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Das erste Abenteuer des berüchtigten Seefahrers Nathaniel Drinkwater! Die stürmische See vor Portugal im Jahre 1780: Für den jungen Fähnrich Nathaniel Drinkwater beginnt das Leben an Bord der Fregatte »HMS Cyclops« mit der Kaperung der spanischen »Santa Teresa« – ein Wagnis, das als »Moonlight Battle« in die Geschichte eingehen wird. Sein Mut wird erneut auf die Probe gestellt, als er und seine Crew von der Krone den Auftrag bekommen, amerikanische Freibeuter zu jagen, die den britischen Handel bedrohen. In den Sümpfen von South Carolina findet Drinkwater sich bald inmitten eines grausamen Krieges wieder … Während Drinkwater zu einem fähigen Seemann heranreift, muss er sich nicht nur den feindlichen Streitkräften stellen, sondern auch der Tyrannei seines eigenen Kapitäns trotzen. Wird Drinkwater es schaffen, in dieser gnadenlosen Welt zu bestehen? »Richard Woodman schafft es, seine Leser zu fesseln und ihre Aufmerksamkeit zu halten. Ein exzellenter erster Band der Reihe!« Goodreads-LeserDer spannende Auftaktband der international erfolgreichen Seefahrer-Reihe – für Fans von Patrick O'Brian und Mark P. Lorne.Alle Bände der Reihe: Band 1: Die Augen der Flotte – Feuertaufe auf der Fregatte Cyclops Band 2: »Kutterkorsaren – In geheimer Mission vor Frankreichs Küsten« Band 3: »Kurier zum Kap der Stürme – Auf Vorposten im Roten Meer« Band 4: »Die Mörser-Flottille – Die Schlacht von Kopenhagen« Band 5: »Die Korvette – Die Walfänger von Grönland«Die Bände der Nathaniel-Drinkwater-Reihe sind unabhängig voneinander lesbar.
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Seitenzahl: 324
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Über dieses Buch:
Die stürmische See vor Portugal im Jahre 1780: Für den jungen Fähnrich Nathaniel Drinkwater beginnt das Leben an Bord der Fregatte »HMS Cyclops« mit der Kaperung der spanischen »Santa Teresa« – ein Wagnis, das als »Moonlight Battle« in die Geschichte eingehen wird. Sein Mut wird erneut auf die Probe gestellt, als er und seine Crew von der Krone den Auftrag bekommen, amerikanische Freibeuter zu jagen, die den britischen Handel bedrohen. In den Sümpfen von South Carolina findet Drinkwater sich bald inmitten eines grausamen Krieges wieder … Während Drinkwater zu einem fähigen Seemann heranreift, muss er sich nicht nur den feindlichen Streitkräften stellen, sondern auch der Tyrannei seines eigenen Kapitäns trotzen. Wird Drinkwater es schaffen, in dieser gnadenlosen Welt zu bestehen?
Über den Autor:
Richard Woodman (1944-2024) wurde mit 16 Jahren Fähnrich und fuhr auf einer Vielzahl von Schiffen, wo er vom Lehrling bis zum Kapitän aufstieg. Insgesamt verbrachte er über 30 Jahre seines Lebens auf hoher See. Neben seiner Arbeit als Seemann entdeckte er seine Leidenschaft für das Schreiben. Was mit kleinen Notizen in der Kajüte begann, entwickelte sich zu einer beeindruckenden Karriere als Autor. Er veröffentlichte über 50 Romane und 18 Sachbücher, darunter die gefeierte Seefahrer-Reihe um Nathaniel Drinkwater, die LeserInnen weltweit in den Bann zieht.
Bei dotbooks veröffentlichte der Autor die folgenden Bände seiner Nathaniel Drinkwater Reihe: »Die Augen der Flotte – Feuertaufe auf der Fregatte Cyclops«, »Kutterkorsaren – In geheimer Mission vor Frankreichs Küsten«, »Kurier zum Kap der Stürme – Auf Vorposten im Roten Meer«, »Die Mörser-Flottille – Die Schlacht von Kopenhagen« und »Die Korvette – Die Walfänger von Grönland«.
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eBook-Neuausgabe Mai 2025
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1981 unter dem Originaltitel »An Eye of the Fleet« bei John Murray (Publishers) Ltd., London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1985 unter dem Titel »Die Augen der Flotte« bei Ullstein.
Copyright © der englischen Originalausgabe Richard Woodman 1981
Copyright © der deutschen Erstausgabe 1985 Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M – Berlin
Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/pio3, 4Zevar, paseven und AdobeStock/ZULDHAN
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-69076-065-2
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Richard Woodman
Die Augen der Flotte – Feuertaufe auf der Fregatte Cyclops
Historischer Roman – Ein Nathaniel Drinkwater Roman 1
Aus dem Englischen von Uwe D. Minge
dotbooks.
Vorwort
Motto
ERSTES KAPITEL: Der Grünschnabel
ZWEITES KAPITEL: Die dänische Brigg
DRITTES KAPITEL: Die Mondscheinschlacht
VIERTES KAPITEL: Die spanische Fregatte
FÜNFTES KAPITEL: Das Böse im Menschen
SECHSTES KAPITEL: Prisengeld
SIEBENTES KAPITEL: Das Duell
ACHTES KAPITEL: Die Wegnahme der Algonquin
NEUNTES KAPITEL: Ein Rollentausch
ZEHNTES KAPITEL: Elizabeth
ELFTES KAPITEL: Zwischenspiel
ZWÖLFTES KAPITEL: Neue Order
DREIZEHNTES KAPITEL: Das Gefecht mit La Créole
VIERZEHNTES KAPITEL: Der Mensch denkt ...
FÜNFZEHNTES KAPITEL: ... und Gott lenkt
SECHZEHNTES KAPITEL: Der Ausbruch
SIEBZEHNTES KAPITEL: Entscheidung vor Virginia
Lesetipps
Die hauptsächlichen Ereignisse dieser Erzählung sind geschichtlich verbürgt. Einige der Personen, wie z. B. die Admirale Kempenfelt und Arbuthnot, Kapitän Calvert, Jonathan Poulter und Wilfried Collingwood, sind Gestalten der Geschichte, und ihre Persönlichkeit ist so beschrieben worden, wie sie uns glaubwürdig überliefert worden ist.
Die Reisen der Cyclops sind erfunden, halten sich aber sowohl im nautischen wie auch im politischen Bereich im Rahmen des Möglichen. Die Währung der um ihre Selbständigkeit ringenden Amerikaner war tatsächlich so entwertet, daß der Unabhängigkeitskampf daran fast gescheitert wäre. Die Kämpfe in Carolina und Georgia waren von äußerster Grausamkeit gekennzeichnet, auch wurden viele Greueltaten verübt; einen Galuda River gibt es allerdings nicht.
