Die besten Ärzte - Sammelband 13 - Katrin Kastell - E-Book

Die besten Ärzte - Sammelband 13 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Willkommen zur privaten Sprechstunde in Sachen Liebe!

Sie sind ständig in Bereitschaft, um Leben zu retten. Das macht sie für ihre Patienten zu Helden.
Im Sammelband "Die besten Ärzte" erleben Sie hautnah die aufregende Welt in Weiß zwischen Krankenhausalltag und romantischen Liebesabenteuern. Da ist Herzklopfen garantiert!

Der Sammelband "Die besten Ärzte" ist ein perfektes Angebot für alle, die Geschichten um Ärzte und Ärztinnen, Schwestern und Patienten lieben. Dr. Stefan Frank, Chefarzt Dr. Holl, Notärztin Andrea Bergen - hier bekommen Sie alle! Und das zum günstigen Angebotspreis!

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Chefarzt Dr. Holl 1778: Kurz vor der Landung ...
Notärztin Andrea Bergen 1257: Ihr gehört zusammen!
Dr. Stefan Frank 2211: Du wärmst mein Herz
Dr. Karsten Fabian 154: Meine Prinzessin aus der Heide
Der Notarzt 260: Liebesbriefe von Leon

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 578

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2013/2014/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © ESB Professional/Shutterstock ISBN 978-3-7325-9182-4

Katrin Kastell, Hannah Sommer, Stefan Frank, Ulrike Larsen, Karin Graf

Die besten Ärzte 13 - Sammelband

Inhalt

Katrin KastellDr. Holl - Folge 1778Unbemerkt möchte die hübsche Anna am Salon ihrer Schwiegermutter vorbeihuschen, doch das, was sie da hört, lässt sie wie erstarrt innehalten. Lydia Stone will nur noch warten, bis Annas Baby geboren ist, und sich dann der verhassten Schwiegertochter "entledigen"! Tränen treten Anna in die Augen, als sie dem perfiden Plan lauscht. Mit wie viel Hoffnung ist sie ihrer großen Liebe Charles in seine Heimat USA gefolgt - nur, um kurz darauf all ihre Träume verraten zu sehen! Doch auf ihr Kind verzichten kann sie nie, niemals - und deshalb wird sie gehen, solange es noch möglich ist ... So kommt es, dass Anna schon bald in einem Flieger nach Deutschland sitzt - verzweifelt und dennoch erleichtert, ihr ungeborenes Kind in Sicherheit zu bringen. Aber während des Flugs drängt es zu früh auf die Welt - zehntausend Meter über dem Meeresspiegel und noch viele Hundert Seemeilen von jedem Festland entfernt ...Jetzt lesen
Hannah SommerNotärztin Andrea Bergen - Folge 1257Mit klopfendem Herzen betrachtet sich die schöne Anita im Spiegel des Brautmodengeschäftes ... und kann nicht glauben, was sie sieht: Da steht sie, in jenem wunderbaren Traum in Weiß, von dem sie immer geträumt hat! Die kostbare Spitze schmiegt sich an ihren wohlgeformten Körper, und der weiche Stoff umhüllt sie wie flüssige Seide. Ein ungeheures Glücksgefühl lässt sie aufschluchzen, denn sie ist am Ziel all ihrer Träume: Nur noch wenige Tage, dann wird sie endlich Michael, ihre große Liebe, heiraten! Doch noch am selben Abend kommt es zwischen Anita und Michael zu einem bösen Streit. Die Märchenhochzeit wird abgesagt, alle Träume zerbrechen. Und zurück bleiben zwei unglücklich Menschen, die nicht zusammen, aber auch nicht ohne einander leben können ...Jetzt lesen
Stefan FrankDr. Stefan Frank - Folge 2211Was für eine wundervolle Frau, denkt Simon Bethmann gleich beim ersten Mal, als ihm die hübsche Kostümbildnerin Sandra Albertz auf Korsika begegnet. Doch leider findet das auch sein Freund Tobias Kirchhoff, und der hat wesentlich mehr Erfahrung darin, Frauenherzen zu erobern - nur dass ihn das Herz in der Regel gar nicht interessiert. Es kommt, wie es kommen muss: Tobias erobert Sandra und lässt sie wenige Wochen später wieder fallen, um sich der nächsten Frau zu widmen. Als sich die beiden Cliquen im November beim Skilaufen in den Alpen erneut begegnen, ist Sandra zu sehr mit ihrem Groll auf Tobias beschäftigt. Wieder bemerkt sie nicht den stillen und aufmerksamen Simon, der bereit wäre, alles für sie zu tun. Doch dann kommt es zu einem tragischen Unfall, der von einer Sekunde auf die andere alles verändert ...Jetzt lesen
Ulrike LarsenDr. Karsten Fabian - Folge 154Die Landarztfrau Florentine Fabian hat einen Verehrer! Lachend hat sie ihrem Mann von der Masche des Fremden erzählt. Angeblich sieht sie seiner ersten, bis heute unvergessenen Liebe zum Verwechseln ähnlich. Anfangs hat sich Dr. Fabian noch darüber amüsiert. Doch inzwischen macht er sich Sorgen um seine Frau. Denn dieser Mann stellt Florentine plötzlich überall nach. Keinen Schritt kann sie mehr unbeobachtet tun. Was ist, wenn er eines Tages durchdreht? Und dann wird es noch mysteriöser. Nach einem Hilferuf aus dem Nachbardorf steht Dr. Fabian vor einer Frau, die wirklich wie ein Abbild von Florentine ist ...Jetzt lesen
Karin GrafDer Notarzt - Folge 260Den Unterhalt für sein Medizinstudium hat sich der gut aussehende Leon mit dem professionellen Schreiben von Liebesbriefen verdient. So romantisch, wie er sich das anfangs vorgestellt hatte, ist der Job allerdings nicht, denn meistens sind seine Auftraggeber verheiratete Männer, die sich mit Hilfe von Leons einfühlsamen Briefen ihre unwissenden Geliebten "warmhalten" wollen. Als Leon eine Stelle als Assistenzarzt an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik erhält, will er nur noch die letzten Aufträge abarbeiten und dann endlich mit dieser Arbeit aufhören, die ihm verstärkt Unwohlsein und ein schlechtes Gewissen bereitet. Im Zug nach Frankfurt lernt er die wunderschöne und liebreizende Annika kennen, in die er sich auf den ersten Blick verliebt. "Ich bin vergeben", erwidert die junge Frau jedoch mit traurigem Gesichtsausdruck, als er sie um ein Wiedersehen bittet. Leon ist verzweifelt, Tag und Nacht kann er nur noch an Annika denken. Er weiß nicht, dass sie jeden Tag ganz in seiner Nähe ist. Und er ahnt auch nicht, dass er schon öfter Liebesbriefe an die bezaubernde Frau geschrieben hat: Sie ist nämlich die Geliebte von einem seiner Auftraggeber ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Kurz vor der Landung …

Vorschau

Kurz vor der Landung …

Packender Roman um ein Drama über den Wolken

Von Katrin Kastell

Unbemerkt möchte die hübsche Anna am Salon ihrer Schwiegermutter vorbeihuschen, doch das, was sie da hört, lässt sie wie erstarrt innehalten. Lydia Stone will nur noch warten, bis Annas Baby geboren ist, und sich dann der verhassten Schwiegertochter „entledigen“!

Tränen treten Anna in die Augen, als sie dem perfiden Plan lauscht. Mit wie viel Hoffnung ist sie ihrer großen Liebe Charles in seine Heimat USA gefolgt – nur, um kurz darauf all ihre Träume verraten zu sehen! Doch auf ihr Kind verzichten kann sie nie, niemals – und deshalb wird sie gehen, solange es noch möglich ist …

So kommt es, dass Anna schon bald in einem Flieger nach Deutschland sitzt – verzweifelt und dennoch erleichtert, ihr ungeborenes Kind in Sicherheit zu bringen. Aber während des Flugs drängt es zu früh auf die Welt – zehntausend Meter über dem Meeresspiegel und noch viele Hundert Seemeilen von jedem Festland entfernt …

Charles Stone betrachtete lange die schlafende Frau an seiner Seite. Ihm wurde warm ums Herz, und er hätte sie am liebsten enger an sich gezogen und geküsst, aber Anna brauchte ihren Schlaf. Sie musste um fünf Uhr schon wieder aufstehen und eine Stunde später ihren Dienst an der Berling-Klinik antreten. Er liebkoste sie stattdessen mit Blicken.

„Ist das schön!“, murmelte sie da auch schon und schlug mit einem atemberaubenden Lächeln die Augen auf. Wie machte sie das nur? Warum spürte sie, wann immer er sie ansah, selbst wenn sie schlief?

„Was denn?“, fragte er zärtlich und streichelte ihre Halsbeuge mit den Fingerspitzen.

„Aufzuwachen und deinen Blick auf mir zu spüren.“ Sie räkelte sich wohlig. „Daran könnte ich mich gewöhnen.“

„Daran habe ich mich gewöhnt und möchte nie wieder darauf verzichten!“ Er küsste sie liebevoll. „Willst du meine Frau werden?“

Vor Überraschung setzte sich Anna abrupt im Bett auf.

