Die Begleitbeistandschaft - Daniel Rosch - E-Book

Die Begleitbeistandschaft E-Book

Daniel Rösch

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Beschreibung

Die Begleitbeistandschaft ist eine Beistandschaftsart, welche das vorrevidierte Recht nicht kannte. Der Gesetzgeber wollte mit ihr einen Leuchtturm für die Personensorge schaffen, weil die Personensorge im vorrevidierten Recht wenig Niederschlag im Gesetz fand. Begleitende Unterstützung wird somit neben dem Vertretungs- und Mitwirkungshandeln eine neue Handlungsart des Beistandes. Sie ist viel weniger rechtlich als sozialarbeiterisch orientiert. Dementsprechend bildet sie auch eine Verbindung von Sozialarbeit und Recht und bietet diverse Fragestellungen, die sowohl rechtlich als auch sozialarbeiterisch geprägt sind. Im Rahmen des vorliegenden Werkes werden diese interdisziplinären Bezüge beleuchtet. Dadurch wird auch die Systematik für sämtliche Beistandschaften herausgearbeitet und die Beistandschaft im Kontext des Familienrechts behandelt. Die Begleitbeistandschaft ist zusätzlich eine Massnahme die der Zustimmung bedarf. Folglich gewährleistet sie auch Selbstbestimmung. In diesem Zusammenhang wird ein besonderes Augenmerk auf das Zusammenwirken von weiteren subsidiären Dienstleistungen, aber auch das Verhältnis zur UN-Behindertenrechtskonvention vertieft geprüft.

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Basler Dissertation

Dieses Buch wurde unter dem Titel «Die Begleitbeistandschaft (Art. 393 ZGB)unter Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention» als Dissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors der Rechtswissenschaft der Juristischen Fakultät der Universität Basel im Jahr 2017 von Daniel Rosch, Bonfol (JU) eingereicht.

 

Daniel Rosch

Die BegleitbeistandschaftUnter Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention

Schriften zum Kindes- und Erwachsenenschutz

herausgegeben von Daniel Rosch und Luca Maranta, Band 1

Dissertation

ISBN Print: 978-3-0355-0875-8

ISBN E-Book: 978-3-0355-0876-5

 

 

1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 hep verlag ag, Bern

 

www.hep-verlag.ch

Einleitung

Die Begleitbeistandschaft ist eine Beistandschaftsart, welche das vorrevidierte Recht nicht kannte. Der Gesetzgeber wollte mit ihr einen Leuchtturm für die Personensorge schaffen, weil die Personensorge im vorrevidierten Recht wenig Niederschlag im Gesetz fand. Begleitende Unterstützung wird somit neben dem Vertretungs- und Mitwirkungshandeln eine neue Handlungsart des Beistandes. Sie ist viel weniger rechtlich als sozialarbeiterisch orientiert. Dementsprechend bildet sie auch eine Verbindung von Sozialarbeit und Recht und bietet diverse Fragestellungen, die sowohl rechtlich als auch sozialarbeiterisch geprägt sind. Diese sollen im Rahmen dieser Arbeit beleuchtet werden.

Im ersten Teil werden die Grundlagen des Erwachsenenschutzes dargestellt. Dabei werden Ziel und Zweck des Erwachsenenschutzes sowie der Kontext und die rechtliche bzw. sozialarbeiterische Einbettung kurz dargestellt. Ergänzend hierzu werden die rechtshistorische Entwicklung insbesondere hinsichtlich der für die Begleitbeistandschaft wesentlichen Personensorge erörtert und die Begriffsentwicklung der Personensorge bis hin zum revidierten Recht aufgezeigt.

Im zweiten Teil wird zunächst die Revision in Bezug auf die Begleitbeistandschaft vertiefend beleuchtet, und die verschiedenen Diskussionsansätze werden dargestellt. Danach werden die Konzeption des österreichischen, deutschen und italienischen Rechts in Bezug auf Begleithandlungen bzw. Personensorge erörtert, um die ausländischen Rechtsordnungen mit der schweizerischen Lösung zu vergleichen.

Danach werden die gesetzlichen Voraussetzungen der Begleitbeistandschaft und insbesondere die Begriffe der begleitenden Unterstützung und der Zustimmungsbedürftigkeit vertieft analysiert. Im anschliessenden Abschnitt wird die Rechtsfolge und damit die Anordnung der Begleitbeistandschaft mit den damit zusammenhängenden Pflichten im Rahmen der Mandatsführung dargelegt. Dabei werden insbesondere der behördliche Auftrag und die Rechtsmacht, die Sorgfaltspflichten sowie datenschutzrechtliche Fragestellungen genauer erörtert, aber auch in einem separaten Abschnitt die «Beschwerde» gemäss Art. 419 ZGB sowie die Beendigung der Massnahme erläutert.

Im dritten Teil wird zunächst auf die Behindertenrechtskonvention eingegangen, und es werden für die Begleitbeistandschaft relevante Aspekte thematisiert. Dazu gehört insbesondere auch die Diskussion, was unter Unterstützung zu verstehen ist und ob Vertretungshandeln noch erlaubt ist. Geprüft wird ferner, ob das revidierte Erwachsenenschutzrecht konventionskonform ist. Daraus werden Schlussfolgerungen für die Begleitbeistandschaft abgeleitet.

Danach wird auf diverse internationale Konzepte und Ansätze eingegangen, welche die Autonomie kognitiv eingeschränkter Menschen fördern sollen. Sie werden in Bezug zur Begleitbeistandschaft gesetzt und beurteilt. Schliesslich wird thematisiert, inwiefern begleitende Unterstützung für Menschen an der Grenze zur Urteilsunfähigkeit möglich ist, und es werden die diesbezüglichen Herausforderungen dargestellt.

Die Arbeit schliesst mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.

Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung sind grundsätzlich bis zum 1. Dezember 2016 berücksichtigt.

Soweit nicht eine Bezeichnung von Personen in der weiblichen und männlichen Form erfolgt, umfasst die Benennung in der einen Form – der Lesbarkeit halber – jeweils auch das andere Geschlecht.

Für die Unterstützung dieser Arbeit gebührt diversen Personen Dank. Zunächst meinem Doktorvater Prof. Dr. iur. Thomas Sutter-Somm sowie den Experten im Kolloquium Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser und Prof. Dr. iur. Dr. h.c. Thomas Geiser. Für Anregungen und Diskussionen zur Arbeit danke ich besonders Luca Maranta, Advokat, und Dr. iur. Walter Boente, aber auch Prof. Dr. phil. Harald Ansen, Dr. iur. Ulrike Ceresara, Prof. Dr. iur. Michael Ganner, Prof. Andrea Hauri, Selma Koch, M.A. Soziale Arbeit, Prof. Dr. iur. Dr. h.c. Volker Lipp, Mag. Joachim Pierer, Dr. phil. habil. Dirk Richter, Dr. iur. Roberta Rigamonti, Dr. phil. Peter A. Schmid, Prof. Dr. iur. Fumie Suga, Karin Zimmermann, MSc RN, Patrick ­Zobrist, M.A. Soziale Arbeit und Franziska Zúñiga, PhD, RN. Die Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung meiner Familie, der ich überaus dankbar bin. Zu guter Letzt möchte ich mich herzlich beim Verlag und insbesondere Dr. iur. Men Haupt bedanken für die unkomplizierte und förderliche Umsetzung.

Bern, 1. Dezember 2016

Daniel Rosch

Inhaltsübersicht

TEIL 1 GRUNDLAGEN

I. Grundlagen des Erwachsenenschutzes

1. Ziel und Zweckbestimmung des Erwachsenenschutzes

2. Erwachsenenschutz als Teil des Sozialrechts

3. Erwachsenenschutzrecht als Eingriffssozialrecht

4. Erwachsenenschutzrecht als Teil des Personen- und Familienrechts

5. Erwachsenenschutzrecht als Teil des Verwaltungsrechts

6. Erwachsenenschutzrecht als Teil der Sozialen Arbeit im Zwangskontext

II. Rechtshistorische Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Personensorge

1. Einleitung

2. Personensorge, Vermögenssorge und Vertretung als grundlegende Dreiheit

3. Rechtshistorische Entwicklung

4. Die behördlichen Massnahmen des früheren Vormundschaftsrechts im Überblick

5. Fazit: Die Personensorge im rechtshistorischen Rückblick

6. Die Entwicklung des Begriffs der Personensorge im Vormundschaftsrecht und im revidierten Erwachsenenschutzrecht

TEIL 2 DIE BEGLEITBEISTANDSCHAFT IM ERWACHSENENSCHUTZRECHT

I. Die Revision

1. Revisionsbedarf und Revisionsziele

2. Die Revision der behördlichen Massnahmen

3. Die Revision im Hinblick auf die Begleitbeistandschaft

II. Begleithandlungen bzw. Personensorge im österreichischen, deutschen und italienischen Recht

1. Einleitung

2. Österreichisches Recht

3. Deutsches Recht

4. Italienisches Recht

5. Fazit

III. Die gesetzlichen Voraussetzungen

1. Einleitung

2. Die «hilfsbedürftige Person»

3. Begleitende Unterstützung zur Erledigung bestimmter Angelegenheiten

4. Die Zustimmung

5. Die Verhältnismässigkeit

IV. Die Rechtsfolge: Anordnung einer Begleitbeistandschaft und damit verbundene Pflichten

1. Rechtsfolge und statistische Häufigkeit

2. Der Doppelcharakter der Verfügung

3. Der Begleitbeistand und sein Anforderungsprofil

4. Der Auftrag und die Rechtsmacht

5. Sorgfaltspflichten

6. Übertragbarkeit des behördlichen Auftrages an Dritte

7. Datenschutzrechtliche Fragestellungen

8. Die Berichterstattungspflicht (Art. 411 ZGB)

9. Mitwirkungspflichten bei zustimmungsbedürftigen Geschäften

10. Pflichten im Zusammenhang mit der Vermögenssorge

11. Die Vertretung ausserhalb der behördlichen Massnahme bzw. der Begleitbeistandschaft

12. Kombinationsmöglichkeiten mit anderen behördlichen Instrumenten des Erwachsenenschutzes

V. Die «Beschwerde» nach Art. 419 ZGB und die Beendigung der Massnahme

1. Die «Beschwerde» nach Art. 419 ZGB

2. Die Beendigung der Massnahme

TEIL 3 HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BEGLEITBEISTANDSCHAFT DURCH DIE UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION

I. Grundlagen

1. Einleitung

2. Zwecksetzung und Entstehungsgeschichte

3. Überblick über die Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention

II. Ausgewählte für die Begleitbeistandschaft relevante Aspekte

1. Behindertenbegriff und Erwachsenenschutz

2. Schwächezustände gemäss Art. 390 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB und Behindertenrechtskonvention

3. Die Art und Weise der Unterstützung aus Sicht der Behindertenrechtskonvention im Vergleich zum Behindertengleichstellungsgesetz

4. Die Unterstützung im Sinne von Art. 12 BRK im Besonderen und Erwachsenenschutz

III. Ansätze zur Förderung der Autonomie im Entscheidungsprozess bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen und an der Grenze der Urteilsunfähigkeit

1. Förderung der Autonomie bei Urteilsfähigen mit kognitiven Einschränkungen

2. Supported Decision Making gemäss der Behindertenrechtskonvention

3. Ansätze und Konzepte zur Förderung des Supported Decision Making

4. Einordnung der diversen Konzepte und Ansätze

5. Ausdehnung auf Menschen an der Grenze zur Urteilsunfähigkeit?

6. Herausforderungen für die Begleitbeistandschaft

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Materialien, Berichte und Stellungnahmen

