Die Antariksa-Saga III - Die Faust des Goffrukk - Alexander Merow - E-Book

Die Antariksa-Saga III - Die Faust des Goffrukk E-Book

Alexander Merow

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Beschreibung

Orkkönig Grimzhag ist mit seiner Horde in den Westen von Manchin eingefallen und die Grünhäute werden zu einer immer größeren Bedrohung für das Reich der östlichen Menschen. Während Himmelskaiser Yuan-Han III. noch immer nicht weiß, wie er auf den unerwarteten Angriff reagieren soll, ruft sein Sohn Song-Han die verbliebenen Streitkräfte des Imperiums zusammen. Schon bald wird der junge Thronfolger zu einer Ikone des Widerstandes gegen die Orks. Zaydan der Händler verfolgt derweil seine eigenen Pläne und versucht, möglichst großen Gewinn aus dem immer grausamer werdenden Krieg zu ziehen ...

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Alexander Merow

Roman

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

www.engelsdorfer-verlag.de

»Ich habe im Laufe meines langen Lebens umfassende Werke über die Geschichte unseres Imperiums verfasst. Als Lehrer an der kaiserlichen Hochschule in Kaifeng erzählte ich meinen Schülern viele Jahre lang von den großen Herrschern der alten Zeit. Sie hörten vom Aufstieg des ehrwürdigen Chin-Sung; vom Bau der Großen Mauer, den einst Chung-HsienI. begonnen hatte, von den streitenden Reichen und dem legendären Kampf zwischen dem Hause Pei und seinen Rivalen vom Adelsgeschlecht der Chang.

Doch nicht nur das! Ich habe den jungen Gelehrten manchmal sogar etwas über die fernen Länder des Westens erzählt, obwohl ich gar nicht viel über sie weiß, wenn ich ehrlich bin. Bei meinen Geschichten über die Elben und Zwerge habe ich mir oft nur Dinge ausgedacht, aber das ist den jungen Gelehrten niemals aufgefallen. In Wahrheit wissen wir Manchinen – selbst wir Geschichtsschreiber – nur wenig über die Länder jenseits des Eisgebirges. Die meisten Berichte stammen von Kaufleuten, aber bei diesen Leuten weiß man nie, was man wirklich glauben soll.

Eines Tages fragte mich einer meiner Schüler, ob ich nicht auch etwas über das Volk der Orks zu sagen wüsste, doch ich habe nur schallend gelacht. »Die Grünhäute leben in den Einöden der Welt und sind schon fast ausgestorben. Das ist alles, was man über sie wissen muss«, habe ich ihm geantwortet und mich über die Dummheit seiner Frage amüsiert.

Jetzt stehe ich auf der Stadtmauer meiner Heimatstadt Hijkang, in der ich meinen Lebensabend verbringen wollte. Ich stehe zwischen zwei steinernen Zinnen, Buch und Feder in den Händen, und sehe hinab auf das gewaltige Heer der Orksoldaten, das unsere Stadt eingeschlossen hat. Tag und Nacht hört man die rauen Stimmen dieser Bestien, die aus dem Nichts über uns gekommen sind. Es sind ungezählte Schreie voller Hass und Blutgier, die mich vor Angst erzittern lassen. Wieder und wieder rücken sie gegen unsere Mauern mit Rammböcken und Sturmleitern vor, gleich einer todbringenden Flut, die alles Leben ersticken will.

Ich fühle, dass wir Hijkang nicht mehr lange werden halten können. Unsere Vorräte sind aufgebraucht und die Moral unserer Soldaten geschwunden. Sie werden niemanden von uns am Leben lassen, denn sie sind gekommen, um Menschenblut zu vergießen. Hijkang ist eingeschlossen, wir können nicht hinaus …«

Letzter Tagebucheintrag des manchinischen Gelehrten Kang Wa-Theig

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Schöner kann es einfach nicht sein

Der Marsch nach Paodong

Der unsichere Kriegsherr

Im Herzen von Manchin

Die Felder von Yang-Weig

Künstler des Todes

Wie konnte es so weit kommen?

Das Ende des Krieges

Die Last der Verantwortung

Ein verwegener Plan

Das Wissen der Elben

Die Suche nach dem Götterschiff

Knochen und Eisendinge

Der Kaufmann und der Fürst

Zaydan Shargut vergisst nichts!

Weitere Bücher

Schöner kann es einfach nicht sein

Grimzhag ritt auf einem gepanzerten Gnogg an der Spitze seiner Horde voraus und ließ den Blick über das weite Land schweifen. Die Orks befanden sich inzwischen schon inmitten der manchinischen Provinz Dathong und seitdem sie den Chung überquert hatten, war kein größeres Heer der Menschen mehr aufgetaucht, um sie am Vormarsch zu hindern. Wo die gewaltige Streitmacht des Steppenhäuptlings am Horizont erschien, da flüchteten die Manchinen panisch nach Südosten, hoffend, sich in der Provinz Paodong in Sicherheit bringen zu können. Hinter der Orkhorde blieben verwüstete und verlassene Landschaften zurück, in denen die Reis- und Kornfelder zertrampelt und die Ortschaften niedergebrannt waren. Ganze Landstriche im Westen Manchins lagen bereits in Trümmern und auch nahe der Großen Mauer hatte die von Artux dem Schlauen geführte Armee schrecklich gewütet.

Die Invasion der Grünhäute hatte das mächtigste Reich der östlichen Menschen schwer und unerwartet getroffen. Niemand hatte den Orks zugetraut, einen derartigen Angriff überhaupt planen und durchführen zu können. Niemand hatte die Orks überhaupt noch ernst genommen, wenn man es genau betrachtete. Und schon gar nicht der Himmelskaiser von Manchin, der sich für einen fleischgewordenen Gott hielt.