„Um vier Uhr morgens fragst du mich das? Ist das dein Ernst?“, sagte sie ungläubig und schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft.

„Wenn du willst, frage ich dich um fünf Uhr noch einmal, nachdem der Wecker geklingelt hat. Aber ja, ich liebe dich und möchte mein Leben mit dir verbringen. Das ist mir verdammt ernst!“, bestätigte er.

„Ich muss mal schnell ins Bad.“ Sie floh aus dem Bett.

So sehr Anna Schwarz Charles liebte, hatte sie nie für möglich gehalten, dass er ihr einen Antrag machen würde. Er war Amerikaner und würde nach seiner Zusatzausbildung nach Hause zurückkehren. Sie war Münchnerin und konnte sich nicht vorstellen, ihr Leben in Amerika zu verbringen.

Sie hatte sich vor dem Abschied von ihm gefürchtet, aber ihn für unvermeidlich gehalten. Charles’ Antrag brachte sie erst einmal völlig durcheinander. Konnte so etwas denn gut gehen? Wollte sie, dass sich ihr ganzes Leben änderte? War sie bereit dazu? Reichte ihr Vertrauen dafür aus, alles für ihn aufzugeben, was ihr lieb und vertraut war?

„Autsch! Das ist auch eine Antwort, wenn auch nicht gerade die, mit der ich auf Dauer zufrieden bin. Kommt da noch etwas nach?“, rief er ihr hinterher und konnte ihre Reaktion nicht einordnen. Hatte er sich derart in ihren Gefühlen getäuscht?

„Bekomme ich Bedenkzeit?“

„Damit kann ich leben. Immerhin ist es kein Nein.“

Vor zehn Monaten war Dr. Charles Stone aus den Vereinigten Staaten nach München gekommen, um an der Berling-Klinik für ein Jahr seine Facharztausbildung als Kinderchirurg mit einer Zusatzqualifikation abzurunden. Beruflich hatte er sich von dem Aufenthalt viel versprochen, aber damit, dass er in der bayrischen Metropole der Frau fürs Leben begegnen würde, hatte er nicht gerechnet.

Dr. Stefan Holl, der Leiter der Klinik und Chefarzt der Gynäkologischen Abteilung, hatte einen hervorragenden Ruf. Ihm war es gelungen, ein außergewöhnliches Team von Spezialisten an seiner Klinik zusammenzubringen. An der Berling-Klink wurden Operationen am Ungeborenen im Mutterleib durchgeführt, die nur wenige Ärzte weltweit beherrschten.

Babys, die unter anderen Umständen tot zur Welt gekommen wären, konnten dank dieser neuen Operationstechnik gerettet werden. Schwangere, die früher keine Hoffnung hätten haben können, irgendwann ein gesundes Baby im Arm halten zu können, hatten eine Chance auf die Heilung ihres Kinder und gemeinsame Zeit mit ihm.

Es grenzte an ein Wunder, wenn man bedachte, dass die Eingriffe zum Teil über die Nabelschnur durchgeführt wurden und wie winzig das kleine Wesen im Mutterleib dann noch war. Charles Stone war begierig gewesen, alles darüber zu lernen, und nicht enttäuscht worden.

An der Berling-Klink sammelte er mehr praktische Operationserfahrung, als er zu hoffen gewagt hatte. Im Gegensatz zu dem riesigen Lehrkrankenhaus in Los Angeles, wo er seine Facharztausbildung begonnen hatte, war die Berling-Klinik überschaubar. Sein ungewöhnliches Interesse und seine außerordentliche Begabung waren von den zwei Spezialisten Dr. Kramer und Dr. Kim rasch erkannt und optimal gefördert worden.

Mindestens ebenso bedeutsam wie diese Förderung, die ihn in den Staaten zu einem gesuchten Spezialisten machen würde, war für Charles seine Beziehung zu Anna. Schon an seinem ersten Tag an der Berling-Klink war er im wahrsten Sinn des Wortes in die bezaubernde Operationsschwester hineingelaufen.

Er hatte sie auf einem der Flure der Chirurgischen Station förmlich überrannt, weil er sich verirrt hatte und schon spät dran gewesen war. Du hast mich im Sturm erobert – so nannte Anna das augenzwinkernd, wenn sie sich gemeinsam an diese erste Begegnung erinnerten.

„Es tut mir so leid! Das wollte ich nicht! Haben Sie sich wehgetan?“, hatte er sich damals aufgeregt bei der zierlichen OP-Schwester entschuldigt, die sich vom Boden hochrappelte, auf dem sie seinetwegen unsanft gelandet war.

„Sie müssen Dr. Stone sein. Willkommen bei uns und durchatmen! Ich lebe noch. Suchen Sie den OP zwei?“ Den Zusammenprall hatte sie ihm nicht übel genommen und war sofort bereit gewesen, ihm zu helfen.

„Woher wissen Sie das?“

„Dass Sie der Amerikaner sind, auf den wir alle neugierig warten? Dr. Stone, Sie sprechen hervorragend Deutsch, aber der amerikanische Akzent ist nicht zu überhören. Und der OP zwei ist heute heiß begehrt. Man sieht nicht jeden Tag, wie ein hypoplastisches Linksherz bei einem Ungeborenen operiert wird. Falls Sie noch einen Platz auf der Galerie wollen, müssen wir uns beeilen. Kommen Sie!“

Er war ihr gefolgt und hatte sich geschworen, diese Frau näher kennenzulernen, koste es, was es wolle. Vom ersten Moment an hatte Anna ihn verzaubert, und dieser Zauber war nur immer stärker geworden. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, ohne sie zu sein.

„Danke für die Rettung!“, hatte er sich bei ihr bedankt, als sie den OP erreichten, und versucht, den Abschied hinauszuzögern.

„Dafür nicht. Es ist nämlich sehr gern geschehen“, hatte sie heiter erwidert und im Waschraum verschwinden wollen.

„Halt! Gehen Sie nicht! Wie heißen Sie? Wenn ich Ihren Namen nicht kenne, finde ich Sie vielleicht nie wieder.“

„Das wäre ja entsetzlich, aber glauben Sie mir, es ist kaum machbar. Sie werden mir hier im Operationstrakt ständig über den Weg laufen und mich bald übersehen“, hatte sie lachend vorausgesagt.

„Ich werde Sie niemals übersehen! Darf ich Ihren Namen dennoch wissen? Zur Beruhigung?“

„Schwester Anna, Anna Schwarz, zu Ihren Diensten.“

Er hatte noch ihr heiteres Lachen gehört, als sich die Tür des Waschraums schon hinter ihr geschlossen hatte. Das war der Moment gewesen, in dem er sie das erste Mal vermisst hatte.

Viel von der spektakulären, innovativen Operation in Saal zwei hatte er damals nicht mitbekommen. Die speziellen Katheter, mit denen die Chirurgen operierten, sollte er in den kommenden Monaten selbst bedienen lernen, aber an diesem Tag interessierten sie ihn kaum. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der Operationsschwester am OP-Tisch.

Anna musste an diese erste Begegnung denken, während sie im Bad stand und nicht wusste, was sie tun oder sagen sollte. Charles und sie waren von da an unzertrennlich gewesen. Sie waren wie Magneten, die es unwiderstehlich zueinander hinzog. Dennoch konnte sie den Antrag nicht einfach annehmen und schaffte es nicht, wieder zu ihm ins Bett zurückzukehren.

Jeder Hauch von Müdigkeit war restlos verflogen. Charles wollte sie heiraten. Ihr Leben mit ihm zu verbringen war ihr innigster Wunsch. Er war ihre große Liebe, daran zweifelte sie keine Sekunde. Und doch zögerte sie.

Es war ein Schritt, der über den Verlauf ihres weiteren Lebens entschied und alles änderte. Solch eine Entscheidung konnte sie nicht spontan treffen, dafür hing zu viel damit zusammen, und dafür waren zu viele Menschen von dieser Entscheidung betroffen, die ihr auch etwas bedeuteten.

***

Nach einem Blick auf die Uhr entschied sich Anna, gleich zu duschen und sich zu richten. Dann konnte sie noch in aller Ruhe Kaffee trinken, bevor sie zur Klinik fuhr. Sie wollte Charles nicht enttäuschen und brauchte Zeit, um gründlich nachzudenken.

Als sie frisch geduscht und für den Tag gerichtet auf dem Weg in die Küche an der offenen Schlafzimmertür vorbeimusste, saß Charles mit verschränkten Armen aufrecht im Bett und beobachtete sie skeptisch.

„Ich habe dir einen ziemlichen Schreck eingejagt“, stellte er fest. „Entschuldige! Meine Mutter sagt immer, dass meine Ungeduld und mein miserables Timing mich besonders charmant und unwiderstehlich machen. Sie ist relativ sicher, dass ich nie eine Frau finde, die es mit mir aushält. Mütter!“

„Du wirst ihr das Gegenteil beweisen – irgendwann. Ich mache mir einen Kaffee. Willst du auch eine Tasse?“, fragte Anna und lächelte ihn an.

„Gern! Ich kann jetzt ohnehin nicht mehr schlafen und fahre später auch gleich zur Klinik.“

„Du hast doch Spätdienst“, erinnerte sie ihn.