1. Revision Erwachsenenschutz

2. Weitere Materialien

3. Weitere Berichte und Stellungnahmen

Inhaltsverzeichnis

TEIL 1 GRUNDLAGEN

I. Grundlagen des Erwachsenenschutzes

1. Ziel und Zweckbestimmung des Erwachsenenschutzes

2. Erwachsenenschutz als Teil des Sozialrechts

3. Erwachsenenschutzrecht als Eingriffssozialrecht

4. Erwachsenenschutzrecht als Teil des Personen- und Familienrechts

5. Erwachsenenschutzrecht als Teil des Verwaltungsrechts

6. Erwachsenenschutzrecht als Teil der Sozialen Arbeit im Zwangskontext

II. Rechtshistorische Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Personensorge

1. Einleitung

2. Personensorge, Vermögenssorge und Vertretung als grundlegende Dreiheit

3. Rechtshistorische Entwicklung

4. Die behördlichen Massnahmen des früheren Vormundschaftsrechts im Überblick

4.1 Die Beistandschaften (Art. 392–394 aZGB)

4.2 Die Beiratschaften (Art. 395 aZGB)

4.3 Die Vormundschaften (Art. 369–372 aZGB)

4.4 Die Personensorge im Rahmen der altrechtlichen personengebundenen Massnahmen

5. Fazit: Die Personensorge im rechtshistorischen Rückblick

6. Die Entwicklung des Begriffs der Personensorge im Vormundschaftsrecht und im revidierten Erwachsenenschutzrecht

6.1 Die Personensorge

6.2 Der Begriff der Personensorge im früheren Vormundschaftsrecht

6.2.1 EUGENHUBER (1893, 1914)

6.2.2 HANSHEFTI (1916)

6.2.3 JOSEPHKAUFMANN (1924)

6.2.4 HEDWIGOETTLI (1941)

6.2.5 AUGUSTEGGER (1948)

6.2.6 BERNHARD SCHNYDER/ERWIN MURER (1984)

6.2.7 CHRISTOPHCAVIEZEL (1988)

6.2.8 BARBARACAVIEZEL-JOST (1988)

6.2.9 STEFANMÜLLER (1996)

6.2.10 HANS MICHAEL RIEMER (1997)

6.2.11 KURTAFFOLTER (1998)/CHRISTOPHHÄFELI (2005)

6.3 Die doppelte Personensorge im revidierten Recht

6.3.1 Auslegung der massgebenden Bestimmungen

6.3.2 Die Personensorge im Sinne von Aufgabenbereichen

6.3.3 Die Personensorge im Sinne der Rechtsmacht

6.3.4 Die doppelte Personensorge

6.3.5 Die Reichweite der Personen- bzw. der Vermögenssorge

6.4 Fazit

TEIL 2 DIE BEGLEITBEISTANDSCHAFT IM ERWACHSENENSCHUTZRECHT

I. Die Revision

1. Revisionsbedarf und Revisionsziele

2. Die Revision der behördlichen Massnahmen

3. Die Revision im Hinblick auf die Begleitbeistandschaft

3.1 Die persönliche Betreuung gemäss der Expertengruppe 1995 und deren Vorbilder

3.1.1 Konzeption

3.1.2 Vorbilder

3.1.3 Spezifische Voraussetzungen

3.1.4 Wirkungen

3.2 Die persönliche Beistandschaft des Vorentwurfs 1998

3.2.1 Konzeption

3.2.2 Vorbilder

3.2.3 Spezifische Voraussetzungen

3.2.4 Wirkungen

3.3 Die Begleitbeistandschaft des Vorentwurfs 2003

3.3.1 Konzeption

3.3.2 Vorbilder

3.3.3 Spezifische Voraussetzungen

3.3.4 Wirkungen

3.3.4.1 Allgemein

3.3.4.2 Handlungsfreiheit und Handlungsfähigkeit (Art. 380 Abs. 3 VE 2003)

3.3.4.3 Einblick und Auskunft geben (Art. 380 Abs. 2 VE 2003)

3.3.5 Fazit

3.4 Das Vernehmlassungsverfahren und dessen Ergebnisse

3.5 Die Begleitbeistandschaft im bundesrätlichen Entwurf (Art. 393 Entwurf ZGB)

3.5.1 Konzeption

3.5.2 Vorbilder

3.5.3 Spezifische Voraussetzungen

3.5.4 Wirkungen

3.6 Parlamentarische Beratungen

3.7 Fazit bzw. Ratio legis

II. Begleithandlungen bzw. Personensorge im österreichischen, deutschen und italienischen Recht

1. Einleitung

2. Österreichisches Recht

2.1 Das geltende Sachwalterrecht

2.2 Der Reformvorschlag der Erwachsenenvertretung

2.2.1 Ausbau der Vertretungsmodelle und Alternativen zur Sachwalterschaft

2.2.2 Stärkung der Autonomie im Rechtsverkehr und in persönlichen Angelegenheiten

2.2.3 Personensorge

2.2 Schlussfolgerung für das schweizerische Recht

3. Deutsches Recht

3.1 Die Eignung des Betreuers

3.2 Rechtliche Betreuung und tatsächliche Hilfeleistung

3.3 Schlussfolgerungen für das schweizerische Recht

4. Italienisches Recht

5. Fazit

III. Die gesetzlichen Voraussetzungen

1. Einleitung

2. Die «hilfsbedürftige Person»

2.1 Natürliche volljährige Person

2.2 Schwächezustände

2.2.1 Das Verhältnis von psychischer Störung und geistiger Behinderung zu den Begrifflichkeiten im vorrevidierten Recht

2.2.2 Geistige Behinderung (Art. 390 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB)

2.2.3 Psychische Störung (Art. 390 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB)

2.2.4 «Ähnlich in der Person liegende Schwächezustand» (Art. 390 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB)

2.2.5 Vorübergehende Urteilsunfähigkeit bzw. Abwesenheit (Art. 390 Abs.1 Ziff. 2 ZGB)

2.2.6 Beurteilung der Schwächezustände für die Begleitbeistandschaft

2.3 Schutzbedarf

3. Begleitende Unterstützung zur Erledigung bestimmter Angelegenheiten

3.1 Die begleitende Unterstützung (Begleitung)

3.1.1 Als Teil der persönlichen Angelegenheiten (Personensorge im Sinne der Rechtsmacht)

3.1.1.1 DANIEL ROSCH (2010):

3.1.1.2 PATRICKFASSBIND (2011)

3.1.1.3 PHILIPPE MEIER/ SUZANA LUKIC (2011)

3.1.1.4 YVOBIDERBOST (2012)

3.1.1.5 HELMUTHENKEL (2012)

3.1.1.6 Zwischenfazit

3.1.2 Begleitung als psychosoziale Hilfe bzw. Handlungsfeld der Sozialen Arbeit

3.1.2.1 Allgemeine Grundlagen

3.1.2.2 PETERLÜSSI (2001)

a) Beratung

b) Verhandlung

c) Intervention

d) Vertretung

e) Beschaffung

f) Betreuung

g) Bedeutung für die vorliegende Fragestellung

3.1.2.3 MAJAHEINER (2010)

a) Koordinierende Prozessbegleitung

b) Fokussierte Beratung

c) Begleitende Unterstützung und Erziehung

d) Niedrigschwellige Förderung und Bildung

e) Bedeutung für die vorliegende Fragestellung

3.1.2.4 FRANZ STIMMER (2012)

a) Basismedium Beratung

b) Begleitung – Unterstützung – Betreuung

c) Soziale Therapie

d) Bildung und Erziehung

e) Bedeutung für die vorliegende Fragestellung

3.1.2.5 PETRAGREGUSCH (2013)

a) Der Beratungsbegriff

b) Bedeutung für die vorliegende Fragestellung

3.1.3 Diskussion, Fazit und Definition

3.1.3.1 Die juristisch geprägte Sichtweise

3.1.3.2 Die sozialarbeiterisch geprägte Sichtweise

3.1.3.3 Begleitende Unterstützung als Paradigmawechsel für die Beistandsarbeit?

3.1.3.4 Modifikation der sozialarbeiterischen Perspektive auf begleitende Unterstützung

3.1.3.5 Fazit und Definition

3.1.4 Exkurs: Methodische Gestaltung und Logik der Organisation

3.2 Die Erledigung bestimmter Angelegenheiten

3.2.1 Einleitung

3.2.2 Allgemeine Angelegenheiten bzw. Aufgaben des Beistandes, die nicht massgeschneidert werden müssen («beiläufige Personensorge»)

3.2.2.1 Die doppelte «beiläufige Personensorge»

3.2.2.2 Die beiläufige Personensorge im Sinne der Rechtsmacht

3.2.2.3 Die beiläufige Personensorge im Sinne der Aufgabenbereiche

3.2.3 Mögliche Aufgabenbereiche zur Erledigung bestimmter Angelegenheiten

3.2.4 Fehlende Massschneiderung?

3.2.5 Exkurs: Die Bestimmung über den Aufenthalt

4. Die Zustimmung

4.1 Zustimmung, Antrag und Einwilligung

4.1.1 Vom Antrag zur Zustimmung

4.1.2 Die Zustimmung im schweizerischen Privatrecht

4.1.3 Bezugspunkt bzw. ratio legis der Zustimmung

4.1.4 Die Zustimmung als empfangsbedürftige Willenserklärung

4.1.5 Die Zustimmung als Akt wirklicher Selbstbestimmung

4.1.6 Die Zustimmung und die Urteilsfähigkeit

4.1.7 Mutmassliche Einwilligung bzw. Zustimmung?

4.2 Weitere Gültigkeitsvoraussetzungen der Zustimmung

4.2.1 Das Fehlen von Willensmängeln

4.2.2 Das Fehlen von Inhaltsmängeln (Art. 27 ZGB)

4.3 Zustimmung bzw. Einwilligung als Rechtfertigungsgrund oder Grundrechtsverzicht

4.3.1 Einleitung

4.3.2 Die Reichweite der Zustimmung bzw. Einwilligung

4.3.3 Die Zustimmung bzw. Einwilligung als Grundrechtsverzicht?

4.3.3.1 Ausgangslage

4.3.3.2 Die Einwilligung als Ausnahme vom Legalitätsprinzip

4.3.3.3 Die Zulässigkeit des Grundrechtsverzichtes?

4.3.3.4 Voraussetzungen für einen Grundrechtsverzicht und Schlussfolgerung

4.4 Die fehlende Zustimmung und der Widerruf der Zustimmung

4.4.1 Die fehlende bzw. nicht beweisbare Zustimmung

4.4.2 Der Widerruf der Zustimmung

4.5 Auswirkungen auf die übrigen behördlichen Massnahmen

4.5.1 Andere Beistandschaftsarten

4.5.2 Verzicht auf eine Beistandschaft (Art. 392 ZGB)

5. Die Verhältnismässigkeit

5.1 Das Verhältnismässigkeitsprinzip als Grundprinzip des Verwaltungsrechts und als Element für die Einschränkung von Grundrechten