Dennoch aber war es geschehen, war Wirklichkeit geworden. Die zerstörten Städte und die Hunderttausenden von Toten waren keine Trugbilder, sie waren real, auch wenn es Yuan-HanIII., der allmächtige Herrscher des östlichen Weltreiches, noch immer nicht glauben konnte. Allerdings spielte es keine Rolle, ob der Imperator die Orkinvasion wahrhaben wollte oder nicht, denn sie war längst in vollem Gange und wuchs zu einer immer größeren Bedrohung für Manchin heran. Grimzhag und seine Krieger marschierten zielstrebig voran, jeden Feind in ihrem Weg gnadenlos zerschmetternd.

Zugrakk, der älteste und beste Freund des orkischen Feldherrn, ritt neben diesem her und warf ihm immer wieder bewundernde Blicke zu. Grimzhag hingegen starrte nur ausdruckslos in die Ferne, schweigend und nachdenklich.

»Sie fürchten uns, die Menschlinge. Vielleicht haben sie schon genug und werden uns ihr Land kampflos überlassen«, sagte der Orkkrieger.

»Unterschätze die Manchinen nicht«, antwortete ihm Grimzhag und schob ein leises Verneinungswürgen nach. »Die Menschlinge sammeln ihre Truppen im Herzen des Reiches. Da bin ich mir absolut sicher.«

»Sie sind Schwächlinge, die keinen Mut haben«, knurrte Zugrakk, um dann verächtlich auf den Boden zu spucken.

»Wir haben sie kalt erwischt, mein Freund, aber je weiter wir nach Manchin eindringen, umso gefährlicher wird es für uns. Wir müssen uns über kurz oder lang mit Artux Horde vereinigen und dann die entscheidende Schlacht schlagen. Zudem hoffe ich, dass wir noch weitere Verstärkungen aus den Steppen und den Dunklen Landen bekommen. Die Manchinen sind ein vielköpfiges Volk und können auch schwere Verluste und Niederlagen überstehen, ohne daran zu Grunde zu gehen.«

Zugrakk ritt noch ein wenig näher an seinen Freund heran. Dann bemerkte er: »Vielleicht hätten wir nicht so viele Menschlinge abziehen lassen sollen. Es wäre besser gewesen, einen jeden von ihnen zu töten, so wie wir es zu Beginn dieses Feldzuges getan haben. Wer tot ist, kommt nie mehr wieder.«

Grimzhag antwortete erneut mit einem nicht zu überhörenden Würgelaut. Er stimme Zugrakk in diesem Punkt nicht zu. »Nein, die Manchinen sind viel zu zahlreich, um sie alle zu erschlagen. Außerdem habe ich nicht vor, dieses Volk zu vernichten. Ich will die Menschlinge nur in die Gebiete südlich des Jadeflusses vertreiben und ihre Hauptstadt Kaifeng erobern. Vor allem aber will ich die Macht ihres Kaisers brechen, denn dann wird auch sein Reich zerfallen.«

»Vielleicht hast du Recht. Sollen sie nur kommen. Wir werden sie niedermachen«, brummte Zugrakk mit der brutalen Entschlossenheit eines echten Orks.

»Wir werden sehen, wie sich dieser Krieg entwickelt«, erwiderte Grimzhag mit einem müden Lächeln. »Als nächstes müssen wir die Festung Hao-Lang einnehmen und zerstören. Sie ist noch zwei Tagesmärsche von uns entfernt.«

Der Kriegsherr drehte sich um und warf einen Blick auf den unendlich langen Heereszug, der ihm hinterher folgte. Blutrote und schwarze Banner flatterten im Wind, überall ragten Speere und Spieße aus der gewaltigen Masse der Krieger heraus. Das Fußvolk flankierten die Orkreiter auf ihren mit Eisenplatten und Harnischen bedeckten Gnoggs. Hölzerne Karren und mit großen Lederstücken behängte Planwagen rollten zwischen den grünhäutigen Rotten polternd vorwärts. In ihnen befanden sich neben Säcken voller Proviant auch die Einzelteile der Kriegsmaschinen, die im Bedarfsfall vor den Mauern einer zu belagernden Stadt zu Katapulten und Rammböcken zusammengefügt wurden.

Gedankenverloren lauschte der junge Feldherr einem rauen Gesang, der plötzlich hinter ihm zu erklingen begann. Einige Hundert Orks und Goblins stimmten augenblicklich mit in das alte Kriegslied ein. Es handelte von einer Schar Orks, die einst ausgezogen war, um den größten Ruhm auf dem Schlachtfeld zu ernten. Am Ende des Liedes waren sie alle tot und saßen lachend und jauchzend an der Seite der Götter, die sie von ihren Fleischtellern essen ließen.

»Schöner kann es einfach nicht sein …«, erschallte der Refrain aus den Kehlen der Krieger, die sich offenbar nur wenig Sorgen um die Zukunft machten. Nur Grimzhag gab sich wieder einmal einer tiefen Grübelei hin. Er versuchte, den weiteren Verlauf seines Kriegszuges gegen die Menschen so zu planen, dass er und seine Soldaten am Ende nicht neben ihren Göttern sitzen mussten.

Grimzhag, der Häuptling der Mazauk, war mit einer gewaltigen Horde in Manchin eingefallen und hatte den Menschen bereits eine Reihe vernichtender Niederlagen zugefügt. Das war bei den Orkstämmen der Steppen und der Dunklen Lande mittlerweile kein Geheimnis mehr. Zudem hatte der grauäugige Kriegsherr selbst Boten ausgesandt, die den anderen Herrschern und Häuptlingen der Grünhäute von seinen Erfolgen berichten und sie zur Teilnahme am Feldzug gegen die Manchinen ermutigen sollten. Dass es Grimzhag überhaupt geschafft hatte, die als unbesiegbar geltenden Heere der Menschen zu schlagen und in ihr mächtiges Imperium einzudringen, beeindruckte die anderen Orkkönige zutiefst. Eigentlich war es kaum zu glauben. Doch die Geschichten von den großen, prunkvollen Städten, hinter deren Mauern sich Berge von Gold und reiche Beute verbargen, beseitigten bei vielen Grünhautstämmen schnell die letzten Zweifel, so dass immer mehr Orks zu den Waffen griffen, um selbst am Krieg gegen die Menschen teilzunehmen.

