Die besten Ärzte - Sammelband 49 - Katrin Kastell - E-Book

Die besten Ärzte - Sammelband 49 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Willkommen zur privaten Sprechstunde in Sachen Liebe!

Sie sind ständig in Bereitschaft, um Leben zu retten. Das macht sie für ihre Patienten zu Helden.
Im Sammelband "Die besten Ärzte" erleben Sie hautnah die aufregende Welt in Weiß zwischen Krankenhausalltag und romantischen Liebesabenteuern. Da ist Herzklopfen garantiert!

Der Sammelband "Die besten Ärzte" ist ein perfektes Angebot für alle, die Geschichten um Ärzte und Ärztinnen, Schwestern und Patienten lieben. Dr. Stefan Frank, Chefarzt Dr. Holl, Notärztin Andrea Bergen - hier bekommen Sie alle! Und das zum günstigen Angebotspreis!

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Chefarzt Dr. Holl 1814: Prüfstein der Liebe
Notärztin Andrea Bergen 1293: Wir sind immer für dich da!
Dr. Stefan Frank 2247: Skandal an der Waldner-Klinik
Dr. Karsten Fabian 190: Ein ganz verrückter Sommer
Der Notarzt 296: Das Mädchen mit den blauen Augen

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 565

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Katrin Kastell Isabelle Winter Stefan Frank Sybille Nordmann Karin Graf
Die besten Ärzte - Sammelband 49

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2014/2016/2017 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Shutterstock/Yuri A

ISBN: 978-3-7517-4917-6

www.bastei.de

www.sinclair.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Die besten Ärzte - Sammelband 49

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Chefarzt Dr. Holl 1814

Prüfstein der Liebe

Die Notärztin 1293

Wir sind immer für dich da!

Dr. Stefan Frank 2247

Skandal an der Waldner-Klinik

Dr. Karsten Fabian - Folge 190

Die wichtigsten Bewohner Altenhagens

Ein ganz verrückter Sommer

Der Notarzt 296

Das Mädchen mit den blauen Augen

Guide

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Contents

Prüfstein der Liebe

Wird seine Frau ihn nach der Schockdiagnose verlassen?

Von Katrin Kastell

Es ist ein entsetzlicher Schock für Roland, als der Arzt in der Berling-Klinik ihm nach den unfangreichen Untersuchungen die Diagnose mitteilt: Ein Hirntumor ist der Grund für seine zahlreichen Beschwerden, an denen er seit Monaten leidet. In dieser Zeit ist der Tumor gewachsen, und er liegt unmittelbar neben einem Blutgefäß. Daher ist eine Operation mit einem sehr hohen Risiko verbunden.

In dieser schweren Stunde denkt Roland besonders an Lara, seine geliebte Frau. Sie ist hochschwanger, und sie freuen sich so unendlich auf ihr erstes Kind, das ihr Glück krönen soll.

Nun jedoch kann der Chirurg nicht ausschließen, dass Roland nicht mehr aus der Narkose aufwacht oder zum Pflegefall wird …

„Roland, so kannst du unmöglich dort auftauchen. Du willst diese Leute davon überzeugen, dir sehr viel Geld für deine Forschungen zu überlassen“, erklärte Julia Holl resolut. „Du willst etwas von ihnen, und im Gegenzug musst du dich auch zumindest an ein paar ihrer Regeln halten. Stefan, sag doch auch mal etwas dazu!“

Dr. Stefan Holl beäugte erst seinen Freund, dann seine Frau und wünschte sich weit weg.

Als Leiter der Berling-Klinik in München wusste er genau, wie der Kampf um öffentliche Mittel und private Spendengelder funktionierte. Auch er musste immer einmal wieder für besonders kostspielige medizinische Technik oder teure komplizierte Verfahren Fördertöpfe auftun und Gremien davon überzeugen, seiner Klinik Geld zu überlassen.

Julia hatte recht. Roland hatte in seiner ausgebeulten Jeans, einem zerknitterten Hemd, glanzlosen Schuhen und mit ungepflegten, viel zu langen und geradezu vom Kopf abstehenden Haaren keine großen Chancen, einen Zuschlag zu bekommen.

