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Plädoyer für eine Neuformulierung emanzipatorischer Kritik Nicht erst der 11. September 2001 und der Irakkrieg haben die Ratlosigkeit der radikalen Linken enthüllt. Das Ende von traditioneller Arbeiterbewegung, Staatssozialismus und nationalen Befreiungsbewegungen ist noch lange nicht aufgearbeitet. Die kategorial an das warenproduzierende System und dessen Modernisierungsgeschichte gebundene bisherige Kritik droht in Apologetik der kapitalistischen Subjektform und ihrer globalen Krisendiktatur umzuschlagen. Als für diese Tendenz exemplarisch analysiert Robert Kurz die Widersprüche einer »antideutschen Ideologie«, die mit Auschwitz Geschichtspolitik macht, um die bürgerliche Vernunft zu retten. Dagegen plädiert der Autor für eine Neuformulierung emanzipatorischer Kritik, die den Nationalsozialismus als integralen Bestandteil innerkapitalistischer Entwicklung begreift und mit der fetischistischen Konstitution der Moderne bricht.
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Seitenzahl: 453
Veröffentlichungsjahr: 2016
Robert Kurz
Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten
U N R A S T
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Robert Kurz: DIE ANTIDEUTSCHE IDEOLOGIE ebook UNRAST Verlag, August 2016ISBN 978-3-95405-021-5
© UNRAST-Verlag, Münster 2003Postfach 8020, 48043 Münster,Tel. (0251) 666293, Fax. (0251) 666120www.unrast-verlag.de
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Umschlag: Martin Klindworth, LeipzigSatz: Unrast Verlag
Es hat einige Überwindung gekostet, dieses Buch zu schreiben. Denn wer hat schon Lust, grundsätzliche Fragen von Gesellschaftstheorie und Gesellschaftskritik in der Form eines sattsam bekannten innerlinken Distinktions- und Grabenkampfes zu verhandeln? Deshalb zuerst ein Wort an diejenigen LeserInnen, die meinen, mit der antideutschen Ideologie nichts zu tun zu haben: Es geht hier nicht einfach um »linke Befindlichkeiten«, sondern um ganz unabhängig davon sich stellende Probleme einer Neuformulierung radikaler Kapitalismuskritik; es geht um die Geschichtstheorie, um den Status von NS und Auschwitz, um die Kritik der Aufklärung und des Arbeiterbewegungsmarxismus, die Kritik der bürgerlichen Subjektform, die Begriffe von Theorie und Kritik überhaupt, das Verhältnis von Wertform und Ideologie, aber auch um die Art und Weise der Auseinandersetzung innerhalb einer paralysierten Linken. Insofern sind die hier vorgelegten Erörterungen auch jenseits ihres Bezugs auf das antideutsche Syndrom von Interesse für eine mit sich selbst und mit ihrer Vergangenheit ringende Linke.
Wenn die Kritik der antideutschen Ideologie zum Medium einer Auseinandersetzung über die notwendige Transformation emanzipatorischer Theorie gemacht wird, so nicht allein des vielleicht überschätzten Einflusses dieser Strömung wegen. Wie groß dieser Einfluß quantitativ ist, läßt sich nur schwer ermessen, zumal er nicht allein an der Schrillheit der antideutschen Szene abzulesen ist. »Szene« im schlechten, bornierenden Sinne dieses Wortes ist gegenwärtig der größte Teil der Restlinken, und die Antideutschen stellen dabei nur ein besonders lautstarkes Segment dar. Ihr »antiimperialistischer« Widerpart ist außerdem um keinen Deut besser. Die falsche Polarisierung zwischen »Antideutschen« und »Antiimperialisten« zeigt nur das Ausmaß der linken Ratlosigkeit an; es handelt sich um keine akzeptable Alternative, sondern um den Gegensatz zweier Verwahrlosungsformen des traditionellen linksradikalen Bewußtseins.
Festzuhalten ist allerdings, daß die antideutsche Ideologie sich weit über die Größenordnung ihrer Szene hinaus publizistische Positionen verschafft hat. Ihr redaktioneller Einfluß in einem Großteil der linksradikalen Presse der BRD (um Roß und Reiter zu nennen: bei den Zeitungen und Zeitschriften »Jungle World«, »Konkret«, »iz3w« und »Phase2«) steht offensichtlich in keinem Verhältnis zur wirklichen Zahl ihrer Anhänger. Mit anderen Worten: Der größere Teil der radikalen Restlinken läßt sich gegen sein Selbstverständnis von den publizistischen Platzhaltern der antideutschen Strömung auf der Nase herumtanzen.
Das hat allerdings Gründe. Denn während der antiimperialistische Gegenpart in der BRD meistens so gut wie keinen theoretischen Anspruch mehr erhebt und bloß noch auf der Ebene des Empirismus, der »oral history« und des blanken Ressentiments argumentiert, gefallen sich die antideutschen Ideologen in der Pose der begrifflichen Reflektiertheit und im Gestus einer Fortführung der kritischen Theorie von Adorno und Horkheimer. Das heißt aber nur, daß die Kapitulation des traditionellen Marxismus bei ihnen die Form eines theoretischen Anspruchs angenommen hat, dessen Inhalt darin besteht, mit entwerteten Begriffen der ehemaligen radikalen Kritik die kapitalistische Krisenverwaltung und den demokratischen Krisenkolonialismus des beginnenden 21. Jahrhunderts zu legitimieren.
Dieses Unternehmen geht mit einer perfiden geschichtspolitischen Strategie einher, die das Grauen von Auschwitz dafür instrumentalisiert, die proimperiale Konversion der Antideutschen abzusichern und die radikale Linke in pseudo-moralische Geiselhaft zu nehmen. Das ist allerdings nur möglich, weil diese Linke auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Dritten Reiches den Zusammenhang von Kapitalismus, Antisemitismus und deutscher Geschichtskatastrophe noch immer nicht ausreichend geklärt hat. Daß der begriffliche Apparat des traditionslinken Denkens an dieser Aufgabe scheitert, wird von den Antideutschen ausgenutzt, um den NS von der Modernisierungsgeschichte abzulösen und die bürgerliche Subjektform zu verteidigen.
Eine konsequente Kritik der antideutschen Ideologie ist also deshalb gefordert, weil in diesem Denken exemplarisch der begriffliche Verfall und die analytische Insuffizienz einer obsolet gewordenen linken Theoriegeschichte zum Vorschein kommen. Es geht darum, ob die Weichen in der radikalen Linken der BRD für eine Erneuerung emanzipatorischer Kritik über das arbeiterbewegungsmarxistische Paradigma hinaus gestellt werden – oder für einen endgültigen Rückfall in die Affirmation kapitalistischer »Vernunft« und »Zivilisation«, die nichts anderes darstellt als den Interessenstandpunkt des männlichweißen westlichen Metropolensubjekts in der Weltkrise des modernen warenproduzierenden Systems.
Insofern kann die Auseinandersetzung mit der antideutschen Ideologie nicht als einer der vielen innerlinken Sektenkriege abgetan werden, aus denen man sich besser heraushält. An der Stellung zu dieser Ausgeburt linker Niedergangsgeschichte mißt sich die Stellung zur kapitalistischen Moderne überhaupt. Zurück zur bürgerlichen Ontologie und aufklärerischen Geschichtsmetaphysik oder vorwärts zur kategorialen Kritik des modernen Fetischsystems und seiner Zerstörungslogik, das ist hier die Frage. Oberflächlich betrachtet ist die antideutsche Strömung ein sehr deutsches Unikum, inkompatibel mit den linken Diskursen in der gesamten übrigen Welt. Aber dahinter verbirgt sich das allgemeine Problem des Schicksals emanzipatorischer Gesellschaftskritik nach dem Ende der bisherigen linken Gewißheiten, das im deutschsprachigen Raum durch die Rückkoppelung auf den NS nur eine besondere Gestalt annimmt.
In der antideutsch beeinflußten Szene und Publizistik hat sich eine bestimmte Manier herausgebildet, der notwendigen Auseinandersetzung um die Grundsatzfragen auszuweichen. Innerhalb eines verwaschenen Bezugs auf die Marxsche Fetischkritik und die kritische Theorie Adornos gelten die hart kriegsgegnerische wertkritische Position und die hart bellizistische antideutsche Position, wie sie sich um die Theoriezeitschrift »Krisis« einerseits und das Propagandaorgan »Bahamas« andererseits formiert haben, als dogmatische Extreme, über die man selber erhaben sei. Diese Haltung hat kleinere Schönheitsfehler. Denn die »goldene Mitte« der in »Sachlichkeit« machenden Szene und ihres journalistischen Ausdrucks vertritt nicht etwa eine dritte, besser reflektierte theoretische Position, sondern überhaupt keine eigene. Wenn aber die theoretische Ausgewiesenheit allein bei den geschmähten Extremen zu finden ist, dann ist die sich sachlich gebende Mitte argumentativ schwach auf der Brust. Tatsächlich ist diese Mitte auch gar keine, sondern sie bezieht ihre zentralen Begriffe, ihr geschichtsphilosophisches Interpretationsmuster und ihre Einschätzung der Weltsituation allein von der antideutschen Extremposition, die sie in abgeschwächter und oft zweideutiger Formulierung nachplappert. Damit wird allerdings niemand weit kommen.