Dies hatte seit jeher eine Eigendynamik gehabt, denn die Lust am Kämpfen lag tief im Blut eines jeden Orks verwurzelt, und wenn sich irgendwo ein Konflikt epischen Ausmaßes ankündigte, dann zog er die grünhäutigen Massen an wie ein flackerndes Licht die Mottenschwärme. Haarg der Zwergenwürger, ein Orkkönig aus dem Felssäulengebirge, war bereits mit 10000 seiner Krieger unterwegs und versuchte, den Südwesten von Manchin zu erreichen. Die Aussicht auf reiche Beute und strahlenden Kriegsruhm ließ ihn die Tatsache ignorieren, dass er sich durch den dschungelbewachsenen Norden von Kurast und andere gefährliche Regionen kämpfen musste, um das ferne Reich der Menschen überhaupt zu erreichen.

Doch selbst ein so unfassbar weiter und entbehrungsreicher Marsch konnte einen echten Ork nicht abschrecken, wenn ihn die Kriegslust einmal gepackt hatte. Das Gleiche galt für König Baudrogg aus den Dunklen Landen, der fast 20000 Krieger unter seinem Banner versammelte und sie nach Südosten führte, in der Hoffnung, es bis nach Manchin zu schaffen. In beiden Fällen zeigten Grimzhags Boten den kampfeswütigen Verbündeten die geheimen Wege und Pfade, die in das legendäre Imperium des Ostens führten.

Und Haarg und Baudrogg waren keinesfalls die einzigen Häuptlinge, die ihre Kämpfer zusammenriefen, um gegen die Menschen zu ziehen. Mehr und mehr Grünhautstämme der nördlichen Steppen und der Dunklen Lande versammelten sich zum Krieg und zogen in langen, lärmenden Heereszügen in Richtung Manchin. Ihnen folgten weitere Horden barbarischer Menschen aus den Einöden, die über den inzwischen schutzlosen Norden des östlichen Weltreiches herfielen, um zu plündern.

Je mehr sich die Kunde von Grimzhags großen Siegen über die verhassten Menschen unter den Orks verbreitete, desto größer wurden die kriegswütigen Scharen, für die Manchin zum gelobten Land der Schlachten wurde.

Doch nicht jeder Kriegerhaufen sollte das ferne Reich des Ostens überhaupt erreichen. Manche Horden aus den Dunklen Landen versuchten, durch das berüchtigte Eisgebirge zu ziehen, um den Weg nach Manchin zu verkürzen. Dort trafen sie auf die Ograi, die gefürchteten Riesenmenschen, und vergossen das Blut der Fremden genau wie ihr eigenes; getrieben von einem finsteren Instinkt und der Freude an der Gewalt. Andere Scharen verschwanden dagegen in den Dschungeln von Kurast und wurden nie wieder gesehen, denn abgesehen von ihrer Kriegsbegeisterung hatten sie nichts weiter mitgenommen, als sie losgezogen waren. Einen gewissenhaften und klugen Heerführer wie Grimzhag, der seine Feldzüge immer bis ins kleinste Detail plante, besaßen diese wilden Kriegerhaufen nämlich nicht.

Die Ork- und Goblinscharen aus den nördlichen Steppen hatten es indes leichter, denn sie brauchten nur nach Süden zu ziehen, um Manchin zu erreichen. Die Große Mauer, das mächtige, als unüberwindlich geltende Bollwerk der Menschen, war längst durchlässig geworden wie ein gesprengter Staudamm. General Artux, Grimzhags Freund und Stellvertreter, hatte die Heere der Manchinen im Norden des Imperiums bereits vernichtet und das gepeinigte Land schutzlos und verwüstet zurückgelassen. Nun lag der manchinische Norden am Boden, gleich einem erschlagenen Soldaten, über dem sich die Aasfresser sammelten. Und das taten sie auch – zu Tausenden, in immer größer werdender Zahl.

Grimzhag selbst lagerte mit seiner Horde mittlerweile in der Nähe der Stadt Xoan im Nordosten der Provinz Dathong. Bisher war sein Feldzug nach Plan verlaufen. Seine rücksichtslose Strategie, eine perfide Mischung aus grausamem Terror und kalt berechneter Milde, hatte Hunderttausende von Menschen bereits dazu veranlasst, nach Süden zu flüchten. Jene, die es nicht getan hatten, waren von seinen Kriegern in Massen getötet worden oder im Zuge der sich nun überall ausbreitenden Hungersnöte verendet. Doch die entscheidende Schlacht gegen den Himmelskaiser und seine Hauptstreitmacht stand noch bevor, genau wie die Eroberung der manchinischen Hauptstadt Kaifeng, ohne die der Sieg über die Menschen nicht errungen werden konnte.

Yuan-HanIII. hatte die manchinische Hauptstadt mit seinem Führungsstab bei Nacht und Nebel verlassen und war nach Chengpao geflüchtet. Er hatte die Nerven verloren und seinem Sohn, Prinz Song-Han, das Kommando über die manchinischen Streitkräfte übertragen. Dieser offensichtliche Mangel an Mut und Standhaftigkeit erschütterte das gesamte Imperium und untergrub die Kampfmoral der kaiserlichen Soldaten in erheblichem Maße. Auch der Führer des rebellischen Adelsgeschlechtes der Huang, Fürst Fushang, reagierte auf die Flucht des Kaisers mit Häme und Spott und rief sich daraufhin sogar zum Gegenkaiser und rechtmäßigen Imperator von Manchin aus. Als Grimzhag zu Ohren kam, dass Yuan-HanIII. Kaifeng stillschweigend verlassen hatte, ließ er seine Horde noch schneller nach Osten vorrücken, um endlich eine Entscheidung herbeizuführen.