„Ja, aber gerade haben wir mehrere interessante Fälle, und ich möchte nichts verpassen.“

Kurz darauf saßen sie sich an der kleinen Bar gegenüber, die die winzige Küche von Annas Zwei-Zimmer-Wohnung vom Wohnzimmer trennte, und nippten schweigend an ihrem Kaffee. Charles lagen unzählige Fragen auf der Zunge, aber er wollte sie nicht bedrängen, und so blieb er stumm.

Warum hatte er ihr den Antrag nicht, wie geplant, am Wochenende bei Kerzenschein in ihrem Lieblingsrestaurant machen können? Zwischen ihnen hatte es noch nie solche Spannungen gegeben. Er verfluchte sich dafür, von seinen Gefühlen mitgerissen worden zu sein.

„Ich liebe dich“, sagte Anna nach einer Weile in die Stille hinein.

„Aber?“

„Da gibt es kein Aber. Ich wünschte, es wäre nicht alles so kompliziert.“

„Die Dinge sind immer nur so kompliziert, wie wir sie machen“, philosophierte er.

Anna musste lachen. Die Bemerkung war typisch für ihn. Er liebte es, komplexe Zusammenhänge auf den einfachsten Nenner zu reduzieren. Oft war das hilfreich, aber nicht immer. Manchmal konnte er sie damit auf die Palme bringen.

„Ich möchte gern einfach Ja sagen und den Sprung ins Ungewisse wagen, aber dir ist schon klar, dass ich dann alles aufgeben muss, was ich kenne, oder?“, fragte sie mit einem Hauch Ironie. „Halt, da gäbe es natürlich noch die Möglichkeit, dass du in München bleibst und dich in Deutschland niederlässt. Genialer Gedanke! Dann hast du gleich und sofort ein klares: ‚Ja, ich will!‘ Willst du?“

Charles schnitt eine Grimasse. „Meine Familie …“

„Genau! Und meine Eltern und meine Freunde und …“

„Ich bin ein Idiot!“ Charles setzte seine Büßermiene auf, bei der es Anna noch nie gelungen war, ihm etwas übel zu nehmen.

„Quatsch! Ich frotzele doch nur ein wenig, um die Spannung zwischen uns zu lockern. Ich weiß, dass du nach L.A. zurückmusst, aber ich brauche wirklich Zeit und muss diese Entscheidung gründlich überdenken und vor allem auch mit meinen Eltern reden. Das verstehst du doch?“ Zärtlich strich sie ihm über die Wange, und ihre Augen schimmerten feucht.

„Dein spontaner Antrag bedeutet mir sehr, sehr viel. Auch wenn du dir kaum klargemacht hast, was damit alles zusammenhängt – für dich und für mich –, weiß ich jetzt, dass du auf dieselbe Weise für mich empfindest. Ich …“ Sie brach ab und stand stattdessen auf, um sich an ihn zu schmiegen.

Charles küsste sie, aber dann machte er sich sanft von ihr los und holte etwas aus seiner Ledertasche, die er immer bei sich trug. Mit einem halb verlegenen, halb verschmitzten Lächeln ging er vor ihr auf ein Knie und streckte ihr ein schwarzes Kästchen hin, das mit einer roten Schleife verziert war.

„Die Attacke heute Morgen war … ähm … unüberlegt, aber der Tisch für den Samstag ist reserviert. Ich will mein Leben mit dir verbringen. Anna, es wird nicht immer ein Honigschlecken werden, und ich weiß, dass ich viel von dir verlange, wenn ich dich bitte, mit mir nach L.A. zu kommen, doch ich bin überzeugt, wir können das schaffen. Unsere Liebe kann das schaffen. Wirst du darüber nachdenken?“, bat er.

„Natürlich! Du bist unglaublich, und ich liebe dich über alles“, antwortete sie.

Sie küssten sich leidenschaftlich, und es fiel ihnen schwer, voneinander abzulassen.

„Könntest du heute nicht einen Ein-Tages-Schnupfen haben? Ich bin dein Arzt und schreibe dich krank“, schlug Charles vor und wollte sie nicht loslassen.

„Hm, für den Zweck hättest du dir eindeutig ein anderes Spezialgebiet aussuchen sollen, mein Herz. Was sollte denn da auf der Krankmeldung stehen?“, neckte sie ihn. „Denkst du etwa schon an unseren Nachwuchs?“

„Mir fällt schon etwas Passendes ein!“ Er grinste und küsste sie nur noch leidenschaftlicher.

„Die Pflicht ruft!“, machte sie sich schließlich ungern von ihm los. „Essen wir in der Mittagspause zusammen etwas in der Cafeteria?“

„Wenn das alles ist, was ich haben kann, dann nehme ich auch das“, fügte er sich.

Anna seufzte, aber dann gab sie sich einen Ruck. Sie musste zur Arbeit. „Bis später!“

In der Cafeteria waren sie sofort wieder bei dem Thema Heirat und gemeinsames Leben. Anna war es am Morgen schwergefallen, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Ihre Gedanken drehten sich in wilden Kreisen, und sie hatte keine Ahnung, wo dieses Karussell sie hintragen würde.

„Charles, meine Eltern haben nur mich, und ich bin immer davon ausgegangen, dass ich in ihrer Nähe leben werde. Sie sind großartige Eltern und haben mich immer und bei allem unterstützt. Ich wollte für sie da sein, wenn sie älter werden. Sie zurückzulassen fällt mir am schwersten“, gestand sie.

„Das verstehe ich gut, aber vielleicht könnten sie später, wenn sie einmal in Rente sind, zu uns ziehen. Dein Vater scheint eine Vorliebe für die Staaten zu haben und bombardiert mich immer mit Fragen.“

Anna seufzte. „Du bist süß und wirst sicher für alles im Handumdrehen eine einfache Lösung finden, Schatz, doch das macht es nicht einfacher für mich. Man kann Menschen nicht so leicht verpflanzen, und ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt ein Aufenthaltsrecht bekommen würden.“

„Das würden sie, mach dir da keine Gedanken! Meine Familie ist …“ Er zögerte und schien mit sich zu ringen. „Einflussreich“, fügte er dann an.

„Womit wir zum nächsten Punkt auf meiner langen Liste gelangen. Du sprichst so gut wie nie über deine Familie und dein Leben zu Hause. Alles, was ich darüber weiß, musste ich dir aus der Nase ziehen“, sprach sie etwas an, was immer einmal wieder zu kleineren Streitereien zwischen ihnen geführt hatte.

„Ich weiß nicht, was mich erwarten würde. Charles, kannst du dir so sicher sein, dass deine Familie mich mit offenen Armen aufnehmen würde? Was ist, wenn sie mich nicht mögen? Sicher haben sie andere Pläne für ihren Sohn. Ich werde niemanden kennen, nur dich, und muss ganz von vorne anfangen. Wenn deine Familie mich ablehnt, dann wird das sehr hart werden.“

„Anna, ich kann nicht für meine Familie sprechen. Bei uns ist das anders als bei euch. Deine Eltern und du, ihr steht euch sehr nah und redet über alles und … Für mich war das neu. Ich finde es sehr schön, aber zwischen meinen Eltern und mir ist das irgendwie anders“, deutete Charles an.

„Wie meinst du das?“

„Wir lieben uns. Natürlich. Ich liebe und ehre meine Eltern, zugleich jedoch sind sie mir immer eher fremd geblieben. Als Kind war ich auf einem Internat, und davor hatte ich einige Kindermädchen. Es ging nicht anders. Meine Eltern hatten viel zu tun und waren oft auf Reisen. Wenn sie mich nach Hause geholt haben, war es schön.“

Anna sah ihn verwundert an. „Internat? Hat deine Familie denn so viel Geld?“

„Geld war nie ein Problem bei uns“, wich er aus. „Meine Großmutter Lisa wirst du mögen und sie dich. Das weiß ich genau. Grandma ist eine tolle Frau.“ In seinen Augen lag ein warmes Leuchten.

Anna fühlte sich von dem, was er sagte, nicht sonderlich beruhigt, aber sie ließ es sich nicht anmerken. Es war schön, dass er überhaupt etwas über sein Leben preisgab.

„Ich bin es gewohnt, unabhängig zu sein und mein eigenes Geld zu verdienen. Werde ich eine Arbeitserlaubnis bekommen und als Krankenschwester arbeiten können?“

„Sobald wir verheiratet sind, steht dir alles offen, und an meiner Klinik werden immer gute Pflegekräfte gesucht. Mit etwas Glück arbeitest du wieder als OP-Schwester, dann sehen wir uns bei der Arbeit und zu Hause. Eine schöne Vorstellung. Hm. Seeeeehr schön!“

Sie lachte, aber auf ihrer Liste gab es einen Punkt, den sie bisher ausgelassen hatte. Es war seltsam, darüber auch nur nachzudenken, doch es musste sein.

„Was ist, wenn du mich nicht mehr willst, sobald wir in L.A. sind. Das ist deine Welt, und du kehrst ins Vertraute zurück. Ich werde fremd sein und Schwierigkeiten haben, mich anzupassen. Es wird sich erst zeigen müssen, ob unsere Beziehung dem standhält.“

„Wie kannst du so etwas denken? Anna, ich will dich, und das für den Rest meines Lebens. Du bist keine Urlaubslaune für mich!“, empörte sich Charles, wie Anna es erwartet hatte.