Es wurde darauf geachtet, daß alle beschriebenen nautischen Manöver realistisch sind. Die Einzelheiten der »Mondscheinschlacht« werden durch andere Quellen bestätigt, die Eroberung der Santa Teresa aber ist Cyclops’ ureigener »Anteil« an der Schlacht.
Mit besonderer Sorgfalt wurden die Lebensumstände an Bord eines Kriegsschiffes während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs genau beschrieben. Ein Pedant wird vielleicht anmerken, daß zu Beginn von Drinkwaters Seefahrtszeit die Offiziere den »gunroom« als Messe benutzten, während die Fähnriche zur See und die Steuermannsmaaten noch im Lazarett wohnten. Zu Anfang des folgenden Jahrhunderts zogen sie dann in den »gunroom« um, mit dem Artillerieunteroffizier als väterlicher Autorität und Schulmeister, dem die Erziehung der »jungen Herren« anvertraut war. Zu jener Zeit hatten die Offiziere schon eine eigene große Messe.
Ich ziehe so viele Fregatten zusammen, wie ich irgend kann; denn würde ich den Feind entkommen lassen, weil es mir an »Augen der Flotte« mangelt, müßte ich mir selbst die größten Vorwürfe machen.
Nelson
Oktober–Dezember 1779
Kläglicher Sonnenschein brach durch die Wolkendecke und warf einen bleichen Lichtfleck auf die Fregatte. Der frische Westwind und der gegenanlaufende Flutstrom bauten eine bösartige See auf, als das Schiff unter Mars- und Stagsegeln ostwärts, dem Prince’s Channel folgend, aus der Themse segelte.
Auf dem Achterdeck ließ der Navigator das Ruder aufkommen, um zu verhindern, daß man sich dem Pansand zu sehr näherte. Die vier Rudergänger mühten sich, das Schiff unter Kontrolle zu halten, als die Speichen durch ihre Finger wirbelten.
»Mr. Drinkwater!« Der alte Navigator, dessen weißes Haar im Wind wehte, rief einen mageren Jungen von mittlerer Größe heran. Der Fähnrich hatte feine, fast weibliche Gesichtszüge und einen ungesund blassen Teint. Er trat voll nervösen Eifers vor.
»Sir?«
»Meine Empfehlung an den Kommandanten. Bitte teilen Sie ihm mit, daß wir die Pansand-Bake querab haben.«
»Ja, Sir.« Er wandte sich zum Gehen.
»Mr. Drinkwater!«
»Sir?«
»Wiederholen Sie bitte meine Nachricht, und antworten Sie korrekt.«
Der Junge wurde puterrot, und sein Adamsapfel hüpfte vor Erregung.
»Ihre, äh, Empfehlung an den Kommandanten, und wir haben die Pansand-Bake querab, aye, aye, Sir.«
»Sehr gut.«
Drinkwater eilte ins Achterschiff hinab, wo ein rotuniformierter Posten der Seesoldaten die Anwesenheit des Kommandanten Seiner Britannischen Majestät 36-Kanonen-Fregatte Cyclops anzeigte.
Kapitän Hope rasierte sich gerade, als der Fähnrich an die Tür klopfte. Er nickte, als er die Nachricht gehört hatte.
Drinkwater zögerte unsicher, da er nicht wußte, ob er gehen durfte. Nach einer kleinen Ewigkeit schien der Kommandant mit seinem Kinn zufrieden zu sein, wischte sich den Schaum ab und begann, seine Halsbinde zu knoten. Er fixierte den jungen Fähnrich mit wäßrig blauen Augen, die in einem Gesicht saßen, das von tiefen Falten zerfurcht und leichenblaß war.
»Und Sie sind ...?« Er ließ die Frage unvollendet.
»Drinkwater, Sir, Fähnrich zur See.«
»O ja, der Rektor von Monken Hadley ersuchte mich, Sie einzustellen, ich erinnere mich ...« Der Kommandant ergriff seinen Rock. »Tu deine Pflicht, Junge, und du wirst nichts zu befürchten haben. Aber sei ganz sicher, daß du weißt, was deine Pflicht ist!«
»Ja. Ich meine, aye, aye, Sir.«
»Sehr gut. Bestell dem Navigator, daß ich in Kürze an Deck komme, sobald ich mein Frühstück beendet habe.«
Kapitän Hope glättete seinen Rock und wandte sich ab, um aus den Heckfenstern zu schauen, als sich die Tür hinter Drinkwater schloß. Er seufzte. Der Junge schien ihm ziemlich alt zu sein für einen Neueingetretenen, trotzdem konnte er sich nicht von dem Gedanken befreien, daß er eben sich selber vor vierzig Jahren gesehen hatte.
Kapitän Hope war sechsundfünfzig Jahre alt und hatte seinen jetzigen Rang erst drei Jahre inne. Ohne Protektion wäre er wohl als Commander auf Halbsold gestorben, hätte nicht dieser unpopuläre Krieg mit den rebellierenden amerikanischen Kolonien die Admiralität gezwungen, ihn einzustellen. Viele fähige Seeoffiziere hatten sich geweigert, gegen die Kolonisten zu kämpfen, besonders Sympathisanten der Whigs{i} und Freidenker. Als die Rebellen mächtige Verbündete für sich gewinnen konnten, wurde die Royal Navy bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit beansprucht: Zur Überwachung der vorsichtigen, aber feindseligen Holländer, der parteilich »neutralen« Ostsee-Anrainer und der offen feindlichen Franzosen und Spanier. In dieser Notlage hatten Ihre Lordschaften wohl den Topf ausgekratzt und im Bodensatz den lieben alten Henry Hope entdeckt.
Hope war ein überaus fähiger Seemann. Er hatte als Leutnant die Schlacht in der Quiberon-Bucht mitgemacht und sich mehrfach während des Siebenjährigen Krieges ausgezeichnet. Gegen Ende des Krieges hatte er das Kommando über eine Sloop erhalten; damals war er vierzig und ohne große Hoffnung auf einen weiteren Aufstieg. Er hatte eine verwitwete Mutter, die von einer verwitweten Schwester versorgt wurde, aber keine eigene Familie: ein Mann, der an Pflicht und Leiden gewöhnt war. Also gut dazu geeignet, ein Schiff zu kommandieren.