Die andere Seite der Ignoranz bildet jene Bewegungslinke, die ihre Theoriefeindlichkeit schon immer für das beste Argument gehalten hat. So wenig aber die kritische Theorie den elitären Anspruch des Kommandos erheben kann, zumal in ihrer gegenwärtigen Verfaßtheit, ebensowenig kann die soziale Bewegungspraxis den Anspruch der Selbstgenügsamkeit erheben. Das Postulat, unbeirrt die eigenen Projekte zu verfolgen und die Samurai der Theoriebildung weit hinten in Wolkenkuckucksheim aufeinander einprügeln zu lassen, blamiert sich an der Praxis selbst. Der Aufarbeitung der linken Geschichte und der Geschichtskatastrophe des NS kann sich niemand entziehen, der in den neu aufkommenden sozialen Bewegungen aktiv sein will. Dritte industrielle Revolution, Globalisierung des Kapitals und imperiale Weltordnungskriege verlangen eine theoretische Analyse und eine Entrümpelung des Begriffsapparats, ohne die keine Bewegungslinke mehr ein Bein auf den Boden bekommen wird. Dazu gehört auch die Bereitschaft, die theoretische Auseinandersetzung um die zukünftige Orientierung der radikalen Linken zur Kenntnis zu nehmen und sich dazu ein eigenes Urteil zu bilden; trotz aller Verzerrungen, Spannungen und Schrägheiten.
Die drei Teile dieses Buches sind als Reaktion auf den entnervenden, bedrückenden, auf den Magen schlagenden Spaltungsprozeß der Linken nach dem 11. September und im Kontext des Irakkrieges entstanden. Nach dieser Spaltung gibt es nichts mehr zu vermitteln, sondern nur noch etwas zu erklären. Daß die Stellung zum imperialen Krieg kein Gegenstand differenzierender Ausgewogenheit sein kann, versteht sich von selbst. Kriegsgegnerschaft und Bellizismus bilden aber nur die aktuelle Erscheinung eines Gegensatzes, der viel tiefer geht.
Niemand wird sich wundern, wenn vor diesem Hintergrund die Form der Darstellung eine polemische ist. Wenn in solche Bücher nicht das Herzklopfen der Erbitterung eingeht, sind sie nichts wert. Wer allerdings ein literarisches Pamphlet, eine »Schau« von Invektiven erwartet, wird enttäuscht sein. Das Pamphlet hat seinen Platz, auch wenn die Sachlichkeitsheuchler dabei nach dem Fläschchen der Nachbarin rufen. Aber dieser Platz ist hier nicht. Es geht darum, eine weitgehend immanente Kritik zu leisten und die Quellen der antideutschen Ideologie in bürgerlichen Diskursen und in den Verkürzungen des Arbeiterbewegungsmarxismus aufzudecken. Ich für meinen Teil bin nun mit den Antideutschen fertig.
Robert Kurz, August 2003
Paranoia für alle! Das könnte das Motto sein für die »Debatten« und Auseinandersetzungen, wie sie heute in der Gesellschaft insgesamt und speziell innerhalb der übrig gebliebenen radikalen Linken stattfinden. Die warenproduzierende Moderne wird buchstäblich irre an der objektiven Krise ihrer Kategorien. Die kapitalistische Ontologie selbst verfällt unter unseren Augen. Kein Wunder, daß das allgemeine bürgerliche Bewußtsein auf den drohenden »Weltuntergang« seiner kategorialen Formen pathologisch reagiert: mit Verleugnung, Verdrängung und Verdächtigung. Und wenn es noch eines Beweises bedurfte, daß sich alle bisherige linke Geschichte ganz auf den Rahmen des modernen warenproduzierenden Systems und seiner Bewußtseinsformen beschränkt hat, dann wird er jetzt endgültig durch die bornierten Reaktionen eines großen Teils der radikalen Linken auf den neuen Krisenprozeß geliefert, die den allgemein-bürgerlichen in vieler Hinsicht aufs Haar gleichen.
Alle wissen es im Grunde: Diese mit der neuen Weltkrise des Kapitals einhergehende »Krise des Marxismus« ist nicht wie alle früheren; sie kann nicht mehr durch eine bloße Umgruppierung und veränderte Positionsbestimmung im altvertrauten begrifflichen und praktisch-»politischen« Feld bewältigt werden. Jetzt geht es ans Eingemachte. Auf der historischen Tagesordnung steht der kategoriale Bruch mit den basalen Formen des modernen warenproduzierenden Systems als solchem, wie er sich mit dem Begriff der Wertkritik ankündigt: Das Kapitalverhältnis ist wesentlich zu kritisieren als Wertvergesellschaftung. Wenn es nach dem Zusammenbruch von Staatssozialismus, Arbeiterbewegung und traditionellem Marxismus noch einmal eineerneuerte theoretische und praktische Kritik des herrschenden Weltsystems, seines ökonomischen Terrors, seiner sozialen Zumutungen und seiner Zerstörungsprozesse geben soll, dann muß sich die Kritik radikalisieren; das heißt sie muß im Unterschied zu den bisherigen linken Paradigmen tiefer gehen, bis an die Wurzeln und bis auf den kategorialen Grund der warenproduzierenden Moderne.
Allein eine derart radikalisierte Kritik wird noch historisch tragfähig sein. Darin eingeschlossen ist die Kritik der fetischistischen Subjektund Interessenform, der »abstrakten Arbeit« und der demokratischen Rechtsform: alles böhmische Dörfer für das absterbende Bewußtsein des kategorial immanenten Arbeiterbewegungsmarxismus. Da man selber integraler Bestandteil der kapitalistischen Modernisierungsgeschichte war, kann und will man sich nicht von der warenproduzierenden Moderne lösen. Der anstehende kategoriale Bruch wäre ein derart schmerzhafter Identitätsbruch, daß das Aushauchen des alten Paradigmas von Kritik vor allem darin besteht, in dieser Hinsicht Vermeidungsstrategien auszuhecken.
Wir erleben das traurige Schauspiel, wie sich das bloß übrig gebliebene Bewußtsein dieser unwiederbringlich verlorenen Vergangenheit in seiner Agonie noch einmal aufbäumt; nicht etwa, um sich den neuen Aufgaben gemäß zu transformieren und die radikale Kritik in ein neues Leben eintreten zu lassen, sondern um sich an der entschwindenden Welt der Modernisierungsbewegung begrifflich festzukrallen und sich noch einmal in die längst vergangene Kraft und Herrlichkeit eines um die entscheidende Dimension verkürzten Emanzipationskampfes auf dem Boden kapitalistischer Ontologie zurückzuhalluzinieren, statt diese Ontologie selber zu verwerfen. Dieses scheinhafte Nachleben im »Ultrachronos« des Arbeiterbewegungsmarxismus nimmt ganz verschiedene Gestalten und Grade von Primitivität oder Raffinesse des Selbstbetrugs an; und die Geistererscheinungen in diesem Reich der Unwirklichkeit agieren untereinander Konflikte aus, als hätten sie noch den Boden historischer Realität unter den Füßen.
Das heißt nicht, daß das neue, unausweichlich auf der Tagesordnung stehende wertkritische Paradigma eine Lizenz für Besserwisserei und Rechthaberei, elitären Dünkel und billiges Abkanzeln darstellen würde. Die Wertkritik als kategoriale Kritik des modernen warenproduzierenden Systems in allen seinen Varianten steht erst am Anfang und hat sich noch nicht vollständig durch den absterbenden Traditions- oder Arbeiterbewegungsmarxismus hindurchgearbeitet; sie kann auf viele Fragen noch keine oder keine zureichende Antwort geben, während die ausgearbeiteten Antworten der vor-wertkritischen Linken obsolet geworden sind.
Außerdem entwertet die Notwendigkeit eines neuen, weiter gehenden Ansatzes radikaler theoretischer Kritik natürlich nicht den sozialen Widerstand gegen die unerträglichen Zumutungen des Kapitalismus und gegen die Gemeinheiten seiner Krisenverwaltung, auch wenn er sich vor allem dort, wo er über kleine Gruppen hinausgeht, zwangsläufig zunächst verkürzt und in kategorialer Immanenz äußert. Auf die Dauer aber kann dieser Widerstand nicht durchgehalten und zu einer transformierenden Bewegung weiterentwickelt werden, wenn er nicht auch einen neuen begrifflich adäquaten, das heißt kritisch-theoretischen Ausdruck findet. Anzugreifen ist deshalb die notorische Ignoranz eines Bewegungsdenkens, das es sich in theoretischer Hinsicht auf dem Trockenen bequem machen, irgendwie pragmatisch in den alten Begriffsmustern der Kritik weiterdenken oder sich überhaupt der theoretischen Reflexion entziehen möchte. Die Kritik dieser Ignoranz darf nicht mit einem falschen wertkritischen Triumphalismus verwechselt werden. Diese Kritik ist notwendig, weil wir es gegenwärtig in weiten Teilen der Linken mit einer reaktionären Sehnsucht nach einer Rückkehr zu den altgewohnten Interpretationsmustern zu tun haben.
Eine besondere Variante dieses falschen, rückwärts gewandten linken Bewußtseins stellt im deutschsprachigen Raum die antideutsche Ideologie dar. Im Unterschied zu den gewöhnlichen Resten des Arbeiterbewegungsmarxismus verspricht sie, das identitäre Dilemma zu lösen, in das die Linke mit dem Verlust ihrer historischen Identifikationsobjekte (Staatssozialismus, Arbeiterbewegung, nationale Befreiungsbewegungen) gestürzt ist, und das begriffliche Vakuum zu füllen, das sich mit dem Obsoletwerden des alten marxistischen Paradigmas aufgetan hat. Mehr noch: Die antideutsche Ideologie verspricht einen nahezu schmerzlosen Wechsel der Identität und gleichzeitig in gewisser Weise einen Erhalt des alten Feindbildes; eine Möglichkeit, alles scheinbar neu zu sehen und trotzdem in der alten Weise und auf vertrautem Gelände weitermachen zu können.
