny? Bist du es?«

»Ja«, antwortete ich kurz und knapp. Ich wollte jetzt nicht mit ihr reden.

»Bitte, komm doch mal ins Wohnzimmer. Wir haben etwas zu besprechen.«

Verdammt, das hatte mir jetzt gerade noch gefehlt! Nur sehr langsam und unwillig betrat ich das Wohnzimmer, absolut ahnungslos, was mich dort erwarten würde. Ich wurde überrascht. Dem wimmernden, schluchzenden Häufchen Elend von letzter Nacht nach hätte hier eine total aufgelöste Frau sitzen müssen, die nicht mehr wusste, wie sie weiterleben sollte. Stattdessen saß das genaue Gegenteil auf unserem Sofa. Mum sah top aus! Die Haare waren zu einer Hochsteckfrisur frisiert, sie trug ihre Business-Kleidung und ihr Make-up sah einfach nur klasse aus.

»Setz dich, Schatz!«, sagte sie und klopfte mit der Hand neben sich aufs Sofa. »Ich möchte dir etwas sagen. Ich weiß, du hast in letzter Zeit einiges durchgemacht und wir haben dir auch viel zu viel zugemutet. Aber das ändert sich jetzt! Wir sind nun auf uns allein gestellt und wir werden das schon schaffen. Meine Freundin wird uns ab und an helfen und dir ebenso, wenn ich auf der Arbeit bin. Ich habe meinen alten Job als Sekretärin wieder aufgenommen und wir werden damit gut über die Runden kommen. Vielleicht ist da nächstes Jahr sogar mal wieder ein schöner Sommerurlaub drin!«

Damit hatte ich definitiv nicht gerechnet. Sie sagte das Ganze mit einem so gefestigten und wirklich entschlossenen Blick, dass ich fast schon glaubte, es könnte tatsächlich ihr ernst sein.

»Wir werden es auch zu zweit ohne deinen Vater schaffen. Ich bin deine Mutter und du kannst immer auf mich zählen!«

Sie lächelte mich zuversichtlich an und gab mir einen Kuss auf die Wange. Mir huschte ebenfalls ein kurzes, erleichtertes Lächeln übers Gesicht und das genügte ihr bereits als Bestätigung. Schnell verkroch ich mich danach in meinem Zimmer und begann mich zu fragen, was eben passiert war.

Gestern war sie noch ein absolutes Frack gewesen. Entweder war ihre Freundin eine Lebensberaterin erster Klasse oder sie fing sich nur für mich. Nur meinetwegen, weil sie wusste, dass ich von nun an auf sie angewiesen sein würde und auf sie zählen können musste. Das hatte ich ihr dennoch nicht zugetraut. Scheinbar hatte sie die Stärke und Entschlossenheit doch von Oma Hilde geerbt. Ich hoffte sehr, dass dies auch auf mich zutraf.

Allerdings blieb die Frage, was ich jetzt tun sollte. Fassten wir es mal kurz zusammen: Mein Vater war ein Schwein, meine Mutter ein Fels und meine Oma eine Heilige. Und dann war da noch ich ... Irgendwie mittendrin und einfach nur verwirrt. Meinen Vater wollte ich so schnell wie möglich vergessen. Meiner Oma wollte ich unbedingt helfen sich mit meiner Mutter zu versöhnen. Ich wusste, das würde meine Mutter von allein nicht zulassen, dafür war sie zu stur. Das Gute daran schien jedoch zu sein, dass ich den Dickkopf von ihr geerbt hatte. Deshalb würde ich nicht eher Ruhe geben, bis die beiden wieder glücklich vereint waren. Außerdem glaubte ich auch, dass die Situation meine Mutter wesentlich mehr belastete, als sie zugeben mochte oder zeigte. Naja, und mein Versprechen, mich nicht zu verlieben, musste ich auch noch irgendwie unterbringen. Ich hatte mir da einiges vorgenommen. Aber am wichtigsten war jetzt erstmal eins: Wie bekam ich Oma und Mum wieder zusammen?

›BRRRRRRR ... BRRRRRRRR ... BRRRRRR ...‹ Mein Smartphone vibrierte. Es war eine neue Nachricht von Alina.

›Du wolltest dich doch melden, Jenny! Ich habe unglaubliche Neuigkeiten für dich! Wir haben einen neuen Typ an der Schule. Du glaubst nicht, wer es ist. JET! Es ist Jet Wilder!‹

Kapitel 4

Gäääähn, guten Morgen Welt. Für das, was gestern alles passierte, hätte ich definitiv noch einiges an Schlaf nachzuholen! Jetzt wusste ich, wie sich ein Siebenschläfer fühlen musste, wenn ihn die Jahreszeit weckte. Ein schreckliches Gefühl ... Ich drehte meinen Kopf in Richtung des Nachttisches und sah dort mein Smartphone liegen. Die Nachrichten-LED leuchtete auf. War ja klar! Alina hatte mir ja gestern noch geschrieben. Es ging um Jet ..., oh je, Jet Wilder war jetzt an unserer Schule! Den Schock hatte ich gestern total verdrängt.

Jet war das, was man einen ›It-Boy‹ nennen konnte. Er war Fußballer und natürlich auch der Beste der ganzen Stadt, spielte in irgendeiner Oberliga. Als Sportler hatte man natürlich unglaublich durchtrainierte Oberarme und ein echtes Sixpack. Ich hatte diese einmal im Freibad betrachten können. Starke Wangenknochen zierten sein Gesicht, und die wilde, blonde Haarmähne wurde durch seine leuchtend grünen, smaragdfarbenden Augen nur noch mehr betont. Eben ein absoluter Traummann, weswegen ihm auch alle Mädchen der Stadt zu Füßen lagen und er jede haben konnte. Nur mir war er egal! Ich machte mir noch nie was aus solchen Möchtegern-Idioten. Sollten ihm doch alle anderen hinterherlaufen, ich hatte meine eigenen Probleme.