Aber als er jetzt aus den Heckfenstern in das trübe, brodelnde Kielwasser starrte, das eine glatte Bahn in die Kabbelsee der äußeren Mündung schnitt, dachte er an den jugendlichen Hope, der er einst gewesen war. Nun schien ihm sein Familienname voll heimlichen Spotts zu stecken. Er machte sich noch einige müßige Gedanken über den jungen Mann, der gerade die Kajüte verlassen hatte, verscheuchte sie aber, als sein Steward das Frühstück auftrug.
Cyclops ankerte drei Tage lang in den Downs, während sich ein kleiner Konvoi von Handelsschiffen um sie sammelte. Sie wartete auf günstigen Wind, um ihre Reise nach Westen fortsetzen zu können. Als sie dann mit ihren Schutzbefohlenen auslief, sah es so aus, als würde sie ein günstiger Ostwind durch den Kanal schieben; doch er drehte, und eine Woche lang kämpfte sich Cyclops gegen den letzten Äquinoktialsturm nach Westen.
Nathaniel Drinkwater mußte eine gründliche, aber harte Ausbildung über sich ergehen lassen. Er enterte mit den Toppsgästen auf, zitternd vor Kälte und Angst, wenn die widerspenstigen Bramsegel um ihn herum schlugen und knallten. Es gab keine Beschwerdemöglichkeit, wenn ihn ein übereifriger Bootsmannsmaat mit dem »Starter« prügelte. Grausamkeit gehörte zum täglichen Leben und wurde in den stinkenden, überbelegten Decks nur noch gefördert. Ausgelaugt durch die unaufhörliche Arbeit einer ganzen Woche in ungewohnter Kälte, entnervt von dem Zwang, mäßiges Essen mit einem Glas schlechten Biers hinunterspülen zu müssen, dazu ständig schikaniert und angebrüllt, brach Drinkwater eines Nachts zusammen.
Er weinte in seiner Hängematte vor Verzweiflung und Einsamkeit. Seine Träume von Ruhm und dem Ehrendienst für ein dankbares Vaterland lösten sich auf in einem Tränenstrom, und in seinem Unglück suchte er Trost im Gedanken an zu Hause. Er dachte an seine gramgebeugte Mutter, die energisch versuchte, ihren Söhnen einen festen Platz im Leben zu sichern; an ihre Freude, als sie vom Rektor erfuhr, daß der Bruder seines Freundes, ein gewisser Kapitän Hope, Nathaniel als Fähnrich einstellen wolle. Wie sehr hatte sie frohlockt, als ihr ältester Sohn schließlich den respektablen Rang eines Offiziersanwärters in der Kriegsmarine erreicht hatte.
Nat weinte auch aus Sehnsucht nach seinem Bruder, dem sorglosen, unbezähmbaren Ned, der immer in Schwierigkeiten steckte; Ned, den der Rektor selber für den Diebstahl von Äpfeln verhauen hatte; Ned, mit dem er Stockfechten geübt hatte; seine Mutter pflegte von ihm zu sagen, daß nur die starke Hand des Vaters aus ihm einen Gentleman hätte machen können. Ned hatte den Kopf zurückgeworfen und darüber gelacht, während Nat auf der anderen Seite des Zimmers den Blick seiner Mutter suchte und sich für die Gefühllosigkeit seines Bruders schämte.
Er hatte nur eine schwache Erinnerung an seinen Vater: Er war für ihn eine schattenhafte Gestalt, die ihn in die Luft geworfen hatte, nach Wein und Tabak riechend, mit einem wilden Lachen. Bald danach hatte er sich den Hals bei einem Reitunglück gebrochen. Ned hatte das leidenschaftliche Ungestüm und die Liebe zu Pferden von seinem Vater geerbt, während Nat die stille Stärke seiner Mutter besaß.
In dieser schrecklichen Nacht, als Hunger, Krankheit, Kälte und Hoffnungslosigkeit seine Moral zermürbten, griff das Schicksal nach ihm; denn in der Dunkelheit wurde sein Schluchzen von seinem Nachbarn, dem ältesten Fähnrich, gehört.
Während des Dinners am folgenden Tag, als acht oder neun der zwölf Fähnriche sich durch ihren Erbsenbrei kämpften, erhob sich der Messevorstand, Fähnrich zur See Augustus Morris, langsam von seinem Platz am Kopfende des schmutzigen Tisches.
»Wir haben einen Feigling unter uns, meine Herren«, gab er bekannt, ein eigentümlich bösartiges Leuchten in den überschatteten Augen. Die Fähnriche, deren Alter zwischen zwölf und vierundzwanzig lag, blickten abschätzend in die Runde. Auf wen würde sich der Zorn des Mr. Morris entladen?
Drinkwater krümmte sich bereits, denn er wußte instinktiv, daß die Anklage auf ihn gemünzt war. Als Morris’ Blick langsam über die ihm zugewandten Gesichter glitt, wandte sich eins nach dem anderen wieder den Zinntellern und den Bierkrügen vor ihnen zu. Keiner würde Morris unterstützen, aber keiner würde ihn daran hindern, eine Bosheit in die Tat umsetzen.
»Mister Drinkwater«, Morris betonte sarkastisch die Anrede, »ich werde mich bemühen, Ihrer Vorliebe für Tränen zu entsprechen, indem ich Ihrem Hintern Scharfes zu kosten gebe – legen Sie sich über jene Seekiste!«
Drinkwater wußte, daß es sinnlos war, sich zu sträuben. Schon als sein Name genannt wurde, hatte er sich unsicher erhoben. Er blickte dumpf zu der bezeichneten Kiste hin, seine Beine zitterten und verweigerten ihm den Dienst. Dann ließ ein gefühlloser Zufall Cyclops hart überholen, und Drinkwater wurde von den Naturgewalten über die Kiste geworfen. Mit unnatürlichem Eifer stürzte sich Morris auf ihn, schob die blauen Rockschöße beiseite, griff in den Bund und entblößte mit einem Ruck, der den Kattun der Hose zerriß, die Hinterbacken seines Opfers. Dieser erniedrigende Akt brannte sich tiefer in Drinkwaters Gedächtnis ein, als die sechs kräftigen Stockschläge, die Morris ihm versetzte.
Seine Mutter hatte diese Hose genäht, die Nadel mit ihren gichtigen Fingern sorgfältig führend, in den Augen Tränen, wenn sie an die bevorstehende Trennung von ihrem Ältesten dachte.