Derweil hatte Prinz Song-Han damit begonnen, ein großes Heer aufzustellen, und war, im Gegensatz zu seinem Vater, fest entschlossen, sich den fremden Eindringlingen auf dem Schlachtfeld zu stellen. Der Thronerbe rief die kaiserlichen Truppen im Herzen des Reiches zusammen und plante, Grimzhags Armee auf den Feldern von Yang-Weig zum Kampf zu zwingen.

Die strategisch wichtige Stadt Onlu im Norden des Imperiums war währenddessen von Artux Horde eingenommen und geplündert worden. Bis auf jene, die die Orks als Baumeister, Architekten, Handwerker oder Künstler hatten gebrauchen können, war die gesamte Bevölkerung der Stadt niedergemacht worden. Die wenigen Überlebenden wurden von den Orks nun nach Norden verschleppt, wo sie als Sklaven beim Aufbau Karokums dienen sollten.

Die drei Tumala, welche Grimzhag gegen die Stadt Danglu an der Grenze zur Provinz Paodong geschickt hatte, kamen nach einer Woche zurück. Sie hatten Danglu nicht einnehmen können. Die Menschen hatten ihre Mauern verbissen verteidigt und als ihnen ein von Prinz Song-Han angeführtes Heer zu Hilfe gekommen war, hatten die Orks die Belagerung abbrechen müssen. Diesmal hatten sie eine Niederlage erlitten, daran gab es keinen Zweifel. Grimzhag blieb nichts anderes übrig, als den Rückschlag hinzunehmen. Nun musste er seine Strategie ändern; Danglu wurde weiträumig umgangen.

Hier, im Herzen von Manchin, leisteten die Menschen inzwischen immer größeren Widerstand. Der Schock, den die Orkinvasion zu Beginn dieses Feldzuges ausgelöst hatte, wich allmählich dem Hass auf die Angreifer aus den Steppen. Und unter der Führung von Prinz Song-Han, der im Gegensatz zu seinem Vater alles dafür tat, die fremden Horden wieder aus Manchin hinauszuwerfen, fassten die Soldaten des Kaisers und auch die gewöhnlichen Bürger des Imperiums wieder neuen Mut.

Angesichts der sich verändernden Situation kehrten die Orks zu ihrer alten Strategie des Schreckens zurück. Das bedeutete, dass Grimzhag dem wachsenden Widerstandsgeist der Manchinen zunehmend mit rücksichtsloser Gewalt begegnete. Gnade wurde bald niemandem mehr gewährt und schließlich gingen die Orks erneut auf Menschenjagd, metzelten die Bevölkerung in Massen nieder und hinterließen niedergebrannte Dörfer und verwüstete Landschaften.

Doch diese Vorgehensweise war eher eine Verzweiflungstat, denn im Grunde war selbst ein genialer Stratege wie Grimzhag mittlerweile nicht mehr in der Lage, den weiteren Verlauf dieses Krieges vorauszuberechnen. Wie viele Soldaten konnten die Manchinen noch ins Feld führen? Würden es Artux und er wirklich bis nach Kaifeng schaffen? Und was geschah im Süden von Manchin? Wie würde sich das Haus Huang verhalten? Diese Fragen quälten den Feldherren beständig, wobei er keine Antworten finden konnte.

Die Tatsache, dass immer mehr dem Zufall überlassen werden musste, trieb Grimzhag beinahe in den Wahnsinn, machte ihn mürrisch und ungeduldig. Der Faktor Glück wurde zusehends mächtiger, ein Überblick konnte nicht mehr gewonnen werden. Inzwischen entschieden die Götter, rollten die Würfel, richteten über Leben und Tod in ihrer ganzen Selbstherrlichkeit. Und die Höheren waren launisch, undankbar und schnell gelangweilt. Grimzhag sorgte sich und wurde unsicher, während seine Horde immer weiter nach Osten marschierte.

Die anderen Kaufleute waren soeben nach Hause gegangen und nur noch Zaydan und sein Diener Weng hielten sich in der halbdunklen Taverne auf, die sich in einer Seitengasse im Zentrum von Kaifeng befand und keinen sonderlich guten Ruf genoß. Mehrere Händler hatten Zaydan heute noch einmal energisch darauf hingewiesen, das für den Kaiser gesammelte Gold demselben zeitnah zu überreichen und so schnell wie möglich einen Vertrag über die geliehene Summe unterzeichnen zu lassen. Der Kaufmann aus Berbia hatte ihnen zugesichert, das wichtige Geschäft unverzüglich unter Dach und Fach zu bringen. Auf ihn könne man sich verlassen, hatte Zaydan seinen Kollegen erklärt.

»Es sind tatsächlich fast fünf Millionen Goldstücke zusammengekommen, Weng. Eine stolze Summe, die Yuan-HanIII. erfreuen wird, nicht wahr?« Shargut grinste bis über beide Ohren.

Sein manchinischer Diener sah sich verstohlen um und musterte zwei gedrungene Gestalten, die an der Theke standen und sich laut schwatzend Reiswein in die Hälse kippten.

»Ja, das ist großartig …«, flüsterte er dann.

»Das Reich ist gerettet, was?«, schob Zaydan mit zischelndem Gekicher nach.

»Wie schön!«, meinte Weng.