Das verleiht ihr eine nicht unerhebliche Anziehungskraft für gelernte linke Mitläufer zum Beispiel aus dem Antifa-Spektrum, die ein einfach gestricktes »robustes« Weltbild brauchen, um sich identitär auf der Straße bewegen zu können. Ein solches Weltbild für historische und theoretische Hinterwäldler liefert die antideutsche Ideologie frei Haus und konkurrenzlos billig. Das Geheimnis der auf dieses theoretische Aldi-Angebot abonnierten frischgebackenen Gläubigkeit besteht in einer Transsubstantiation, in der die kapitalistische Produktionsweise, bevor die Konsequenzen ihres neu zu bestimmenden negativen Begriffs als Wertvergesellschaftung deutlich werden können, flugs in »etwas anderes« verwandelt wird, um diesen Konsequenzen auszuweichen.
Das antideutsche Konstrukt läßt sich nur verstehen und kritisieren, wenn es von seiner Genese her bestimmt und in den Kontext einer Theorie- und Ideologiegeschichte der deutschen Linken seit Ende der 80er Jahre gestellt wird. Es ist kein Zufall, daß angesichts der kapitalistischen Weltordnungskriege unter alleiniger Führung der letzten Weltmacht USA die Auseinandersetzungen um die Transformation radikaler Gesellschaftskritik heute am erbittertsten in der deutschen Linken toben. Denn die restliche radikale Linke der BRD projiziert mit einer gewissen Zwangsläufigkeit den neuen Epochenbruch in der einen oder anderen Weise auf die deutsche Geschichtskatastrophe der Vergangenheit. Weil die Vergangenheit eben nicht vergangen ist und es nicht sein kann, stellen sich alle neuen Fragen, alle Analysen der Gegenwart, immer gleichzeitig auch als Fragen einer Aufarbeitung der Vergangenheit, die erst gegenstandslos würden zusammen mit der Gesellschaft, die sie hervorgebracht hat.
Diese Konstellation ist objektiv gegeben. Sie kann aber nicht nur dadurch verfehlt werden, daß die Vergangenheit ignoriert wird, sondern umgekehrt auch dadurch, daß die Gegenwart ignoriert wird. Die Vergangenheit ist nicht vergangen, aber sie ist auch nicht identisch mit der Gegenwart. Wie sich die Mehrheit der Deutschen in der Gegenwart eingerichtet hat, um die Vergangenheit zu verleugnen, so hat sich in bloßer Umkehrung ein Teil der deutschen Linken im Grauen der Vergangenheit identitär eingerichtet, um die Gegenwart zu verleugnen. Diese Linke will sich der notwendigen Transformation emanzipatorischer Kritik dadurch entziehen, daß sie die notwendige Aufarbeitung des NS in eine historische Fixierung auf die Konstellation des Zweiten Weltkriegs und der damaligen weltgesellschaftlichen Verhältnisse verwandelt und deshalb großenteils unfähig und unwillig bleibt, sich den neuen globalen Entwicklungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu stellen.
Andererseits ist die Aufarbeitung der Vergangenheit und ihres Weiterwirkens auch eine entscheidende Bedingung für die Erkenntnis des gegenwärtigen Krisenkapitalismus. Der Zusammenhang der beispiellosen Dimension der NS-Verbrechen mit der Modernisierungsgeschichte, das Verhältnis von Antisemitismus und Kapitalismus verlangen, um theoretischbewältigt statt in Verdrängung und Verdächtigung umgemünzt zu werden, auch eine neue Dimension der Kritik über das alte marxistische Paradigma hinaus. So hat sich in der BRD seit ungefähr 15 Jahren quer zu den gängigen linken Paradigmen der wertkritische Ansatz herausgebildet, der sich neu auf das Fundament der Marxschen Wertformanalyse bezieht, um die Verkürzungen der bisherigen Kapitalismuskritik zu überwinden. Die theoretischen Debatten der Bewegungslinken in der BRD, soweit sie überhaupt noch stattfinden, wurden inzwischen direkt oder indirekt durch diesen neuen Ansatz beeinflußt.
In einer doppelten polemischen Frontstellung sowohl gegen den Traditionsmarxismus und seine Ausläufer als auch gegen die postmodernen Theorien1 erhebt die Wertkritik den Anspruch, den bislang stumm und apriorisch vorausgesetzten Konstitutionszusammenhang der Moderne radikal kritisch aufzurollen, also die grundlegende gesellschaftliche Form des modernen warenproduzierenden Systems selbst ins Visier zu nehmen, statt sie als unüberwindbare ontologische Bedingung des Menschseins zu akzeptieren und sich darin zu bewegen wie die bisherige Linke. Erst an diesem Punkt beginnt die Kritik in einem neuen Rückbezug auf Marx und gleichzeitig über Marx hinaus, den Nexus mit der bürgerlichen Konstitution zu zerreißen und damit den bei Marx erst angedeuteten emanzipatorischen Bruch mit dem basalen Denkmuster aller bisherigen modernen Theoriegeschichte ebenso wie eine neue Perspektive praktischer Umwälzung ins Auge zu fassen.
Es ist kaum verwunderlich, daß das wertkritische Paradigma nicht mit einem Schlag in die Arena der theoretischen Reflexion springen konnte, sondern sich von ganz verschiedenen Ausgangspunkten her aus dem traditionellen Marxismus hinauszuarbeiten begann. Dabei bildeten sich zwei Projekte heraus. Das eine, von der Gruppe Krisis um die gleichnamige Zeitschrift getragene, entfaltete die Wertkritik ursprünglich von einer Kritik der »Sowjetökonomie« und des gesamten traditionellen Sozialismusbegriffs ausgehend, bezogen auf die Marxsche Kritik des Warenfetischs und der Wertform als Reproduktionsform. Das Postulat war: Weiterbestehen von Warenproduktion, Betriebswirtschaft, Wertform, Geldform, Markt usw. auf industrieller Basis und Überwindung des Kapitalismus schließen sich gegenseitig aus. Es sollte nicht mehr bloß um die verkürzte Kritik einer Abschöpfung des »vorenthaltenen« Mehrwerts durch die Kapitalisten (auf der nicht in Frage gestellten reproduktiven Basis der allgemeinen Warenform), sondern um die unverkürzte Kritik der klassenübergreifenden, gemeinsamen Form der »auf dem Wert beruhenden Produktionsweise« (Marx) überhaupt gehen.
Diese an einer Reformulierung der Kritik der politischen Ökonomie im engeren Sinne orientierte Theoriebildung gelangte so zu einer Kritik des nur scheinbar transzendierenden Begriffs des »Klassenkampfs«, der als die immanente Bewegungsform des Kapitalverhältnisses selbst in seiner Durchsetzungsgeschichte dechiffriert wurde, und zu einer kategorialen Kritik der abstrakten »Arbeit« als Tätigkeitsform des Werts, die in falscher Ontologisierung vom Arbeiterbewegungsmarxismus zum Hebel der »sozialistischen Umwälzung« positiviert worden war. Die Aufarbeitung des NS sollte in diesem Kontext geleistet werden, als Rückbezug auf die radikale Kritik an den basalen Kategorien der Wertvergesellschaftung in Verbindung mit einer Analyse der spezifisch deutschen Durchsetzungsgeschichte des kapitalistischen Formzusammenhangs.
Gleichzeitig versuchte diese Kritik, sich selbst krisentheoretisch und historisch zu erklären: Waren die bisherigen Krisen einschließlich der großen Weltwirtschaftskrise von 1929 – 33, die eine Rahmenbedingung für die Machtergreifung des NS gebildet hatte, im wesentlichen Durchsetzungskrisen des Kapitals in seinem noch nicht ausgefüllten Entwicklungshorizont gewesen, so hat es mit der 3. industriellen Revolution seine von Marx logisch deduzierte absolute innere Schranke erreicht und zwingt die Kritik erstmals, tiefer anzusetzen, nämlich eben an der Fetisch-Konstitution des Werts, weil die Formhülle des warenproduzierenden Systems durch den Grad der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung selbst zerrissen wird.
Das andere als »Wertkritik« firmierende Projekt, getragen von der »Initiative Sozialistisches Forum« (ISF) Freiburg und in der Folge um die Berliner Zeitschrift Bahamas gruppiert, nahm dagegen seinen Ausgangspunkt von der direkten und fast ausschließlichen Auseinandersetzung mit dem NS und der »deutschen Ideologie«. Ideologiekritik stand deshalb im Zentrum dieser Reflexion. Dabei wurde der Antifaschismus der traditionellen Linken zu Recht als völlig unzureichend kritisiert, da in diesem Rahmen die Nazi-Ideologie nicht in ihrer vollen Tragweite erkannt werden konnte. Die eindimensionale Rückführung auf »rationale« soziale Interessen und die Verkennung des Charakters von Ideologie mußte die Bedeutung des Antisemitismus herunterspielen als bloß »kleinbürgerliches«, im Grunde nebensächliches Phänomen.