Doch irgendwie, mit der Unverwüstlichkeit der Jugend, überstand Drinkwater die Reise bis zum Spithead. Trotz seines schmerzenden Hinterns lernte er zwangsläufig viele Einzelheiten über die Führung eines Segelschiffes, denn der Weststurm zwang die Fregatte, in hartem Kampf nach Luv aufzukreuzen. So war die zweite Oktoberwoche 1779 herangekommen, ehe sie Anker auf der Reede von St. Helen in Lee von Bembridge fallen lassen konnten.
Kaum hatte Cyclops mit backgesetztem Großmarssegel Fahrt über den Achtersteven aufgenommen, die Ankertrosse rumpelnd durch die Klüse fierend, als der Dritte Offizier auch schon das Gig für den Kommandanten klarmachen ließ. Morris war der Bootssteurer. Er teilte Drinkwater als Bugmann ein, und ein grinsender Seemann drückte dem Jungen einen Bootshaken in die Hand. Das Gig dümpelte gegen die hölzernen Scheuerleisten der Fregatte, Drinkwater hielt den Bootshaken in die Rüsten eingehakt. Unsichtbar über sich konnte er das Poltern der Seesoldaten hören, die am Fallreep antraten. Dann folgte das Zwitschern der Pfeifen. In der Fallreepspforte stand Kapitän Hope. Es war erst das zweite Mal seit ihrer kurzen Unterhaltung, daß Drinkwater ihn von Angesicht zu Angesicht sah. Ihre Augen trafen sich, die des Jungen voller Ehrfurcht, die des Mannes leer und gleichgültig. Hope drehte sich um, packte die Handläufe und kletterte bis auf einen Fuß über das Dollbord des Bootes hinab. Dort wartete er, und als das Boot hochschwang, sprang er an Bord und landete mit wenig Geschick zwischen der Schlagducht und der zweiten Ruderbank. Er kletterte über die Ducht nach achtern, auf der die Seeleute ehrerbietig zur Seite rutschten, und setzte sich.
»Riemen hoch!« brüllte Morris. »Setz ab vorn!«
Drinkwater drückte kräftig gegen den Bootshaken. Der hatte sich in den Rüsteisen verhakt, als das Boot wegsackte, und bewegte sich nicht. Der Schaft rutschte durch seine Hände und stand grotesk von der Bordwand ab. Nat lehnte sich weit außenbords und packte das Ende, Angstschweiß tropfte von seiner Stirn. Er zog nochmals am Bootshaken und wäre beinahe über Bord gefallen.
»Setzen im Vorschiff!« rief Morris, und Drinkwater drückte sich in den Bug, von Angst übermannt.
»Riemen bei und Ruder an überall!«
Die Riemen bissen ins Wasser und stöhnten in den Dollen. Nach wenigen Minuten waren die Rücken der Männer schwarz vor Schweiß. Drinkwater warf einen Blick nach achtern. Morris starrte voraus, eine Hand auf der Pinne. Kapitän Hope blickte unbeteiligt nach Backbord, zu den grünen Ufern der Isle of Wight hinüber.
Da durchzuckte Drinkwater ein schrecklicher Gedanke: Er hatte den Bootshaken in der Bordwand zurückgelassen. Was sollte er in Gottes Namen benutzen, wenn sie das Flaggschiff erreichten? Fast außer sich vor Schreck suchte er im Vorschiff nach einem zweiten Bootshaken. Es war keiner da.
Während der zwanzig Minuten, die das Gig über die bewegten Seen tanzte, deren Gischt vom Westwind weggerissen wurde, lag Drinkwater im Kampf mit seiner Unschlüssigkeit. Er wußte, daß ihr Ziel die HMS Sandwich war, das Flaggschiff mit 90 Kanonen, auf dem sogar die einfachen Seeleute hochmütig über das schlichte Boot ihrer Fregatte lachen würden.
Unregelmäßigkeiten in seiner Handhabung mußten auf den laschen Dienst auf Cyclops zurückgeführt werden. Dabei traf Nat ein zweiter Gedanke bis ins Mark: Eine solche Zurschaustellung schlechter Seemannschaft würde auf den Fähnrich zur See Mr. Morris zurückfallen, und es war unwahrscheinlich, daß er sich ungestraft in ein schiefes Licht setzen ließ. Die Vorstellung einer weiteren Prügelstrafe verängstigte den Jungen noch mehr.
Drinkwater blickte voraus. Das flache Ufer von Hampshire lag vor ihm, die Sonne schien auf die dunklen, gedrungenen Umrisse der Festungen Gosport und Southsea, die die Einfahrt zum Hafen von Portsmouth sicherten. Zwischen dem Gig und der Küstenlinie lag eine lange Reihe von Linienschiffen vor Anker, massige Rümpfe unter dem Gewirr der Masten und Rahen. Große Nationalen knallten lebhaft an ihren Hecks, und das fröhliche Flattern der Unionsflaggen über den Vorschiffen verlieh der Szene einen festlichen Anstrich. Da und dort wehte die quadratische Flagge eines Konter- oder Vizeadmirals von einem Masttopp aus. Sonnenlicht glitzerte auf den vergoldeten Galionsfiguren und auf den Schnitzereien der achteren Aufbauten, als die Kriegsschiffe bei Stillwasser in den Wind drehten. Die Reede war von kleineren Fahrzeugen wie übersät: Küstensegler, die mit backgesetzten Segeln Ruderbooten jeder nur denkbaren Größe auszuweichen suchten; kleine Beiboote und Gigs, die Offiziere und Kommandanten beförderten; größere Boote und Kutter mit winzigen Fähnrichen oder bärenstarken Steuermannsmaaten brachten Nachschub, Pulver oder Kugeln vom Arsenal. Wasserleichter und Schaluppen mit ihren vor den Preßkommandos sicheren zivilen Besatzungen dümpelten längsseits der Linienschiffe. Endlose Rededuelle wurden zwischen ihren Schiffen und besorgten Marineoffizieren ausgefochten, die Bestellisten schwenkten. Solch einen Ausbruch an Energie und hektischer Betriebsamkeit hatte Drinkwater noch nie erlebt. Sie passierten einen kleinen Kutter, in dem ein halbes Dutzend aufgedonnerter Dockschwalben saß, bleich von den Bewegungen des Bootes. Zwei der Hürchen winkten frech dem Gig zu, durch dessen Mannschaft beim ungewohnten Anblick der wohlgerundeten Körper ein Schauer ging.
»Augen ins Boot!« schrie Morris wichtigtuerisch, während er die in strammen Miedern dargebotene Üppigkeit verächtlich betrachtete.