»Finde ich auch, mein Lieber. Sind wir nicht treue Patrioten? Kann der mutige Kaiser von Manchin nicht stolz auf seine Kaufleute sein?«

»Und jetzt?« Weng wirkte angespannt, er blickte sich noch einmal um.

»Jetzt? Jetzt werde ich das Gold an einen sicheren Ort bringen, um es demnächst unserem tapferen Himmelssohn zu übergeben. Was glaubst du denn?«, wisperte Zaydan und schenkte sich noch etwas Reiswein ein.

»Unglaublich! Die Händler müssen sehr verzweifelt sein, dass sie gerade dir diese Sache überlassen«, sagte der Gehilfe.

Sein Herr zog die buschigen, schwarzen Augenbrauen nach oben und spielte empört. »Aber Weng!«

»Du weißt schon, was ich meine. Sie überlassen dir einen derart großen Haufen Goldstücke. Sie müssen verdammt verzweifelt sein«, schob der Manchine nach.

»Sie sind zutiefst verzweifelt! Die Zerstörung von Kin-Weig und die Verwüstungen, die die Grünhäute hinterlassen, haben schon so manchen von ihnen an den Rand des Ruins gebracht. Aber dennoch haben sie sich aufgerafft, ihr letztes Hemd zur Unterstützung des edlen Himmelskaisers aufzubieten. Das ist löblich, hab ich nicht Recht?« Zaydans Lachen klang diesmal krächzend.

»Also … was nun?«, wollte Weng wissen.

Zaydan winkte ihn heran. Der gelbhäutige Gehilfe beugte sich über den schäbigen Holztisch, an dem er mit seinem Herrn in der düstersten Ecke der Taverne saß.

»Das Gold bringe ich in den nächsten Tagen an einen sicheren Ort. An den Ort, den ich meinen Händlerfreunden soeben genannt habe«, erklärte der Kaufmann.

»Tatsächlich?«, fragte Weng skeptisch.

Sein Gegenüber faltete die Hände. »Bei allen Göttern, was soll dieses ständige Misstrauen? Habe ich jemals jemanden betrogen oder hintergangen?«

»Eigentlich tust du das ständig! Du machst es nur immer so geschickt, dass es die anderen nicht einmal merken.« Der mondgesichtige Diener musste schmunzeln.

»Man kann mir also nicht trauen, wie?«, säuselte Zaydan und strich sich über seinen dunklen Bart. »Wie gemein von dir, so etwas zu sagen, mein Lieber. Weng, Weng, Weng …«

»Sehr witzig!«, erwiderte der Gehilfe.

»Lassen wir diesen Unsinn. In einem Punkt kannst du mir aber auf jeden Fall vertrauen, nämlich in dem, dass ich mich stets um unseren Vorteil kümmern werde. Egal, was passiert, wir werden aus der ganzen Sache Kapital schlagen. Keine Sorge!«, nuschelte Zaydan, mit einem Auge misstrauisch zu den beiden Gästen an der Theke herüberlugend.

»Verstehe …«, murmelte Weng.

»Es sind fast fünf Millionen Goldstücke, die in der Kriegskasse liegen. Da wird mir heiß und kalt, wenn ich nur daran denke. Dieser verweichlichte Kaiser hat längst den Überblick verloren und ist sogar schon aus der Verbotenen Stadt abgehauen, weil er die Hosen voll hat«, sprach Shargut.

Die dunkelbraunen Schweinsäugelchen seines Gehilfen weiteten sich, als dieser ausstieß: »Yuan-HanIII. ist nicht mehr in Kaifeng? Bist du dir ganz sicher?«

»Ich habe meine Ohren überall in der Stadt, Weng. Er ist abgehauen. Heimlich, still und leise, dieser erbärmliche Feigling«, höhnte Zaydan. »Inzwischen pfeifen es doch schon überall die Spatzen von den Dächern.«

»Wie armselig …«, brummte Weng.

»In der Tat, mein lieber Freund, du siehst also, dass sich die Lage geändert hat. Und eine neue Situation erfordert immer ein neues Vorgehen, falls du weißt, was ich dir damit sagen möchte«, entgegnete der listige Kaufmann mit wissendem Blick.

Die Krieger brüllten wild durcheinander; sie schwangen ihre Waffen, während sich bereits die ersten Gnoggreiter aus der grünhäutigen Masse herauslösten, um in Richtung der Menschen vorzupreschen. In der Ferne erblickte Grimzhag einen gewaltigen Flüchtlingstreck. Tausende Manchinen, Männer, Frauen und Kinder, dazwischen Planwagen, Karren und Pferde, rannten, rollten oder trabten nach Süden. Sie versuchten, die Provinz Paodong zu erreichen und den Orks zu entkommen. Als sie diese näherkommen sahen, begannen sie panisch zu schreien.

Grimzhag, gefolgt von Zugrakk und einer Gruppe grauäugiger Rottenführer, schickte den ausschwärmenden Gnoggreitern einen missbilligenden Blick hinterher, sagte jedoch nichts. Allerdings wagten es die berittenen Orks nicht, ohne den Befehl ihres Königs über die Menschen am Horizont herzufallen. Inzwischen wusste ein jeder Krieger, dass der Mazaukhäuptling nichts mehr hasste als Disziplinlosigkeit. Ohne seine Erlaubnis durfte kein Blut vergossen werden. Der Heereszug der Orks marschierte weiter vorwärts und schließlich konnte auch Grimzhag die Masse der fliehenden Manchinen in ihrer ganzen Größe überschauen. Mittlerweile hatte sich der Flüchtlingstreck in viele kopflos umherrennende Schwärme verwandelt. Manche der Menschen versuchten, ein nahegelegenes Waldstück zu erreichen, in der Hoffnung, sich dort vor den Grünhäuten verstecken zu können, andere rannten einfach immer weiter nach Süden. Wagen und Karren kippten zur Seite, wurden von ängstlich kreischenden Flüchtlingen umgeworfen, Pferde wieherten und Ochsen brüllten auf. Die Anwesenheit der Orks versetzte die Manchinen derart in Panik, dass sie ihr Hab und Gut in den Staub warfen und nur noch an ihr nacktes Leben dachten.

