Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Auf den ersten Blick ein fröhlicher, sehr unanständiger Zukunftsroman, in dem männergeile Männer es bei so ziemlich jeder Gelegenheit miteinander treiben, von zart bis hart, am liebsten öffentlich, während die bürgerliche Gesellschaft sich an den Anblick gewöhnt und neuartige Strukturen entwickelt, um solch abartiges Geschehen zu integrieren. Bei näherer Hinsicht hält Jens van Nimwegen der heutigen Gesellschaft den Spiegel vor wie dereinst Pasolini. Die 120 Tage von Sodom reloaded, aber leichter, spielerischer, ohne Fäkalien und ohne Grausamkeit, wenn man von einer zwischen zwei Steinen zermalmten Gebissprothese absieht. Was erwartet unsere so tolerante Gesellschaft von ihren Homosexuellen? Wie fühlen die sich, wenn sie zur Abwechslung mal nicht kuschen wollen? Philosophisch betrachtet ist die Erzählung darüberhinaus ein Gedankenexperiment zum Sinn und Zweck des gesetzlichen Schutzes von etwas so schwer Greifbarem wie der Würde des Menschen im Gegensatz zum Tierschutz. Die selbständig lesbare philosophische Lehrerzählung kann auch gelesen werden als dritter Band der MANIMAL-Trilogie von Jens van Nimwegen. Das Ferkel, einen Skater aus Rüdersdorf, kennen die Leser des ersten und zweiten Bandes. Es war bei Jens in der Lehre, um zu einem richtigen Schwein abgerichtet zu werden. Viel brauchte der naturversaute junge Mann dazu nicht mehr zu lernen. Gegen Ende des ersten Bandes gesellte sich Phallc dazu, ebenfalls ein Skater, der von seinen Eltern des Hauses verwiesen wurde. In Die artgerechte Haltung des Homo manimalis treffen wir die beiden wieder im inzwischen dreigeteilten Deutschland des Jahres 2034, nach dem Großen Zusammenbruch. Vieles ist anders geworden, und während im Freistaat Bayern-Sachsen Homosexuelle gesetzlich als Abart des Homo Sapiens dem Tierreich zugerechnet werden, können sie in Neupreußen frei und vollkommen offen leben und lieben. Aber wer vorher schon versaut war, bleibt es auch unter diesen beiden Systemen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2016
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Jens van Nimwegen
Die artgerechte Haltungdes Homo manimalis
Eine philosophische Lehrerzählungfür erwachsene Denker
Nimwegen 2014
Diese selbständig lesbare philosophische Lehrerzählung kann auch gelesen werden als dritter Teil einer recht unanständigen Manimal-Trilogie:
Manimals, ein Entwicklungroman
Ratte, Rotz und Radu, ein Kriminalroman
Die Artgerechte Haltung des Homo manimalis,ein Zukunftsroman
manimal.eu
© Jens van Nimwegen, Nijmegen 2016
Druck: epubli.de
manimal.eu/Homo_manimalis
Erster Drucka
Tagebuch aus Hellabrunn
„Meine Damen und Herren, liebe Schüler! Wir betreten gerade (Ich sehe seinen Rücken in der Toröffnung. Das Publikum betritt noch gar nichts. Er wird erst einmal den Eingang versperren und reden.) den geheimnisumwitterten Teil unseres Freistaatlichen Zoologischen Gartens, den Minderjährige nur in Begleitung ihrer Religionslehrer besuchen dürfen, nachdem im Unterricht gut erklärt wurde, was einen hier erwartet. Ohne Vorbereitung wäre der Anblick zu schrecklich. (Man hört Huch und Hach aus Mädchenmund.) Ach so, bevor ich es vergesse, ich bin (Er sagt jeden Tag an dieser Stelle „Ach so, bevor ich es vergesse, ich bin…” Und gleich lässt er seinen Professorentitel weg und schiebt ihn dann doch noch nach.) Martin Grzimek. Eigentlich Prof. Dr. Martin Grzimek, aber Sie dürfen einfach Herr Grzimek sagen. (Gemurmel.) Mein Großonkel war auch Zoodirektor und Forscher. Schauen Sie mal bei Ihren Großeltern nach, da steht vielleicht Grzimeks Tierleben im Bücherregal. Wenn Ihre Eltern noch so einen altmodischen Berührglascomputer haben und eine Datenverbindung bezahlen können: man kann es sich herunterladen. Nicht kostenlos, mein Großonkel ist noch keine siebzig Jahre tot.