Die Sandwich war nun näher, und auf Drinkwaters Stirn brach wieder kalter Schweiß aus. Dann löste er sein Problem durch Zufall. Während er sich umwandte, um den Ausblick voraus zu studieren, stieß seine Hand an etwas Scharfes. Er blickte hinunter. Unter der Gräting sah er den Umriß von etwas, das wie ein Haken aussah. Er verlagerte sein Gewicht und hob die Holzplanke an. In der Bilge lag ein kleiner Draggen. Er fischte ihn heraus, knotete das Ende der Vorleine daran und schoß den Rest in seiner Hand auf. Nun besaß er einen Ersatz für den Bootshaken und entspannte sich. Wieder sah er sich um.
Es war aber auch ein toller Anblick. Hinter der Front der Linienschiffe lagen mehrere Fregatten vor Anker. Sie hatten bereits eine passiert, die als Wachschiff beim Warner lag; wäre Drinkwater vorher nicht über den Verlust seines Bootshakens so beunruhigt gewesen, hätte er ihr gleich mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Aber nun konnten sich seine Augen satt sehen an diesem Anblick, den ihm seine ländliche Herkunft bisher versagt hatte. Jenseits von Fort Gilkicker ragten noch mehr Masten in die Höhe, über Rümpfen, die in der Ferne graublau verschwammen. Drinkwaters unerfahrene Augen konnten sie nicht als Truppentransporter erkennen.
Es war eine mächtige Flotte. Britannien unternahm große Anstrengungen, um die Bedrohung von seinen Westindischen Besitzungen zu wenden und die ausgebluteten Streitkräfte der Nordamerikanischen Station zu verstärken. Seit zwei Jahren, seitdem sich Burgoynes Armee ergeben hatte, versuchte Britannien, den listigen George Washington zur Schlacht zu stellen, während es gleichzeitig eine wachsende Zahl europäischer Feinde daran hindern mußte, sich entfernte Kolonien anzueignen, weil Englands Aufmerksamkeit woanders beansprucht wurde.
Daß diese Anstrengungen erschwert wurden durch Korruption, Unterschlagung und offene Schiebung, die das öffentliche Leben im allgemeinen und Lord Sandwichs Marine im besonderen korrumpiert hatten, war für Drinkwater bei diesem großartigen Spektakel kein Grund zur Besorgnis. Als das Gig sich der mächtigen Seite der Sandwich näherte, lenkte Kapitän Hope Morris’ Aufmerksamkeit auf etwas. Der Fähnrich drehte das Boot mit dem Bug in die See.
»Auf Riemen!« befahl er, und das Wasser tropfte von den horizontal gestellten Blättern.
Drinkwater schaute sich um und suchte den Grund für diese Unterbrechung. Aber es gab keinen, soweit er sehen konnte. Nochmals zur Sandwich blickend, entdeckte er Unruhe auf ihren Decks. Offiziere in blitzendem Blau und Weiß spähten durch funkelnde Teleskope nach achtern in Richtung Portsmouth. Drinkwater konnte auf Sandwich gerade noch die schwarzen Hüte der Seesoldaten sehen, die Aufstellung nahmen. Dann erscholl ein Trommelwirbel, und die schwarzen Hüte wurden von einer Reihe silberner Bajonette überragt: die Seesoldaten schulterten ihre Gewehre. Dann zwitscherte eine Pfeife, und die Aktivität auf Sandwich verebbte. Das große Schiff schien gespannt zu warten, während ein kleiner schwarzer Ball an seinem Großmast zum Flaggenknopf hinaufwanderte.
Dann schoß die Barkasse eines Admirals um das Heck und in Drinkwaters Blickwinkel. An ihrem Bug flatterte das rote Sankt-Georgs-Kreuz. Die Ruderer arbeiteten mit unnachahmlicher Präzision, ihre rot und weiß gestreiften Oberkörper bewegten sich im Gleichtakt, ihre Köpfe waren mit schwarzen Bibermützen bedeckt. Ein schlanker, schmucker Fähnrich stand aufrecht im Heck, die Hand an der Pinne. Seine Uniform war makellos, sein Hut saß in einem verwegenen Winkel. Drinkwater musterte seinen eigenen zerknautschten Rock, die schlecht geflickte Hose, und fühlte sich unbehaglich.
Im Heck der Barkasse saß ein ältlicher Mann, in einen Bootsmantel gehüllt; den nachhaltigsten Eindruck auf Drinkwater machte sein dünnlippiger, harter Mund. Dann ging die Barkasse bei Sandwich längsseits, und Admiral Sir George Brydges Rodney erklomm die Gangway seines Flaggschiffs. Pfeifenschrillen, Trommelwirbel und dann ein Lichtblitz, als die Bajonette präsentiert wurden: Am Großmast entfaltete sich der schwarze Ball und entpuppte sich als Admiralsflagge mit dem Georgskreuz. Bei ihrem Anblick feuerten die Kanonen der Flotte Salut.
Admiral Rodney war angekommen, um das Kommando zu übernehmen. Wenige Minuten später warf Drinkwater seinen Draggen in die Großrüsten von Sandwich. Glücklicherweise hielt er beim ersten Mal, und nach einem relativ bescheidenen Zeremoniell konnte Kapitän Hope seinem Vorgesetzten Bericht erstatten.
Januar 1780
Am Neujahrstag 1780 war Rodneys Armada auf See. Außer den als Aufklärer eingesetzten Fregatten und den einundzwanzig Linienschiffen verließen an jenem kalten Morgen nicht weniger als dreihundert Handelsschiffe den Kanal. Cyclops gehörte nach ihren Befehlen zum Geleitschutz und konnte so am Gefecht vom 8. Januar nicht teilnehmen.
Ein spanisches Geschwader, bestehend aus vier Fregatten, zwei Korvetten, dem 64-Kanonen-Schiff Guipuscoaño und einem Konvoi von fünfzehn Handelsschiffen, wurde vor Kap Finisterre in ein Gefecht verwickelt. Das gesamte Geschwader wurde eingeschlossen und erobert. Prisenkommandos wurden an Bord gesetzt und die erbeuteten Schiffe unter dem Schutz der Guipuscoaño – zu Ehren des Herzogs von Clarence, der als Fähnrich in Rodneys Flotte diente, in Prince William umbenannt – nach England zurückgeschickt. Spanische Schiffe, deren Ladung aus Lebensmitteln bestand, wurden zurückbehalten, um damit den Nachschub für Gibraltar zu verbessern.