Der Orkkönig verzog keine Miene. Wer von den Menschen kein Pferd besaß – also die überwiegende Mehrheit – würde den Gnoggreitern nicht entkommen können.

»Närrische Menschlinge! Wenn ich will, dann reicht ein einziges Wort von mir aus, um euch allen den Tod zu bringen«, dachte Grimzhag.

Hinter ihm warteten die Rottenführer auf seine Anweisungen. Zugrakk zückte sein Schwert, knurrte angriffslustig. »Sollen die Maden ruhig rennen, wir kriegen sie doch!«

Das entsetzte Geschrei der Menschenweiber und ihrer Kinder war besonders schrill. Es peinigte Grimzhags Gehör, während es mit jedem Augenblick lauter wurde. Der junge Brüller zeigte keine Gefühlsregung; er sah den Fliehenden nur zu.

»Machen wir die jetzt nieder oder nicht?«, wollte Zugrakk wissen, während sein Gnogg vor sich hin schnaubte.

»Es sind nur Flüchtlinge, hauptsächlich Cramogg und ihre Jungen. Sie hoffen, Chengpao zu erreichen«, meinte Grimzhag.

»Wir können dafür sorgen, dass sie den Wirbel der Seelen erreichen, Wütender«, höhnte ein Rottenführer. Die anderen Orks lachten.

»Sie wollen nur fliehen, also lassen wir sie auch fliehen. Wer nach Süden abzieht, der darf leben«, sagte der Mazaukhäuptling.

»War ja klar …«, meckerte Zugrakk.

Grimzhag wandte ihm den Kopf zu. »Ich habe verkünden lassen, dass jeder Menschling lebend davonkommt, wenn er davonrennt und keinen Widerstand leistet. Diese Menschlinge fliehen und deshalb lassen wir sie in Ruhe.«

Zugrakk lachte brüllend auf. »Die armen, armen Menschlinge, da haben sie aber Glück gehabt.«

»Halt das Maul und tue, was ich dir befehle, Krieger!«, schnauzte ihn Grimzhag an, ungehalten darüber, dass er seine Befehle vor den anderen Rottenführern derart kommentierte.

»Schon gut!«, murrte Zugrakk. Dann ritt er beleidigt davon.

Die panische Massenflucht in der Ferne dauerte an. Der Flüchtlingstreck war längst zu einem vor Todesangst schreienden Menschenbrei geworden. Inzwischen trampelten sich die Fliehenden gegenseitig nieder und taten alles, um sich vor den gefürchteten Grünhäuten in Sicherheit zu bringen.

Grimzhag blieb allerdings aufrichtig, wie er meinte, denn er hielt seine Horde zurück und ließ die Manchinen entkommen. Er stand zu seiner Ankündigung und belohnte zugleich die kluge Weitsicht der Menschen, die lieber flohen, als sich seiner Horde in den Weg zu stellen. Wer es dennoch tat, würde sterben. Wer jedoch davonlief, würde leben! Es war alles klar, deutlich und einfach. Ein solches Entgegenkommen hätten die Menschen eigentlich gar nicht verdient, wie Grimzhag bemerkte, aber er zeigte es trotzdem, aufgrund seiner unglaublichen Güte und Großherzigkeit.

Doch nicht alle Manchinen wollten dem orkischen Eroberer zuhören; manche berücksichtigten seine freundlichen Ratschläge auch nicht. So etwa die Bewohner der Stadt Wo-Taia, welche nordwestlich der Provinz Paodong lag. Hier leisteten die Menschen verbissen Widerstand und verbarrikadierten sich hinter ihren Mauern, um den Grünhäuten zu trotzten. Ihre Stadt den Feinden zu überlassen, kam ihnen überhaupt nicht in den Sinn, was bedeutete, dass Wo-Taia mühsam belagert werden musste. Eine Tatsache, die Grimzhag äußerst zornig machte und ihn seine Großherzigkeit schnell vergessen ließ, denn die gut befestigte und strategisch wichtige Stadt konnte nicht umgangen werden.

Inzwischen hatte die kampferprobte Horde Wo-Taia bereits eingeschlossen und rückte mit ihren vielen Kriegsmaschinen gegen die Mauern vor. Längst hatten die von Grimzhag angeführten Krieger eine Unmenge an Erfahrungen im Belagerungskrieg gesammelt und auch im Fall von Wo-Taia war sich der junge Brüller sicher, dass er den Widerstand der Manchinen brechen konnte.

Grimzhag und Zugrakk befanden sich im Inneren eines Belagerungsturmes, der sich immer näher an die Stadtmauer heranschob. Unbeirrt rollte das klobige Konstrukt der Orks vorwärts, während unzählige Brandpfeile auf seinen mit nassen Tierfellen behängten Bauch niederprasselten. Der Häuptling der Mazauk schonte sich wieder einmal nicht und stand in der ersten Reihe, um seine Soldaten beim Sturm auf die Mauern der widerspenstigen Manchinenstadt anzuführen.

Vor seiner Nase drängten sich zwei Dutzend Orkkrieger zusammen, die nur einen Lendenschurz trugen und massive Zweihandschwerter in den Klauen hielten. Sie würden als erste den Menschen entgegenstürmen, wenn die Rampe gleich herunterfiel und sich in der Stadtmauer verhakte. Die halbnackten Orksoldaten hatten ihre Leben feierlich Goffrukk geweiht und waren bis zur Schädeldecke mit berauschenden Säften angefüllt. Ihr lautes Schnaufen, Grunzen und Knurren bewies, dass sie völlig benebelt waren und man froh sein konnte, wenn sie in ihrer Berserkerwut nicht die eigenen Artgenossen angriffen.