„Selbst wenn ich mit dir komme, möchte ich nicht gleich heiraten. Genau wie du gehe ich davon aus, dass unsere Liebe allem standhält, aber ein Trauschein hat etwas Verpflichtendes. Das möchte ich nicht – noch nicht. Wenn du mich nach ein paar Monaten noch zur Frau haben willst, dann kannst du noch einmal fragen.“

Diesen Entschluss hatte Anna am Morgen recht leicht fassen können. Sie wollte nicht, dass Charles unter Umständen ein böses Erwachen erlebte und sich an sie gebunden fühlte.

„Das ist verrückt und vollkommen unnötig!“, schimpfte er.

„Das ist eine meiner Bedingungen, falls ich mitkomme.“

„Stur wie ein Esel!“

„Genau dafür liebst du mich“, flötete sie und stand auf. „Ich muss weiterarbeiten. Bis heute Abend!“

Charles blieb sitzen und aß in Ruhe zu Ende. In den zehn Monaten in Deutschland hatte er kaum an zu Hause gedacht. Nach dem Gespräch mit Anna blieb ihm nichts anderes übrig. Sie hatte recht. Ihr stand eine gewaltige Umstellung bevor, auf die er sie nicht wirklich vorbereiten konnte.

Wenn sie sich nach einigen Monaten entschied, so ein Leben nicht führen zu wollen, dann musste er sie gehen lassen. Ein Trauschein konnte ihn da auch nicht retten.

***

Am Wochenende besuchte Anna ihre Eltern. Charles hatte Dienst, und ausnahmsweise war sie froh darüber, dass er sie nicht begleiten konnte. Sie wollte offen mit ihren Eltern reden und sich mit ihnen beraten.

In dem gemütlichen Reihenhaus in einem der Vororte von München duftete es nach Sonntagsbraten und Klößen, als Anna zur Tür hereinkam. Der Tisch war gedeckt, und ihre Mutter begrüßte sie wie immer mit einer herzlichen Umarmung.

„Schön, dass du da bist, Kind! Dein Vater ist noch oben bei seinen Zügen. Gehst du ihn holen? Das Essen ist fertig.“

Anna stieg hinauf ins Dachgeschoss. Schon auf der Treppe hörte sie das Rattern der Schienen, und dann stand sie im Reich ihres Vaters. Er war in der Tat Lokomotivführer, aber es war weit mehr als sein Beruf. Züge waren seine Leidenschaft und sein lebenslanges Hobby.

Der komplette Speicher bot Raum für die gewaltige Modelleisenbahn, die Horst Schwarz selbst entworfen und gebaut hatte. Es gab ein komplexes Schienennetz, Bahnhöfe, aber auch kleine Städte und Landschaften vom Gebirge bis hin zum Meer. Als Kind hatte Anna oft ganze Sonntage hier oben mit ihrem Vater verbracht. Sie erinnerte sich gern daran, und er hatte sie mit seiner Liebe zur Bahn angesteckt.

„Hallo, Kleines! Schau mal, die Lok ist neu, die kennst du noch nicht!“, begrüßte Horst seine Tochter und reichte ihr ganz selbstverständlich die Steuerung.

Anna war erfahren, und es gelang ihr, den komplizierten Fahrplan zu durchschauen und keine Entgleisung zu verursachen. Die Züge ratterten weiter ihres Weges, tuteten, wenn sie sich Bahnhöfen näherten, und hielten.

„Du kannst es noch!“, lobte ihr Vater strahlend nach ein paar Minuten.

„Manches verlernt man nie. Papa, das Essen ist fertig. Wenn wir jetzt nicht gleich runtergehen, dann …“

„… geht es den Eisenbahnern wegen unzumutbarer Verspätung an den Kragen. Das ist nichts Neues. Schon verstanden!“

Einträchtig gingen Vater und Tochter nach unten. Bevor sie ins Speisezimmer traten, hielt Horst Schwarz seine Tochter kurz zurück. „Charles ist nicht dabei, und du wirkst bedrückt. Ist alles in Ordnung?“

Anna umarmte ihn spontan. „Ich hab dich lieb, Papa!“

„Danke! Dito. Das höre ich immer wieder gern, aber …“

„Es ist alles gut. Charles hat Dienst. Ich muss mit euch reden, weil ich eine Entscheidung treffen muss und nicht weiß, was richtig ist. Es geht um eine außerfahrplanmäßige Sonderfahrt, die alles über den Haufen wirft.“

Ihr Vater musterte sie ernst. „Fahrpläne sind Anhaltspunkte im Leben, aber sie dürfen nicht dazu führen, dass alles in Routine erstarrt. Die Kunst ist es, situationsgemäß immer flexibel den passenden Fahrplan zu entwickeln und größere Störungen im Gesamtgefüge zu vermeiden. Wie immer du dich entscheidest, Mama und ich stehen hinter dir.“

Annas Augen wurden feucht. „Danke!“

Als sie ihren Eltern beim Kaffee nach dem Essen von dem Antrag erzählte, freuten sich die beiden von Herzen und dachten keinen Moment an die Konsequenzen, die es für sie selbst haben konnte.

„Anna, so glücklich wie mit Charles habe ich dich noch nie gesehen. Deine früheren Freunde waren alle sehr nett, aber ich konnte mir bei keinem vorstellen, dass du bei ihm bleibst. Es hat immer etwas gefehlt. Bei Charles stimmt alles. Du blühst auf, wenn er in der Nähe ist, und strahlst durch und durch vor Glück“, meinte ihre Mutter.

„Ja, das schon, aber …“

„Kann es denn da ein Aber geben? Der Mann ist in dich vernarrt und wird alles tun, um dich froh zu machen“, warf ihr Vater ein.

„Charles ist der Richtige, und ich liebe ihn. Ginge es nur darum, hätte ich seinen Antrag schon angenommen. Aber wenn ich mit ihm nach L.A. gehe, dann sehen wir uns kaum noch. Klar würde ich euch regelmäßig besuchen, und ihr würdet euren Urlaub bei uns verbringen, aber es wäre nicht dasselbe wie jetzt“, brachte Anna traurig zur Sprache, was sie zögern ließ.

„So habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich möchte, dass ihr immer an meinem Leben teilhabt und mir nah seid. Und was ist, wenn wir Kinder haben? Sie sollen doch etwas von ihren Großeltern haben! Ihr sollt mit ihnen in den Zoo gehen und sie verwöhnen, wenn ich streng sein muss, und für sie da sein.“

Marianne und Horst Schwarz warfen sich einen gerührten Blick zu, aber dann lächelten sie sich tapfer zu und wussten, was sie zu tun hatten.

„Anna, genau das wünschen wir uns alles auch. Das ist doch klar. Das Wichtigste für uns aber ist, dass du glücklich bist und deinen Weg gehst. Wir sind deine Eltern und haben dich zu einer warmherzigen und taffen jungen Frau heranwachsen sehen. Du wirst jedes Problem meistern, das sich dir in den Weg stellt“, sagte ihr Mutter liebevoll.

„Egal, was es ist, du wirst dir helfen können und dir treu bleiben. Ich bin schrecklich stolz auf dich“, fügte Horst Schwarz an.

Anna sah von ihrer Mutter zu ihrem Vater. „Ich hab euch so lieb!“

„Und wir dich, Kind. Wir werden uns so oft sehen, wie es geht. Heutzutage ist doch alles einfacher. Wir können über Skype miteinander sprechen und über das Smartphone direkten Anteil an eurem Alltag nehmen und quasi dabei sein. Du darfst deine Entscheidung nicht von uns abhängig machen. Jetzt bist du erwachsen und musst deinen Weg suchen, um zufrieden und froh zu sein im Leben. Das zählt“, sagte ihre Mutter eindringlich.

„Wir werden immer da sein, ob du nun in München wohnst oder in L.A. Wir sind deine Eltern, und du wirst stets ein Zuhause bei uns haben, in das du zurückkehren kannst“, fügte ihr Vater an.

Als Anna am späten Nachmittag zurück zu ihrer Wohnung fuhr, empfand sie tiefe Dankbarkeit. Die Liebe ihrer Eltern hatte ihr immer Mut und Halt gegeben. Nach allem, was Charles inzwischen über seine Kindheit und Jugend angedeutet hatte, wusste sie doppelt zu schätzen, was sie bei ihren Eltern an Geborgenheit gefunden hatte.

Als Charles gegen zwanzig Uhr vom Dienst heimkam, empfing ihn Anna an der Tür in einem Seidennegligé, das er besonders an ihr mochte.

„Hallo, Fremder!“, begrüßte sie ihn, schlang die Arme um seinen Hals und gab ihm einen Kuss, der ihn alles vergessen ließ.

„Das nenne ich ein Heimkommen!“, seufzte er zufrieden und ließ seine Hände über ihren Körper gleiten, dessen Wärme er durch den hauchzarten Stoff spüren konnte wie eine Liebkosung. Er wollte sie ins Schlafzimmer ziehen, als er die Flasche Sekt und die Gläser auf dem Tisch entdeckte.

„Gibt es etwas zu feiern?“ Hoffnungsvoll sah er ihr in die Augen und fand seine Antwort darin.

„Wirklich?!“ Charles konnte sein Glück kaum fassen.