Also, gleich werden Sie hier den Homo homosexualis sehen, eine Abart der Homo Sapiens, des Menschen wie du und ich. Wir Biologen unter uns nennen ihn auch das menschliche Schwein. Journalisten haben diese unwissenschaftliche Bezeichnung leider übernommen. Wir Wissenschaftler sollten vielleicht besser auf unsere Worte achten.
Ich möchte, bevor Sie hereinspazieren, noch einmal sagen, wie dankbar wir sein sollten, dass wir im Freistaat Bayern leben. Hier ist der von den irregeleiteten Sozial„demokraten” durchgesetzte „Ethik”-Unterricht (Er zeichnet wie immer die Gänsefüßchen mit zweimal zwei Fingern und einem angewiderten Gesicht in die Luft.) endlich wieder ersetzt durch verpflichteten Religionsunterricht. Wir haben die Gegensätze zwischen den Konfessionen ja überwunden, und alle Religionsgemeinschaften zusammen sagen uns, was gut und böse ist. Alle Eltern können sich frei entscheiden, ob sie ihre Kinder taufen oder beschneiden lassen, und von der Kinderkrippe an ist der meiste Religionsunterricht für alle gemeinsam. Darum können wir uns darauf konzentrieren, dass Homosexualität von allen Konfessionen verboten ist, weil Gott sie verboten hat. Nur, was es eigentlich genau ist, ist noch umstritten. Darum habe ich diesen Forschungsauftrag und die Mittel für das Gehege, das Sie nun betreten. Aber dass Gott da etwas verboten hat, ist über jeden Zweifel erhaben. Unser Freistaat und unsere Religionslehrer führen Gottes Willen aus. Darum auch die Todesstrafe. Es steht ja deutlich im Koran, im Alten Testament und im Talmud.
Aber unser Freistaat ist ein aufgeklärter Staat. Selbstverständlich führen wir die Todesstrafe nicht aus. Es ist viel wirksamer, sie als letztes Mittel zur Verfügung zu haben, als sie wirklich auszuführen. Die älteren unter Ihnen werden das auch im Wirtschaftsunterricht gelernt haben.
Aber es gibt auch ein modernes biologisches Argument, dem wir Wissenschaftler genauso verpflichtet sind, wie Gottes Wort. Seit der Jahrhundertwende hat die Biologie erkannt, dass Homosexualität erblich ist. Es geht also um eine Ab-Art der Art Homo Sapiens. (Hier meldet sich ein Mädchen. „Ja bitte?” – „Wie kann sowas denn erblich sein, wenn die keine Kinder kriegen.”) Diese junge Dame ist doch in der Oberstufe. Ist ihr Biologielehrer hier anwesend? – Ach, Sie, Danke. Haben Sie das denn nicht im Unterricht erklärt, das Vererbung komplexer ist als manche einfältigen Gemüter sich vorstellen? — Doch. Ich hatte es nicht anders erwartet. Werden Sie die junge Dame bestrafen wegen Verunglimpfung eines Fachpädagogen? (Der Lehrer ruft den Präfekten auf, einen Jungen im selben Alter. Der soll drei schulöffentliche Rutenschläge notieren und tut das.) Sehen Sie? Wer nicht hören will, muss fühlen, wie auch jeder Zoologe, Bauer und Dompteur weiß. (Die haben also hier die Prügelstrafe an Schulen. Ich muss mal herausbekommen, wie das geht. Es klingt anders als das, was wir in unserer Firma haben.)
Wenn diese Veranlagung aber erblich ist, sind die Träger der entsprechenden Gene natürlich nicht verantwortlich für ihre widernatürlichen Triebe. (Irgendwie widerspricht er sich hier doch, oder können Gene widernatürlich sein?) Sie sind eben so. (Eben!) In anderen Staaten tötet man sie, wenn auch nicht in allen. In unserem nördlichen Nachbarland laufen sie sogar frei herum. (Hier lachen einige männliche Schüler. „Sau-Neupreußen.”) Hier sperren wir sie in den Zoo, damit wir sie erforschen können und junge Menschen wie Sie lernen, vorsichtig zu sein. Ich bin unserem Freistaat dankbar, dass ich über diese Abart forschen darf, verhaltenspsychologisch Experimente ausführen und wissenschaftliche Artikel schreiben.