5.2 Voraussetzungen für die Prüfung der Verhältnismässigkeit

5.2.1 Diagnose

5.2.2 Prognose

5.2.3 Zielsetzung

5.3 Die Geeignetheit

5.4 Die Subsidiarität staatlicher Massnahmen bzw. der Erforderlichkeitsgrundsatz

5.4.1 Subsidiaritätsprinzip («subsidiarité de principe»)

5.4.1.1 Familie sowie Freundes- und Bekanntensysteme

5.4.1.2 Privatautonome Handlungen, insbesondere spezielle Dienstleistungsanbieter im Sozialwesen

5.4.2 Subsidiarität in Bezug auf die Massnahmen («subsidiarité de mesure»)

5.4.2.1 Begleitbeistandschaft oder Dienstleistungsanbieter im Sozialwesen?

5.4.2.2 Sozialhilfe

5.4.2.3 Die bundesgerichtliche Sichtweise der Erforderlichkeit im Rahmen der Begleitbeistandschaft

5.5 Das angemessene Verhältnis von Eingriffszweck und -wirkung

IV. Die Rechtsfolge: Anordnung einer Begleitbeistandschaft und damit verbundene Pflichten

1. Rechtsfolge und statistische Häufigkeit

2. Der Doppelcharakter der Verfügung

3. Der Begleitbeistand und sein Anforderungsprofil

3.1 Die Eignung

3.2 Das Anforderungsprofil

3.3 Die erforderliche Zeit

4. Der Auftrag und die Rechtsmacht

4.1 Einführung

4.2 Die Auftraggeberin

4.3 Der Auftrag und die Rechtsmacht bei den Beistandschaften

4.3.1 Einführung

4.3.2 Analoges und ergänzendes Stellvertretungsrecht im Aussenverhältnis

4.3.3 Analoges und ergänzendes Auftragsrecht im Innenverhältnis

4.3.4 Das Zusammenspiel von Auftrag und Vertretungsmacht bzw. die beiläufige Personensorge im Sinne der Rechtsmacht

4.4 Die Rechtsmacht und der Auftrag bei der Begleitbeistandschaft

4.4.1 Die Rechtsmacht bei der Begleitbeistandschaft

4.4.1.1 Vertretungsmacht und Rechtsmacht

4.4.1.2 Begleitung als Teil der Rechtsmacht im Aussenverhältnis?

4.4.2 Der Auftrag bei der Begleitbeistandschaft

4.4.3 Das Zusammenspiel von Auftrag und Rechtsmacht im Rahmen der Begleitbeistandschaft

4.4.4 Die Auswirkungen der begleitenden Unterstützung auf die Handlungsfreiheit und –fähigkeit

4.4.4.1 Ausgangslage

4.4.4.2 Weitere juristisch geprägte Sichtweisen und deren Beurteilung

4.4.4.3 Ein philosophisch geprägter Zugang zur Handlungsfreiheit

4.4.4.4 Begriffsbestimmung und Schlussfolgerung

5. Sorgfaltspflichten

5.1 Sorgfaltspflicht im Sinne des auftragsrechtlichen Tätigkeitsgebotes

5.1.1 Ausgangslage

5.1.2 Bedeutung für Berufsbeistände

5.1.2.1 Konkretisierung durch den behördlichen Beschluss und gesetzliche Aufgaben

5.1.2.2 Operationalisierung der Aufgaben

5.1.2.3 Der Beistand als selbstverantwortlicher Tätiger mit eigenem Wirkungskreis

5.1.3 Bedeutung für Begleitbeistände

5.2 Sorgfaltspflicht auf Verschuldensebene

5.2.1 Allgemein

5.2.2 Bedeutung für alle Berufsbeistände, inklusive Begleitbeistand

6. Übertragbarkeit des behördlichen Auftrages an Dritte

6.1 Allgemein

6.2 Bedeutung für Berufsbeistände

6.3 Bedeutung für Begleitbeistände

7. Datenschutzrechtliche Fragestellungen

7.1 Schweigepflicht (Art. 413 Abs. 2 ZGB)

7.2 Reaktive Informationsweitergabe

7.3 Aktive Informationsbeschaffung bzw. -weitergabe

7.3.1 Informationsbeschaffung bei der Übernahme des Amtes (Art. 405 Abs. 1 ZGB)

7.3.1.1 Informationsbeschaffung und Begleitbeistandschaft

7.3.1.2 Vergleichbarkeit mit Art. 308 Abs. 1 ZGB?

7.3.1.3 Schlussfolgerungen

7.3.2 Die Orientierungspflicht über die Beistandschaft (Art. 413 Abs. 3 ZGB) und die Durchbrechung der Schweigepflicht (Art. 413 Abs. 2 ZGB)

8. Die Berichterstattungspflicht (Art. 411 ZGB)

9. Mitwirkungspflichten bei zustimmungsbedürftigen Geschäften

10. Pflichten im Zusammenhang mit der Vermögenssorge

11. Die Vertretung ausserhalb der behördlichen Massnahme bzw. der Begleitbeistandschaft

11.1 Möglichkeiten der privatautonomen Vertretung

11.2 Eignung der Instrumente neben einer (Begleit-)Beistandschaft

11.3 Art. 416 Abs. 3 ZGB als Grenze

11.4 Folgen in Bezug auf die Verantwortlichkeit

11.5 Folgen in Bezug auf die Aufsicht, Berichterstattung und Entschädigung

11.6 Weitere methodische Aspekte

11.7 Schlussfolgerungen

12. Kombinationsmöglichkeiten mit anderen behördlichen Instrumenten des Erwachsenenschutzes

12.1 Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Beistandschaftsarten (Art. 397 ZGB)

12.1.1 Verhältnis zur Vertretungsbeistandschaft (Art. 394 f. ZGB)

12.1.2 Verhältnis zur Mitwirkungsbeistandschaft (Art. 396 ZGB)

12.1.3 Verhältnis zur umfassenden Beistandschaft (Art. 398 ZGB)

12.1.4 Folge der Kombinationsmöglichkeiten: Häufigere Mehrfachbeistandschaften?

12.2 Kombination mit Öffnen der Post und Betreten der Wohnung (Art. 391 Abs. 3 ZGB)

12.3 Kombination mit Art. 392 ZGB

12.4 Kombination mit anderen Instrumenten des Erwachsenenschutzes

V. Die «Beschwerde» nach Art. 419 ZGB und die Beendigung der Massnahme

1. Die «Beschwerde» nach Art. 419 ZGB

1.1 Legitimation

1.2 Anfechtungsgegenstand und -frist

1.3 Anwendbares Verfahrensrecht und Kognition

1.4 Exkurs: Verfahrensrechte zwischen Schutzinteressen, Drittinteressen und verfassungsmässigen Ansprüchen

1.5 Bedeutung für die Begleitbeistandschaft

2. Die Beendigung der Massnahme

2.1 Die Beendigung und deren Voraussetzungen

2.1.1 Die Beendigung ex lege und auf Antrag hin

2.1.2 Bedeutung für die Begleitbeistandschaft

2.2 Folgen der Beendigung

TEIL 3 HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BEGLEITBEISTANDSCHAFT DURCH DIE UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION

I. Grundlagen

1. Einleitung

2. Zwecksetzung und Entstehungsgeschichte

3. Überblick über die Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention

II. Ausgewählte für die Begleitbeistandschaft relevante Aspekte

1. Behindertenbegriff und Erwachsenenschutz

2. Schwächezustände gemäss Art. 390 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB und Behindertenrechtskonvention

3. Die Art und Weise der Unterstützung aus Sicht der Behindertenrechtskonvention im Vergleich zum Behindertengleichstellungsgesetz

4. Die Unterstützung im Sinne von Art. 12 BRK im Besonderen und Erwachsenenschutz

4.1 Ausgangslage

4.2 Legal capacity und Rechts- und Handlungsfähigkeit gemäss schweizerischem Privatrecht

4.3 Geeignete Massnahmen nach Art. 12 Abs. 3 und 4 BRK

4.4 Vertretung als Unterstützung?

4.4.1 Ausgangslage

4.4.2 Selbstbestimmung und Vertretung im Erwachsenenschutz

4.4.2.1 Behördliche Ebene

a) Massschneiderung, Subsidiarität und Verhältnismässigkeit als Garanten der Selbstbestimmung

b) Qualifizierte Beweislast für behördliche Massnahmen

c) Präzise und wissenschaftsbasierte Abklärungen

d) Selbstbestimmung durch Beistandschaften und durch das Verfahren

e) Verbesserungsmöglichkeiten

4.4.2.2 Mandatsführungsebene

a) Der behördliche Auftrag als Verpflichtung zur Selbstbestimmung

b) Autonome Handlungsspielräume zur Selbstbestimmung

c) Dualistisches System zwischen Rechtsmacht und selbstbestimmteren Rechtshandlungen

d) Die fremdbestimmte Selbstbestimmung des Beistandes

e) Staatlich eingesetzter Beistand als Schranke der Selbstbestimmung?

f) Verbesserungspotenzial

4.4.3 Schlussfolgerungen

4.5 Schlussfolgerungen für die Begleitbeistandschaft

III. Ansätze zur Förderung der Autonomie im Entscheidungsprozess bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen und an der Grenze der Urteilsunfähigkeit

1. Förderung der Autonomie bei Urteilsfähigen mit kognitiven Einschränkungen

2. Supported Decision Making gemäss der Behindertenrechtskonvention

2.1 Subsitute Decision Making

2.2 Supported Decision Making

2.3 Das Spektrum von Subsitute zu Supported Decision Making

3. Ansätze und Konzepte zur Förderung des Supported Decision Making

3.1 Mehrfachbeistandschaft

3.1.1 Beschreibung

3.1.2 Beurteilung für die Begleitbeistandschaft

3.2 Rechtliche bzw. persönliche Assistenz

3.2.1 Beschreibung

3.2.2 Beurteilung für die Begleitbeistandschaft

3.3 Shared Decision Making

3.3.1 Beschreibung

3.3.2 Beurteilung für die Begleitbeistandschaft

3.4 Clearing Plus

3.4.1 Beschreibung

3.4.2 Beurteilung für die Begleitbeistandschaft

3.5 Supported Network/Trusted-Person-Ansatz

3.5.1 Beschreibung

3.5.2 Beurteilung für die Begleitbeistandschaft

3.6 Aufsuchende Vertrauensperson

3.6.1 Beschreibung

3.6.2 Beurteilung für die Begleitbeistandschaft

3.7 Familienrat-Ansatz/Circle-Network

3.7.1 Beschreibung

3.7.2 Beurteilung für die Begleitbeistandschaft

3.8 Peer-Group-Ansatz

3.8.1 Beschreibung

3.8.2 Beurteilung für die Begleitbeistandschaft

3.9 Choose-Get-Keep-Leave

3.9.1 Beschreibung

3.9.2 Beurteilung für die Begleitbeistandschaft

4. Einordnung der diversen Konzepte und Ansätze

5. Ausdehnung auf Menschen an der Grenze zur Urteilsunfähigkeit?

5.1 Grenzen von Supported Decision Making und Begleitbeistandschaften

5.2 Kommunikationsverhalten als Mitursache für Urteils(un)fähigkeit

5.3 Delegation von Teilaspekten der Urteilsfähigkeit an Dritte?

5.3.1 Der Begleitbeistand als Übersetzer zur Ermöglichung von Urteilsfähigkeit

5.3.2 Der Kern der Urteilsfähigkeit

5.3.3 Delegation von Teilaspekten ausserhalb des Kerns der Urteilsfähigkeit an Dritte?

6. Herausforderungen für die Begleitbeistandschaft

6.1 Herausforderung, Subsidiarität und Verhältnismässigkeit

6.2 Herausforderung Missbrauchspotenzial

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Materialien, Berichte und Stellungnahmen

1. Revision Erwachsenenschutz

2. Weitere Materialien

3. Weitere Berichte und Stellungnahmen

I. Grundlagen des Erwachsenenschutzes

1. Ziel und Zweckbestimmung des Erwachsenenschutzes

1

Natürliche handlungsfähige Personen handeln als Rechtssubjekte im Rahmen der Rechtsordnung grundsätzlich selbstständig. Diese Selbstständigkeit kann dann infrage gestellt werden, wenn eine Person einen Schwächezustand aufweist, der ihr Wohl gefährdet und zur Folge hat, dass sie wichtige Angelegenheiten nicht mehr oder nur noch unzureichend besorgen kann.[1] Hier sollen die Instrumente des Erwachsenenschutzes greifen, und zwar in zweifacher Hinsicht: Sie sollen zunächst ermöglichen, dass die schutzbedürftige Person im Rechtsverkehr als eigenverantwortliche Entscheidungsträgerin trotz ihres Schwächezustandes auftreten kann. Die Instrumente haben somit zum Ziel, die Selbstbestimmung der betroffenen Person zu verwirklichen. Zudem kommt den Instrumenten des Erwachsenenschutzes – und hier insbesondere den behördlichen Massnahmen – auch die Aufgabe zu, davor zu schützen, dass sich die betroffene Person aufgrund ihres Schutzbedarfes selbst an Person oder Vermögen schädigt.[2] So kann der Erwachsenenschutz auch darin bestehen, dass eine handlungsfähige Person zu ihrem eigenen Schutz aufgrund eines hoheitlichen Aktes vom Zugang zum Rechtsverkehr rechtlich oder tatsächlich beschränkt wird.[3] Damit enthält der Erwachsenenschutz auch zentrale fremdbestimmende Elemente.