„Ich begleite dich nach L.A., und wenn wir in einem Jahr noch zusammen sind, dann werde ich mich glücklich schätzen, deine Frau zu werden“, nahm Anna seinen Antrag in aller Form an.

„Ich freu mich so!“, jubelte er, nahm sie hoch und drehte sich mit ihr im Kreis. „Ich werde alles tun, damit du es nie bereust und noch in sechzig Jahren glücklich bist!“, gelobte er.

Lachend nahm Anna ihn bei der Hand und zog ihn zum Wohnzimmertisch. Sie schenkte ihnen Sekt ein und reichte ihm sein Glas.

„Auf unsere Liebe und unser Leben!“

„Auf die Frau meines Lebens!“

Sie stießen miteinander an, und dann trug er sie ins Schlafzimmer.

***

„Schlimm genug, dass wir Sie wieder verlieren, Dr. Stone! Es wäre für die Berling-Klinik ein Gewinn, wenn Sie bei uns blieben. Aber nein, Sie kehren in die Staaten zurück und nehmen auch noch gleich eine unserer besten OP-Schwestern mit. Schämen Sie sich!“, beschwerte sich Dr. Stefan Holl im Scherz und prostete seinem jungen Kollegen zu.

Im Ärztekasino der Klinik fand eine kleine Abschiedsfeier für Charles und Anna statt. Julia Holl, die Frau des Klinikleiters, hatte das Kasino für den Anlass liebevoll dekoriert und stand nun an der Seite ihres Mannes, während er seine kurze Ansprache hielt und das Wort dann an Charles Stone weitergab.

Charles räusperte sich nervös. Obwohl er schon oft in seinem Leben bei größeren und feierlicheren Anlässen ein paar Worte gesagt hatte, war der Abschied von München für ihn besonders. Er war nicht so gelassen und souverän, wie er es ansonsten bei solchen Gelegenheiten von sich kannte. Der Unterschied war wohl, dass er sich in der Stadt und bei diesen Menschen zu Hause gefühlt hatte.

„Ich danke Ihnen allen für die herzliche Aufnahme und die Erfahrungen, die ich hier sammeln durfte!“, begann er. „Was ich in den vergangenen zwölf Monaten lernen und mir aneignen konnte, ist ein Wissen, das ich an viele weitergeben möchte. Irgendwann gibt es hoffentlich an jeder größeren Klinik in den Staaten und auf der ganzen Welt einen Chirurgen, der diese Technik beherrscht und verzweifelten Eltern Hoffnung schenken kann.“

Applaus zwang ihn, eine Pause zu machen. Zärtlich lege er einen Arm um Annas Schultern.

„Den für mich persönlich kostbarsten Schatz, den ich in München gefunden habe, nehme ich mit in die Staaten. Es tut mir leid, wenn ich da zum Dieb werde, aber was ist ein Yin ohne sein Yang? Das geht gar nicht! Anna und ich werden oft an die Berling-Klinik denken, und wenn wir in München sind, kommen wir vorbei und halten alle vom Arbeiten ab. Versprochen!“

Wieder wurde geklatscht. Es war eine nette, kleine Feier, und keiner wollte so recht gehen. Charles und Anna waren beliebt, und sie würden fehlen. Julia und Stefan Holl mochten das junge Paar. Sie hatten die beiden einmal zu sich zum Essen eingeladen, wie sie es bei jedem Arzt taten, der für eine Weile aus dem Ausland kam, um an der Berling-Klinik zu lehren oder zu lernen.

Es war ein besonders inniges und schönes Zusammensein gewesen, und daraus waren über das Berufliche hinaus eine bleibende Sympathie und tieferes Interesse erwachsen.

„Sie müssen uns berichten, wie es Ihnen gelingt, Ihre neue Abteilung aufbauen!“, bat Stefan Holl und verwickelte Charles in ein Gespräch, als die Mehrzahl der Gäste bereits gegangen war.

„Sollten Sie in einer Form Unterstützung oder weiteren Austausch brauchen, sind wir für Sie da! Dr. Kramer und Dr. Kim haben beide die Bereitschaft für eine weitere Zusammenarbeit signalisiert. Es wären auch Lehrveranstaltungen über das Internet oder internationale Konferenzen möglich. Denken Sie darüber nach! L.A. könnte zu einem Austauschzentrum werden. München taugt dafür nicht so recht. Auf jeden Fall stehen Sie nicht ganz allein.“

Charles war dankbar für das Angebot. Er hatte eine Stelle als Oberarzt an seiner früheren Lehrklinik bekommen und sollte dort nicht nur entsprechende Operationen an Ungeborenen durchführen, sondern das neue medizinische Fachgebiet etablieren und sein Wissen an interessierte Assistenzärzte weitergeben.

Dafür hatte die Klinik ein beachtliches Budget bereitgestellt. Langfristig versprach man sich finanziellen Gewinn davon, weil es viele Patienten aus dem ganzen Land an die Klinik ziehen würde. Für Charles war es eine große Chance, aber auch eine gewaltige Verantwortung und Herausforderung für einen noch so jungen Arzt.

„Ich werde gleich ins kalte Wasser geworfen und trage die volle Verantwortung. Ein wenig schwindlig wird mir schon, wenn ich an das denke, was jetzt auf mich zukommt“, gestand er Dr. Holl. „Am liebsten würde ich Ihnen Dr. Kramer und Dr. Kim entführen. Die beiden sagen, dass ich so weit bin. Ich hoffe, sie haben recht! Auf jeden Fall ist es beruhigend, dass ich weiterhin mit ihrer Unterstützung rechnen und Erfahrungen mit ihnen austauschen kann.“

Dr. Stefan Holl legte dem jungen Kollegen eine Hand auf die Schulter. „Wir wurden alle irgendwann auf diese Weise ins Wasser geworfen und mussten schwimmen. Sie schaffen das!“, machte er ihm Mut.

Julia Holl schenkte unterdessen Anna und sich noch einen Schluck Wein ein. Ihr war aufgefallen, dass die junge Frau bei aller Freude, die von ihr ausging, irgendwie bedrückt wirkte.

„Es erfordert großen Mut und Vertrauen, ganz neu in einem anderen Land anzufangen, aber es verbergen sich auch ungeahnte Möglichkeiten darin. Sie sind noch einmal frei, alles zu ändern, was Ihnen bisher unter Umständen nicht ganz gefallen hat. Ein neuer Anfang macht alles neu. Ich wünsche Ihnen, dass es gut geht und Sie Glück und ein erfülltes Leben finden!“

Die Gläser klangen mit einem leisen Klirren aneinander.

„Danke! Charles wollte mich gern noch in Deutschland heiraten, aber das wollte ich nicht. Was da auf uns zukommt in den nächsten Monaten, wird eine Bewährungsprobe. Erst wenn wir sie bestanden haben, möchte ich vor den Altar treten.“

Anna tat es gut, mit jemanden über ihre Bedenken reden zu können. Charles und selbst ihre Eltern wollten davon nichts wissen. Liebe kann alles, schafft alles und versetzt Berge – solche Floskeln lösten in Anna inzwischen Unwohlsein aus. Man musste sich doch auf Schwierigkeiten vorbereiten und ihnen ins Auge sehen.

„Hier in München war alles so einfach. Wir haben uns gefunden, er ist bei mir eingezogen, und wir haben zusammen gelebt, als ob es schon immer so gewesen wäre. Für mich ist das noch immer wie ein kleines Wunder. Meine Wohnung ist winzig, und doch sind wir uns nie auf die Nerven gegangen. Es war natürlich und richtig, dass er da war – vom ersten Moment an“, erzählte Anna.

„Und nun fürchten Sie, wenn Sie in den Staaten leben, könnte es anders sein? Warum?“, hakte Julia Holl nach.

„Charles wird wieder an der Klinik arbeiten, in der er seine Facharztausbildung gemacht hat. Er hat viele Freunde und Bekannte an der Klinik und taucht in seine gewohnte Welt ein. Die Aufgabe, die ihm bevorsteht, wird ihn voll in Anspruch nehmen. Sie kennen die Arbeitszeiten eines Oberarztes. Er wird kaum zu Hause sein.“

Julia Holl nickte zustimmend. Als Arztfrau musste man sich daran gewöhnen, meist allein klarzukommen. Sie hatte vier Kinder großgezogen. Stefan war ein wunderbarer, liebevoller Vater, aber letztendlich hatte sie viele Entscheidungen ohne ihn treffen müssen, weil er gerade an der Klinik gewesen war, wenn sie anfielen. Man gewöhnte sich daran, doch schön oder angenehm war es nicht.

„Ich könnte ihm am OP-Tisch eine Hilfe sein, weil ich viel Erfahrung mit solchen Operationen sammeln konnte, aber es wird dauern, bis ich eine Arbeitserlaubnis bekomme. Für eine Weile werde ich ein Fremdkörper in seinem Freundeskreis sein, und da ich nicht arbeiten darf, kann ich mir auch keinen Platz schaffen. Mir sind die Hände gebunden.“

Anna trat an eines der großen Panoramafenster des Kasinos und ließ einen verlorenen Blick über das abendliche Lichtermeer Münchens gleiten. Sie würde die Stadt vermissen, in der sie geboren und aufgewachsen war.