Diese Verkennung konnte sogar zu »linken« Spielarten des Antisemitismus führen, wie sie nach dem 2. Weltkrieg im Kontext der nationalen Befreiungsbewegungen der 3. Welt als »Antizionismus« auftraten. Der zentrale Stellenwert des Antisemitismus für den NS läßt sich dagegen nur erkennen, so die ISF-Theoretiker, wenn diese wesentliche Ideologiebildung auf das Wesen des Kapitals selbst zurückgeführt und in Verbindung gebracht wird mit der Denkform deswarenproduzierenden Systems, die zusammenfällt mit der Wertform. Erst auf dieser Ebene läßt sich die »soziologistische« Verkürzung von Ideologiekritik überwinden.
Der Antisemitismus entspringt direkt dem Bezug auf die Wesensbestimmung des Kapitals, auf die allgemeine Form des Denkens und Handelns in der Wertvergesellschaftung, so die Positionierung dieses zweiten Ansatzes von Wertkritik; er sei »das notwendige Resultat eines Denkens in der Form des Werts… « (ISF, Die Gemeinschaft der Guten, in: Flugschriften, Freiburg 2001, S. 145), und er sei diesem »als notwendig falsches Bewußtsein völlig immanent« (a.a.O.).
Diese Bestimmung wirft allerdings mehr Fragen als Antworten auf: In welchem Verhältnis stehen Wertform und Ideologie im allgemeinen und Antisemitismus im besonderen? Vor allem aber: In welchem Verhältnis steht die hier formulierte allgemeine Bestimmung von angeblich »objektiver Notwendigkeit« des Antisemitismus durch das Denken in der Form des Werts an sich mit der spezifisch deutschen Geschichtskatastrophe? Schon an dieser Stelle im Vorfeld eines Übergangs zur Wertkritik macht sich eine systematische Unklarheit bemerkbar, die von der Engführung auf den NS und seine Epoche herrührt: Die Allgemeinheit der Wertform-Problematik wird unvermittelt kurzgeschlossen mit einer bestimmten historischen Krisenkulmination der spezifischen Geschichte des Kapitalismus in Deutschland. Das sollte Folgen haben.
Zunächst einmal schien es allerdings so, daß von zwei verschiedenen Ausgangspunkten die Auseinandersetzung mit den Verkürzungen des Arbeiterbewegungsmarxismus zu demselben Gegenstand führte, nämlich der konstitutiven Fetisch-Form des Werts und seiner abgeleiteten Formen, die dem modernen warenproduzierenden System zugrunde liegen und von der traditionellen Linken ontologisiert und positiviert worden waren. Damit, so blieb zu hoffen, war ein neues, weiterführendes Paradigma radikaler Kritik erschlossen, das bei Marx noch unausgeführt angelegt, aber vom gesamten bisherigen Marxismus blockiert worden war.
Es konnte natürlich nicht ausbleiben, daß die unterschiedlichen Ausgangspunkte auch einen gewissen Spannungszustand zwischen den beiden wertkritischen Projekten bedingen mußten. Dazu mochte auch die beiderseitige Unausgegorenheit und erst embryonale Entwicklung des jeweiligen Ansatzes beitragen. Dennoch hätte man erwarten können, daß sich in der Folge so etwas wie eine produktive Diskussion und gewissermaßen eine Konvergenz herausbilden würde, in der sich das wertkritische Paradigma zu einem gemeinsamen mit vielleicht unterschiedlichen Akzentsetzungen weiterentwickelt.
Das genaue Gegenteil war jedoch der Fall. Was zustande kam, war nichts als ein fruchtloser, sporadischer und äußerst beschränkter Schlagabtausch, eine reine Abgrenzungspolemik, in der sich die Differenz der Ausgangspositionen eher verhärtete, als daß sie aufgelöst worden wäre. Seitens der ISF- und Bahamas-Gruppe wurde die Auseinandersetzung von vornherein und zunehmend in einer gehässigen, »identitätspolitischen«, rein denunziatorischen Weise geführt, die mit einer theoretischen Polemik nichts mehr zu tun hatte: in ganz ähnlicher Manier also wie die Abstoßungsversuche seitens des Traditionsmarxismus gegen die Wertkritik. Mochte dieses Verhalten zunächst gewissermaßen sozialpsychologisch als ein dem bürgerlichen Konkurrenzzwang, einem sektenhaften Selbstbehauptungsdrang und dem »Narzißmus der kleinsten Differenz« geschuldetes erscheinen, um in den Niederungen der linken Froschteich-Biotope Distinktionsgewinn zu erzielen, Punkte zu sammeln und Fans zu befriedigen, so ist doch inzwischen deutlich geworden, daß es ein fundamentaler theoretischer und praktischer Dissens ist, der die Triebkraft dieser Abgrenzungswut bildet.
Äußerlich trat dieser Dissens in seiner ganzen Schroffheit schlagartig nach dem 11. September in Erscheinung. Die unübersehbare neue Dimension von Krise, Barbarei und kapitalistischen Weltordnungskriegen hat die beiden als »wertkritisch« firmierenden Projekte in der BRD so unversöhnlich gespalten wie die Linke insgesamt. Da dieser Bruch einem Entwicklungsstand des Kapitalverhältnisses entspricht, in dem dieses weltweit an seine objektive historische Grenze stößt, geht die Spaltung nicht nur tiefer als alle früheren, sondern sie stellt deshalb auch die letzte Entscheidungsfrage für das Schicksal radikaler Kritik: nämlich ob sie über ihren bisherigen Begriff hinauskommt oder endgültig in die Affirmation zurückfällt.
Was in den historischen Bewegungen der Linken, im Arbeiterbewegungsmarxismus, Anarchismus und deren Subströmungen als radikale Kritik erschien, war im wesentlichen eine Funktion in der Durchsetzungsgeschichte des modernen warenproduzierenden Systems selbst. Die Kritik besetzte immer nur den nächsten, in einen jeweils höheren Aggregatzustand führenden Entwicklungsschub gegen das innere Trägheitsmoment der jeweiligen Eliten (oder deren irrationale Krisenreaktionen). Eben deshalb blieben die basalen Formen der Wertvergesellschaftung als solche völlig unangetastet und wurden meist nicht einmal als möglicher Gegenstand der Kritik wahrgenommen – oder diese Kritik wurde als aktuell völlig irrelevant in eine imaginäre Zukunft verlegt.
Dieser Zusammenhang ist in der wertkritischen Theoriebildung von Krisis längst zum Essential geworden. Der bisherige Marxismus, inzwischen ein historisches Auslaufmodell, stellte das System nicht substantiell, sondern nur akzidentiell in Frage, nach Maßgabe der Erfordernisse seiner weiteren Entwicklung, während gleichzeitig die Fetischform als solche affirmiert wurde. Jedesmal, wenn in den großen Durchsetzungskrisen jedoch das unbegriffene Problem dieses Formzusammenhangs und seiner irrationalen Zwänge sich schmerzhaft bemerkbar machte, erzeugte es Panik gerade auch unter den Linken und trieb Teile von ihnen in die offene Affirmation des Systems. Es ist nur logisch, daß an der historischen Systemgrenze, die keinen weiteren Entwicklungsschub mehr zuläßt, diese Panik umso heftiger und die Konversion von ehemaligen (beschränkten, form-immanenten) Kritikern zu Hütern und Verteidigern des Kapitalverhältnisses umso fanatischer ausfallen muß. Deshalb war es folgerichtig, daß nach dem 11. September geradezu eine Stampede der westlichen Intelligentsia unter Einschluß eines erheblichen Teils der radikalen Linken »ad fontes« stattgefunden hat: zurück zu einer militanten Beweihräucherung der so genannten westlichen Werte, zum Pathos der bürgerlichen Aufklärung und zum primitiven ideologischen Eurozentrismus. Binnen weniger Wochen wurde eine ganze kritische Reflexionsgeschichte entsorgt. Und es war kein Zufall, daß sich gerade in der BRD ein größerer Teil der radikalen Linken dieser Stampede blindlings anschloß, über vergleichbare Konversionen in anderen Ländern hinaus.
Wenn die Größenordnung und Militanz der Konversion ehemals radikaler Linker in der BRD ähnliche Erscheinungen in anderen Ländern übertrifft, so ist dies gerade dem immer noch ungeklärten Zusammenhang der Gegenwart mit der Vergangenheit geschuldet. Dieser Zusammenhang hat einen Namen: Auschwitz. Ein Ort, der symbolisch für das Grauen des Holocaust steht. Die Aufgabe, sich mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen und gerade mit dem Anspruch radikaler Kapitalismuskritik die Erinnerung an Auschwitz anders wachzuhalten als in der seichten, unwahren und selbstapologetischen demokratischen Mahnkultur, bleibt für die deutsche Linke unabdingbar. Deshalb muß die linke Kritik an der Nationalgeschichte in der BRD besonders hart und unversöhnlich ausfallen.
Das bedeutet, daß der für alles emanzipatorische Denken historisch anstehende kategoriale Bruch mit der Nation und ihrem Begriff – als ein Moment des kategorialen Bruchs mit dem Formzusammenhang des modernen warenproduzierenden Systems überhaupt – zuallererst in Deutschland reif geworden ist. Und das eben nicht im Sinne einer positiven avantgardistischen »Fortschrittlichkeit« der deutschen Gesellschaft, sondern rein negativ als Konsequenz des deutschen Menschheitsverbrechens. Allein das revolutionäre Gefühl der Scham und der Wut, zwangsweise ein Deutscher oder eine Deutsche zu »sein«, macht den allgemein und weltweit anstehenden Bruch mit der falschen nationalen Zwangsgemeinschaft als einer der negativen Formbestimmungen des Werts hierzulande besonders dringlich.