Während die Flotte mühsam ihren Weg entlang der iberischen Küste nach Süden fortsetzte, saß Drinkwater am Fünfzehnten des Monats nachmittags im Mastkorb der Cyclops. Dort war seine Gefechtsstation, und irgendwie betrachtete er den Korb als sein eigenes Reich, bewehrt wie es war mit Musketen und der Drehbasse. Hier oben war er befreit von den widerlichen Eifersüchteleien zwischen den Decks, den sinnlosen Schikanen von Morris. Während der Hundewachen lernte er hier auch einige Fingerfertigkeiten des seemännischen Handwerks, und zwar von einem Vollmatrosen namens Tregembo.
Nathaniel faßte schnell auf und beeindruckte die meisten seiner Vorgesetzten durch den Eifer, mit dem er an alles heranging. Aber an diesem Nachmittag genoß er die Ruhe und saugte den ungewohnten Luxus der Januarsonne in sich auf. Es schien ihm unglaublich, daß er noch vor wenigen Monaten nichts von diesem Leben gewußt hatte. Die Zeit seit der Verabschiedung von seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder war so voller Ereignisse und Eindrücke, daß sie ihm wie ein ganz neues Leben vorkam. Nun war er, glaubte er mit aufkeimendem Stolz von sich sagen zu können, ein vollwertiger Teil der Organisation, die aus Cyclops ein Kriegsschiff machte.
Drinkwater musterte das leise knarrende Schiff unter sich. Er sah Kapitän Hope, eine ferne alte Gestalt, neben seinem Ersten Offizier stehen, von dem er sich schroff unterschied. Der Ehrenwerte John Devaux war der dritte Sohn eines Earls und ein Aristokrat vom Scheitel bis zur Sohle, wenn auch verarmt und ein überzeugter Anhänger der Whigs. Er und Hope waren politische Gegner, denn Devaux’ hochmütige Jugend ärgerte den Kapitän. Doch Henry Hope war zu lange im Dienst, um dies deutlich zu zeigen, da er sich den einflußreichen Devaux nicht zum Feind machen wollte. Tatsächlich ließen sich die Fähigkeiten des jüngeren Mannes nicht bestreiten. Anders als viele Angehörige seiner Klasse interessierte er sich ernsthaft für maritime Kriegführung, und zwar nicht nur aus Überlebensinstinkt. Wären seine politischen Ansichten anders oder die Whigs an der Regierung gewesen, so hätten Hopes und seine Positionen leicht vertauscht sein können. Beide hatten die Intelligenz, dies zu erkennen, und so wurden die Spannungen immer wieder verschleiert.
Auf Cyclops selbst hatte man sich so recht und schlecht arrangiert wie auf jedem anderen Schiff, das mit einer gepreßten Besatzung bemannt war. Die Mannschaft exerzierte unter Anleitung der Divisionsoffiziere an den schweren Kanonen, und die Signalgasten hatten bis zur Erschöpfung zu tun, um unter den disziplinlosen Handelsschiffen Ordnung zu halten. Kommandant und Erster Offizier waren sich einig: Im großen und ganzen lief es nicht schlecht. Hope machte sich keine Illusionen über Ruhm und Ehre, deshalb war Fanatismus seinem Charakter fremd. Seine Offiziere mußten tüchtig und die Besatzung willig sein, mehr verlangte er nicht.
Für Nathaniel Drinkwater, der im Mastkorb döste, war Cyclops die einzig existierende Welt geworden. Seine Befürchtungen begannen dank der Wetteränderung und der Anpassungsfähigkeit der Jugend nachzulassen. Er lernte allmählich, daß die Fähnrichsmesse eine Einrichtung war, in der es nur ums Überleben ging. Nach wie vor verabscheute er Morris und konnte auch einige der älteren Messemitglieder nicht ausstehen; die Mehrheit jedoch schienen ihm wirklich freundliche Jungs zu sein. Sie hielten fest zusammen, um Morris’ Schikanen mit Standhaftigkeit ertragen zu können, und bemitleideten einander im gemeinsamen Haß auf ihn.
Drinkwater begegnete Leutnant Devaux mit Ehrfurcht und dem alten Navigator Blackmore, zu dessen Pflichten es gehörte, den Fähnrichen die Grundbegriffe der Navigation beizubringen, mit einem Respekt, wie er ihn seinem Vater entgegengebracht hätte, wäre dieser noch am Leben gewesen. Einer Freundschaft am nächsten kam sein Verhältnis zum Toppsgast Tregembo, der die Drehbasse im Gefecht bediente. Dieser erwies sich als nie versiegende Informationsquelle über die Fregatte und ihre Einzelteile. Er stammte aus Cornwall, wußte sein Alter nicht genau und war auf seines Vaters Lugger von einem Zollkutter bei Kap Lizard aufgebracht worden. Sein Vater hatte den Beamten bewaffneten Widerstand geleistet, da seine Fischluke Fracht zweifelhafter Herkunft enthielt, und war dafür gehängt worden. Als Gnadenakt wurde sein Sohn zur Zwangsrekrutierung verurteilt: ein mildes Urteil, das den Schmerz der Schmugglerwitwe mildern würde, meinten jedenfalls die Richter. Tregembo hatte seitdem kaum einen Fuß an Land gesetzt. Drinkwater lächelte weise, denn hier oben in seinem kleinen Königreich erfüllte ihn jugendliche Selbstsicherheit. Unten an Deck schlug eine Glocke an. In fünfzehn Minuten begann seine Wache. Er erhob sich und blickte auf.
Über ihm war die Bramstenge auf die Marsstenge aufgesetzt, und auf einem oberen Masthummer saß der Ausguck. In einem Anflug von Übermut beschloß er, zu dem Hummer emporzuklettern und von dort an den Wanten herab an Deck zu rutschen; das würde eine überzeugende Demonstration seines seemännischen Könnens werden.
Ein Bein über die Bramrah schwingend, setzte er sich neben den Ausguckposten. Tief unter ihm rollte Cyclops leicht. Der Blick auf das Deck wurde durch die bauchigen Segel teilweise verdeckt; das stehende und laufende Gut sorgte für einen perspektivischen Eindruck, denn jede Leine verlief nach unten zu ihrem Belegnagel oder Augbolzen.