„Das setzt mich mehr unter Druck, als ich zugeben kann. Ich war immer unabhängig und hatte meine Arbeit“, erzählte sie weiter. „Jetzt werde ich zwangsweise zu Hause sein, aber ich werde kein Zuhause haben.“

Fragend runzelte Julia Holl die Brauen.

„Das geht mir am meisten nach. Bisher habe ich kein Wort mit seinen Eltern gewechselt. Sie wissen wohl, dass ich mitkomme, und Charles sagt, sie würden sich auf mich freuen, aber mit mir reden wollen sie offensichtlich nicht. Das ist doch eigentümlich, oder? Wenn wir ankommen, sind sie gerade in Shanghai und kommen erst drei Wochen später zurück.“

Julia empfand Mitgefühl für die junge Frau. Es war in der Tat ein Sprung ins Ungewisse.

„Wir werden unter einem Dach mit seinen Eltern und seiner Großmutter leben. Ich dringe ungebeten in das Zuhause von Menschen ein, von denen ich nicht weiß, ob das für sie in Ordnung ist. Mir wäre eine eigene Wohnung lieber, aber Charles sagt, das können wir irgendwann entscheiden, und ich würde schon sehen.“

Anna zuckte ratlos mit den Schultern. „Fragen Sie mich nicht, was das bedeuten soll! Mehr bekomme ich nicht aus ihm heraus. Er will von all meinen Bedenken nichts wissen und möchte nicht darüber reden. Das lässt mich mit meinen Ängsten allein, und die werden dadurch nicht geringer“, beklagte sie sich das erste Mal laut über Charles.

„Unfassbar! Bin das ich, die da so redet? Entschuldigen Sie! In zwei Tagen steige ich ins Flugzeug, und ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Anstatt mich zu freuen, mache ich an den Dunkelstellen herum, die es im Leben immer gibt. Ich war nie feige! Ehrlich!“, beteuerte sie, weil sie sich plötzlich für ihre Offenheit und ihr vermeintliches Jammern schämte. Was mochte Julia Holl nun von ihr denken?

„Sie sind alles andere als feige, Anna. Ich weiß nicht, ob ich den Mut für so ein Wagnis hätte. Als Stefan mich vor vielen Jahren bat, seine Frau zu werden, wurden mir die Knie weich. Nicht, weil ich ihn liebte und aus Freude, sondern weil mir klar war, dass er der eine ist. Ich hatte Angst, es zu vermasseln, und ich musste nicht mein Land, meine Stadt und all meine Freunde und meine Familie für ihn aufgeben. Sie sind ganz und gar nicht feige. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass ihr Abenteuer gut geht!“

Als Julia Holl sich später neben ihrem Mann ins Bett legte, war sie noch immer nachdenklich. „Ich freue mich für Charles und Anna, aber ich beneide das Paar nicht um die nächsten Monate, die ihm bevorstehen. Kannst du mir sagen, warum es so schwer ist für Männer und Frauen, offen miteinander zu reden? Warum bleiben die wesentlichen Fragen so oft ungeklärt?“

Stefan Holl zog seine Frau an sich und küsste sie zärtlich auf den Mund. „Ist das eine rhetorische Frage, oder erwartest du eine weise Antwort von deinem klugen Ehemann?“

„Ich erwarte eine Antwort von meinem Ehemann“, stellte sie diplomatisch richtig.

Er lachte leise. „Ich habe da eine Theorie. Lausche und staune! Es wäre möglich, dass Frauen Probleme sehen, die erst noch zu Problemen werden müssen, damit wir Männer sie erkennen können. Und vielleicht würde es manches Problem, über das Frauen unbedingt reden müssen, gar nicht geben, wenn man nicht immerzu gezwungen werden würde als Mann, darüber zu reden. Verstehst du?“

Julia knuffte ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. „Sei froh, dass ich dich schon geheiratet habe! Was hast du doch für ein Glück, dass deine dich liebende Frau jetzt tief und selig schlafen wird, anstatt dich mit Problemen zu belästigen, die für dich erst dadurch zu Problemen werden! Gesegnet seien die Blinden und Tauben, denn sie werden den Abgrund nicht sehen und sanft stürzen!“, spöttelte sie.

„Halt, so war das nicht gemeint. Wenn du über etwas reden willst, dann …“ Stefan war sich nicht sicher, ob er den Bogen überspannt hatte.

„Schlaf gut, Schatz!“, unterbrach sie ihn, und als sie merkte, dass er sich unbehaglich fühlte, kuschelte sie sich an ihn. „Ich bin müde und habe heute Abend keine Lust mehr, ein Problem für dich zu schaffen. Morgen früh wieder!“, beruhigte sie ihn.

„Danke! Träume etwas Schönes!“

***

Anna atmete auf, als sie endlich im Flugzeug saßen. Ihre Eltern und besten Freunde hatten sie ans Gate begleitet und gewinkt. Abschiede waren schlimm, und Abschiedsrituale machten es nicht besser. Alle hatten versprochen, auf jeden Fall bald nach L.A. zu kommen und den Kontakt zu halten. Versprechen, die sich kaum würden halten lassen, obwohl sie von Herzen kamen.

„Bist du aufgeregt?“, fragte Charles, als sie nebeneinander auf ihren Plätzen im Flugzeug saßen und auf den Abflug warteten. „Noch kannst du aufspringen und die Flucht ergreifen. Ich würde es verstehen.“

„Ist das ein Vorschlag, weil du an uns zweifelst?“, wollte sie wissen und tat so, als wollte sie den Sicherheitsgurt wieder lösen, um ihn beim Wort zu nehmen.

„Nein, das ist meine größte Angst, weil ich keinen Tag meines Leben mehr ohne dich sein möchte.“

„Gute Antwort! Ich denke, ich mache keinen Ausbruchsversuch. Der Abflug würde sich verspäten, wenn sie mich jetzt noch rauslassen müssten. Das wäre ein ganz schön peinlicher Auftritt. Da bleibe ich lieber brav bei dir und harre der Dinge, die da kommen.“

„Nett!“

„So bin ich eben! Ich bin Krankenschwester.“

„Alles Tarnung.“

Sie lachten, sahen sich dabei aber forschend an. Ihr großes Abenteuer begann, und in diesem Moment war ihnen beiden klar, dass das Ende offen war.

„Musste es denn unbedingt die erste Klasse sein? Ich weiß, du wirst gut verdienen, aber trotzdem!“, tadelte Anna, die es gewohnt war, sparsam mit Geld umzugehen, und Verschwendung aus Prinzip missbilligte.

„Ich mag es nicht, wenn ich mich wie eine Sardine in der Dose in einen Sitz hineinfalten muss. Bei meiner Größe ist die zweite Klasse Folter“, rechtfertigte Charles. Er war über einen Meter neunzig groß und athletisch gebaut, weil er gern und viel Sport trieb.

„Der Platz, den man in diesen Sitzen hat, ist schon toll. So macht Fliegen Spaß“, musste Anna ihm rechtgeben. „Aber das kostet doch sicher ein Vermögen.“

„Mach dir keine Gedanken! Wir können es uns leisten“, meinte er scheinbar leichthin und wirkte irgendwie verkrampft und angespannt.

Anna betrachtete ihn von der Seite. Was war es, das er ihr so beharrlich verschwieg? Was kam auf sie zu? Die Ungewissheit nagte an ihr.

„Und was ist, wenn deine Familie mich ablehnt?“, stellte sie die Frage, die ihr am schwersten auf dem Herzen lag.

Charles wich der Frage diesmal nicht aus. Zum Glück war seine Mutter vorerst nicht da, aber früher oder später würde Anna mit ihr zusammentreffen. Er war sich nicht sicher, ob es überhaupt einen Menschen gab, den seine Mutter mochte und der sie aus ihrer höflich kühlen Reserve locken konnte.

„Großmutter freut sich diebisch auf dich und lässt es sich nicht nehmen, Jasper zum Flughafen zu begleiten, um uns persönlich abzuholen. Ich war schon auf der halben Welt unterwegs, mich hat sie noch nie abgeholt. Sie kann es nicht erwarten, dich endlich zu sehen. Sie möchte mit dir reden, seit ich ihr von dir erzählt habe.“

„Jasper?“

„Unser Chauffeur.“

Anna schluckte und versuchte, die Information irgendwie einzusortieren. Vermutlich handelte es sich um einen Taxifahrer oder einen freundlichen Nachbarn, der die alte Dame fuhr, wenn sie allein zu Hause war. Unser Chauffeur – Charles’ Ausdrucksweise konnte verwirrend sein. Sie ließ es auf sich beruhen.

„Und warum hast du mir nicht gesagt, dass deine Großmutter mit mir reden möchte? Ich hätte mich so gefreut, und du wusstest doch, wie gern ich mit deiner Familie zumindest am Telefon Kontakt gehabt hätte. Charles, das war nicht fair!“ Anna war sauer und zugleich erleichtert. Zumindest ein Mensch in L.A. freute sich wirklich auf ihr Kommen.