Gelder aufzutun, das war Horror für ihn, und man sah ihm an, wie sehr er es hasste. Schon deswegen würde man ihm kaum etwas geben. Die Leute wollten umschmeichelt sein. Sie brauchten Bauchpinseleinheiten, wie Stefan das immer spöttisch nannte.

„Ich werde auch nicht attraktiver, wenn ich versuche, mich in einen Geschäftsmann zu verwandeln. So rausgeputzt fühle ich mich unsicher und lächerlich. Ich biete denen an, was in meinem Kopf ist, und nicht mein Modelaussehen“, sträubte sich Prof. Dr. Roland Schneider und erinnerte Julia Holl an ihren fünfzehnjährigen Sohn Chris. Der hatte allerdings die Entschuldigung, tatsächlich in der Pubertät zu stecken und noch keine fünfundvierzig Jahre alt zu sein.

„Das ist Unsinn!“, wies sie Roland daher zurecht. „Du hast viel im Kopf und damit auch eine große Verpflichtung den Menschen gegenüber. Die Möglichkeit, an deiner Krebsforschung weiterzuarbeiten und vielleicht bald ein Mittel in die klinische Testung zu bringen, das Lungenkrebs heilbar machen könnte, ist es wert, ein wenig zum Schauspieler zu werden. Du kannst das!“

„Aber mein Zug nach Frankfurt geht doch schon in einer guten Stunde, und ich wollte euch nur kurz Benny bringen und dann gleich weiter zum Bahnhof“, meuterte der Professor, dem klar war, dass Julia nicht lockerlassen würde, bis sie mit seinem Äußeren halbwegs zufrieden war.

„Benny ist wie immer herzlich willkommen, aber so lasse ich dich nicht aus dem Haus!“, reagierte Julia Holl genau so, wie er befürchtet hatte.

Der Professor hatte einen Golden Retriever, den er über alles liebte und immer zu den Holls brachte, wenn er die Stadt beruflich verlassen musste und ihn nicht mitnehmen konnte.

Benny genoss die Familienausflüge jedes Mal sehr. Er mochte Kinder und war der erklärte Liebling der vier Holl-Kinder.

Die elfjährige Juju tollte Stunden mit ihm im Garten. Der fünfzehnjährige Chris nahm ihn zu gerne mit in sein Bett, und selbst die zwanzigjährigen Zwillinge Dani und Marc spielten ausgelassen mit ihm. Alle vier hätten nichts dagegen gehabt, wenn der konfuse Professor, wie sie Roland unter sich nur nannten, einmal für länger Urlaub gemacht hätte.

Aber daran war nicht zu denken. Für Roland Schneider gab es nur seine Arbeit. Bis auf die Spaziergänge mit Benny, die er sich gönnte, spielte sich sein ganzes Leben im Labor ab. Er forschte besessen nach einem Heilmittel gegen Krebs, in erster Linie Lungenkrebs.

Seine Karriere an der Universität lief nebenher, ohne dass er darauf achtete oder großen Wert darauf legte. Seine Genialität schützte ihn, auch wenn er ansonsten zu wenig zu gebrauchen war.

Der Dekan hatte ihn von der Lehre freigestellt und ließ ihn gewähren. Der schwierige Sonderling war hin und wieder eine Last für den universitären Betrieb, aber er war international anerkannt, und seine Forschungsergebnisse wurden regelmäßig als entscheidende Durchbrüche gefeiert.

„Du nimmst einen späteren Zug, und wir richten dich ein wenig her“, begann Julia und griff schon nach dem Telefon, um einen Notfalltermin bei ihrer Friseurin herauszuschlagen.

„Aber das geht nicht. Der Termin ist doch heute um sechzehn Uhr, und mit dem nächsten Zug kann ich das nicht mehr schaffen“, wehrte Roland ab.

„Toll, dass du immerhin einen Zug gewählt hast, der gerade einmal eine halbe Stunde vorher in Frankfurt sein müsste, falls er keine Verspätung hat“, kommentierte Julia ironisch und schüttelte nur den Kopf.