Der Seemann rückte etwas zur Seite, und Drinkwater schaute sich um. Die blaue Scheibe der See war übersät mit mehr als zweihundert weißen Flecken, unter denen die britische Armada nach Süden hielt. In dieser Richtung, aber unter der Kimm, segelten die Fregatten als Vorhut und Aufklärer. Hinter ihnen folgten in drei Kolonnen die dunklen Rümpfe der Linienschiffe, von denen einige schon die gelben Streifen entlang der Batteriedecks trugen, die bald allgemein eingeführt werden sollten. In der Mitte der zentralen Marschsäule segelte Sandwich mit Admiral Rodney, dem Mann, der für all dies verantwortlich war. Hinter den Linienschiffen folgten einige Kutter, ein Schoner und mehrere Flottentender wie Hunde der Spur ihres Herrn. Dann kam das Gros der Konvoischiffe – Truppentransporter, Versorger und Handelsschiffe – mit einer Eskorte von vier Fregatten und zwei Kriegsslups. Cyclops Station war an der dem Land zugekehrten Seite des Geleits, sie stand hinter dem letzten Linienschiff und vor dem ersten Schiff des Konvois.
Auf seiner erhöhten Position schaute Drinkwater nach Backbord. In über dreißig Meilen Entfernung, von der schon im Westen stehenden Sonne schwach beleuchtet, war die portugiesische Küste klar zu sehen. Gleichgültig glitt sein Blick über den Horizont, und er wollte schon seinen Abstieg in Richtung Deck beginnen, als eine Unregelmäßigkeit seine Aufmerksamkeit erregte. Ein kleiner weißer Fleck hob sich querab vom dunklen Hintergrund der Küste ab. Er stieß den Matrosen an und zeigte in die Richtung.
»Ein Segel, Sir«, stellte der Mann sachlich fest.
»Ich melde es.« Dann rief er mit seiner männlichsten Stimme: »An Deck!«
Schwach kam die Stimme von Keene, dem Dritten Offizier, zurück: »Aye, Aye!«
»Segel acht Strich an Backbord!« Drinkwater packte das Want und begann Hand über Hand seinen spektakulären Abstieg. Doch in der allgemeinen Aufregung über das fremde Segel beachtete ihn niemand.
»Signal vom Flaggschiff«, sagte Leutnant Keene gerade zu Kapitän Hope, als Drinkwater nach achtern kam.
»Ja?«
»Unser Erkennungssignal: Wir sollen rekognoszieren!«
»Bestätigen«, sagte der Kommandant. »Mr. Keene, bringen Sie bitte das Schiff vor den Wind!«
Drinkwater half beim Zusammenstecken des Antwortsignals, als der Leutnant sich umdrehte, um seine Befehle durch die Flüstertüte zu brüllen. Die Bootsmannsgehilfen trieben ihre Leute an, und das Ruder wirbelte herum. Cyclops fiel nach Osten ab, die Brassen ratterten durch die Blöcke, als die Rahen herumschwangen.
»Alle Segel setzen, Mr. Keene!«
»Aye, aye, Sir!« Begeisterung schwang in der Stimme des Leutnants mit, und eine Welle der Erregung durchlief das Schiff. Von der Verpflichtung befreit, ihre angewiesene Position halten zu müssen, entfaltete die Fregatte ihre Flügel. Die Geitaue und Gordings wurden von den Belegnägeln losgeworfen, als die Toppsgasten auf den Fußpferden auslegten, um das Segeltuch zu lösen. Wenn die Steuermannsgehilfen, die an jedem Segel an den Nockgordings arbeiteten, ihre Bereitschaft in Richtung Deck signalisierten, wurde der Befehl zum Dichtholen der Schoten gegeben. Die Bramsegel blähten sich, fielen zusammen und füllten sich wieder, als die Decksleute die Fallen holten und die Rahen von den Eselshäuptern nach oben schwebten. Cyclops legte sich unter dem wachsenden Druck über, das Hanftauwerk spannte sich, und das Schiff begann zu zittern, als es mehr Fahrt aufnahm. Die Fregatte schnitt durch den dunklen Atlantik, der weiße Schaum des Kielwassers strömte unter ihrem Heck hervor.
Auf dem Deck wurde die Wache abgelöst, und die Kuhl{ii} leerte sich wieder, als die Schaulustigen und Neugierigen allmählich nach unten gingen.
Drinkwater merkte, daß der Kommandant ihn scharf anblickte.
»Sir?« fragte er zaghaft.
»Mr. äh ...«
»Drinkwater, Sir.«
»Ah ja. Mr. Drinkwater, nehmen Sie ein Fernglas mit in den Vormasttopp, und sehen Sie zu, was Sie ausmachen können. Denken Sie, daß Sie das schaffen?«
»Aye, aye, Sir!« Aus einem Gestell griff sich Drinkwater ein stark verbeultes Teleskop, das von einem spendablen Marineamt ausschließlich für die »jungen Herren« zur Verfügung gestellt worden war; damit verschwand er im Vormast.
Es dauerte eine gute Viertelstunde, bevor er wieder an Deck erschien. Da er sich darüber klar war, daß Hope seine Fähigkeiten testen wollte, hatte er so lange gewartet, bis er Definitives zu melden hatte.
Er salutierte vor dem Kommandanten.
»Es ist eine Brigg, Sir. Sie zeigt keine Flagge.«
»Sehr gut, Mr. Drinkwater.«
»Ich sehe sie jetzt von Deck aus, Sir«, steuerte Devaux bei.
Der Kommandant nickte. »Lassen Sie die Bugkanonen feuerklar machen, Mr. Devaux.«
Auch Drinkwater konnte jetzt das zweimastige Fahrzeug sehen, auf das sie zuhielten. Er wartete auf den hellen Farbfleck, der bald erscheinen und seine Nationalität verraten mußte. Ein Dutzend anderer Teleskope wartete gespannt auf dieselbe Information. Da wanderte ein roter Punkt an ihrem Mast hoch, rot mit einem weißen Kreuz.
»Ein Däne!« Aus einem Dutzend Kehlen zugleich kam der Ruf. Cyclops stieß auf ihr Opfer herab, und auf ein Nicken des Kommandanten bellte vorn eine Kanone; ihr Rauch rollte langsam der vorwärtsstürmenden Fregatte voraus.
Eine weiße Fontäne erschien vor dem dänischen Schiff. Sie lag eine Kabellänge zu kurz, hatte aber den gewünschten Effekt, da der Däne sein Großmarssegel backsetzte und beidrehte.
»Mr. Devaux, Sie gehen an Bord!«
Befehle hallten über Deck. Wo eben noch Neugierige aufmerksam die Jagd verfolgt hatten, brach Chaos aus. Als Folge dieser zeitweisen Unordnung wurden Großsegel und Fock aufgegeit, und eine andere Gruppe machte sich daran, achtern in Lee ein Boot wegzufieren, als Cyclops ihr Großmarssegel back kommen ließ.
Devaux rief weitere Befehle, und Drinkwater hörte im Durcheinander seinen Namen.