2. Erwachsenenschutz als Teil des Sozialrechts

2

Die schweizerische Rechtsordnung kennt kein Gebiet, das sich «Sozialrecht» nennt. «Sozial» ist letztlich jede Rechtsnorm, da sie Ausdruck des sozialen Kontexts der Gesellschaft ist. Dennoch gibt es Rechtsgebiete, die den Begriff «sozial» tragen, wie Sozialhilfe, Sozialversicherungen etc. Die Begrifflichkeit ist unscharf, und die älteren unterschiedlichen Definitionsversuche haben die sozialpolitische Zwecksetzung als Gemeinsamkeit, weil die Definitionen massgeblich von der sozialpolitischen Literatur geprägt sind.[4]

3

Anknüpfungspunkt des Sozialrechts waren in der Vergangenheit vielfach soziale Spannungen in der Bevölkerung, so insbesondere im Sozialversicherungs- und Arbeitsrecht. Es ging darum, die damit verbundenen persönlichen und gesellschaftlichen Risiken gerade für unterprivilegierte Bevölkerungsschichten abzufedern. Später kamen Massnahmen hinzu, die unabhängig von einer Schichtzugehörigkeit bestanden, wie Mieterschutz, Opferhilfe Konsumentenschutz. Die dafür ursächlichen sozialen Problemlagen konnte der Einzelne nicht ohne die Mithilfe des Staates verändern respektive verbessern.[5] Sozialrechtliche Massnahmen beinhalten solche zur Gewährleistung «der als notwendig erachteten Lebensbedürfnisse der Daseinsfürsorge und –vorsorge gerade dort, wo sie aufgrund der tatsächlichen Situation (z. B. Wohnungsmarkt) nicht mehr gewährleistet sind. Was zu diesen Lebensbedürfnissen gehört, ergibt sich aufgrund einer gesellschaftlich wandelbaren Wertung. Sozialrecht ist somit Ausdruck des verfassungsmässig verankerten Sozialstaatlichkeitsprinzips (z. B. Art. 12, 19, 29 Abs. 3, 41, 111 f. BV)».[6] Sozialrecht versteht sich nach dieser Auffassung als Querschnittsmaterie zwischen öffentlichem und Privatrecht und umfasst sämtliche rechtlichen Normen, «welche die für die Lebensbewältigung notwendige Teilhabe ermöglichen sollen und zugleich Ausdruck einer besonderen sozialstaatlichen Zielsetzung sind, also auf soziale Absicherung, sozialen Ausgleich, Schutz, Teilhabe und Chancengleichheit ausgerichtet sind.»[7]

4

Gemäss dieser Definition gehören zum Sozialrecht neben den klassischen Bereichen Sozialhilfe–, Sozialversicherungs– und Eingriffssozialrecht auch das Bildungs- und Gesundheitsrecht. Damit ergibt sich eine Ausweitung der Begrifflichkeit von sozialpolitischen auf sozialstaatliche Massnahmen. Diese erscheint angezeigt, weil sich das Gesundheits- und Bildungsrecht häufig mit den klassischen Bereichen des Sozialrechts überschneiden. So beinhaltet das Sozialversicherungsrecht auch gesundheitsrechtliche Fragestellungen, das Kindesschutzrecht findet sich auch im Bildungsrecht etc. Gleiches gilt auch für das revidierte Erwachsenenschutzrecht, in dem diverse Bestimmungen zum Gesundheitsrecht zu finden sind.[8]

3. Erwachsenenschutzrecht als Eingriffssozialrecht

5

Eingriffssozialrecht bezieht sich auf zwei Aspekte: zunächst als Eingriff in die verfassungsmässig geschützten Grundrechte im Bereich des Sozialrechts. Daneben rekurriert der Begriff auch auf Eingriffe im Sinne einer Verwaltungstätigkeit, nämlich auf die Eingriffsverwaltung. Dieser letztere Aspekt wird weiter unten ausgeführt.[9]

6

Zivilrechtlicher Erwachsenenschutz ist nach schweizerischem Rechtsverständnis nicht nur Sozialrecht, sondern – insbesondere bei den behördlichen Massnahmen gemäss Art. 388 ff. ZGB – auch Eingriffssozialrecht. Anknüpfungspunkt des behördlichen Erwachsenenschutzrechtes ist die Handlungsfähigkeit, die faktisch oder rechtlich beschränkt werden kann.[10] Die einzelne Person ist vor Eingriffen in die Rechtsstellung insbesondere durch das Grundrecht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) geschützt.[11] Dieses bewahrt das Individuum vor Eingriffen des Staates – insbesondere in die körperliche Integrität, in die Bewegungsfreiheit und in die geistige Unversehrtheit.[12] Daneben können weitere Grundrechte tangiert sein. Aufgrund der sich potenziell überschneidenden Schutzbereiche des Grundrechtsrechts auf Privatsphäre nach Art. 13 BV und der geistigen Unversehrtheit als Teil des Grundrechts auf persönliche Freiheit greift Erwachsenenschutz je nach Konzeption des Verhältnisses dieser Grundrechte zueinander mehr oder minder – auch überschneidend – in das Grundrecht auf Privatsphäre ein.[13] Zusätzlich werden auch das Grundrecht auf Menschenwürde (Art. 7 BV) und das Recht auf Ehe (Art. 14 BV) genannt.[14]

7

Dieser grundrechtliche Schutz gilt nicht allumfassend. Gemäss Art. 36 BV können Grundrechte eingeschränkt werden, sofern eine gesetzliche Grundlage besteht, der Eingriff durch ein öffentliches Interesse bzw. durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und verhältnismässig ist,[15] das heisst geeignet sowie erforderlich und in einem angemessenen Verhältnis von Eingriffszweck und Eingriffswirkung steht. Zudem ist der Kerngehalt der jeweiligen Grundrechte unantastbar und darf nicht verletzt werden.[16]

8

Die behördlichen Massnahmen des Erwachsenenschutzes bieten eine ausreichende gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in die obgenannten Grundrechte. Sie sind angesichts des Eingriffs ausreichend bestimmt und in einem Gesetz im formellen Sinne verfasst.[17] Das öffentliche Interesse ist sozialpolitischer Natur und hat Wohl und Schutz der betroffenen Person zum Inhalte.[18] Mit einer Interessenabwägung im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung kann das Spannungsverhältnis zwischen angeordneter Betreuung und Freiheit bzw. Selbst- und Fremdbestimmung austariert werden.[19]

9

Demgegenüber wird in der deutschen Literatur die These vertreten, dass die Betreuungen (d. h. die Beistandschaften des deutschen Rechts) weitgehend kein Eingriffssozialrecht darstellen würden. Wenn man davon ausgehen könne, dass Sinn und Zweck der Massnahmen auf die altruistisch geprägte Teilhabe am Geschäftsverkehr bzw. am gesellschaftlichen Leben abzielen würden, dann werde mit der Massnahme nicht in die Persönlichkeitsrechte eingegriffen, sondern diese würden verwirklicht. Die Betreuung ermögliche die gleichberechtigte Teilhabe. So sei es auch Aufgabe der Betreuungsperson, die betreute Person vor unangemessenen staatlichen Eingriffen zu schützen. Nur dort, wo die eigenverantwortliche Entscheidung des Grundrechtsträgers missachtet würde, gehe es um grundrechtlich relevante Eingriffe. Damit würde aber die Betreuungsperson – zumindest nach deutschem Recht – seine Kompetenzen überschreiten.[20] Dementsprechend seien weder die Betreuung noch die einzelnen Handlungen der Betreuungsperson grundrechtlich relevant.[21] Trotzdem bestehe latent die Gefahr, dass die Betreuungsperson im Einzelfall potenziell in die Grundrechte eingreife – insbesondere dort, wo es um irreversible Eingriffe im Bereich der Tathandlungen gehe. Deshalb hätten die materiellen und verfahrensrechtlichen Regeln freiheitssichernde Funktion, und die Betreuungsperson tue gut daran, ihr Verhalten an den grundrechtlichen Voraussetzungen auszurichten.[22] Daraus kann geschlossen werden, dass selbst hier die Anordnung der Massnahme und auch die Handlungen der Betreuungsperson grundrechtsähnlich im Sinne eines «vorbeugenden Grundrechtsschutzes»[23] erfolgen sollten.

10

Für die schweizerische Rechtsordnung erscheint diese Auffassung nur bedingt zutreffend. Zwar ermöglicht die altruistisch geprägte Beistandschaft die Teilhabe an der Gesellschaft bzw. am Rechtsverkehr. Daneben besteht aber die Aufgabe des Beistandes auch darin, die betroffene Person vor selbstschädigenden Handlungen zu schützen.[24] Damit verbunden sind im Einzelfall mehr oder minder starke Kontrolle bzw. auch Fremdbestimmung. Im Unterschied zum deutschen Recht kann bzw. muss der Beistand durchaus auch gegen den Willen einer urteilsfähigen Person entscheiden. So können nach schweizerischem Recht auch Beistandschaften gegenüber urteilsfähigen Personen angeordnet werden. Bei der Begleit- oder Mitwirkungsbeistandschaft ist die Urteilsfähigkeit sogar Voraussetzung der Massnahmeerrichtung, und trotzdem rechtfertigt der Schutz diesen Eingriff.[25] Folglich handelt es sich beim behördlichen Erwachsenenschutz potenziell massgeblich um Fremdbestimmung,[26] und die schweizerische Lehre und Rechtsprechung gehen von einem Grundrechtseingriff bei Beistandschaften aus.[27] Hinzu kommt die faktische und rechtliche Nähe des Erwachsenenschutzes zum Verwaltungsrecht und dort die Zuordnung zur Eingriffsverwaltung.[28]

11

Im Rahmen des revidierten Erwachsenenschutzrechtes gehören primär die behördlichen Massnahmen zum Eingriffssozialrecht. Daneben finden sich aber auch weitere Bereiche des revidierten Rechts, die dem Eingriffssozialrecht zuzuordnen sind, wie z. B. das Einschreiten der Erwachsenenschutzbehörde beim Vorsorgeauftrag (Art. 368 ZGB) oder bei bewegungseinschränkenden Massnahmen (Art. 385 ZGB). Inwieweit die Begleitbeistandschaft aufgrund ihres Zustimmungserfordernisses auch dazu gehört, wird weiter unten beim Grundrechtsverzicht vertiefend erörtert.[29]

4. Erwachsenenschutzrecht als Teil des Personen- und Familienrechts

12

Zivilrechtlicher Erwachsenenschutzrecht ist formal Privatrecht.[30] Es findet sich im zweiten Titel des Zivilgesetzbuches im Familienrecht, und zwar in der dritten Abteilung mit dem Titel Erwachsenenschutz respektive ehemals Vormundschaft. Privatrechtlich geprägt sind im revidierten Recht insbesondere die Bestimmungen über die eigene Vorsorge, also die Patientenverfügung gemäss Art. 370 ff. ZGB, der Vorsorgeauftrag gemäss Art. 360 ff. ZGB sowie die gesetzlichen Vertretungsrechte gemäss Art. 374 ff. ZGB. Sie sind allesamt nicht von Amtes wegen durchsetzbare Regeln für Rechtsbeziehungen unter Privatpersonen, bei denen im Konfliktfall die Erwachsenenschutzbehörde entscheidet.[31] Ebenso unterliegen die schutzbedürftigen Personen nicht dem direkten staatlichen Zugriff.

13

Der vom Staat eingesetzte, mit einer gewissen Unabhängigkeit ausgestattete Beistand handelt Dritten gegenüber privatrechtlich für die schutzbedürftige Person.[32] Auch die Bestimmungen, welche die Handlungsfähigkeit respektive die Einschränkung der Handlungsfähigkeit konkretisieren, gehören dem Privatrecht an. Sie ergänzen das Handlungsfähigkeitsrecht des Personenrechts.[33] Hiervon ausgeschlossen sind einzig behördliche Massnahmen, welche die Handlungsfähigkeit nicht berühren, wie die fürsorgerische Unterbringung und die Begleitbeistandschaft,[34] aber auch die Vertretungsbeistandschaft ohne Beschränkung der Handlungsfähigkeit.[35] Deshalb ist der Verweis auf den Zusammenhang von Handlungsfähigkeitsrecht und Erwachsenenschutz nicht in jedem Fall ausreichend. Erwachsenenschutz hat entsprechend eine weitergehende Aufgabe, als lediglich Mankos im Handlungsfähigkeitsrecht zu überbrücken.