Sie fragte sich, wie Roland es geschafft hatte, in seinem Leben so weit zu kommen. Er musste einen mächtigen und vor allem äußerst geduldigen Schutzengel haben.

„Roland, ich hab dich total gern, und du bist mit Abstand der klügste Kopf, den ich kenne. Aber du bist mit mindestens genauso großem Abstand auch der unpraktischste und unbeholfenste Ignorant, der mir in meinem Leben bisher begegnet ist.“

„Danke! Immerhin führe ich deine Hitliste in jeder Beziehung an“, erwiderte er mit einem verlegenen Grinsen. Er war es nicht gewohnt, dass jemand ihm sagte, wie gerne er ihn hatte. Gefühlsbekundungen jeglicher Art verstörten ihn, auch wenn er sich darüber freute.

Julia musste lachen. Man konnte diesem Mann einfach nicht böse sein. Er hatte den absoluten Welpenschutz und löste ihre Mutterinstinkte aus, obwohl er in ihrem Alter war. Rasch warf sie einen Blick auf die Uhr. Ihnen blieb eine knappe Stunde, dann musste er spätestens am Bahnhof sein.

„Stefan, du kleidest ihn ein!“, wies sie ihren Mann knapp an. „Zum Glück habt ihr dieselbe Größe. Du hast fünfzehn Minuten, um einen sportlich eleganten, souveränen Erfolgsmenschen aus Roland zu machen, dann müssen wir los. Ich rufe bei Lara an. Hoffentlich kann sie ihn einschieben!“

„Aber …“, wollte Roland ansetzen.

„Du hast einen Vulkan entfacht, und jetzt heißt es, dich seinem Feuer zu stellen!“ Stefan Holl ließ ihn erst gar nicht ausreden und zog ihn mit sich nach oben.

„Lara, ich habe hier einen akuten Notfall und brauche unbedingt Ihre Hilfe“, sagte Julia am Telefon zu ihrer Friseurin. „Können Sie einen Freund von mir einschieben? Er hat einen wichtigen Termin, muss in einer Stunde am Bahnhof sein und sieht aus, als ob er der Höhle erst seit einer Generation entsprungen sei.“

„Klingt wirklich nach einem akuten Notfall.“ Lara Natusch lachte fröhlich. „Kommen Sie vorbei! Wir kriegen das hin.“

„Sie sind ein Engel! Danke!“ Julia atmete erleichtert auf.

Lara Natusch war eine begnadete Friseurin. Mit achtundzwanzig Jahren hatte sie bereits einen eigenen Salon und beschäftigte fünf Friseurinnen. Es war dennoch nicht leicht, zeitnah einen Termin zu bekommen.

Julia achtete in der Regel darauf, sich rechtzeitig anzumelden, und war dankbar, dass Lara sich die Zeit nahm.

Zwanzig Minuten später betrat Julia mit dem sich sträubenden Roland den Friseursalon. In Stefans gepflegter Kleidung sah der Professor schon deutlich besser aus, aber der Haarschnitt war kein Luxus.

„Lara, darf ich vorstellen, das ist der Notfall“, scherzte Julia, als die Friseurin umgehend zu ihnen kam, um Roland zu einem freien Stuhl zu führen. „Habe ich übertrieben?“

„Nein. Ich meine, ja. Ähm – das haben wir gleich. Gar kein Problem!“, reagierte Lara Natusch sichtlich überrascht. „Wo ist denn Benny heute? Ich habe Sie noch nie ohne ihn gesehen“, sprach sie Roland an.

„Ich bringe ihn immer zu … zu meinen Freunden, wenn ich aus der Stadt muss“, kam es stotternd und unsicher von Roland zurück, dann herrschte eine seltsam geladene Stille zwischen den beiden. „Und Candy?“, fragte er und sah sich suchend um.

„Ist tagsüber bei meiner Mutter, wenn ich arbeite. Anfangs hatte ich sie öfter dabei, aber einige Kunden haben Angst vor Hunden. Candy ist eben ein Terrier. Sie hat ihren eigenen Kopf und macht, was sie will.“

„Was für ein Zufall! Ihr kennt euch?“, fragte Julia.