Grimzhag verzog keine Miene, während Zugrakk ein dumpfes Grollen ausstieß. Draußen hörte man die Menschen brüllen. Immer wieder schlug etwas gegen die Außenwand des Belagerungsturmes.

»Es ist soweit!«, knurrte Grimzhag und hielt sich den Schild vor das Gesicht. Die Belagerungsrampe krachte mit lautem Getöse herunter, die Orkkrieger in den Lendenschürzen sprangen mit irrsinnigem Geheul auf und rannten auf die Manchinen hinter den Zinnen zu. Die ersten der halbnackten Grünhäute wurden von Pfeilen durchbohrt, was die anderen jedoch nicht davon abhielt, weiter zu rennen und sich mit lautem Gebrüll auf die Menschensoldaten zu stürzen. Kreischend stoben die Manchinen auseinander, als sich die Angreifer von der Rampe warfen und ihre Zweihandschwerter herumwirbeln ließen. Mehrere kaiserliche Soldaten wurden dabei regelrecht zerhackt, während die Orkberserker augenblicklich in einem finsteren Blutrausch versanken und sich wie wilde Tiere gebärdeten.

Derweil folgten ihnen Grimzhag und die anderen Krieger, geduckt hinter einer Wand aus Schilden, die sich immer weiter durch Wolken von Pfeilen und Geschossen in Richtung der Stadtmauer vorarbeitete.

»Schildwall öffnen! Speere werfen!«, gellte Grimzhags raue Stimme durch den ohrenbetäubenden Kampfeslärm.

Sofort schleuderten einige der Krieger ihre Wurfspeere auf die Manchinen zwischen den Zinnen und schickten ein paar von ihnen zu Boden. Grimzhag riss sein Schwert in die Höhe und schrie: »Stürmt die Mauern!«

Zugrakk stieß ein ohrenbetäubendes Gekreische aus, dann senkte er den Kopf und sprang hinter die Mauer. Die Menschen wappneten sich für den Zusammenprall mit den Angreifern. Diejenigen, die noch eine Wurfwaffe in den Händen hielten, benutzten sie im dichten Gedränge nun als Stichwaffe. Überall krachte und klirrte es, Manchinen und Grünhäute schrieen, stöhnten und keuchten, als das wilde Hauen und Stechen losbrach.

Grimzhag wandte sich einem hochgewachsenen Menschensoldaten zu, der einen zerbeulten Tellerhelm auf dem Kopf trug. Der Mann hob sein großes Rundschild an; er stürmte los, in der anderen Hand ein Kurzschwert haltend. Knurrend und zähnefletschend ging er auf Grimzhag los und ließ die Waffe kreisen. Die Schilde prallten dröhnend zusammen, doch der Orkkönig war seinem Feind an Körperkraft deutlich überlegen. Er legte sein ganzes Gewicht in den Zusammenstoß und schaffte es, den Menschen einige Schritte zurückzudrängen. Aber der Manchine fand sein Gleichgewicht schnell wieder, parierte einen wuchtigen Hieb und schlug Grimzhags Schwertspitze zur Seite.

»Dieser Menschling kann kämpfen«, schoss es dem orkischen Feldherren durch den Kopf und er lächelte dem Mann für einen kurzen Augenblick anerkennend zu.

»Gut gemacht!«, lobte er ihn dann auf Steppenorkisch.

Doch der Manchine verstand ihn nicht und brüllte irgendetwas zurück. Daraufhin griff er mit flinken Bewegungen wieder an und versuchte, Grimzhag zu einer unbedachten Bewegung mit dem Schild zu veranlassen, um ihm dann die Schwertklinge ins Fleisch zu rammen. Für einen Menschen war er verdammt kräftig, dachte der Orkkönig verwundert, während er sich unter einem Wirbel von Hieben vor dem Manchinen zurückzog.

Allerdings hatte sich der feindliche Soldat etwas zu sehr auf den jungen Brüller konzentriert und die hinter seinem Rücken auf dem Wehrgang wütenden Grünhäute übersehen. Diese hatten seine Kameraden schon fast alle niedergemetzelt und stürmten bereits eine lange Treppe hinab, um sich auf die nächsten Menschensoldaten zu werfen. Diese schrieen verzweifelt durcheinander.

Plötzlich tauchte Zugrakk neben dem breitschultrigen Manchinen auf, als jener gerade wieder auf Grimzhag zustürmen wollte. Der Orkkrieger bohrte dem Menschen die Spitze seines Spießes in die Seite und das scharfe Eisen verschwand mit einem unschönen Geräusch im Körper des Mannes. Keuchend brach dieser zusammen und ließ sein Schild zu Boden sinken. Grimzhags Schwert sauste im gleichen Moment auf ihn hernieder und beendete sein Leben in der nächsten Sekunde. Mit einem Scheppern krachte der sterbende Feind auf den Steinboden des Wehrganges und blieb in einer sich schnell ausbreitenden Blutlache liegen.

»Danke!«, rief Grimzhag in Richtung seines Freundes.

Zugrakk reagierte kaum. Er folgte den anderen Orks, die sich schon überall auf den zu den Wehrgängen führenden Treppenaufgängen mit den Manchinen im Kampf befanden. Dieser Teil der Stadtmauer war genommen, sagte sich Grimzhag. An anderen Stellen waren die grünhäutigen Belagerer ebenfalls durchgebrochen und hatten die sich fanatisch verteidigenden Menschen niedergerungen. Inzwischen hatten die Orks schon viele Belagerungen mitgemacht und ihre Strategien und Taktiken stetig verbessert. Und auch die Stadt Wo-Taia sollte den Invasoren aus den Steppen nicht mehr lange widerstehen können.