Genau an diesem Punkt ist zuerst über die bisherige Linke hinauszugehen. Die fetischistische Immanenz der Arbeiterbewegung und der Linken schloß über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrhundert überall den positiven Bezug auf den nationalen Rahmen ein; der »proletarische Internationalismus« implizierte keine Überwindung der Nation als solcher, sondern sollte nur eine solidarische Verbindung und Freundschaft »zwischen« den ontologisierten Nationen bilden. Das vermeintlich revolutionäre Ziel richtete sich nicht auf die Sprengung der nationalen Zwangsgemeinschaft, sondern auf die Errichtung der »proletarischen« oder »sozialistischen« Nation.
Deshalb resultierte aus dem internationalistischen Pathos keine transnationale Bewegung von unten, sondern bloß eine bürokratische Beziehung der weiterhin nationalen Arbeiterparteien von oben. In diesem Inter-Nationalismus lauerte der gewöhnliche, mörderische Nationalismus der kapitalistischen Konstitution, wie er sich im 1.Weltkrieg blutig entpuppt hat. Seit dem August 1914 war, nach dem Ausdruck von Rosa Luxemburg, nicht nur die Sozialdemokratie, sondern auch der »proletarische Internationalismus« praktisch und seinem Begriff nach nur noch ein stinkender Leichnam. Die Affirmation des nicht überwundenen nationalen Gehäuses entsprach der Affirmation des nicht überwundenen, auf dem Wert beruhenden Formzusammenhangs insgesamt. Wie der verkürzte, auf dem Boden kapitalistischer Ontologie agierende »Sozialismus des Adjektivs« die nicht in Frage gestellten Kategorien der Wertvergesellschaftung bloß anders regulieren und moderieren wollte, um Arbeit, Wert, Ware, Geld, Markt, Staat, Politik und Demokratie vermeintlich »sozialistisch« zu machen, ebenso verfuhr er zwangsläufig auch mit der Nation.
Indem nun heute mit der 3. industriellen Revolution der globale Krisenkapitalismus selbst seinen kategorialen Zusammenhang aufsprengt, steht augenfällig für emanzipatorische Theorie und Praxis gerade die Überwindung der nationalen Beschränktheit auf der Tagesordnung, die zur Überwindung des gesamten kapitalistischen Formzusammenhangs drängt. Um überhaupt mit dem transnationalen Kapital auf Augenhöhe zu kommen, muß die radikale Linke selber transnational werden und sich damit über das bisherige Linkssein hinaus transformieren. Dieser Übergang zur Wertkritik, für den die radikale Kritik der Nation ein wichtiges Vehikel bildet, findet in Deutschland ein bereits verwüstetes negatives Terrain der nationalen Geschichte vor. Während etwa in Frankreich der anstehende Übergang zum Bruch mit der Nation durch die Glorie der nationalen Revolution von 1789 mit ihrem falschen modernen Menschheitsversprechen verstellt ist, legt in Deutschland das »schwarze Loch« des modernen Menschheitsverbrechens von Auschwitz eben diesen Bruch nahe. Im Unterschied zu anderen Ländern kann in Deutschland der Versuch, die soziale Emanzipation noch einmal in nationaler Form zu denken, von vornherein nur abgeschmackt und abstoßend wirken.
Andererseits aber, und darin besteht die fatale Dialektik dieses Zusammenhangs, droht eben dieser Bruch mit der Nation als spezifisch »deutscher« und auf Deutschland beschränkter eine anachronistische Interpretation der Weltlage hervorzurufen, eben jene historische Fixierung auf den Bezugsraum einer vergangenen Epoche, wie sie die verkürzte Verarbeitung des Holocaust bei vielen deutschen Linken mit sich gebracht hat. Dabei schlägt die in der Auseinandersetzung mit Auschwitz angelegte Annäherung an eine Kritik der modernen Fetischform in eine affirmative, historisch rückwärts gewandte Ideologie um, die sich in Bezug auf den aktuellen, von der letzten Weltmacht USA bestimmten demokratischen Krisenimperialismus apologetisch verhält.
Das Eingedenken von Auschwitz, der Impuls, dafür zu kämpfen, daß nie wieder solches geschehe, verlangt eigentlich gerade umgekehrt eine theoretische Entwicklung und Analyse auf der Höhe der Zeit, um diesem Anspruch gerecht werden zu können. Denn natürlich kann sich Auschwitz als singuläres Ereignis nicht buchstäblich wiederholen; es markiert die Manifestation einer Irrationalität und Barbarei, wie sie in der Logik des Kapitals und seiner Moderne an sich enthalten ist und in katastrophischen Momenten der Modernisierungsgeschichte hervorbrechen kann, aber nicht stets in derselben Weise. Die moderne Barbarei kann auch andere Erscheinungsformen annehmen, deren Bedingungsgründe in der jeweiligen Weltkonstellation zu finden sind.
Deshalb besteht die Anerkennung der Singularität von Auschwitz gerade darin, das Eingedenken mit der Analyse der veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und globalen Konstellationen zu verbinden. Das gilt erst recht für die gegenwärtige Situation der qualitativ neuen Weltkrise an den Grenzen des Systems. Aber die Schwärze von Auschwitz kann auch gewissermaßen die Geschichte verschlucken. Das kritische Bewußtsein droht dann paralysiert zu werden, sodaß es zu keiner Weiterentwicklung von Theorie und Analyse mehr fähig und willens ist. Das deutsche Menschheitsverbrechen wird so nicht als integraler Bestandteil und äußerste mögliche Konsequenz des falschen westlichen Menschheitsversprechens erkannt, sondern diesem äußerlich gegenübergestellt.
Es kommt also alles darauf an, ob in der Aufarbeitung von Auschwitz und in der daraus folgenden kategorialen Kritik der Nation ein zureichendes Verhältnis von kapitalistisch-wertförmiger Allgemeinheit und deutscher Besonderheit hergestellt werden kann. Die spezifisch deutsche Entwicklung des Kapitalismus hat eine über jedes koloniale und imperiale Verbrechen hinausgehende Möglichkeit manifestiert: Vernichtung als unmittelbarer Selbstzweck. Auschwitz ist singulär und kann so nicht wiederkehren, aber die gesellschaftlichen Formen, aus denen Auschwitz hervorgegangen ist, wirken fort und sind bis heute unüberwunden. Dies bezieht sich in besonderer Weise auf Deutschland und in allgemeiner Weise auf das Kapitalverhältnis/ die Wertvergesellschaftung insgesamt.
Allein in diesem Sinne bleibt Auschwitz realgesellschaftliche Gegenwart, nicht als buchstäbliche Wiederholung der Konstellation von 1933-45. In Auschwitz sind sämtliche vergangenen, gegenwärtigen und zukünftig noch denkbaren Verbrechen der kapitalistischen Geschichte enthalten, es ist das unüberbietbare ideelle Gesamtverbrechen der Modernisierung, das als gleichzeitig spezifisch deutsches Verbrechen Deutschland zum negativen Fluchtpunkt der Moderne macht. Wer hier den Nationalstolz nicht aufhören läßt, der kann nur noch Bestie sein wollen; wer hier die Moderne nicht aufhören läßt, der kann nur noch ihren realen Nihilismus vollenden.
Gerade weil das Eingedenken von Auschwitz in diesem Sinne so identitätszerstörend für das Modernisierungsbewußtsein kategorialer Wertimmanenz ist, egal ob in seinen linken, konservativen oder liberalen Varianten, haben sich zwei verschiedene Modi der Verdrängung und Verleugnung herausgebildet, die sich spiegelbildlich zueinander verhalten. Der erste, gewöhnliche, gemeindemokratische Modus besteht darin, Auschwitz positiv zu historisieren oder es vielmehr in Wahrheit zu enthistorisieren: Das Menschheitsverbrechen soll aus der deutschen wie aus der kapitalistischen Modernisierungsgeschichte insgesamt hinauskatapultiert werden, es soll damit »eigentlich« nichts zu tun haben, nicht aus dem Schoß von »Demokratie und Marktwirtschaft« selbst hervorgegangen sein. Auschwitz wird so zum angeblich unbegreiflichen Betriebsunfall der Geschichte gemacht und der NS zum Alien, das diesen Unfall verursacht hat, aber eben nicht Fleisch vom Fleische der wunderbaren Moderne, ihrer Vernunft, ihres Fortschritts und ihrer Menschenrechtlichkeit sein kann.