„Nein!“, antworteten beide zugleich und wurden rot.

„Wir begegnen uns häufiger, wenn wir unsere Hunde ausführen. Meine Westie-Hündin Candy und Benny mögen sich und spielen gerne miteinander. Wenn es nach ihnen ginge, wäre der Spaziergang jedes Mal beendet, sobald wir aufeinandertreffen. Keiner von ihnen möchte dann weiter, und es ist immer ein Kampf“, erzählte Lara schließlich, als sie ihre Fassung zurückgewonnen hatte.

„Benny mag nicht viele Hunde, aber Candy würde er vom Fleck weg mit nach Hause nehmen und an seinen Fressnapf lassen. Es war Liebe auf den ersten Blick bei den beiden“, fügte Roland an.

Wieder wurden Lara und er rot. Julia beobachtete es amüsiert. Dass Roland schüchtern war, wenn er auf Frauen traf, hatte sie längst bemerkt. Lara hatte auf sie aber bisher nie einen schüchternen Eindruck gemacht. Sie führte ihren Salon mit Witz und Selbstbewusstsein und konnte ihre Schüchternheit anscheinend gut verbergen.

Als Lara mit Roland fertig war, konnte man ihn kaum wiedererkennen. Aus dem ungepflegten Professor war ein völlig anderer Mensch geworden.

„Gefällt es Ihnen?“, fragte die Friseurin, als sie ihm einen Spiegel hinhielt, damit er sich auch von hinten betrachten konnte.

„Wer ist das da im Spiegel? Kenne ich den gut aussehenden Kerl?“, antwortete er.

„Das hoffe ich doch! Sonst habe ich etwas falsch gemacht.“

Sie lächelten sich im Spiegel an. Julia dachte sich ihren Teil und freute sich.

„Lara ist eine faszinierende junge Frau. Ich schätze sie sehr“, ließ sie auf der Fahrt zum Bahnhof beiläufig fallen.

„Hm!“, brummelte Roland zustimmend, ohne sich weiter zu äußern.

„Sie hat heute einen anderen Kunden warten lassen für dich. Du könntest dich einmal mit einem Abendessen revanchieren. Das wäre doch eine gute Idee, oder?“, regte sie an.

Roland warf ihr einen amüsierten Seitenblick zu und schwieg.

„Ich fände das schön. Was meinst du?“, ließ Julia nicht locker.

„Ich meine, dass Frau Holl da gefährlichen Boden betritt voller Stolperstellen und Unebenheiten.“

„Warum?“

„Julia, sie ist viel zu jung für mich. Sie ist gerade einmal achtundzwanzig, und ich bin fünfundvierzig. Siebzehn Jahre, das ist fast eine ganze Generation. Ich bin ein eingefleischter Junggeselle und habe immer alleine gelebt. Mir geht es gut dabei. Hey, du wolltest mich doch noch nie verkuppeln! Warum fängst du jetzt damit an? Habe ich eine neue Bedürftigkeit entwickelt, oder was?“

„Du magst sie.“

„Na und? Dich mag ich auch, aber ich versuche trotzdem nicht, dich Stefan auszuspannen. Manches lässt man am besten, wie es immer war. Das ist sicherer und bringt keine Verwirrung ins Leben.“

„Angst vor Veränderung ist kein guter Ratgeber. Was ist an einem gemeinsamen Abendessen denn so schlimm? Kannst du die Dinge nicht einfach geschehen lassen, ohne gleich auf alles die Antwort zu kennen? Herr Professor, das Leben spielt sich nicht im Reagenzglas ab. Es folgt keinen Regeln, die sich genauestens voraussagen lassen“, widersprach Julia.

„Ich habe einer jungen, lebensoffenen Frau nichts zu bieten. Was soll ich sagen, ich bin ganz einfach der Reagenzglastyp und mache nur Experimente, bei denen ich grob vorhersagen kann, was geschieht. Damit muss ich leben.“

„Hm“, brummelte Julia.