14

Erwachsenenschutzrecht ergänzt zwar in Bezug auf die Beschränkung der Handlungsfähigkeit das Personenrecht; Anknüpfungspunkt ist jedoch ein anderer: Beim Erwachsenenschutzrecht wird die Anordnung behördlicher Massnahmen in jedem Fall auf eine Schutzbedürftigkeit zurückgeführt, die auf einem Schwächezustand basiert.[36] Dabei kann die (teilweise) fehlende Urteilsfähigkeit durchaus einen Schwächezustand begründen. Dies ist aber nicht zwingend, da selbst unter umfassender Beistandschaft stehende Personen urteilsfähig sein können.[37] Damit zeigt sich, dass Erwachsenenschutz auch gegenüber urteilsfähigen Menschen möglich ist. Diese Perspektive deutet demnach eher auf einen öffentlich-rechtlichen Bezug hin.[38] Trotzdem gehen Lehre und Rechtsprechung davon aus, dass das Verhältnis der Beistandsperson zur verbeiständeten Person überwiegend privatrechtlich geprägt ist.[39]

15

Die inhaltliche Begründung, weshalb Erwachsenenschutzrecht dem Familienrecht zugeordnet wird, findet sich in seiner historischen Nähe zum Familienrecht. Die Massnahmen des Erwachsenenschutzes wurden massgeblich von denjenigen über Minderjährige und gegenüber den damals nicht selbstständigen Frauen abgeleitet.[40] Dies zeigt sich insbesondere bei der Vermögens- und der Personensorge, bei denen die Bestimmungen über die Erziehung Minderjähriger Vorbild für die Normen im Erwachsenenschutz waren.[41]

5. Erwachsenenschutzrecht als Teil des Verwaltungsrechts

16

Erwachsenenschutzrecht wird als Mischgebilde von privatem und öffentlichem Recht gesehen.[42] Dort, wo es rechtstheoretisch öffentliches Recht darstellt, ist es in der Regel Verwaltungsrecht.[43]

17

Die grundrechtlichen Überlegungen zum Eingriffssozialrecht[44] schaffen eine besondere Nähe zum Verwaltungsrecht. Fragt man nach der Wirkungsweise der Verwaltungstätigkeit oder danach, mit welchen Mitteln und in welchem Mass die Verwaltungshandlung zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben beiträgt,[45] so wird üblicherweise zwischen Leistungs- und Eingriffsverwaltung unterschieden.[46] Im Rahmen der Leistungsverwaltung gewährt der Verwaltungsträger Privaten staatliche, insbesondere wirtschaftliche und soziale Leistungen, namentlich Sach–, Geld- oder Dienstleistungen. Die Verwaltung tritt hier fördernd und unterstützend auf. Typische Bereiche sind die Sozialversicherungen, die Sozialhilfe sowie die Förderung der Landwirtschaft.[47] Demgegenüber liegt Eingriffsverwaltung vor, wenn Rechte und Freiheiten von Privaten beschränkt werden bzw. in diese Rechte und Freiheiten eingegriffen wird. Dem Bürger werden Verpflichtungen oder Belastungen auferlegt; dieser muss die Einschränkungen seiner Freiheit gemäss dem öffentlichen Interesse dulden. Der Verwaltungsträger tritt befehlend bzw. hoheitlich auf und begründet entsprechende Rechtsverhältnisse in der Regel mit Verfügungen.[48] Die Unterscheidung in Leistungs- und Eingriffsverwaltung fokussiert die Wirkung der eingesetzten Massnahmen: «Der Blick richtet sich darauf, wie das Verwaltungshandeln beim Adressaten ‹ankommt› – ob als Belastung oder Begünstigung.»[49] Die Kategorisierung ist nicht trennscharf auseinander zu halten und somit typologisch, da beide Elemente durchaus auch in Kombination auftreten können (z. B. Sozialhilfe und Kürzung der Sozialhilfe).[50]

18

Das Erwachsenenschutzrecht will schutzbedürftigen Menschen, die an einem Schwächezustand leiden, nötigenfalls gegen ihren Willen helfen. Das gesamte Verfahren ist hoheitlich geprägt und sieht u. a. auch Zwang vor,[51] wenngleich Massnahmen durchaus auch von der betroffenen Person beantragt werden können.[52] Die gesamte staatliche Tätigkeit wird aber in aller Regel als Eingriff wahrgenommen.[53] Dementsprechend ist die behördliche Tätigkeit im Erwachsenenschutz der Eingriffsverwaltung zuzuordnen.

19

Wichtig ist die Kategorisierung in Bezug auf das Legalitätsprinzip, das bei der Leistungsverwaltung z. T. weniger streng gehandhabt werden kann, so beim Umfang der möglichen und zulässigen Handlungsformen, welche bei den Leistungen etwas breiter sind sowie beim Widerruf belastender Verfügungen, der z.T. leichter möglich ist als bei begünstigenden.[54]

20

Hinzu kommt, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde hoheitlich auftritt, was ebenfalls ein typischer Hinweis auf Verwaltungsrecht ist. Die Behörde handelt einseitig aufgrund eines Subordinationsverhältnisses zu den Rechtsunterworfenen.[55] Dazu passen die im Zivilgesetzbuch hierfür verankerte Offizialmaxime und Untersuchungsmaxime gemäss Art. 446 ZGB.

21

Betrachtet man die Ausstattung der Beistandschaften, so kann daraus durchaus auch ein verwaltungsrechtlicher Charakter abgeleitet werden, und zwar in Bezug auf den Inhalt der Massnahme, aber auch in Bezug auf ihre Erscheinung durch den eingesetzten Beistand. Dies gilt massgeblich auch bezüglich der auf begleitende Unterstützung ausgerichtete Begleitbeistandschaft: Die Unterscheidungskriterien zwischen Beratungsdienstleistungen im Rahmen der freiwilligen Beratung der dem Verwaltungsrecht zugeordneten Sozialhilfe und derjenigen durch einen Begleitbeistand sind kaum zu erkennen.[56] Hinzu kommt, dass der (private und professionelle) Beistand gegen aussen in aller Regel auch das Gemeinwesen vertritt und als Repräsentant des Staates im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung erscheint. Dies zeigen auch die Entlassungsgründe gemäss Art. 423 Ziff. 2 ZGB, die nicht ausschliesslich die Handlungskompetenz in Bezug auf die Beistandschaft anbelangen, sondern auch die Zahlungsunfähigkeit oder unehrenhaften Lebenswandel[57] betreffen können. Neben diesen Aspekten lassen aber auch die nicht dispositiven Pflichten des Beistandes gemäss Art. 405 ff. ZGB, die Beschwerdemöglichkeiten der schutzbedürftigen Person gemäss Art. 419 ZGB sowie die aufsichtsrechtlichen Instrumente gemäss Art. 415 ZGB und der Haftung gemäss Art. 454 ZGB darauf schliessen, dass auch das Verhältnis von Beistandsperson zu verbeiständeter Person im Erwachsenenschutz massgeblich dem Verwaltungsrecht zuzuordnen ist, welches analog anzuwenden ist,[58] auch wenn die herrschende Lehre und Rechtsprechung das Verhältnis schwerpunktmässig dem Privatrecht zuordnet.[59] Diese schwerpunktmässige Zuordnung hat im Unterschied zu derjenigen zur Eingriffs- oder Leistungsverwaltung keine wesentliche praktische Auswirkung, weil die Folgen der Zuordnung weitgehend im Zivilgesetzbuch geregelt sind.[60]

6. Erwachsenenschutzrecht als Teil der Sozialen Arbeit im Zwangskontext

22

Gegenstand des Erwachsenenschutzes sind Menschen mit einem Schwächezustand und einem Schutzbedarf. Zur Klärung der Frage, wie diese Menschen in Zukunft am besten unterstützt werden können, bedarf es einer bio-psycho-sozialen Herangehensweise.[61] Dementsprechend ist das Recht auf Nachbarsdisziplinen angewiesen, wie Medizin, Psychiatrie, Treuhand, Psychologie und insbesondere die Soziale Arbeit.[62]

23

In der Regel sind es Sozialarbeitende, die im Auftrag der Erwachsenenschutzbehörde Personen und deren Situation hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit abklären, aber auch die angeordneten Beistandschaften als Berufsbeistände führen. Dies insbesondere deshalb, weil Soziale Arbeit sich gerade mit der Bewältigung sozialer Probleme im Kontext des sozialen Wandels und sozialer Beziehungen beschäftigt.[63] Soziale Arbeit in diesem deutlich juristisch geprägten Umfeld wird gesetzliche Soziale Arbeit genannt. Da es sich um gesetzliche Soziale Arbeit im Rahmen angeordneter Massnahmen handelt, spricht man auch von Sozialer Arbeit im Zwangskontext.[64] Die Klienten, die nicht aus eigenem Antrieb die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, sondern auf Druck des Umfeldes oder sogar gegen ihren Willen, sind Pflichtklienten.[65] Diese Ausgangslage stellt für die sozialarbeiterische Tätigkeit eine Herausforderung dar, weil zunächst in aller Regel an der Vertrauensbildung und Motivation für die Bearbeitung der sozialen Problemlagen gearbeitet werden muss, bevor das konkrete Problem angegangen werden kann.[66] Somit bedarf es in diesem Bereich neben Kenntnisse des rechtlichen Rahmens viel methodischen Wissens und Erfahrung im Umgang mit Widerstand.[67]

II. Rechtshistorische Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Personensorge

1. Einleitung

24

Das revidierte Erwachsenenschutzrecht kann nicht ohne Bezugnahme zum vorrevidierten Recht verstanden und interpretiert werden. Es steht am vorläufigen Ende einer rechtshistorischen Entwicklung, die es zu berücksichtigen gilt. Deshalb wird im Rahmen der Grundlagen auch auf diese rechtshistorische Entwicklung eingegangen. Im Hinblick auf die Begleitbeistandschaft steht gemäss dem Gesetzestext des Art. 393 ZGB die «begleitende Unterstützung» im Vordergrund.[68] Diese Form der Hilfestellung bezieht sich weniger auf vermögensrechtliches und Vertretungshandeln, sondern auf die Personensorge.[69] Deshalb soll auch die rechtshistorische Hinführung unter besonderer Berücksichtigung der Personensorge erfolgen. So wird im Folgenden nach einer kurzen (vorläufigen) Erläuterung des Begriffs der Personensorge in einem ersten Schritt ein kurzer Überblick über die rechtshistorische Entwicklung des Erwachsenenschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Personensorge dargestellt, um in einem zweiten Schritt konkret auf die Entwicklung des Erwachsenenschutzes und insbesondere der Personensorge im 20. Jahrhundert einzugehen. Schließlich werden grundlegende Schlussfolgerungen für die Personensorge im revidierten Recht gezogen.

2. Personensorge, Vermögenssorge und Vertretung als grundlegende Dreiheit

25

Der Begriff «Personensorge» wird im alten und im revidierten Recht unterschiedlich verwendet. Synonym zur Personensorge finden sich die Ausdrücke persönliche Fürsorge, persönliche Betreuung oder persönliche Hilfe. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Personensorge verwendet, zumal dieser auch im Kindesschutz Verwendung findet.[70]

26

Die «Zweiheit» Personensorge und Vermögenssorge bzw. zum Teil die «Dreiheit» der Personensorge, Vermögenssorge und der Vertretung sind eine typologische Strukturierungshilfe für Formen der Schutzbedürftigkeit. Sie umschreiben die geschützten Rechtsgüter im Erwachsenenschutz, welche sich in Lehre und Praxis eingebürgert haben. SCHNYDER/MURER weisen in Bezug auf diese «Zwei»- bzw. «Dreiheit» zu Recht darauf hin, dass es letztlich nur ein geschütztes Rechtsgut gibt, nämlich die (schutzbedürftige) Person selbst.[71] Gleichzeitig stellen sie fest, dass Personen- und Vermögenssorge nicht trennscharf unterschieden werden können; es bestünden Wechselbeziehungen.[72] So kann der Abschluss eines Arbeitsvertrages die Personensorge betreffen (Integration in den Arbeitsmarkt), aber auch die Vermögenssorge (Lohnerwerb), und kann gleichzeitig auch Vertretungshandeln sein, soweit der Mandatsträger hier vertretungsweise unterzeichnet. Es handelt sich somit um eine typologische Unterscheidung.