Und danach, so die demokratische Schnulzenversion der Modernisierungsgeschichte, ist gottseidank alles wieder im großen und ganzen seinen normalen Gang gegangen. Das behauptet ganz eindeutig Dan Diner: »Hinsichtlich des Nationalsozialismus… greift das Wort von der ›historischen Krise‹ augenscheinlich ins Leere – hat jene Ereignisphase doch keinerlei sichtbare Veränderungen im säkular gestifteten und rational organisierten Zivilisationszusammenhang (!) nach sich gezogen« (Dan Diner, Die Wahl der Perspektive, in: »Vernichtungspolitik«, hrsgg. v. Wolfgang Schneider, Hamburg 1991, S. 66). Auschwitz ist Vergangenheit und sonst gar nichts, und zwar sogar in einem doppelten Sinne Vergangenheit: Es ist nicht nur Geschichte wie der Erste Weltkrieg oder die Napoleonischen Kriege, sondern es ist gleichzeitig noch nicht einmal mehr Geschichte, weil in dieser als nicht dazugehöriger Fremdkörper identifiziert. Die neonazistischen Auschwitzleugner bilden insofern nur die Zuspitzung der gewöhnlichen demokratischen Mahnkultur, die Auschwitz durch Abschälung von seinem demokratisch-kapitalistischen Mutterboden bereits soweit entwirklicht hat und wie in Spiritus eingelegt vorzeigt, daß man das Menschheitsverbrechen der Nazis nicht mehr als integralen Bestandteil der realen kapitalistischen Modernisierungsgeschichte begreifen soll.
Der zweite, spiegelbildlich verkehrte Modus der Verdrängung und Entwirklichung von Auschwitz, wie ihn vor allem bestimmte Teile der deutschen radikalen Linken entwickelt haben, besteht darin, das Menschheitsverbrechen des NS in falscher Unmittelbarkeit zur ahistorischen Dauerpräsenz zu machen. Nicht in dem einzig adäquaten Sinne bleibt die Erinnerung an Auschwitz wach, daß das Eingedenken in Beziehung gesetzt wird zum fortwirkenden, unüberwundenen gesellschaftlichen Bedingungsgrund des Menschheitsverbrechens im deutschen und allgemeinen Kapitalverhältnis, sondern als unmittelbare Identifikation von NS und Auschwitz in der gegenwärtigen Welt, als vermeintliche Wiederkehr des Gleichen.
Die Geschichte ist aus dieser Sicht gewissermaßen bei Auschwitz stehen geblieben und reproduziert sich in immer demselben Ereignishorizont. Damit aber wird Auschwitz nicht weniger enthistorisiert als in der gewöhnlichen demokratischen Version. Indem es auch im unmittelbaren Sinne, als Ereignis, nicht Geschichte sein darf, wird aber nicht nur Auschwitz enthistorisiert, sondern auch die Gegenwart des Weltkapitalismus im beginnenden 21. Jahrhundert entwirklicht.
Auf diese Weise treten ideologische Identifikationen und Projektionen an die Stelle einer Analyse der fortentwickelten Verhältnisse: Auschwitz und der NS werden unvermittelt auf ganz andere Situationen und Konstellationen projiziert, diesen damit ihr eigener Stellenwert genommen. Es handelt sich gewissermaßen um eine Auschwitzleugnung mit negativem Vorzeichen: Ob Auschwitz nie existiert hat oder immer und überall existiert, das ist so identisch wie das reine Sein und das reine Nichts bei Hegel.
Indem dieses Denken die Geschichte in der Konstellation des Zweiten Weltkriegs still stellt, muß es diese Konstellation nicht nur auf alle späteren und insbesondere die heutige kontrafaktisch projizieren, sondern damit gleichzeitig auch die kapitalistische Modernisierungsgeschichte ganz ähnlich wie in der gewöhnlichen demokratischen Version von NS und Auschwitz rein waschen. In beiden Fällen erscheinen der NS und seine Verbrechen als Einbruch des Fremden in die an sich vernünftige Welt der Moderne, nur daß die Demokraten dann ihre falsche Vernunftgeschichte ungerührt weitergehen lassen, während die projektive Ideologie jenes Teils der deutschen Linken das angeblich Fremde des NS zur unmittelbaren ahistorischen Dauerpräsenz macht, von der die verlorene »gute« Geschichte bürgerlicher Vernunft zugedeckt und ausgelöscht worden sei und immer wieder ausgelöscht zu werden drohe, statt Auschwitz als integralen Bestandteil eben dieser Vernunft selber zu begreifen.
Es zeigt sich hier schon das Grundmuster der antideutschen Ideologie, wie sie aus einem verkürzten deutschen Antifaschismus hervorgehen mußte, der den NS im Nachhinein noch phantasmatisch besiegen will und sich damit nur selbst entwirklichen kann. Dieses ideologische Stillstellen der Geschichte zieht eine entsprechende Fixierung auf »Deutschland« nach sich, das in der permanenten Reproduktion jener Konstellation des Zweiten Weltkriegs zum ewigen Träger einer unmittelbaren Wiederholung des NS wird, statt die heutige BRD in ihrer Verstrickung mit der neuen imperialen Weltkonstellation (und das Fortwirken der »deutschen Ideologie« in diesem veränderten Kontext) zu kritisieren.
An die Stelle einer realen Analyse der längst weit von den damaligen Verhältnissen fortentwickelten globalen Lage tritt dann die projektive Devise: »Deutschland steckt hinter allem«; als das der westlich-demokratischen Vernunft angeblich wesenhaft Fremde und Äußerliche sei es stets auf dem Sprung, erneut über die Welt herzufallen. Deshalb gelte es, die Vernunft der Moderne gegen das drohende deutsche Unwesen zu verteidigen. Das Verhältnis von allgemeiner Form (Wertform) und deutscher historischer Besonderheit wird so gerade falsch herum aufgelöst, als Apologetik der Wertvergesellschaftung gegen das angebliche deutsche Alien.
Dieses Ideologem einer falschen, ahistorischen, anachronistischen und projektiven Verarbeitung von Auschwitz schwelte in der deutschen Linken schon länger, wenn auch überdeckt vom traditionsmarxistischen Ballast, der wohl auch heute noch das Hauptgewicht ausmacht. Schon von Anfang an war damit jedoch bei einem bestimmten Teil der traditionellen Linken die Tendenz verbunden, Auschwitz in makaberer Weise instrumentell als Vehikel oder Rettungsboot zu benutzen, um sich aus dem untergehenden Arbeiterbewegungsmarxismus abzuseilen und bei einer zusammenphantasierten neuen Anti-Hitler-Koalition unter der Vernunftführung der USA anzuheuern.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und damit dem endgültigen Verlust der staatssozialistischen Bezugsordnung wurde diese Option virulent und manifestierte sich bekanntlich erstmals 1991 beim zweiten Golfkrieg und ersten Weltordnungskrieg der neuen Ära, als ein zunächst noch kleiner Teil der damals frisch unter dem Label »Antideutsche« firmierenden deutschen Linken, an ihrer Spitze der besonders traditionsmarxistisch beschränkte Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza, Saddam Hussein und Kohl-Deutschland unter einen Hitler-Hut brachte, um an der Seite der »Alliierten« in Kriegsbegeisterung ausbrechen zu können.
Es war kein Zufall, daß in diesem mißtönenden Chor schon damals die Freiburger ISF mitjohlte, also nahezu gleichzeitig mit oder nicht lange nach den ersten wertkritischen Gehversuchen dieses Projekts. Damit war schon vorgezeichnet, daß die Engführung des ganzen Ansatzes auf die Epoche und Ideologie des NS in der falschen Immanenz innerkapitalistischer Gegensätze stecken bleiben und dem verkürzten Antifaschismus einer »prowestlichen« Wende Nahrung geben würde, wie sie sich schon in desorientierten traditionsmarxistischen Kreisen um die Zeitschrift »Konkret« vorbereitet hatte.
Der erst grob eröffnete Zusammenhang von Ideologie, Denkform und Wertform wurde kurzgeschlossen zu einer unmittelbaren Identität, die Gesellschaft auf Ideologie reduziert, die Ideologie auf Antisemitismus und dieser auf ein ungenau bestimmtes deutsches Unwesen, dessen Vermittlung mit dem Kapitalverhältnis »eingeklammert« und faktischausgeblendet wurde. Damit war von vornherein jeder Weg zu einer weiteren Entfaltung der Wertkritik abgeschnitten. Der Arbeiterbewegungsmarxismus (ein Terminus, der keineswegs zufällig von Krisis stammt und nicht von ISF/Bahamas) wurde nicht in seinem gesamten affirmativen Bezug auf die Wertform kritisiert, sondern allein in seinem verkürzten Bezug auf die antisemitische Ideologie und diese mit der gesellschaftlichen Konstitution überhaupt verwechselt.
Das Eingedenken von Auschwitz führte so nicht zu einer kategorialen Kritik der Nation, sondern zu einer bloß assoziativ aufgeladenen Kritik »Deutschlands« als einer angeblichen Unwesenheit sui generis; nicht zu einer fundamentalen Kritik der Modernisierungsgeschichte mit der deutschen als spezifischem Derivat, sondern zu einer isolierten und ebenso assoziativen Kritik der deutschen Geschichte als reiner Ideologiegeschichte (inzwischen projektiv ausgedehnt auf »den Islam« und perspektivisch auf die gesamte 3. Welt).
Das Verhältnis von allgemeiner Wertform/Denkform, Antisemitismus und deutschem Menschheitsverbrechen blieb systematisch ungeklärt, und dieser Zusammenhang mußte als rituell wiederholtes Mantra in den Hintergrund rücken, während tatsächlich nichts anderes mehr betrieben wurde als der Versuch, die theoretische Engführung auf die Epoche des NS in einen allgemeinen Anspruch zu verwandeln und dabei die ursprüngliche kurzschlüssige Beziehung von Allgemeinheit der Wertform und Besonderheit des NS in einen »rein deutschen« Gegenstand aufzulösen. Je unausgewiesener und brüchiger die theoretische Argumentation, desto großspuriger mußte sie daherkommen: »Der Materialismus der Kritik bestimmt Deutschland als das Produktionsverhältnis des Todes, als die Gesellschaft, die ihre innere Einheit und Identität nur finden kann in Vernichtung und Massenmord« (ISF, Zuvor: Kritik der deutschen Ideologie, in: Flugschriften, Freiburg 2001, S. 9).