Sie waren am Bahnhof, und er musste rennen, um seinen Zug noch zu erreichen. Überzeugt hatte er sie allerdings nicht, und so weit es in ihrer Macht lag, war sie entschlossen, ein wenig dabei nachzuhelfen, damit Roland und Lara sich besser kennenlernten.

***

„Hallo, Schatz! Das Essen ist fertig“, rief Clarissa Natusch aus der Küche des kleinen Doppelhauses am Rande von München. Sie war dabei, den Tisch zu decken. Es war nicht zu überhören, dass Lara gekommen war, denn Candy begrüßte ihr Frauchen mit freudigem Gebell.

„Ruhig, du Wildfang!“, versuchte Lara, die Hündin lachend zu bändigen, die verspielt im Flur herumtobte und nach und nach all ihre Lieblingsspielsachen vor Laras Füßen ablegte. Sie ließ in ihrem Übermut keinen Zweifel daran, dass sie nicht gewillt war, ein Nein zu akzeptieren. Es war Spielzeit.

„Könnte es sein, dass du spielen willst?“, scherzte Lara.

„Wuff!“

Lara nahm den großen Spielknochen, und schon hatte Candy das andere Ende im Maul, und sie lieferten sich ein fröhliches Knochenziehen. Dabei wurde abwechselnd eifrig geknurrt und gebellt. Dann wurde für ein paar Minuten ausgiebig geschmust und gekrault. Das Wiedersehen nach dieser schrecklich langen Trennung musste schließlich gefeiert werden.

„Seid ihr fertig?“, kam es aus dem Esszimmer. „Euer Begrüßungsritual wird auch immer länger. Das Essen ist noch heiß, aber nicht mehr lange.“

„Entschuldige, Mama!“ Lara setzte sich an den gedeckten Tisch.

Es war kurz nach neunzehn Uhr, und seit ihrem Frühstück um kurz nach sechs hatte sie sich keine Zeit mehr genommen, sich etwas in den Mund zu schieben.

„Das duftet! Du bist die Größte und verwöhnst mich nach Strich und Faden!“, seufzte Lara zufrieden.

„Lass es dir schmecken, Kind!“ Clarissa schöpfte die Spargelcremesuppe, die sie als Vorspeise gemacht hatte, in die Suppentassen. Es war Mitte Mai, und der Frühling hatte wie jedes Jahr frischen Spargel und Erdbeeren mit sich gebracht.

„Lecker!“ Lara aß mit Genuss ein paar Löffel.

Candy saß unter dem Tisch und drängte sich an ihre Beine. Immer wieder warf die Hündin begehrliche, flehende Blicke zu ihr hoch. Ihr Frauchen ignorierte dies gewohnheitsmäßig. Am Tisch gab es nie etwas für die Hündin, zumindest nicht, wenn Lara anwesend war.

„Wie geht es Papa heute?“, wollte Lara wissen.

„Er hat das Gesicht immer dem offenen Fenster zugewandt und freut sich an der Sonne. Morgen möchte ich mit ihm für ein paar Stunden raus in den Garten. Das wird ihm guttun. Du weißt doch, wie sehr er es liebt, draußen zu sein.“

Herbert Natusch war kurz nach seinem fünfzigsten Geburtstag vor zwei Jahren plötzlich zusammengebrochen und von Krämpfen geschüttelt worden. In seinem Kopf war ein winziges Aneurysma geplatzt und hatte eine Gehirnblutung ausgelöst, die dafür verantwortlich war.

Obwohl er umgehend ins Krankenhaus gebracht und operiert worden war, kam die Hilfe leider zu spät. Die Blutung konnte gestoppt werden, und eine direkte Schädigung des Gehirns ließ sich durch nichts nachweisen. Eigentlich hätte er nach dem Eingriff zu sich kommen müssen, aber das tat er nicht wirklich. Er wachte auf, öffnete die Augen, war aber so gut wie nicht ansprechbar und verharrte in einem komatösen Zustand.