3. Rechtshistorische Entwicklung

27

Bereits das römische Recht kannte die Vormundschaft, die tutela. Sie bezog sich entweder auf Frauen, die unabhängig von ihrem Alter nicht unter einer Hausgewalt (patria potestas) oder unter Manus-Ehe standen, oder aber auf Minderjährige, deren männliche Vorfahren verstorben waren. Der Vormund konnte für Kinder im Alter von unter sieben Jahren selbstständig handeln. Kinder ab dem achten Altersjahr bis zur Geschlechtsreife (Mädchen ab zwölf Jahren, Knaben ab vierzehn Jahren), sog. impuberes infantia maiores, konnten hingegen selbstständig Rechtshandlungen vornehmen; die Rechtswirkungen traten aber nur ein, wenn diese zum Vorteil der Kinder gereichten. Andernfalls war die Zustimmung des Vormundes notwendig. Vormund wurde man entweder von Gesetzes wegen oder aufgrund einer testamentarischen Anordnung.[73] Der Vormund hatte über die Personen und das Vermögen eine Schutzgewalt – ähnlich der patria potestas – und somit ein Herrschaftsrecht, das aber durch den Schutzzweck zugunsten des Mündels (pupillus) eingeschränkt war.[74] Sie war treuhänderisch gedacht, und der Tutor hatte kein Recht über Leben und Tod (ius vitae necisque).[75] Die altrömische Vormundschaft gegenüber Minderjährigen war eigen- und fremdnützig zugleich.[76] Da der Tutor in seiner Funktion gleichzeitig nächster Erbe war, falls das Mündel innerhalb der Mandatszeit verstarb, verwaltete er das Vermögen zwar primär für das Mündel, sekundär aber auch für sich selbst.[77] In der Republik und der späteren Kaiserzeit verschob sich dieses Verhältnis, indem die Eigennützigkeit zurücktrat und das im öffentlichen Interesse auferlegte Amt im Sinne eines Zwangsdienstes (munus) in den Vordergrund gerückt wurde.[78] Die Herrschaft über die Person trat bald hinter die Pflicht, für Unterhalt und Erziehung besorgt zu sein, dies aber vor allem in finanzieller Hinsicht, indem vorab die hierfür erforderlichen Mittel bereitgestellt werden mussten. Die Durchführung der eigentlichen Erziehung im Sinne der Personensorge wurde weitgehend den Müttern überlassen.[79] Gegen die Handlungen des Vormundes waren zum Rechtsschutz des Mündels diverse Klagen vorgesehen und waren entsprechend den Aufgaben des Vormundes auf die Sorgfaltspflichten im Rahmen der Vermögenssorge ausgerichtet.[80]

28

Diese der geltenden rechtlichen Regelung schon relativ nahekommende Normierung[81] galt ganz ähnlich auch für die sog. Pflegschaft (cura oder curatio). Sie findet sich bereits in der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. im Zwölftafelgesetz und sieht vor, dass bei Geisteskrankheit und Verschwendungssucht eine solche eingerichtet werden musste. Im Anschluss an die Lex Laetoria (ca. 200 v. Chr.) wird sie auf alle volljährigen, aber gewaltfreien Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht beendet haben (Minores), ausgeweitet. Die Minores sind unter der cura minorum zwar bereits vollumfänglich geschäftsfähig; sofern sie aber Verpflichtungen eingehen, die sich für sie als nachteilig erweisen, können sie diese anfechten und die Rückerstattung schon erbrachter Leistungen verlangen. Rechtsgültig ist eine Verpflichtung nur, wenn der Pfleger (curator) zugestimmt hat. Der Pfleger wird eingesetzt vom Magistrat (Prätor) auf eigenen Antrag des Minor – anfänglich nur im Einzelfall mit beschränktem Aufgabenkreis, später regelmässig und ähnlich einem Vormund mit umfassendem Sorgerecht. Die Zustimmung respektive der Antrag des Minores war seit Diokletian ebenfalls Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massnahme.[82]

29

Die Pflegschaft, die den volljährigen Mann betrifft, der nicht mehr unter patria potestas steht, wird als eine Ausnahme angesehen und auf ihren Zweck beschränkt, sodass sie beim Geisteskranken (furiosus) die Person[83] und das Vermögen, beim Verschwender aber nur das ererbte Familiengut betrifft.[84] Hier finden sich somit erste Elemente einer Massschneiderung und der Personensorge.[85] Diese Reduktion des Aufgabenfeldes auf die Zwecksetzung als Handlungen im Interesse des Mündels ist dann auch der massgebliche Unterschied der curatio zur tutela, wird aber von der cura minorum und deren grosser Bedeutung wieder überdeckt.[86]

30

Die cura furiosi sieht vor, dass zunächst die gradnächsten Nachkommen (Agnati) und, wenn es keine solchen gibt, die weiteren Angehörigen der patrilinearen Verwandschaft (Gentilen), die Pflegegewalt erhalten. Die Regelung der Berechtigung zur Pflegegewalt deckt sich mit derjenigen der Intestarerbfolge, wodurch die cura furiosi – ähnlich der tutela impuberum – zugleich fremd- und eigennützig ist. So kann der curator auch nicht testamentarisch eingesetzt werden und bedarf stets einer behördlichen Anordnung.[87] Die cura wegen Verschwendung (cura prodigi) setzt – im Unterschied zur cura furiosi – die Entmündigung voraus (interdictio).[88] Neben diesen regelmässig vorkommenden Massnahmen fanden sich im klassischen Recht auch Cura aus besonderem Anlass, wie die sog. cura debilium personarum, z. B. für Stumme, Taube, Gebrechliche etc., die ihre Angelegenheiten nicht ordnungsgemäss erledigen konnten und auf Antrag vom Prätor einen curator erhielten. Eine Einschränkung der Geschäftsfähigkeit trat jedoch nicht ein.[89] Faktisch wurde die Handlungsfähigkeit aber beschränkt.[90]

31

Im vorstaatlichen germanischen Recht kommt die Grossfamilie im Rahmen ihrer umfassenden Hausherrschaft (Munt) für die schutzbedürftigen Mitglieder auf.[91] Munt ist etymologisch mit manus verwandt und beinhaltet somit neben der Herrschafts- auch die Schutzfunktion im Sinne des «Hand darüber Haltens». Den Rechten des Muntherrn stehen entsprechende Pflichten gegenüber. In extremis besteht sogar die Möglichkeit, den Muntherrn zu verstossen, wenn er seinen auferlegten Pflichten nicht nachkommt.[92]

32

Die Muntgewalt ersetzt die noch nicht ausgebildete Staatsgewalt[93] und fokussiert die Angehörigen der eigenen Familie und der Sippe. Sie erhält erst in fränkischer Zeit (fünftes bis neuntes Jahrhundert) ansatzweise Gemeinwohlcharakter, indem der König die Muntgewalt im Rahmen seines Stammesverbandes über alle beansprucht, die muntlos geworden sind, vor allem Witwen und Waisen. Aus der Munt bildeten sich sodann staatliche Funktionen aus. Hier finden sich bereits erste Ansätze für die spätere staatliche Obervormundschaft.[94]

33

Ab dem dreizehnten Jahrhundert verstärkt sich die Verlagerung der Hausgewalt von den Rechten zu den Pflichten. Hintergrund dessen ist, dass die alte Familienorganisation mit Hausgewalt und Sippenverband zerbricht. Die Kleinfamilie bleibt übrig. Das Individuum löst sich heraus, und die öffentliche Gewalt beansprucht fortan die Rechte, die dem Sippenverband zugestanden waren.[95] Damit verändert sich auch die Stellung des Vormundes. Die Vormundschaft entwickelt sich immer mehr zur Ersatzvaterschaft:[96] aus Herrschaft wird Fürsorge, aus Recht Pflicht, und der schutzbedürftigen Person wird die Handlungsfähigkeit entzogen; sein Vormund wird gesetzlicher Vertreter.[97] Dadurch wird automatisch auch die Personensorge gestärkt und wichtiger. Die Städte, Landeshoheiten und Grundherrschaften übernehmen aufgrund der theologisch begründeten Fürsorge die Obervormundschaft. Sie organisieren die Aufsicht, die Inventarisierung des Mündelgutes, die Rechnungsablegung, nehmen Beschwerden entgegen und wirken bei wichtigen Massnahmen mit.[98] Die Verantwortlichkeit gegenüber dem fehlerhaften Vormund wird gleichzeitig ausgebaut.[99] Des vormundschaftlichen Schutzes bedürfen in jener Zeit Minderjährige ohne Vater, Frauen, «Narren», «Sinnlose», Geisteskranke, Gebrechliche, Verschwender, Abwesende, Dirnen, vereinzelt auch noch Priester[100] etc.[101] In den ländlichen Territorien entstehen der Obervormundschaft nachgebildete Vormundschaftsämter, die teilweise nach ständischen Gesichtspunkten aufgespaltet waren.[102]

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Das Vormundschaftsrecht als amtsgebundenes Massnahmensystem unterliegt in der Neuzeit keinem grundlegenden Wandel mehr.[103] Es ist nun stark polizeilich geprägt[104] und setzt deutlich auf Kontrolle bis in die Einzelheiten der Amtsführung. Anzeichen dafür sind die Erweiterung der Entmündigungsgründe, die Heraufsetzung des Mündigkeitsalters bis auf 23 oder 24 Jahre, und die Obervormundschaft, die faktisch eine Polizeiinstanz wird. Polizei- und Verwaltungsrecht des aufgeklärten Absolutismus deuten somit das bisher familienrechtlich geprägte Vormundschaftsrecht zumindest teilweise um.[105]

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Dieser Tendenz stellt sich zunächst eine naturrechtliche Bewegung entgegen, die im Sinne der Rechtsgleichheit Veränderungen zugunsten von Frauen, ausserehelichen Kindern und anderer Diskriminierungen anstrebt und teilweise auch erwirkt.[106] Die Französische Revolution und insbesondere der davon geprägte Code Civil vermag die Staatsallmacht im Vormundschaftsrecht sodann zu beschränken.[107] Zugleich wird der Code Civil zum Vorbild für andere Länder, auch für einzelne Schweizer Kantone.[108] Der Code Civil, aber auch später das Vormundschaftsrecht des Privatrechtlichen Gesetzbuches für den Kanton Zürich vermögen das Spannungsverhältnis zwischen Familieninteressen und staatlicher Ordnung für diese Zeit auszutarieren.[109]

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Im 19. Jahrhundert regeln viele Kantone das Vormundschaftsrecht in eigenständigen Erlassen, wobei sich die frankophone Schweiz am Code Civil, der Kanton Bern am österreichischen ABGB orientiert.[110] Gerade die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts steht unter dem Einfluss von liberalen Ideen, wendet sich von der «Reglementierungssucht des Polizeistaates»[111] mehr oder minder ab und verweist den Staat in die Rolle des subsidiären Helfers.[112] Das Bundesgesetz betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit vom 22. Juni 1881 bringt eine erste Vereinheitlichung mit sich. Art. 5 des Gesetzes legt erstmals die Entmündigungsgründe für die ganze Schweiz fest (Verschwendung, geistiges bzw. körperliches Gebrechen, Misswirtschaft, Strafgefangenschaft, eigenes Begehren). Zudem ist auch eine lediglich teilweise Beschränkung der Handlungsfähigkeit möglich.[113] Folge davon ist, dass mit der Beschränkung der Anzahl der Entmündigungsgründe die persönliche Freiheit faktisch gestärkt wurde, wenn auch der historische Gesetzgeber eher den Rechtsverkehr mit schutzbedürftigen Personen vereinheitlichen und sichern wollte.[114]

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Im 20. Jahrhundert treten zu dieser liberalen Haltung noch sozialstaatliche und –politische Ziele hinzu, und zwar gerade dort, wo infolge der Industrialisierung die Familie ihren Aufgaben nicht mehr nachzukommen vermag.[115]