Die assoziativen Anklänge an Celan sollen überspielen, wie hier mit Begriffen Schindluder getrieben wird. Die theoretische Rohheit, »Deutschland« als ein »Produktionsverhältnis« zu bestimmen, korrespondiert mit dem Versuch, eine negative Wesensbestimmung der Wertform in ihre spezifisch deutsche historische Manifestation vollständig einzubannen, sich also auf die besondere Erscheinungsform ausschließlich zu konzentrieren, um das allgemeine Wesen nicht mehr antasten zu müssen. Die Potenz zu Vernichtung und Massenmord, ja zur Annihilation der physischen Welt überhaupt lauert aber in der Leere der Wertform an sich und manifestiert sich strukturell wie historisch in verschiedensten Erscheinungsformen. Das deutsche Menschheitsverbrechen, so muß immer wieder betont werden, war die bislang umfassendste und in ihrer negativen Qualität beispiellose Manifestation dieser allgemeinen Potenz aufgrund einer spezifischen nationalen Durchsetzungsgeschichte der Wertform.
Einzig und allein richtig wäre es also, den auf sich selbst rückgekoppelten Wert, also das Kapitalverhältnis in seiner Allgemeinheit, als »das Produktionsverhältnis des Todes« zu bestimmen, als Weltvernichtungsprogramm auf allen Ebenen, das in der deutschen Spezifik des NS seine bislang stärkste historische Manifestation erfuhr. Eine solche Bestimmung relativiert nicht im mindesten das deutsche Verbrechen als deutsches, sondern stellt es in seinen tatsächlichen realhistorischen Zusammenhang der kapitalistischen Modernisierungsgeschichte. Die Zuordnung der Vernichtungspotenz als solcher, nicht allein der besonderen, qualitativ singulären historischen Manifestation dieser Potenz, zum spezifisch deutschen Unwesen dagegen, das sogar zum phantasmatischen Konstrukt eines »deutschen Produktionsverhältnisses« aufgeblasen wird, läßt die Allgemeinheit der Bestimmung in ihrer historischen Besonderheit verschwinden; womit das Problem als Ganzes auf diese Besonderheit eingegrenzt wird, die dann nicht mehr als solche erscheint, sondern als eine andere, »fremde« Allgemeinheit sui generis.
Wenn die ISF-Vordenker gelegentlich anderen gegenüber »das Diktum Horkheimers, demzufolge vom Faschismus schweigen soll, wer vom Kapitalismus nicht reden will« (ISF, Die Gemeinschaft der Guten, in: Flugschriften, a.a.O., S. 143) ins Feld führen, so trifft es in Wahrheit zuallererst sie selbst. Daß der NS nicht mehr in seinem historischen Kontext begriffen, sondern zum Alien gemacht wird, zeigt auch schon die hyperbolische Redeweise, »daß einer als Deutscher das genaue Gegenteil eines Menschen darstellt« (ISF, Deutsche Logik, in: Flugschriften, a.a.O., S. 31) und »die Deutschen sich als Menschen aufspielen« (ISF, Artikel 16 (2), in: Flugschriften, a.a.O., S. 41). So stark ist das Bedürfnis, den NS aus der kapitalistischen Vernunft zu exkommunizieren, daß er gleich samt »den Deutschen« aus der Gattung exkommuniziert wird; und zwar von Deutschen, die sich als affirmative Theoretiker des modernen bürgerlichen »Menschseins« aufspielen.
Das bedeutet in der Folge, den zaghaften, unausgeführten Ansatz einer Kritik der Wertform sofort wieder zurückzunehmen, zu entwirklichen und statt dessen pseudo-konkretistisch heruntergebrochen die Konstellation des Zweiten Weltkriegs auf alle weitere Geschichte zu projizieren. Voraussetzung dafür ist, daß »Deutschland« zum alleinigen Bezugspunkt wird »als das Land, das gewissermaßen transzendental (!) unter dem Wiederholungszwang steht… « (ISF, Zuvor: Kritik der deutschen Ideologie, in: Flugschriften, a.a.O., S. 9).
Mit der absurden Bestimmung des NS und Deutschlands überhaupt als »transzendental« statt als historisch (was die Unüberwindbarkeit dieser Konstellation in der Zeit impliziert) ist »Deutschland als Produktionsverhältnis des Todes« nicht nur aus dem Kapitalismus, sondern aus der Geschichte überhaupt herausdefiniert. Es kann dann nur noch jene Wiederkehr des Gleichen stattfinden, als ewige Präsenz der Nazis in ihrer Formation und Machtfülle von 1939 und als »Gewißheit… , daß sie es das nächste Mal, bei der nächsten Machtergreifung, wieder tun werden« (ISF, Deutsche Logik, in: Flugschriften, a.a.O., S. 28); und »das nächste Mal« ist natürlich »im gerade heranrollenden Vierten Reich« (a.a.O., S. 29).
Der dabei eingehandelte innere Widerspruch, daß der Antisemitismus einerseits unmittelbar mit der allgemeinen Wertform kapitalistischer Reproduktion identifiziert, andererseits aber als spezifisch deutsche »transzendentale« gesellschaftliche Konstitution dargestellt wurde, konnte überspielt werden, indem die Wertkritik überhaupt unausgeführt blieb. Der tatsächliche Gegenstand der Kritik wurde nicht die Wertvergesellschaftung in ihrer neuen, globalisierten Gestalt und in ihrer neuen Krisenepoche, sondern die säuberlich davon abgetrennte, ahistorisch gesetzte, als »transzendental« apostrophierte »deutsche Nichtmenschlichkeit«.
Tatsächlich finden sich in den ISF-Publikationen der 90er Jahre hauptsächlich und fast ausschließlich Auseinandersetzungen mit dem, was abgelöst von seinem gesellschaftlichen und realhistorischen Bedingungsgrund als »Deutschsein« erscheint (inzwischen eine in den Nahen wie in den Fernen Osten projizierte gesellschaftsmystische Qualität), während die Vermittlung mit der Wertkritik nirgendwo systematisch geleistet ist und deren Begriff überhaupt nur in stetiger und raunender Wiederholung der dürftigen Anfänge den Auslassungen äußerlich angeklebt wird. Das Verhältnis von Wertform und Nazi-Menschheitsverbrechen bleibt nicht nur im Dunkeln, sondern letzteres wird der »Vernunft« der Wertlogik schließlich eben sogar äußerlich entgegengestellt.
Dieses Denken, das in der Wertkritik nie weiter als bis zur Überschrift kam, wurde so nicht nur kompatibel mit der beginnenden antideutschen Ideologie jenes Teils der abstürzenden traditionellen Linken, der Auschwitz geradezu als Vehikel seiner Absetzbewegung benutzte, sondern lieferte sogar die theoretischen Grundlagen dafür. In der Verbindung mit dem umgemodelten Politmagazin Bahamas verlagerte sich dabei Mitte der 90er Jahre der Schwerpunkt immer mehr von der bereits vorzeitig an ihr Ende gekommenen Theoriebildung auf eine denunziatorischePropaganda innerhalb der linken Szene-Biotope, um das dürftige und wackelige theoretische Konstrukt gegen Kritik zu immunisieren und es sakrosankt zu machen mit der stets präsenten Drohung, alle, die sich dieser projektiven und in Bezug auf den zeitgenössischen westlichen Kapitalismus affirmativen Interpretation nicht fügen wollen, als potentielle oder manifeste Nazis und Antisemiten anzuschwärzen.
Es bedurfte nur noch des äußeren Anstoßes des 11. September und der Folgeereignisse, um die längst schon vorbereitete und latente Konsequenz manifest zu machen: nämlich die vollständige Konversion zur imperialen westlichen Macht und Gewaltmaschine des Krisenkapitalismus, die Verwandlung in ein auf die Linke ausgerichtetes Propagandaorgan der perspektivlosen Weltordnungskriege von USA und NATO an den Grenzen des modernen warenproduzierenden Systems.
Diesen billigen Ausweg, der keiner ist, hat seither in verschiedenen Graden und Ausdrucksformen ein erheblich größerer Teil der deutschen radikalen Linken mitgemacht als 1991. Die antideutsche Wende führt nicht zu neuen Ufern radikaler Kritik, sondern nur endgültig in eine Wahnwelt der anachronistischen Projektion, faktisch zur Parteinahme für die globale Krisendiktatur des Kapitals im Namen eines verkürzten Antifaschismus.
Die auf die antideutsche Ideologie »abfahrende« deutsche Antifa-Szene konnte sich so ideologisch und identitär »entlasten«, ohne die eigene bürgerlich-demokratische Beschränktheit überwinden zu müssen. Das Eingedenken von Auschwitz wurde statt zum Ausgangspunkt einer Kritik der Wertform zum Ausgangspunkt einer geradezu fanatischen Revitalisierung der abgegriffensten Statements bürgerlich-aufklärerischer Ideologie und einer Glorifizierung der High-Tech-Militärmaschine ihrer globalen Schutzmacht. Die deutsche Antifa-Szene kann auf diese Weise ohne schmerzhafte Transformation ihrer theoretischen Grundlagen das Problem der Aufarbeitung durch ein doppeltes »Outsourcing« (positiv-identifikatorisch in die USA, negativ in die 3. Welt, das projektive neue »Gesamtdeutschland«) einer Scheinlösung zuführen. Diese bequeme identitäre Entlastung geht auf Kosten anderer. Das macht die antideutsche Ideologie so ekelhaft wie die Szene, in der sie reüssieren kann.