Seine Frau und seine Tochter waren überzeugt, dass er in seinem Wachkoma fast alles irgendwie mitbekam, auch wenn er nicht reagieren konnte. Für sie war es nicht infrage gekommen, ihn in ein Heim zu geben, wo er viele Stunden des Tages alleine gewesen wäre und nur die Decke angestarrt hätte.

Es war ihnen ein Anliegen, dass er weiterhin an ihrem Leben Anteil nahm und dass es für ihn so etwas wie den gewohnten Alltag gab. Daher nahmen sie einige Umbaumaßnahmen im Haus der Familie vor und organisierten eine häusliche Pflege für ihn.

Hauptsächlich kümmerte sich Clarissa selbst liebevoll um ihren Mann. Morgens und abends kam ein Pflegedienst, der ihr dabei half, ihn zu waschen und zu richten. Sooft es ging, ließ sie ihn in einen speziellen Rollstuhl heben, damit er nicht im Schlafzimmer bleiben musste. Jeder Raum des Hauses und auch der Garten waren mit dem Rollstuhl erreichbar.

Clarissa unterhielt sich viel mit ihrem Mann und ließ ihn an allem teilhaben, was sie dachte und tat. Sie behandelte ihn, wie sie es immer getan hatte. Er war ihr Gefährte, auch wenn sie nun alle Entscheidungen alleine treffen musste. Nie hätte sie vor ihm geweint oder ihm gesagt, wie einsam sie sich oft fühlte. Damit wollte sie ihn, wo immer er sein mochte, nicht auch noch belasten.

Sie war neunundvierzig Jahre alt und sehnte sich nach seiner Liebe, seiner Zärtlichkeit und all den Dingen, die sie einmal geteilt hatten. Trotzdem beklagte sie sich nicht. Herbert und sie hatten wunderschöne Jahre gehabt. Sie waren sich als Jugendliche begegnet und hatten ihr ganzes Leben miteinander verbracht.

Etwas in Clarissa glaubte fest daran, dass Herbert irgendwann zu sich kommen und zu ihr zurückkehren würde. Die Ärzte machen ihr da nach über zwei Jahren nur noch wenig Hoffnung, aber das interessierte sie nicht. Jeden Tag machte sie Übungen mit seinen Armen und Beinen und sorgte dafür, dass die Muskulatur erhalten blieb. Sie tat alles, damit sie irgendwann, wenn es ihm erst besser ging, ihr gemeinsames Leben wieder aufnehmen konnten.

Lara unterstützte ihre Mutter nach Kräften. Auch für sie gehörte ihr Vater nach wie vor ganz einfach dazu. Im Gegensatz zu Clarissa fürchtete sie, dass sich sein Zustand nicht mehr bessern würde, aber darüber verlor sie kein Wort ihrer Mutter gegenüber.

Mit Candy bewohnte sie die zweite Hälfte des Doppelhauses, das schon ihren Großeltern gehört hatte. Mutter und Tochter standen sich sehr nahe, und doch war es beiden ein Anliegen, einen gewissen Freiraum zu haben und nicht zu eng aufeinanderzusitzen. Jede von ihnen brauchte ihr eigenes Leben.

Nur durch eine Wand von ihren Eltern getrennt, die sie auf jedem der beiden Stockwerke mit einer Tür durchbrochen hatten, war Lara zur Not sofort zur Stelle und hatte doch ihr eigenes Reich. Es war eine gute Regelung, die allen entgegenkam.

Clarissa Natusch und ihr Mann hatten ein kleines, aber feines Geschäft für kulinarische Spezialitäten in der Fußgängerzone geführt. Seitdem Herbert Natusch im Koma lag, war das Geschäft vermietet. Das Doppelhaus war längst schuldenfrei, und Lara zahlte für die zweite Hälfte Miete. Wenn Clarissa all ihre Einnahmen zusammennahm, kam sie herum, aber üppig war ihr Einkommen nicht. Herberts Pflege war sehr teuer.

Sie duldete es nur ungern, dass ihre Tochter sie zusätzlich finanziell unterstützte, aber Lara ließ es sich nicht nehmen. Ihr Salon warf hohen Gewinn ab, für den sie hart, aber mit Freude arbeitete. Es machte sie froh, etwas dafür tun zu können, dass ihr Vater zu Hause sein konnte und von ihrer Mutter versorgt wurde.