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Das massgeblich von Eugen HUBER geprägte geltende Zivilgesetzbuch von 1907 basiert im Wesentlichen auf den vor Inkrafttreten des ZGB geltenden kantonalen Ordnungen. Dort finden sich bereits in Bezug auf die Personensorge gerade in den Kantonen Bern und Graubünden entsprechende Bestimmungen, die Gebrechlichen eine anständige Verpflegung und in Graubünden, soweit tunlich, eine heilende Pflege zuteilwerden lassen; zudem sind Verschwender zu einer «verständigen und geordneten Lebensweise anzuhalten.»[116] Die Leistung von Eugen HUBER ist in diesem Bereich insbesondere in «der Sichtung und straffenden Synthese der schier unübersehbaren kantonalen Stofffülle»[117] zu sehen. Dennoch ist das Vormundschaftsrecht durch das neue Zivilgesetzbuch einem inneren Wandel ausgesetzt. Dieser liegt in seiner sozialen Ausrichtung und seiner fürsorgerischen Zielsetzung. Zwar war es im kantonalen Recht bereits so, dass dem Vormund Aufgaben der Personensorge übertragen wurden.[118] Im Kindesrecht hat das ZGB sie aber in den Vordergrund gestellt und erweitert. Diese Tendenz ist auch im Vormundschaftsrecht ersichtlich: Die Formulierung der Entmündigungsgründe zeigt deutlich das verstärkte Bedürfnis nach vermehrter Personensorge.[119] Hintergrund hierfür sind der Wandel in den Wertvorstellungen und die sozialen Umstände, insbesondere die Not in jener Zeit.[120] Dies findet sich im alten Vormundschaftsrecht im Rahmen des Programmartikels von Art. 367 aZGB, aber auch konkretisiert in Art. 406 aZGB, welche die Personensorge auf den Schutzzweck beschränkte.[121] So kann die Aufgabe des Mandatsträgers so weit reichen, dass ihm eine umfassende Betreuung zukommt, welche durchaus vergleichbar mit derjenigen von minderjährigen Personen ist.[122] Im Vergleich zu Normdichte und –gehalt in Bezug auf die Vermögenssorge oder die Vertretung im Rechtsverkehr verbleiben die Bestimmungen über die Personensorge im Zivilgesetzbuch von 1907 dennoch eher bescheiden.[123]

4. Die behördlichen Massnahmen des früheren Vormundschaftsrechts im Überblick

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Das Vormundschaftsrecht kannte als Hauptmassnahmen die Beistandschaften, die Beiratschaften, die Vormundschaften und die nicht amts- und personengebundene fürsorgerische Freiheitsentziehung. Anknüpfungspunkt war in Bezug auf die personen- und amtsgebundenen Massnahmen die faktische oder rechtliche Einschränkung der Handlungsfähigkeit, in Bezug auf die fürsorgerische Freiheitsentziehung, die Bestimmung über den Aufenthalt gegen den – allenfalls auch mutmasslichen oder hypothetischen – Willen der betroffenen Person und die Unterbringung in einer geeigneten Anstalt. Diese Bestimmung über den Aufenthalt hat – ähnlich der Begleitbeistandschaft[124] – keine Einschränkung der Handlungsfähigkeit zur Folge, stellt aber dennoch einen massiven Grundrechtseingriff dar. Das Abweichen vom sonst üblichen Anknüpfungspunkt der Beschränkung der Handlungsfähigkeit ist historisch zu erklären. Die fürsorgerische Freiheitsentziehung fand erst 1981 Eingang ins Gesetz; zuvor war die Regelung auf Bundesebene sehr lückenhaft.[125] Ihre Vorläufer sind die kantonal geregelten administrativen Versorgungen. Aufgrund der inhaltlichen Nähe zum Eingriffssozialrecht[126] wurde die fürsorgerische Freiheitsentziehung dem Erwachsenenschutz zugeordnet.

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Die amts- und personengebundenen Massnahmen unterschieden sich dadurch, dass bei den Beistandschaften die Handlungsfähigkeit zwar tatsächlich, aber nicht rechtlich eingeschränkt wird, indem sich die verbeiständete Person die Handlungen des Beistandes anrechnen lassen muss, bei den Beiratschaften diese eingeschränkt und bei den Vormundschaften die Handlungsfähigkeit entzogen wird, wobei die höchstpersönlichen Rechte jeweils im Regelfalle nicht beschränkt werden durften. Im Folgenden werden ausschliesslich die amts- und personengebundenen Massnahmen dargestellt.

4.1 Die Beistandschaften (Art. 392–394 aZGB)

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Die Beistandschaften wurden unterteilt in Vertretungs–, Verwaltungs– und kombinierte Beistandschaft sowie die Beistandschaft auf eigenes Begehren. Allen war gemeinsam, dass der Beistand in Bezug auf die Vertretungsmacht konkurrierende Kompetenzen hatte. Die schutzbedürftige Person und die Beistandsperson konnten handeln; die schutzbedürftige Person musste sich aber die Handlungen des Beistandes anrechnen lassen, weshalb die Handlungsfähigkeit faktisch eingeschränkt war.[127] Voraussetzung für Beistandschaften war in aller Regel eine gewisse Kooperationsfähig- und –willigkeit der betroffenen Person; im Minimum durfte diese die Handlungen der Beistandsperson nicht durchkreuzen oder vereiteln.[128]

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Die Vertretungsbeistandschaften wurden gemäss den Voraussetzungen in Art. 392 aZGB angeordnet. Darunter fielen insbesondere Interessenkollisionen und Vertretung in dringenden Angelegenheiten. Auch wenn sie nur als vorübergehende Massnahme gedacht waren, konnten sie – aufgrund von Auslegung – auch als Dauermassnahme und sogar zur persönlichen Fürsorge errichtet werden.[129]

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Die Verwaltungsbeistandschaft des Art. 393 aZGB fokussiert demgegenüber Situationen, in denen eine Person aufgrund eines Schwächezustandes nicht ausreichend um ihr Vermögen besorgt sein konnte. Die Vertretungsmacht des Beistandes leitete sich gemäss den abschliessend aufgezählten vier Situationen von diesen ab. Dabei war der Beistand nur für das Vermögen und nicht für die Einkommensverwaltung zuständig;[130] er war diesbezüglich allenfalls auch Vertreter der schutzbedürftigen Person.[131] Eine beschränkte persönliche Fürsorge mit dem Ziel der Vermögensverwaltung war zulässig, wobei Zwangsmassnahmen ausgeschlossen waren.[132]

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Die beiden Beistandschaften konnten auch kombiniert werden, wobei in der Praxis vorab die Kombination von Art. 392 Ziff. 1 i.V.m. Art. 393 Ziff. 2 aZGB im Vordergrund stand.[133] Hier umfasste die Vertretungsmacht des Beistandes die gemäss Schutzzweck notwendige Personen- und Vermögenssorge.[134]

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Die Beistandschaft auf eigenes Begehren erschien prima vista als besonders niederschwellige Massnahme. Das eigene Begehren verwies auf die Freiwilligkeit. Damit war sie in Bezug auf die Initialphase durchaus eine sehr milde Form; betrachtete man demgegenüber ihre Vertretungsmacht, so beinhaltet diese eine umfassende Personen- und Vermögenssorge.[135] Entsprechend orientierte sie sich bereits im Gesetzestext an der Vormundschaft,[136] weshalb auch der Aufgabenumfang von der Vormundschaft hergeleitet wurde[137] und somit die Einkommensverwaltung auch zum Aufgabenbereich des Beistandes gehörte. Eine Besonderheit der Beistandschaft auf eigenes Begehren war, dass die Behörde die Massnahme aufheben musste, sobald die schutzbedürftige Person dies beantragte. Die Behörde hatte aber – allenfalls weiter in die Rechtstellung des Betroffenen reichende – andere Massnahmen zu prüfen.[138]

4.2 Die Beiratschaften (Art. 395 aZGB)

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Bei der Beiratschaft wurde die Beschränkung der Handlungsfähigkeit der schutzbedürftigen Person erforderlich, weil diese aufgrund ihres Schwächezustandes entweder von sich aus mehr oder minder unkontrolliert selbstschädigende Handlungen ausführte oder dazu verleitet wurde. Die Beiratschaften unterteilten sich in die Mitwirkungsbeiratschaft, die Verwaltungsbeiratschaft, die kombinierte Beiratschaft und die Beiratschaft auf eigenes Begehren. Sie zielten alle primär auf die Vermögenssorge ab. Personensorge war aber möglich; diese durfte aber in Bezug auf die Schutzbedürftigkeit nicht Haupt-, sondern nur Nebenwirkung sein.[139]

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Die Mitwirkungsbeiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 1 aZGB beschränkte die Handlungsfähigkeit der schutzbedürftigen Person, indem die in Ziffer 1.–9. aufgeführten Geschäfte in jedem Falle nur gültig zustande kamen, wenn der Mitwirkungsbeirat diesen zustimmte. Er war nicht gesetzlicher Vertreter; die urteilsfähige schutzbedürftige Person musste die Geschäfte vornehmen, und der Beirat konnte diesen nur zustimmen – sei es stillschweigend, explizit, vorgängig oder nachträglich.[140]

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Bei der Verwaltungsbeiratschaft wurde der schutzbedürftigen Person die Verwaltung über ihr Vermögen mit Ausnahme der Erträgnisse und der Einkommensverwaltung[141] entzogen und dem Beirat in ausschliesslicher Kompetenz übertragen.[142] Damit wurde in diesen Aufgabenbereichen der betroffenen Person gleichzeitig die Handlungsfähigkeit entzogen.[143]

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Die kombinierte Beiratschaft vereinte die Wirkungen der Mitwirkungs- und der Verwaltungsbeiratschaft. Damit wurde einerseits das Vermögen mit Ausnahme der Erträgnisse und des Einkommens der schutzbedürftigen Person entzogen; auf der anderen Seite zudem die Handlungsfähigkeit der schutzbedürftigen Person in Bezug auf die Erträgnisse und das Einkommen der in Ziffer 1.–9. aufgeführten Geschäfte eingeschränkt.[144]

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Die Beiratschaft auf eigenes Begehren war keine eigenständige Massnahme, sondern konnte sich auf die Mitwirkungs–, die Verwaltungs- oder die kombinierte Beiratschaft beziehen. Sie wurde analog zu Art. 394, respektive Art. 372 aZGB angewendet. Folge davon war, dass die Voraussetzungen der Massnahme etwas milder beurteilt werden konnten[145] und die Verhältnismässigkeitsprüfung dazu führte, dass bereits bei geringerer Schutzbedürftigkeit eine Massnahme errichtet werden konnte.[146] Im Unterschied zur Beistandschaft auf eigenes Begehren musste dem Antrag der schutzbedürftigen Person auf Aufhebung nicht automatisch entsprochen werden. Analog zur Vormundschaft auf eigenes Begehren galt Art. 439 Abs. 3 aZGB.[147]

4.3 Die Vormundschaften (Art. 369–372 aZGB)

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Die Vormundschaften entzogen der schutzbedürftigen Person die Mündigkeit. Sie war handlungsunfähig; allenfalls war sie beschränkt handlungsunfähig, soweit sie noch urteilsfähig war.[148] Die Rechtsmacht[149] des Vormundes beinhaltete eine umfassende Personen- und Vermögenssorge sowie die Vertretung, wobei hier wiederum die höchstpersönlichen Rechte zu beachten waren.[150] Unterschieden wurden die Entmündigung wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche, diejenige wegen Verschwendung, lasterhaftem Lebenswandel, Trunksucht und Misswirtschaft, wegen Freiheitsstrafe und auf eigenes Begehren. Bei Art. 369 f. aZGB fand sich unter anderem die dauernde Fürsorge- und Beistandsbedürftigkeit als soziale Voraussetzung einer Entmündigung. Damit konnte eine Entmündigung auch im Rahmen der Personensorge erfolgen, und dem Vormund wurden in solchen Fällen insbesondere Aufgabenbereiche der umfassenden Personensorge übertragen.[151]

4.4 Die Personensorge im Rahmen der altrechtlichen personengebundenen Massnahmen

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Zusammenfassend waren bereits im altrechtlichen System vormundschaftliche Massnahmen zur Personensorge punktuell oder relativ ausgeprägt möglich, auch wenn dies nicht immer explizit aus dem Gesetzestext ersichtlich war. Grenze dieser zuweilen kreativen Auslegungen von Lehre und Rechtsprechung zugunsten einer funktionierenden Praxis war, dass mit der Anreicherung der Personensorge nicht ein Rechtsinstitut umgestaltet werden durfte. Eine solche Auslegung begünstigte, dass Personen- und Vermögenssorge nicht trennscharf zu unterscheiden waren und in Wechselwirkungen standen.[152]

5. Fazit: Die Personensorge im rechtshistorischen Rückblick

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Dieser kurze rechtsgeschichtliche Rückblick hat aufgezeigt, dass unzureichende Vermögenssorge über weite Strecken der Entwicklung ein Grundkriterium des Fürsorgebedarfs war. In dieser Allgemeinheit wurde es zwar erst im Vernunftrecht benannt, findet sich aber de facto bereits im römischen und im gemeinen Recht.[153] Die eigentliche Personensorge entwickelte sich im Erwachsenenschutzrecht als Abbild des Erziehungsgedankens aus der Vormundschaft über Minderjährige und findet erst spät mit dem Zivilgesetzbuch von 1907 ausdrücklich Eingang ins Gesetz. Aber auch das Zivilgesetzbuch von 1907 ist auf Vermögenssorge ausgerichtet und behandelt die Personensorge eher als Nebenerscheinung. Durch Auslegung wurde aber das typenfixierte und –gebundene Massnahmensystem mit Personensorge angereichert – gerade auch deshalb, weil eine Wechselwirkung zwischen Personen- und Vermögenssorge besteht bzw. die beiden Bereiche nicht trennscharf voneinander abgegrenzt werden konnten.