Aber jetzt kommen Sie bitte herein. (Es geht wieder los. In unserem Gehege, unsichtbar für die Besucher, erleuchtet die Schrift: FICKEN! Die Pfleger in ihren Uniformen und Helmen kommen mit ihren elektrischen Stöcken auf uns zu. Der stärkste von uns, der Bär, wie wir ihn nennen, steht von seinem Lager auf, sucht sich einen von uns aus und vergewaltigt ihn. Wir anderen kopulieren freiwillig. Wenn wir es nicht täten, erhielten wir schmerzhafte elektrische Schläge.) Bitte schauen Sie sich die verschiedenen Unterabarten an. Da hinten sehen Sie Lederschweine. Die sind so veranlagt, dass sie immer schwarzes Rindsleder auf der Haut haben müssen. (Stimmt. Ich freue mich, dass ich meine Weste und meine Stiefel immer noch habe.) Mal mehr, mal weniger. Sie haben ihre Werkzeuge und machen sich selbst immer neue Kleidungsstücke oder Geschirre aus Lederabfällen. Was auffällt, ist, dass alles dazu dient, den Körper und die Geschlechtsorgane besonders hervorzuheben. Wenn diese Organe überhaupt bedeckt sind, kann man sie mit einem Handgriff freilegen. Die meisten hier sind aber Nacktschweine. Die brauchen kein Leder. Einige haben lange Haare oder sogar Bärte, einige, wir nennen sie Bären, sind auf dem ganzen Körper behaart. Aber die meisten sind kahl. Sie rasieren sich gegenseitig jeden Tag. Einige kann man, wie Sie sehen, mit alten Arbeitshosen beschäftigen. Sie streiten sich darum. Manche wollen ganz enge haben, manche so weite, dass sie ihnen bald herunterrutschen. Nach und nach franst alles aus und bekommt Löcher. (Ja, das habe ich immer geil gefunden, und viele andere hier finden es auch geil.) Manche waschen ihre Hosen im eigenen Trinkwasser, wie Sie dort sehen, andere kennen keinerlei Reinlichkeit. Das da hinten ist ein sogenannter Piercer. Der setzt sich selbst und seinen Abartgenossen zwanghaft eiserne Ringe in allerlei Körperteile, wenn er sie bekommen kann. Schauen Sie mal, der da hat Brustwarzenringe, die dort Nasenringe wie die Schweine in Neupreußen und Eichelringe. (Mädchen schreien iiih, Jungen bah!) Alle haben jedenfalls alle einen stark ausgeprägten Trieb, ihr sogenanntes Glied in allerlei Körperöffnungen eines anderen zu stecken. Solange man sie nicht festbindet, tun sie das Tag und Nacht. Sie springen auch ihre Pfleger an. Darum haben die elektrische Stöcke.
So, schauen Sie sich alles gut an. Sie dürfen sie füttern und bespucken. Wen sie ans Gitter kommen, dürfen Sie sie anfassen, aber nicht verletzen. Wer mutig ist, lässt sich von ihnen begrapschen, darf sich aber nicht wundern, wenn seine Hose geöffnet wird. Noch zehn Minuten, dann gehen Sie mit Ihren Lehrern ins Zoorestaurant. Danach dürfen die Volljährigen unter Ihnen wiederkommen. Ich hole Sie im Restaurant ab.”
Was sie nicht wissen, ist, dass wir einen Deal mit Prof. Grzimek haben. Wenn wir einen begrapschen und schaffen, ihn steif zu machen, wird er getestet. Und wenn der Test positiv ist, kommt er nicht irgendwo anders hin, sondern zu uns. Das ist uns noch nie gelungen. Aber es macht Spaß. Es ist wie jagen, meint Grzimek, und das passt zu uns.
Ein junger Mann traut sich ans Gitter. Mädchen ermutigen ihn mit Zurufen. Ich gehe hin, schaue ihm in die Augen und versuche, seine Hose zu öffnen. Mehr Arme kommen neben mir durch das Gitter und versuchen zu helfen. Er wird knallrot und springt weg.
Einige werfen ihre Brötchen in unser Gehege. Das ist immer eine willkommene Abwechslung. Sonst bekommen wir nur Futterriegel. Die schmecken langweilig. Na ja, Sperma schmeckt ja ganz gut, und davon haben wir genug.
Bald ist die Führung vorbei. Dann lassen uns die Wärter in Ruhe. Dann können wir auch schlafen. Dann kommen nur einzelne Erwachsene uns anschauen. Aber gleich gibt es noch Frischfleisch. Das kriegen wir nicht alle Tage. Bis dahin denke ich schon mal nach, was ich heute Nacht aufschreiben will.