„Großmutter ist eine Plaudertasche und nimmt nie ein Blatt vor den Mund. Ich wollte verhindern, dass sie dir zu viel erzählt“, beichtete Charles kleinlaut. „Meine Familie … ich meine, die Welt meiner Familie ist eigen. Ich fürchtete, du würdest dich abschrecken lassen und Probleme sehen, die es gar nicht gibt.“

„Wie zum Beispiel?“

„Meine Mutter. Unsere Welt und … Anna, du und ich, wir gehören zusammen und lieben uns. Darauf kommt es an. Sollten meine Mutter oder mein Vater dir nicht mit dem gebührenden Respekt begegnen, dann stehe ich an deiner Seite. Du bist meine Frau. Egal, wie es läuft, ich und du – wir bestimmen!“, beteuerte er.

„Und sollte es dir in unserer Welt nicht gefallen, dann ziehen wir einen Schlussstrich und fangen in einer anderen Stadt an. Du und ich – wir sind das Team. Wir bestimmen, wie wir leben wollen. Solange wir das im Auge halten, kann uns nichts und niemand etwas anhaben.“

Es klang eher wie eine Beschwörungsformel, weniger wie eine Gewissheit. Anna erkannte, wie groß die Angst war, die Charles mit sich herumschleppte. Deshalb hatte er geschwiegen.

„Warum fühle ich mich nach der Enthüllung nur gleich um einiges schlechter?“, stöhnte Anna.

Das Flugzeug beschleunigte, und sie wurden mit Gewalt in ihre Sitze gepresst, bis die Flughöhe erreicht war.

„Aussteigen kann ich definitiv nicht mehr. Rede! Was ist an deiner Mutter und an deiner Welt so besonders?“, fragte Anna, die sich nicht länger vertrösten lassen wollte. Wenn sie in L.A. aus diesem Flugzeug stieg, musste sie doch wenigstens grob wissen, mit was sie zu rechnen hatte.

Charles bat eine Flugbegleiterin, ihnen Wasser zu bringen, und nahm einen großen Schluck. Er hätte es ihr früher sagen müssen, erkannte er.

„Anna, meine Familie, die Stones, gehören zu den reichsten Familien in Kalifornien. Ich bin das schwarze Schaf, weil ich dem reichen Leben nie viel abgewinnen konnte und Arzt werden wollte, seit ich denken kann“, fing Charles an zu erzählen.

Anna begriff, dass dieser Reichtum das lastende Geheimnis war, aber nachvollziehen konnte sie es nicht. Reichtum war für sie kein Kriterium, und sie hätte ihn deswegen um nichts mehr geliebt, aber auch um nichts weniger.

„Niemand glaubte, dass ich die anstrengende Ausbildung abschließen und tatsächlich als Arzt arbeiten würde. Mein Bruder …“

„Du hast einen Bruder?“ Anna war fassungslos, dass er ihr das bisher verschwiegen hatte.

„Wir stehen uns nicht sehr nah. Tom ist der Kronprinz und passt gut in die Welt meiner Eltern. Er tut, was sie wünschen, und genießt sein Leben. Du wirst ihn kennenlernen, wenn wir ankommen. Tom ist drei Jahre jünger als ich und äußerst charmant und … Er ist der Herzensbrecher der Familie. Nimm dich vor ihm in Acht! Tom nimmt nichts ernst und macht immer alles kaputt“, warnte er.

Anna versuchte zu begreifen, was sie da hörte. Ihr fielen Fernsehserien ein, die sie früher gern mit ihrer Mutter angesehen hatte. Wie reich mochten die Stones sein? War es möglich, dass sich Charles für diesen Reichtum schämte, und warum hasste er seinen Bruder? Wie hatte er sich derart problemlos in ihrer Miniwohnung einfügen können, wenn er Luxus gewohnt war?

„Du glaubst sicher, ich spinne, aber für mich war dieser Reichtum immer eher hinderlich. Die Reichsten der Reichen leben in ihrer eigenen Welt. Sie verbringen ihren Urlaub an bestimmten Orten, besuchen bestimmte Clubs in der Stadt, besuchen bestimmte Wohltätigkeitsveranstaltungen. Es ist alles eine einzige Show.“

Er nahm noch einen Schluck Wasser, weil seine Kehle sich trocken anfühlte. Wie hatte er so egoistisch sein können, Anna aus ihrer Welt zu reißen? Er würde sie verlieren. Der Gedanke tat höllisch weh.

„Von außen betrachtet, erscheint diese Welt glamourös, und alles scheint möglich. Mit einem Privatjet ist die Welt ein Dorf – denkt man. In der Realität sieht es anders aus. Man lebt in einem goldenen Mäusekäfig. Immer sitzt man aufeinander. Wo man auch hingeht, finden sich dieselben Menschen.“ Charles dachte schaudernd an seine Kindheit, in der er sich diesem Spiel nicht hatte entziehen können.

„Dazu kommt die Angst, über die man nicht direkt spricht und die doch alle teilen. Angst davor, dass die Kinder entführt werden. Angst davor, dass eine Öffentlichkeit sich gegen die ungerechte Verteilung der Güter auflehnt. Angst, den letzten Rest an Privatsphäre zu verlieren. Manche lieben es, immer im Rampenlicht zu stehen, immer neidvoll beobachtet zu werden, manche nicht.“ Charles stockte und überlegte. Es war nicht leicht zu erklären.

„Das Leben fühlt sich wie eine einzige Pflichtkür an. Natürlichkeit und Freude sind etwas, wonach man sich vergeblich sehnt. Über Generationen hinweg verlernt man, was das eigentlich ist. Anna, ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich das vergangene Jahr genossen habe. Ich war glücklich und …“

„Du bist aus deiner Welt ausgebrochen, als du nach Deutschland gegangen bist“, stellte Anna besorgt fest. Sie wollte ungern ein gescheiterter Fluchtversuch in seiner Biografie sein.

„Ja und nein. Ich war schon zuvor ein Ausbrecher. Mich kennt man in der Öffentlichkeit kaum, weil ich nie großartig von mir reden gemacht habe. Ich stehe im schützenden Schatten meines Bruders, der ein erklärter Liebling der Klatschpresse ist und sich von Skandal zu Skandal bewegt. Ihm schmeichelt das sogar, und er genießt es.“

Anna spürte, dass sich dahinter mehr verbarg, aber sie fragte nicht nach. Für den Moment gab es genug, was sie verdauen musste.

„Selbst meine Kollegen an der Klinik wissen nicht, dass ich ein Spross der Stones bin, die das Geld hat. Gott sei Dank! Ich habe es recht gut hinbekommen, ein nahezu normales Leben zu führen, auch wenn ich damit auf Unverständnis stoße und belächelt werde. Deutschland und du – das war das erste Mal, dass ich einfach nur glücklich war. Da war kein Käfig, gegen den ich ankämpfen musste.“

Charles überlegte, wie er ihr das erklären sollte, aber er wusste, dass er es nicht konnte. Sie würde verstehen, wenn sich die Käfigstäbe enger um sie zusammenzogen. Das war es, was er fürchtete. Anna war ein Freigeist und machte die Dinge, wie sie ihr entsprachen. Seine Mutter würde alles tun, um sie zu verbiegen und anzupassen.

Wie hätte er Anna davor warnen können, wenn er nicht einmal erklären konnte, woraus diese goldenen Gitterstäbe bestanden? Seit seiner Kindheit kämpfte er gegen sie an und versuchte, sich davon zu befreien. Bis er Anna getroffen hatte, war es ihm unmöglich erschienen, ihnen ganz zu entrinnen. Sie war sein Schutzengel, sein magischer Schlüssel. Er liebte sie so sehr.

„Sharon freut sich schon, wenn du wieder da bist.“ Das hatte seine Mutter bei ihrem letzten Telefonat zu ihm gesagt. Annas Existenz und dass er sie mit nach L.A. brachte und heiraten wollte, ignorierte sie konsequent. Wie er sie kannte, ahnte sie den gefährlichen Einfluss auf ihren Sohn und gedachte, etwas dagegen zu unternehmen.

Bevor Charles nach Deutschland gegangen war, hatte er sich von Sharon Nigel getrennt. Ihre Beziehung war ein Albtraum für ihn gewesen, und er trauerte ihr nicht nach. Sie stammte wie er aus reichem Haus und war auf eine Weise verwöhnt und von sich überzeugt, mit der Charles nicht umgehen konnte. Für ihn war die Geschichte mit Sharon endgültig beendet.

„Anna, ich weiß, das ist ein Schock und … Verzeih mir, dass ich so lange geschwiegen habe! Gib mir eine Chance! Bitte!“, bat er hilflos.

Anna spürte seine Qual und seine Not. Zart strich sie ihm über die Wange. „Du und ich, wir bestimmen, wie wir leben wollen!“, wiederholte sie seine Beschwörungsformel. „Ich sehe mir das alles an und versuche, meinen Platz darin zu finden, Charles, aber ich kann dir nicht versprechen, dass es mir gelingt.“

„Das weiß ich.“

***

„Da bist du, mein Junge!“ Lisa Stone empfing ihren Enkel am Gate und zog ihn an sich. „Du hast mir gefehlt. Da ist der einzige vernünftige Kopf im Haus, mit dem man sich auch einmal unterhalten kann, für ein Jahr fort. Untersteh dich, das noch einmal zu machen, solange ich noch lebe!“, schimpfte sie.