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In Bezug auf den Schutzzweck zeigt sich, dass ursprünglich vorab Interessen der Familien, Dritter und der Allgemeinheit mindestens mitentscheidend für die Anordnung einer Massnahme waren. Diese Fremdinteressen blieben trotz der zunehmenden Ausrichtung auf das Wohl der hilfs- und schutzbedürftigen Person über weite Strecken auch noch bis in das Zivilgesetzbuch von 1907 spürbar.[154]

6. Die Entwicklung des Begriffs der Personensorge im Vormundschaftsrecht und im revidierten Erwachsenenschutzrecht

6.1 Die Personensorge

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Der Gedanke der Fürsorge ist im Kern dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Trotzdem finden sich – vor allem im Familienrecht – fürsorgerische Überlegungen durchaus auch im Privatrecht, wo gerade im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes dem Staate fürsorgerische Aufgaben zukommen.[155] Die persönliche Fürsorge bzw. die Personensorge als eigenständiger Teil der erwachsenenschutzrechtlichen Tätigkeit hat sich – wie oben aufgezeigt[156] – aus dem Kindesrecht und hier insbesondere der Vormundschaft über Minderjährige herauskristallisiert.[157]

6.2 Der Begriff der Personensorge im früheren Vormundschaftsrecht

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Das schweizerische Recht kennt nicht ein eigentliches Konzept der Personensorge. Der Begriff ist organisch gewachsen. Dabei finden sich durchaus unterschiedliche Interpretationen und Entwicklungsstränge. Um ihn genauer zu verstehen, werden im Folgenden wichtige Stationen der Begriffsentwicklung im alten Vormundschaftsrecht dargestellt und diese für die Bedeutung im revidierten Recht beigezogen.

6.2.1 EUGENHUBER (1893, 1914)

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Der Schöpfer des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, EUGENHUBER, sah die Personensorge als Gegenpart von Vermögensverwaltung und Vertretung.[158] Die Definition der Personensorge leitete er aus dem Verhältnis von Minderjährigen und Sorgeberechtigten ab. «Die Fürsorge für die Person des Mündels besteht im Allgemeinen darin, dass der Vormund pflichtig ist, für die geistige und körperliche Wohlfahrt des Vögtlings nach Kräften Sorge zu tragen. Dafür ist der Vogt berechtigt, von dem Vögtling Achtung und Gehorsam zu verlangen.»[159]HUBERS Begriff der Personensorge gilt gleichermassen für das Kindes- und das Erwachsenenschutzrecht. Für den Erwachsenenschutz grenzt er die Personensorge – mit Verweis auf das bernische Zivilgesetzbuch – auf den Schutzzweck ein: «Bei gebrechlichen Personen sorgt er [der Vormund; Anmerkung DR] für ihre anständige Verpflegung, und Verschwender sucht er zu einer regelmässigen Lebensart anzuhalten.»[160] Grenzen der Personensorge des Vormundes finden sich – mit Verweis auf das bündnerische Recht – beispielsweise in der zwangsweisen Unterbringung in Heilanstalten oder unter «besonderer polizeilicher und korrektioneller Aufsicht»,[161] welche der Genehmigung der Vormundschaftsbehörde bedürfen.[162] Neben dieser Personensorge des Vormundes im Rahmen seiner amtsgebundenen Tätigkeit findet sich dieselbe auch im Rahmen der zwangsweisen Unterbringung.[163]

6.2.2 HANSHEFTI (1916)

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Nach HEFTI ist die Personensorge umfassend, hat sich aber auf den Schutzzeck zu beschränken. Diese Subsidiarität ergibt sich aus Art. 406 aZGB, wobei die notwendige Personensorge nicht auf Vertretungshandlungen beschränkt ist, sondern sämtliche «persönlichen Angelegenheiten [umfasst; Ergänzung DR], die in der Lebensführung des Entmündigten vorkommen, wie z. B. die Art seiner Bekleidung, Ernährung, Vergnügungen etc.; ebenso erstreckt sie sich auf gehörige Aufsicht, auf die erforderliche Pflege und Sicherung des Interdizierten».[164]

6.2.3 JOSEPHKAUFMANN (1924)

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JOSEPHKAUFMANN beschreibt im Berner Kommentar die Personensorge für Minder- und Volljährige inhaltlich gleich wie EUGENHUBER, als Sorge für dessen geistige und körperliche Wohlfahrt,[165] wobei er die Bestimmungen der Art. 405 f. aZGB nur als Hauptregeln der Personensorge versteht. Personensorge sei mit Bezug auf Art. 367 Abs. 1 aZGB umfassender, weil dort der Mandatsträger die «gesamten persönlichen Interessen zu wahren»[166] hat. Eine weitere gewichtigere Differenz zu HUBER zeichnet sich ab in Bezug auf die der alten Gesetzessystematik inhärente Gegenüberstellung von Vermögensverwaltung, Personensorge und Vertretung. Diese war wie folgt gestaltet:

B.Fürsorge und Vertretung

I.Fürsorge für die Person (Art. 405 ff. aZGB)

II.Vertretung (Art. 407–412 aZGB)

C.Vermögensverwaltung (Art. 413 f. aZGB)

 

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Während HUBER die Vertretung und die Vermögensverwaltung der persönlichen Fürsorge gegenüberstellt, sah die alte Gesetzessystematik vor, dass Fürsorge und Vertretung zusammen der Vermögensverwaltung gegenübergestellt waren. Diese Diskrepanz löst KAUFMANN, indem er die Gegensätze in den Gesamtzusammenhang von Art. 367 aZGB stellt. «Nach Massgabe von Art. 367 Abs. 1 ZGB ist zunächst zu unterscheiden zwischen der Wahrung der persönlichen und der Wahrung der vermögensrechtlichen Interessen. In beiden Richtungen ist aber gleichzeitig zu unterscheiden zwischen der tatsächlichen Fürsorge und der rechtsgeschäftlichen Tätigkeit, der Vertretung im weiteren Sinne».[167] Art. 405 f. aZGB umschreiben folglich vorab die tatsächliche Fürsorge für die Person, und Art. 407 ff. aZGB beziehen sich somit auf Angelegenheiten der Personensorge wie auch der Vermögenssorge.[168] Damit ist im Rahmen der Personensorge tatsächliches Handeln und Vertretungshandeln möglich.

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In Bezug auf die konkreten Aufgaben im Bereich der Personensorge fordert KAUFMANN massgeschneiderte Personensorge: «Vormund und Vormundschaftsbehörde müssen individualisieren und sich von jeder Schablone freihalten.»[169] Darin enthalten ist auch mit Verweis auf das deutsche BGB – wie bei HEFTI – die Subsidiarität: «So vielseitig an sich die Fürsorgetätigkeit des Vormundes sein kann, so hat er sich doch auf die Zwecke der Vormundschaft zu beschränken.»[170]KAUFMANN sieht die Hauptaufgabe nicht nur in der Förderung des persönlichen Wohls des Mündels, sondern auch im Schutz von direkt bedrohten Dritten mit Bezugnahme auf Art. 369 f. aZGB.[171] Hierzu zählt er (Nach–)Erziehung, gesundheitliche Fürsorge und die Unterbringung in einer Anstalt.

6.2.4 HEDWIGOETTLI (1941)

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Die Personensorge beziehe sich nach OETTLI auf alle persönlichen Aufgabenbereiche, die rechtlich zulässig sind.[172] Sie definiert diese persönlichen Angelegenheiten in Abgrenzung zur Vermögenssorge. Es sei darunter alles zu verstehen, «was die Person des Entmündigten betrifft, mit Ausnahmen der rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten.»[173] Darunter fiele die Sorge für den Unterhalt des Mündels und seiner Familie, die Sorge für das gesundheitliche Wohl und für die «moralisch sittliche Entwicklung».[174] Ferner bestimmt sich der Inhalt der Personensorge wie bei HANSHEFTI auch bei HEDWIGOETTLI massgeblich nach dem Grund und dem Zweck der Massnahme.[175] Durch diesen Schutzzweck werde aber der Umfang der persönlichen Fürsorge nicht beschränkt, da der Zweck der Massnahme nur die Richtung und das Ziel weise, nicht aber beschränke. Als Grenze formuliert sie die Selbstbestimmung: «Das Interesse des Mündels aber besteht sowohl in einer angemessenen persönlichen Fürsorge, als auch in der Gewährung einer angemessenen Freiheit, die den Verhältnissen des einzelnen Falls angepasst ist.»[176] Die Schutzaufgaben des Vormundes seien subsidiär, also nur dort anzuwenden, wo die schutzbedürftige Person Unterstützung benötige.[177]

6.2.5 AUGUSTEGGER (1948)

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Wie bereits HANSHEFTI und HEDWIGOETTLI verweist auch AUGUSTEGGER insbesondere auf den Zusammenhang des Massnahmegrundes, also des Schutzbedarfs, und die sich daraus ergebenden ergänzenden Aufgabenbereiche im Bereich der persönlichen Fürsorge. Die Nacherziehung sieht auch EGGER als möglichen Aufgabenbereich, wobei er sich hier im Unterschied zu KAUFMANN zurückhaltender zeigt, indem die schutzbedürftige Person dort entscheiden soll, wo sie zu einer vernünftigen Entscheidung fähig und willig sei.[178] Als Aufgabenbereiche sieht er Beruf und Gewerbe, Wirtshausverbot, Gesundheitspflege, Anstaltsunterbringung an.[179]

6.2.6 BERNHARD SCHNYDER/ERWIN MURER (1984)

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SCHNYDER/MURER nehmen KAUFMANNs Auslegung auf und führen diese aus: Mangelnde Handlungsfähigkeit kann sich immer nur auf die Vermögens- oder die Personensorge beziehen. Man könne zwar von drei Schwächezuständen sprechen (mangelnde Handlungsfähigkeit, Schwächezustand in der Vermögensverwaltung, Schwächezustand in der Person); geschützte Rechtsgüter seien aber immer die Person oder das Vermögen. Man könne auch von drei Aufgaben des Vormundschaftsrechts sprechen, nämlich Vertretung, Personensorge und Vermögenssorge. Diese würden sich aber immer nur auf den Personen- oder Vermögensbereich beziehen. Strenggenommen gäbe es auch nicht zwei geschützte Rechtsgüter, sondern nur eines: die Person.[180]

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Im Bereich der Personensorge unterscheiden sie wie KAUFMANN in Vertretungshandeln und sog. «reine persönliche Fürsorge».[181]

6.2.7 CHRISTOPHCAVIEZEL (1988)

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CAVIEZEL geht wie SCHNYDER/MURER von einer Wechselbeziehung zwischen Vermögens- und Personensorge aus, wo jeweils wie bei KAUFMANN auch Vertretung möglich ist. Unter Bezugnahme auf ein Bundesgerichtsurteil[182] kommt er aber zum Schluss, dass «überall dort, wo durch vormundschaftliche Massnahmen jemandem Hilfe gewährt werden soll, die Vermögenssorge in den Dienst der persönlichen Fürsorge gestellt werden muss.»[183] Daraus könnte abgeleitet werden, dass es eine persönliche Fürsorge im weiteren Sinne gibt, welche den Schutzbedarf aufzeigt und sich unterteilt in persönlicher Fürsorge im engeren Sinne und Vermögenssorge.

6.2.8 BARBARACAVIEZEL-JOST (1988)

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CAVIEZEL-JOST