Eigentlich ist es nicht schlecht hier. Wir brauchen uns nicht zu verstecken, wir erhalten Futter, Leder und alte Jeans, wie man die Arbeitshosen in meiner Jugend nannte. Aber wir müssen auf Kommando ficken. Auch hinten rein. Das liegt mir nicht. Das passt nicht zu mir. Ein Männerknüppel ist doch für Männermäuler geschaffen. Da kommt auch was raus, was man schlucken kann. Ich will nicht in der Scheiße wühlen und weiß nicht, warum man mir hinten was reinstecken muss. Aber wir sind nun einmal so dressiert und werden bestraft, wenn wir es nicht machen. Weil die Leute glauben, dass es genau das ist, was uns von ihnen unterscheidet. Quatsch! Nur manche von uns machen es gerne. Der Bär zum Beispiel. Aber wir müssen hier bei Grzimek machen, was die Leute erwarten.
Davon abgesehen lässt es sich gut leben hier. Nur, immer die Angst. Eigentlich müssten wir ja getötet werden. Wir dürfen dankbar sein, dass wir hier im Zoo leben dürfen und gut versorgt werden. Wenn einer krank ist, kommt sogar ein Arzt.
Prof. Grzimek mag mich. Er findet mich interessant, weil ich schreiben kann. Das können lange nicht alle hier. Ich darf dieses Tagebuch führen. Nein, ich muss. Sonst komme ich weg, hat er mir gesagt. Ich will nicht wissen, wohin.
Ich soll alles aufschreiben, was mir in den Sinn kommt. Aber nur nachts. Die Besucher sollen es nicht sehen. Die Zeitungen sollen nicht darüber schreiben. Es ist unser Geheimnis, dass ich für den Professor alles aufschreibe.
Ich darf über ihn selbst alles schreiben, was ich denke. Er ist nett. Er wird mich nicht bestrafen. Er sagt, dass er als Verhaltensforscher sowieso nicht böse wird auf seine Forschungsobjekte. Das ist eben Wissenschaft, und wir sind anscheinend Objekte. Ich glaube, es kotzt ihn an, dass er immer wieder diese Führungen machen muss. Er hat mal gesagt, wir könnten froh sein. Ohne diese Führungen mit Zwangsarschfick (er hat „anale Penetration” gesagt) würde diese Abteilung des Zoos vielleicht geschlossen.
Gestern hat er verlangt, ich solle die nächsten Monate aufschreiben, wie alles gekommen ist. Ich fang mal an.
Aufgewachsen bin ich zwischen Rüdersdorf und Herzfelde, Brandenburg. Das ist heute Neupreußen 30178. Da wohnt niemand mehr. Von unserem Haus aus konnte man den Berliner Ring sehen. Das ist eine Betonkonstruktion mit Brücken und so, auf der in meiner Jugend Autos fuhren. Ist jetzt alles verfallen und steht nur rum. Meine Mutter war immer im Suff, hat immer gejammert und hat erzählt, dass um Berlin rum und irgendwo durch das ganze Land eine Mauer oder ein Zaun stand, wo man erschossen wurde, wenn man rüber wollte. So ähnlich wie jetzt zwischen Bayern-Sachsen und Neupreußen, nur schlimmer. Das war aber vor meiner Geburt. Ich hab da in dem Kaff nix vernünftiges gelernt und eine beschissene Zeit gehabt. Bis ich irgendwann so mit fünfzehn begriff, dass ich ne abartige Sau bin. Homo homosexualis, wie der Grzimek das hier nennt. Damals hatten die da so ein albernes Wort für, was nix bedeutete und doof klang.
Meine Mitschüler hatten immer so Anspielungen gemacht. Weil Mädchen mich nicht interessierten. Und ich hatte im Fernsehen das eine oder andere aufgefangen. Fernsehen, das war so ein Kasten mit bewegten Bildern. Gab es damals. Noch ziemlich lange. Die Bilder wurden in Berlin gemacht. Oder anderswo. Manche ganz reichen Leute haben noch sowas, aber heute ist es viel kleiner. Ich habe oft versucht, nach Berlin zu kommen, mit der Straßenbahn. Da habe ich einiges gesehen.