Anna betrachtete Charles’ Großmutter, und ihr Herz flog der alten Dame zu. Sie hatte ein warmes, gütiges Gesicht und Augen, aus denen scharfe Intelligenz und große Weisheit sprachen.

„Du musst Anna sein“, wandte sich Lisa Stone an sie und umarmte auch sie herzlich. „Charles spricht von dir wie von seinem persönlichen Schutzengel gegen alle Widrigkeiten des Lebens. Ich dachte, er übertreibt.“

„Das tut er auch, und zwar gewaltig. Es ist so schön, Sie kennenzulernen!“

„Mir geht es genauso. Dieser Held da hatte Angst, ich könne dich in die Flucht schlagen, dabei bin ich froh, dass es dich gibt.“

Charles hatte derweil einem etwas älteren Mann in einer grauen Uniform die Hand geschüttelt. „Das ist Jasper, unser Chauffeur und der Wächter über den Fuhrpark. Mit ihm muss man sich gutstellen“, stellte er Anna den Mann vor, der höflich lächelte.

Wie viel Personal es wohl gab? Anna war mulmig zumute. Allein die Ankunft in L.A. revolutionierte ihr Weltbild und vermittelte ihr einen ersten Eindruck von dem, was auf sie zukam.

Jasper brachte ihr Gepäck zu der sechstürigen, schwarzen Limousine, die direkt vor dem Ausgang der Flughafenhalle im absoluten Parkverbot parkte. Ein Polizist grüßte ehrerbietig, ohne einen Ton darüber verlauten zu lassen, dass die Limousine da nichts verloren hatte.

Keiner schien sich darüber zu wundern – das Privileg der Reichen. Konnte man sich daran gewöhnen, wenn man vollkommen anders aufgewachsen war? Für Anna fühlte es sich befremdlich an.

Fürsorglich hielt der Chauffeur der alten Dame die Tür auf. Sie saß vorne neben ihm. Anna beeilte sich einzusteigen, bevor er ihr helfen konnte. Es wäre ihr unerträglich gewesen. Charles verstand. Sie saßen sich auf den beiden Rückbänken der Limousine gegenüber, und er hielt ihre Hand so fest, dass es fast wehtat.

Lisa Stone plauderte während der ganzen Fahrt mit viel Geist und Witz. Sie ließ nicht zu, dass Anna sich unwohl fühlte, und vermittelte ihr das Gefühl, willkommen zu sein und zur Familie zu gehören. Dafür brachte sie Charles nur zu gern in Verlegenheit und erzählte Anekdoten aus seiner Kindheit.

„Großmutter! Muss das sein?“, sagte er ein paar Mal und wollte sie bremsen.

„Enkelsohn, das muss sein!“, konterte sie heiter und ließ sich nicht stoppen.

Anna lachte einige Male hell auf und wusste, dass sie bei alldem eine Verbündete hatte. Lisa Stone liebte Charles genauso wie sie und wollte sein Bestes. Das war eine gute Basis für eine Allianz.

Als dann aber der Wohnsitz der Familie vor ihr auftauchte, verschlug es Anna den Atem und sie hätte zu gern die Flucht ergriffen. Das Anwesen war mehr ein Schloss als eine Villa und lag in einer parkartigen Anlage.

Eine Auffahrt schlängelte sich zu einem geräumigen runden Vorplatz. Überall blühten Blumen. Während der Fahrt dorthin konnte Anna einen flüchtigen Blick auf einen großen Pool erhaschen, an dem sie Menschen in Badekleidung ausmachte. Waren Charles’ Eltern doch anwesend.

„Dein Bruder ist offensichtlich auch gekommen. Er war auf Neuseeland zum Surfen wie jedes Jahr um diese Zeit. Ich habe nicht mit ihm gerechnet und hoffe, er hat nicht sein ganzes Rudel mitgebracht.“ Lisa Stone klang alles andere als erfreut.

„Bestimmt hat ihn Mutter herbeordert. Du kennst sie doch! Das wird ihm gar nicht gefallen haben, dem Guten“, spöttelte Charles.

„Vermutlich liegst du richtig“, stimmte Lisa Stone zu und wandte sich an Anna. „Anna, Liebes, Tom ist … Tom ist Tom. Lass dich nicht ärgern und nimm ihn nicht ernst! Für ihn ist alles ein einziger großer Spaß, und er teilt gern aus“, warnte sie.

Charles’ Händedruck wurde noch fester, und Anna musste sich beherrschen, ihm nicht die Hand zu entziehen. Um sich abzulenken, ließ sie den Blick schweifen. Das komplette Anwesen war von einer hohen Mauer umgeben und konnte nur durch eine Toreinfahrt betreten werden.

Das eiserne Tor hatte sich automatisch geöffnet, als die Limousine hielt. Ein Wachmann musste das Tor über Kameras immer im Auge haben. Sicher wurde jeder Winkel dieses Luxusreiches Tag und Nacht überwacht und von verborgenem Wachpersonal gesichert.

Es wirkte alles idyllisch und einladend, aber Anna war sich erschreckend bewusst, dass sie sich in einer Art Hochsicherheitstrakt befand. In einem Gefängnis ging es darum, die Insassen drinnen zu halten. Hier ging es darum, die Normalsterblichen auszusperren.

Das Paradies stand nur geladenen Gästen offen. Anna fühlte sich zum ersten Mal wie eine Hochstaplerin. Sie hatte in diesem Umfeld nichts verloren. Wie gern hätte sie Jasper dabei geholfen, das Gepäck in die Prachtvilla zu tragen, und wäre dann durch den Dienstbotenausgang schleunigst wieder verschwunden!

„Es tut mir leid!“, sagte Charles, der spürte, was in ihr vor sich ging.

Anna rang sich ein Lächeln ab. Menschen konnten sich an alles gewöhnen. Dieser Prunk drückte ihr die Luft ab, aber wenn sie erst eine Arbeitserlaubnis hatte und jeden Morgen an eine Klinik fuhr, wenn es wieder einen Alltag für sie gab, dann würde es ihr vermutlich nichts mehr ausmachen. Zumindest hoffte sie das.

„Charles, Bruderherz! Wie schön!“ Tom Stone kam von der hinteren Terrasse des Hauses her und reichte seinem Bruder die Hand. Er war so groß wie Charles, und Anna hatte schon ihren Liebsten immer für einen mehr als attraktiven Mann gehalten. Sein Bruder war ein Adonis.

Tom trug nur eine Badehose, und von seinem braun gebrannten Körper perlte noch das Wasser ab. Er musste gerade aus dem Pool gestiegen sein. Alles an ihm war perfekt, und Anna sah vor ihrem inneren Auge einen Werbespott ablaufen. Toms breites, jungenhaftes Lächeln und seine Perfektion passten zu Champagner oder exquisiten Süßigkeiten.

Nein, es war eindeutig eine Werbung für einen Sportwagen. Zwei Protagonistinnen hatten noch gefehlt. Die Frauen stießen zu der Gruppe. Sie waren Göttinnen, anders konnte Anna es nicht benennen. In ihren Bikinis, die mehr enthüllten als verdeckten, zeigten sie endlose Beine, wohlgeformte Hüften und vollendete Brüste.

Eine von ihnen war brünett und hakte sich nonchalant bei Tom unter. Die andere hatte langes, goldblondes Haar, Veilchenaugen, einen Schmollmund und Grübchen. Sie ging direkt auf Charles zu und umarmte ihn.

„Charles, Liebling, du hast mir so gefehlt!“, säuselte sie und presste sich sichtlich an ihn. „Wie gut, dass du endlich wieder zu Hause bist!“ Es klang wie ein verheißungsvolles Versprechen, da weiterzumachen, wo man vor der Abreise aufgehört hatte.

„Hallo, Sharon!“, sagte Charles und machte sich höflich, aber bestimmt von ihr los.

Anna stand daneben. Sie hatte einen langen Flug hinter sich, viel zu viele Eindrücke gesammelt für einen Tag und fühlte sich neben diesen Symbolen der perfekten Schönheit und Jugend einfach nur klein, schmutzig und bedeutungslos. Warum sollte Charles ausgerechnet sie lieben, wenn er so eine Frau haben konnte?

Da sah Anna das siegesgewisse Blitzen in Toms Augen und begriff, dass dieser kleine Empfang alles andere als Zufall war. Die Inszenierung diente dazu, ihr klarzumachen, dass sie in diesem Haus und in dieser Welt nichts verloren hatte.

Kapitulation – das war es, was Tom von ihr erwartete. Sie sollte von allein gehen. Das war der Auftrag, den er von seiner Mutter erhalten hatte. Er sollte sie vertreiben, ohne dass sich Lydia Stone selbst die Hände schmutzig machen musste. Unter Umständen war sogar die Abwesenheit der Eltern Teil des perfiden Plans. Charles sollte ihnen nichts vorwerfen können.

„Sharon, das ist meine Verlobte Anna“, stellte Charles die Frauen einander vor, und Anna spürte seine Furcht.

„Sharon! Wie schön, dass wir uns so schnell begegnen!“ Anna überraschte sich selbst, als sie zu der Göttin ging und sie souverän umarmte und rechts und links von ihrer Wange die Luft küsste. Ihr war instinktiv klar, dass Charles für eine Weile mit dieser Schönheit zusammen gewesen sein musste.