Die antideutsche Konversion zum westlichen Krisenimperialismus und seiner letzten Weltmacht findet, dem Entwicklungsstand an den Grenzen des modernen warenproduzierenden Systems entsprechend, in qualitativ neuer Form statt; aber sie schließt natürlich an ähnliche Tendenzen in der Vergangenheit an, wie sich in dieser Situation überhaupt bestimmte soziale und ideologische Zersetzungsprozesse der historischen Krisenkulminationen in verschärfter Form reproduzieren.
Es ist eine geradezu periodische Erscheinung in der Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, daß ehemals vermeintlich prinzipiell kritische und emanzipatorische Bewegungen zur herrschenden Ordnung überlaufen. Die historische Wandlung der Sozialdemokratie zur Regierungsfähigkeit und kapitalistischen Krisenverwaltung gehört ebenso dazu wie die Transformation eines Großteils des 70er-Jahre-Marxismus in das grüne Projekt marktkonformer Teilhabe, das sich binnen weniger Jahre zum integralen Bestandteil des parteiübergreifenden Neoliberalismus transformiert hat und heute als Speerspitze der antisozialen Gegenreform gelten kann. Ebensowenig neu ist es, daß gerade der imperiale Krieg immer wieder zum Katalysator derartiger Transformationen wird. Dabei wiederholt sich dieselbe legitimatorische Matrix in wechselnden Bezügen: Plötzlich wird die soeben noch zur scheinbar fundamentalen Kritik freigegebene kapitalistische Gesellschaft als »Zivilisation« verklärt, die gegen die drohende »Barbarei« verteidigt werden müsse, als wäre die Barbarei nicht eine Erscheinungsform und ein Daseinsmodus dieser angeblichen »Zivilisation« selbst.
Es ist auch keine neue Erscheinung, daß gerade Auschwitz für die Legitimation solcher Umdeutungen herhalten muß, wie sich schon an den rot-grünen Begründungen für die deutsche Teilnahme am Weltordnungskrieg der NATO in Ex-Jugoslawien ablesen ließ. Die Voraussetzung ist immer dieselbe: Die falsche Bestimmung von NS und Auschwitz als Alien der Modernisierungsgeschichte, dem diese als »Prozeß der Zivilisation« (Norbert Elias) äußerlich gegenüberstehen soll, erlaubt die beliebige Projektion dieses Verhältnisses auf alle weiteren Konstellationen der globalen Wertlogik und ihrer Krise.
»Zur Verteidigung der Zivilisation« (Redaktion Bahamas, Erklärung vom 31.10.2001) rufen nun auch die angeblichen radikalen Kritiker plötzlich auf, das heißt zur Verteidigung genau jenes Unwesens, das der Quellgrund aller modernen Barbarei ist. Ausgerechnet mitten in der neuen Weltkrise des Kapitals, ausgerechnet in einer Situation der sich manifestierenden offenen Barbarei sowohl in den Terrorbanden der zusammenbrechenden 3. Welt als auch in der imperialen Krisenreaktion des Westens und seiner letzten Weltmacht, ausgerechnet an der immer deutlicher erscheinenden historischen Grenze des modernen warenproduzierenden Systems werden die antideutschen Ideologen noch einmal bürgerlich vernunftfromm und klammern sich an die längst von ihren eigenen Resultaten zuschanden gemachte falsche kapitalistische Fortschrittsideologie mit ihrer Lüge vom »zivilisatorischen Prozeß«: »Wer Ideologiekritik als rückwärtsgewandten Kulturpessimismus verächtlich zu machen gelernt hat setzt die real existierende Zivilisation (!), als Verlängerung und Reproduktion des vorzivilisatorischen Grauens (!), auf welches sie kraft eigenen Prozessierens jederzeit regredieren kann, mit den wie auch immer verbogenen und unzulänglich realisierten (!) zivilisatorischen Versprechen, umstandslos in eins« (Redaktion Bahamas, Zur Verteidigung der Zivilisation, a.a.O.).
So entpuppen sich die Propheten eines kryptischen Scheinradikalismus als brav den Finger hebende Klippschüler bürgerlicher Ideologie in ihren elementarsten Statements. Das zur Erbauung verlogener »Radikalität« gelegentlich benannte Unwesen des Kapitals wird flugs zur »real existierenden Zivilisation« umdefiniert, deren »zivilisatorisches Versprechen« lediglich »unzulänglich realisiert« sei, womit bereits gesagt ist, daß der angebliche Kommunismus für dieses Denken nichts anderes sein soll als die »zulänglich realisierte« bürgerliche »Zivilisation«; ein offenherziges Bekenntnis, das sich auf allen Ebenen wiederholt, wie noch zu zeigen sein wird. In der modernen Barbarei soll sich so nicht etwa das Wesen des Kapitals selbst offenbaren, sondern diese Barbarei soll bloß die stets drohende Regression auf vorkapitalistische Zustände darstellen, als Rückfall hinter das glorreiche Kapital in das angebliche »vorzivilisatorische Grauen« – womit die originär kapitalistische Barbarei glücklich einer irgendwie wiederkehrenden Vormoderne angelastet wäre.
Das Grauen und die Verbrechen des Kapitalismus selbst werden so entwirklich, verniedlicht und als »trivial« eingestuft, darum soll es nicht mehr wesentlich gehen, so die antideutsche Ideologie. Konsequente Wertkritik als weiterentwickelte Kapitalismuskritik muß daher als der »eigentliche« Feind erscheinen: »(Das) ewige Herumreiten auf Trivialitäten, die bekannt sind und die sowieso keiner bestreitet wie derjenigen, daß die Akkumulation des Kapitals seit jeher über Berge von Leichen gegangen ist und dies noch tut (!) – kurz: die Leugnung allen historischen Fortschritts (!) macht die Nürnberger Wertkritik, und nicht nur sie, von traditioneller deutscher Zivilisationsfeindschaft am Ende ununterscheidbar (!)« (Redaktion Bahamas, a.a.O.).
Was für eine nette Logik: Daß das Kapitalverhältnis »seit jeher über Berge von Leichen gegangen ist und dies noch tut«, was macht es schon, das sind Peanuts; es stellt trotzdem die »real existierende Zivilisation« dar, die nicht als »historischer Fortschritt« geleugnet werden darf. Womit glücklich erwiesen wäre, daß »Zivilisation« und »historischer Fortschritt« in nichts anderem bestehen, als »über Berge von Leichen« zu gehen, aber bei dieser »Trivialität« wollen sich die antideutschen prowestlichen Zivilisationsfreunde nicht weiter aufhalten. Da stellt sich doch die bescheidene Frage, worin das »vorzivilisatorische Grauen« die famose »Zivilisation« eigentlich noch übertreffen kann, denn mehr an Grauen als gewohnheitsmäßig über »Berge von Leichen« zu gehen ist ja kaum vorstellbar.
Dem gegenüber ist mit aller Konsequenz festzuhalten, daß es bis jetzt keine Zivilisation im positiven und emphatischen Sinne des Wortes gibt. Das warenproduzierende System der Moderne ist selber noch »Vorgeschichte« in der bekannten Marxschen Diktion und daher eben auch grundsätzlich »vorzivilisatorisch«. »Zivilisation« wäre insofern der »Traum von einer Sache« (Marx), die noch gar nicht existiert; ein Traum, geboren aus der Erfahrung der Schrecken fetischistischer Zwangsverhältnisse, aber unmöglich ein Traum im Namen und auf Rechnung eben dieser Verhältnisse in ihrer kapitalistischen Zuspitzung. Die Antideutschen dagegen wollen partout den Kapitalismus ausgerechnet in seiner fortgeschrittensten US-amerikanischen Form selber zur »Zivilisation« verklären, also affirmieren, wo nur schärfste Kritik angesagt sein kann.
Die Umdefinition des Kapitalverhältnisses und seiner Wertvergesellschaftung vom Gegenstand angeblich radikaler Kritik in die zu verteidigende, lediglich noch ein kleines bißchen »unzulänglich realisierte«, aber dennoch »real existierende Zivilisation« ist als Evergreen linker Konversion in der akuten Weltkrise nichts Neues und nichts Verwunderliches. Normalerweise war diese ideologische Metamorphose in der Vergangenheit allerdings mit einem mehr oder weniger theatralisch inszenierten expliziten Abschied von der radikalen Kritik verbunden, wie sich zuletzt an den Grünen als dem Verendungsprodukt der so genannten neuen sozialen Bewegungen seit 1968 gezeigt hat. Die jeweils in der Krise entdeckte »zivilisatorische« Potenz des Kapitalverhältnisses, die nun ausgerechnet gegen dessen eigene Destruktions- und Barbarisierungsprozesse geltend gemacht werden sollte, ließ die Kritik stets ganz verstummen oder zumindest »weich« werden im Sinne einer ausdrücklichen positiven Immanenzbestimmung, die auf keine grundsätzliche Gesellschaftsveränderung mehr hinaus wollte – von der Sozialdemokratie am Vorabend der Weltkriegsepoche bis zu den Grünen.
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