Es ist nicht leicht zu erklären. Irgendwann wusste ich einfach sicher, dass ich total versaut war und zu den Gay Skaters wollte. Skateboards gibt es ja heute noch. Das konnte ich gut. Aber ich fand auch die anderen geil. Wir trugen damals unsere Hosen sehr locker und tief. Sagging nannten wir das. Hier habe ich derzeit gar keine Hose. Das ist auch gut. Ging damals nicht überall.
Also, ich wollte nach Berlin. Zu den Gay Skaters. Und in Berlin meine Gärtnerlehre weitermachen, um bei denen sein zu können. Wenn es in Rüdersdorf eine Gärtnerei gibt, muss es doch auch in Berlin eine geben. Meine versoffene Mutter fand das schrecklich und versuchte mich davon abzubringen. Sie hat auch Onkel Kalle, das ist ihr Bruder, gebeten, mir das auszureden.
Noch nerviger wurde es, als mein Vater sich meldete. Den kannte ich ja gar nicht. Er hatte nie bezahlt. Das war das Einzige, was ich über ihn wusste. Erst, als ich Rattes Vater kennenlernte, merkte ich, was ein Vater sein kann. So einen hatte in unserem Kaff aber niemand. Und auf einmal schreibt mein Vater und stellt mir eine Erbschaft in Aussicht. Ne Erbschaft, wo ich doch noch nicht mal angefangen hatte, zu leben. Aber nur, wenn ich ein christliches Mädchen heirate, Kinder kriege und die christlich erziehe. So ein christliches Mädchen heiratet natürlich nur christliche Jungen. Ich wusste sofort, worum es ging: Geld oder Leben!
Onkel Kalle kannte ein paar total versaute Leute in Berlin. Er hat mir immer davon erzählt. Wie die leben! Wie die rumsauen! Ekelhaft und unwürdig. Immer halbnackt, immer hinter Männerknüppeln her. Und pennen alle zusammen in einem Raum und besitzen fast keine Kleider. Scheißen sogar zusammen und waschen sich gegenseitig den Arsch, weil sie nicht mal Klopapier haben. Eigentlich war, was er beschrieb, so ähnlich, wie es jetzt hier im Zoo ist. Und die würden bestimmt nie Arbeit finden, und schon gar keine Frau. Abschaum.
Er wollte mich abschrecken. Nur, je mehr er erzählte, desto mehr kribbelte es zwischen meinen Beinen. Dieses Kribbeln hatte ich damals gerade entdeckt. Wenn ich die richtigen Gedanken hatte, konnte ich es steigern. Jetzt wusste ich, was Geilheit ist. Geil! Also, ich wollte zu denen. Klar, inzwischen wusste ich, dass es auch ganz andere Männer gab, die nix mit Frauen hatten und hinter Männern oder Jungen her waren. Wie den Lehrer in Schöneiche, über den alle flüsterten. Und den Gemüsemann. Viel weniger krass. Versteckt, und deshalb verachtet. Nee, für mich war genau das Versaute richtig, das merkte ich an dem Kribbeln. Ich wusste vorher nur nicht, dass es das gab.
Onkel Kalle wusste nicht mehr weiter und hat mit seinem Kumpel Manni geredet, der diese perversen Säue, wie er sie nannte, auch kannte. Und mein Vater schrieb, wann ich endlich fromm würde. Ich sollte fünfzigtausend kriegen, sobald ich auf dem guten Weg wäre. Euro hieß das damals noch, nicht Gulden.
Aber jetzt kommt Grzimek mit seinem Assistenten und den älteren Schülern zurück. Gleich gibt es Frischfleisch.
„Meine jungen Damen und Herren, dies ist mein Assistent Dr. Schicklgruber, der sich seit Jahren mit dem Verhalten dieser Abart beschäftigt hat. Er redet manchmal etwas wissenschaftlich. Wenn Sie einen Ausdruck nicht verstehen, fragen Sie bitte Ihre Lehrer. Bitte, Herr Schicklgruber.”
„Meine Damen und Herren, gleich werden wir dieser Rotte zwei neue Exemplare des Homo homosexualis zuführen.