»Ins Boot mit dir, Junge!« schrie der Erste Offizier, und Nathaniel lief in die Kuhl, wo ein Kletternetz über die Bordwand ausgebracht worden war. Die Bootsmannschaft war schon an Bord, aber weitere Seeleute, mit Entermessern bewaffnet, strömten nach unten. Drinkwater warf ein Bein über die Reling, blieb mit einem Hosenbein an einem Belegnagel hängen und hörte das Gewebe reißen. Diesmal kümmerte es ihn nicht.
Er kletterte ins Boot hinab. Zu seiner Überraschung war Devaux schon da, immer noch rufend. »Wo, in Gottes Namen, ist Wheeler?« Und als der rotberockte Leutnant der Seesoldaten mit sechs Leuten ungeschickt das Netz herabkletterte, die Towermusketen an den Riemen schlenkernd: »Kommt schon, ihr verdammten Hummer!«
Die Matrosen quittierten den Spitznamen mit einem verständnisinnigen Grinsen. Leutnant Wheeler nahm die Beleidigung seiner Truppe zwar übel, konnte sich aber nicht rächen, da er vollauf damit beschäftigt war, sich und seinen Degen ins Boot zu bringen, ohne auch noch die letzte Würde zu verlieren.
»Absetzen! Riemen bei! Ruder an überall! Und legt euch rein!«
Das große Boot setzte sich in Bewegung, und Devaux drückte Drinkwater die Pinne in die Hand. »Geh an der Leeseite längsseits und halt sie dort!« Er wandte sich an Wheeler: »Da es sich um einen Neutralen handelt, entern Sie besser nicht, es sei denn, Sie hören mich rufen.« Er hob die Stimme: »Bootmannsmaat!«
Der Unteroffizier der bewaffneten Matrosen erhob sich vom Bug.
»Sir!«
»Machen Sie keinen Versuch zu entern, außer wenn ich Hilfe benötige – aber sobald ich rufe, will ich euch alle schlagartig an Deck sehen!«
Die Seeleute grinsten und befingerten ihre Klingen. Einige Minuten später gellte Drinkwaters überkippende Stimme: »Bug! Auf Riemen! Riemen ein! Einhaken!« Schon war Leutnant Devaux in die Rüsten des Dänen gesprungen. Ein bis zwei Sekunden lang ruderten seine eleganten Beine unangemessen in der Luft herum, dann hatte er sich an Deck der Brigg gehievt.
Das Boot tanzte an der Seite des fremden Schiffes auf und ab. Gelegentlich spähte ein blonder Kopf neugierig zu ihnen herunter. Im Boot waren alle nervös. Schon zwei oder drei über die Reling geworfene Kanonenkugeln konnten die Beplankung des Bootes durchschlagen. Es schien Drinkwater, als sei der Leutnant seit Stunden weg. Er sah die Reling sich nähern und wieder entfernen, wenn der Atlantik das Boot anhob und dann fallen ließ. Ängstlich sah er Wheeler an. Der Offizier lächelte. »Wenn Hon John in der Tinte steckt, dann quiekt er schon.«
Zu seiner unendlichen Erleichterung sah Drinkwater schließlich Devaux’ Beine über der Reling erscheinen und hörte die verbindliche Stimme des Leutnants, die jede Härte verloren hatte: »Ihr Diener, gnädige Frau.« Im nächsten Augenblick taumelte er ins Boot und nahm Drinkwater die Pinne ohne Förmlichkeit aus der Hand.
»Absetzen! Riemen bei! Ruder an und pullt, ihr Armleuchter!« Devaux duckte sich im Heck, den Körper vor Anspannung vorgebeugt. »Pullt! Zieht durch! Zieht, wie ihr einen Franzosen von eurer Mutter ziehen würdet!«
Die Männer grinsten über diese Obszönität, denn Devaux verstand sein Geschäft. Die Matrosen bogen die Riemen durch, die Blätter sprangen aus dem Wasser und flogen zum nächsten Zug nach vorn. Hinter ihnen setzte der Däne Segel. Devaux blickte zurück, und Drinkwater sah einen farbigen Fleck dort, wo eine Frau winkte.
»Wheeler«, sagte Devaux, »wir haben ein Stück Arbeit vor uns.« Ganz bewußt erzählte er ihm dann die Neuigkeiten. Er wußte, daß die Männer, die mithörten, sie an Bord verbreiten würden. Und er ahnte, daß sich Hope nicht die Mühe machen würde, die Besatzung zu informieren. Folglich würde nur eine verstümmelte Version kursieren, wenn Devaux die Neuigkeit nicht selber in Umlauf setzte. Diese Männer mußten in Kürze dem Tod ins Auge schauen, und der Erste Offizier gedachte, sie mit Blutdurst zu infizieren. Er hatte erlebt, welche Begeisterung bei britischen Seeleuten ausgelöst werden konnte, und er wußte, daß Cyclops in den kommenden Stunden diese Begeisterung benötigen würde.
»Der Däne ist gerade aus Cadiz ausgelaufen. Die Dons{iii} sind mit einer Flotte in See. Reines Glück, daß der Däne probritisch eingestellt war.« Er machte eine nachdenkliche Pause. »Mit einer Engländerin verheiratet, eine verdammt schöne Frau ...« Er grinste, die Matrosen grinsten auch – die Nachricht war angekommen.
Es wurde dunkel, ehe Cyclops wieder die Flotte erreichte. Der Vollmond versetzte Hope in die Lage, sein Schiff durch die Ansammlung anderer Fahrzeuge zu manövrieren, bis zu den drei Laternen im Rigg von Sandwich, die das Flaggschiff des Admirals kennzeichneten.
Die Fregatte kürzte Segel und sandte ein Boot hinüber; Devaux erstattete Rodney Bericht. Das Ergebnis war, daß Cyclops erneut alle Segel setzte, um die Fregatten der Vorhut zu warnen. Die Flotte hatte bei Sonnenuntergang Segel weggenommen, um ein Zerstreuen zu vermeiden und das Halten der Stationen zu erleichtern. So schloß Cyclops bald zu den Linienschiffen auf, passierte deren scharf ausgerichtete, massige Rümpfe, welche die schnellere Fregatte förmlich schrumpfen ließen, als sie im Mondschein leise knarrend vorbeizog.
Als der Morgen dämmerte, hatte Cyclops die Fregatten in Sicht. Achteraus waren noch Toppsegel der Flotte zu sehen, die der Bedford nämlich, eines Zweideckers mit 74 Kanonen, der unter vollen Segeln versuchte, zu den Fregatten aufzuschließen.