Ein Palastwächter öffnete die Tür und trat zur Seite, als eine Gruppe hochrangiger Generäle der großkaiserlichen Armee in den Raum kam und in respektvollem Abstand zu Prinz Song-Han mit durchgedrückten Schultern und ernsten Mienen Haltung annahm. Der junge Thronerbe saß hinter einem kunstvoll verarbeiteten Schreibtisch aus schwarzem Holz und musterte die angetretenen Heerführer mit einem kurzen Lächeln. Hinter dem Tisch befand sich ein großes Fenster, durch welches das grelle Licht der Mittagssonne in den Besprechungsraum eindringen konnte und den Sohn des Himmlischen in einen goldenen Schein tauchte. An der linken Wand stand ein Regal voller sorgfältig geordneten Wachstafeln und einer Unmenge aufeinandergestapelter Schriftrollen. An einem Gestell an der Wand gegenüber hingen ein funkelnder Brustpanzer und ein spitz zulaufender Helm der manchinischen Reiterei mit rotem Federbusch.

»Ich begrüße die obersten Heerführer des Reiches«, sagte Song-Han.

»Wir begrüßen den geehrten Sohn des Himmelskaisers!«, antworteten die Heerführer im Chor.

Der Thronerbe schwieg für einen Augenblick und las in einer Schriftrolle, die ausgebreitet auf dem Schreibtisch lag. Dann hob er seinen Blick wieder und sah zu den Generälen herüber, die nach wie vor steif in der Mitte des Raumes standen.

»Wie weit sind die Heerführer des Kaisers mit ihren Vorbereitungen?«, fragte Song-Han förmlich.

Die Generäle murmelten leise durcheinander, bis schließlich ein hochgewachsener Mann mit heller Haut und einem grauweißen Spitzbart vortrat und erklärte: »Allein unter meinem Befehl stehen fast 30000 Soldaten in der Provinz Laifong. Es bedarf nur noch einer kurzen Zeitspanne, dann werden die Truppen voll ausgerüstet und abmarschbereit sein, mein Prinz.«

Song-Han nickte. »Gibt es irgendwo Anzeichen, die darauf hindeuten, dass wir mit größeren Schwierigkeiten bei der Sammlung und Aufstellungen unserer Armee rechnen müssen?«

Die Generäle verneinten diese Frage zunächst. Dann allerdings äußerte der eine oder andere von ihnen doch kleinere Bedenken und sprach diverse Probleme an.

»Wir in Kengming haben große Mühe, die Nahrungsmittelversorgung unserer Soldaten zu gewährleisten. Da die Grünhäute eine Vielzahl von Feldern in der Nachbarprovinz Dongdan systematisch niedergebrannt und verwüstet haben, herrscht nun überall der Hunger. Zudem haben sie alles an Vorräten geraubt, was sie finden konnten«, berichtete General Wiu mit versteinerter Miene.

Song-Han starrte den altgedienten Feldherren grimmig an, sagte jedoch nichts. Neben Wiu trat ein weiterer Heerführer vor und sprach: »Bei uns haben wir ähnliche Probleme mit der Nahrungsmittelversorgung. Außerdem sind bereits viele wertvolle Soldaten gefallen, was bedeutet, dass wir sie jetzt durch Rekruten oder gar bewaffneten Bauern ersetzen müssen. Weiterhin fehlt es uns an Rüstungen und Helmen. Die Vernichtung unserer nördlichen Streitkräfte war mehr als eine Katastrophe. So viele gute Männer, die wir jahrelang ausgebildet haben, sind in den Steppen geblieben. Ein Debakel!«

»Das wissen wir alle, General!«, zischte der Prinz dazwischen und würgte den Heerführer ab.

»Wie ist es überhaupt möglich, dass diese Orks derart organisiert und intelligent vorgehen, Herr? Ich habe noch immer keine Erklärung dafür finden können. Sie haben uns mit zwei Horden von Norden und Südwesten aus angegriffen und völlig kalt erwischt. Dieser Grimzhag muss ein genialer Stratege sein – das muss man ihm lassen«, meinte ein Offizier, der sich damit sofort den Unmut der anderen zuzog.

»Ein Genie? Dieser Orkkönig? Diese Bestien sind lediglich brutal, das ist alles, Zubang-Wae. Es hat nichts mit Genialität zu tun, wenn man wie ein Rhinophant durch die Lande stampft und alles zerstört«, ereiferte sich der Anführer der Stadtgarde von Chengpao.

»Sie zerstören nicht blindlings alles, sondern gehen strategisch sehr geschickt vor. Das ist ja das Erschreckende!«, kam zurück.

Song-Han stand von seinem Platz auf, rückte sich sein weißes Seidengewand zurecht und verschränkte dann die Hände hinter dem Rücken. Er schüttelte energisch den Kopf, denn langsam wurde er ungeduldig.

»Dieser Orkkönig ist kein Dummkopf und wir müssen ihn endlich ernst nehmen, wenn wir ihn stoppen wollen. Aber jetzt bitte ich die Heerführer ausdrücklich darum, mir zu berichten, wie sie ihre Soldaten sammeln, ausrüsten und versorgen werden. Wir wollen ein gewaltiges Reichsheer aufstellen und müssen deshalb alles genau planen. Dafür sind wir heute zusammengekommen.«

»Sehr richtig!«, flüsterte General Wiu den anderen zu.

»Ich lasse gleich Speisen und Getränke bringen, denn unsere Unterredung wird sicherlich den gesamten Tag dauern«, erklärte der Prinz. »Lasst uns nun die verbliebenen Soldaten des Imperiums zu einem Heer zusammenführen, das die Grünhäute auf dem Schlachtfeld zermalmen wird.«