Das eine Exemplar ist heute gerade volljährig geworden. Es wurde auffällig, weil es sich für Mitschüler interessierte. Unsere verhaltenspsychologischen Tests brachten bald Deutlichkeit. Leider gibt es ja keine zuverlässigen, bezahlbaren Gen-Tests. Seit Computer immer kostspieliger werden, sind bestimmte Untersuchungen so teuer und langwierig geworden, dass der Freistaat sie nur in ganz besonderen Fällen bezahlt. Außerdem erfolgt die Vererbung nach einem komplexen mehrfach rezessiven Schema. Aber meine Kollegen und ich haben zuverlässige Verhaltenstests entwickeln können. Bitte verlangen Sie nicht von mir, dass ich diese jetzt hier beschreibe. Einzelheiten sollten besser nicht an die Öffentlichkeit. Aber, meine Herren, Sie dürfen sich gerne zu solch einem Test anmelden. (Lachen.)
Dieses junge Exemplar war bis heute bei seinen Eltern, die damit eine schwere Verantwortung tragen mussten. Tagsüber war es im Arbeitshaus, nicht in einer Schule, meistens angekettet, damit es niemanden bespringen konnte. Es trägt noch seine gewohnten Kleider. (Der Junge hat ein T-Shirt, das ihm zu weit ist, und schlabberige Jeans. Die Schuhe hat man ihm abgenommen. Er hat Angst.) Das andere Exemplar ist ein sogenannter Stricher. Ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt, vielleicht älter. Aus der Vorstadt, also ohne Papiere. Er hat versucht, Familienväter am Bahnhof zu verführen. Ich benötigte noch mindestens einen Stricher in unserer Rotte. Wir wollen erforschen, wie Stricher eingesetzt werden können, wenn die neuen Gesetze durch sind. Aber das führt heute zu weit. Der Stricher trägt die Kleider, in denen er aufgegriffen wurde. (Die beiden werden in Ketten an die Schleuse geführt. Sie sträuben sich nicht. Der Stricher hat kurze Haare, einen Ohrring, ein enges T-Shirt, das bei seinem Bauchnabel abgeschnitten ist, sehr enge, verschlissene Jeans und Schnürstiefel. Er sieht geil aus. Ja, verführerisch.) Bitte achten Sie auf diese Arbeitshose. Die Geschlechtsteile zeichnen sich extrem deutlich ab. Die obersten beiden Knöpfe stehen offen. Ach nein, ich sehe gerade, die gibt es gar nicht mehr.
Bitte schauen Sie sich genau an, was gleich geschieht. Der Ablauf ist meist derselbe. Das Exemplar dort hinten ist das Alpha-Männchen der Rotte. Na ja, die sind ja alle männlich, also sagen wir unter uns meist: das Alpha-Schwein.
Ach, bei dieser Gelegenheit möchte ich einfügen, dass es ja im Freistaat keine Schweine der Art Sus scrofa domestica mehr gibt. Kaum noch jemand isst Fleisch, und das Fleisch von Suiden ist ja unrein. Das haben auch die Christen im interkonfessionellen Dialog wieder gelernt. Beim Trivialnamen Schwein für Homo homosexualis besteht also keine Verwechselungsgefahr.
Also, das Alpha-Schwein, die Mitglieder der Rotte nennen es Bär, was ja etymologisch verwandt ist mit Eber, wird sich voraussichtlich gleich auf den Stricher stürzen und ihn vergewaltigen. Es hat seine Unterschweine soweit dressiert, dass sie in der Zwischenzeit das andere, ganz junge Exemplar vorbereiten für seine Wollust. Sonst ist ihm dessen Sphinkter zu eng, und es dauert zu lange. Aber das Alpha-Schwein wird das erste sein, dass das junge Exemplar penetriert, also besteigt. Erst danach dürfen die anderen ran.”
Hier täuscht sich dieser Schicklgruber. Der Bär rammelt alles, was er bekommen kann, ohne Rücksicht auf Verluste. Am liebsten vergewaltigt er jemanden, der gerade nicht will. Wir anderen haben aber durchgesetzt, dass wir junges Frischfleisch vorbereiten dürfen, damit es nicht verletzt wird. Wenn einer tagelang blutet und vielleicht stirbt, das ist doch furchtbar. Zusammen sind wir stärker, und der Bär hat es eingesehen. Dafür hat er das Recht, die Kleider von Frischfleisch zu verteilen. Wir müssen es ja schließlich hier zusammen aushalten.
Das äußere Tor der Schleuse wird geöffnet. Wärter mit Elektrostöcken entfernen die Ketten der beiden, schieben sie in die Schleuse, schließen das äußere Tor und entriegeln das innere. Wir stürzen uns auf die beiden und ziehen sie ins Gehege. Wir müssen uns jetzt um den Kleinen kümmern, ehe der Bär auf andere Gedanken kommt.