„Was für ein Festmahl!“, schwärmte Lara.

Ihr lief das Wasser im Munde zusammen, als ihre Mutter ihren Teller vor sie hinstellte. Als Hauptgang gab es Spargel in Butter geschwenkt, neue Kartoffeln und ein zartes Stück Fleisch.

„Gibt es einen besonderen Anlass? Heute ist doch ein ganz normaler Mittwoch, oder? Habe ich etwas vergessen?“, fragte sie ihre Mutter.

„Ich bin heute den ganzen Tag schon in Feierlaune. Nach all dem Regen in den vergangenen Wochen tut die Sonne gut. Mir geht es wie deinem Vater. Wir waren immer sonnensüchtig.“

„Ich habe ihm gestern versprochen, ihm die Geschichte zu Ende vorzulesen. Nachher geh ich gleich hoch zu ihm“, sagte Lara, die fast jeden Abend noch eine Stunde mit ihrem Vater verbrachte, bevor sie in ihr eigenes Reich ging.

Saß sie an seinem Bett, las ihm vor oder unterhielt sich mit ihm und erzählte ihm, was sie erlebt hatte, wurde sie immer ruhig. Sie war gerne mit ihm zusammen, und oft hatte sie das Gefühl, sie könne seine Antworten auf ihre Fragen und Überlegungen in ihrem Kopf hören. Ihr war, als ob er sie ihr aus großer Ferne zuraunen würde.

„Papa freut sich darauf, aber den Nachtisch würde ich mir an deiner Stelle nicht entgehen lassen. Obwohl – dann habe ich mehr … Geh ruhig!“, neckte ihre Mutter sie. „Erdbeeren mit Sahnehaube.“

„Ich bleibe!“ Lara liebte frische Erdbeeren über alles.

„Wie war dein Tag?“

„Spannend, Mama. Bennys Herrchen kam heute Vormittag in den Salon. Ich wollte mich doch so gerne einmal entspannt mit ihm unterhalten. Während ich ihm die Haare geschnitten habe, konnte er nicht gleich wieder weglaufen, wie er es im Park immer macht“, erzählte Lara.

„Und? Ist er nett?“

„Ich glaube schon. Sehr sogar, und er ist mindestens so schüchtern wie ich. Aber stell dir vor, er ist Professor an der Uni. Roland Schneider, Professor Doktor Roland Schneider – nicht übel, oder? Gott sei Dank habe ich ihn nie gefragt, ob wir zusammen einen Kaffee trinken. Da hätte ich mich schön blamiert.“

„Blamiert?“ Verständnislos sah Clarissa ihre Tochter an. „Warum das denn?“

„Mama, der Mann ist Professor!“

„Na und? Du hast deinen eigenen Friseursalon und trägst die Verantwortung für fünf Angestellte und das mit achtundzwanzig Jahren. Glaub mir, für dich gibt es keinen Grund, dich minderwertig zu fühlen“, protestierte die Mutter entschieden.

„Um minderwertig geht es dabei nicht, Mama, aber bestimmt interessiert er sich für Sachen, von denen ich noch nie gehört habe. Seine Freunde gehören einem völlig anderen Gesellschaftskreis an. Es war einfach immer so schön, Benny und ihm im Park zu begegnen, und na ja … Du weißt schon. Ich fühle mich nicht so schnell zu jemandem hingezogen, aber bei ihm … Ihn hätte ich gerne kennengelernt. Jetzt weiß ich Bescheid und kann mir das rechtzeitig aus dem Kopf schlagen. Ist besser so.“

„Aber klar doch! Du bist schließlich auf den Kopf gefallen, und man kann sich kaum mit dir unterhalten, ohne das Gähnen zu unterdrücken. Deine Kundinnen finden dich durch die Bank langweilig, wenn sie Ärztinnen oder Anwältinnen oder etwas Ähnliches sind. Die sprechen eben eine andere Sprache, da kannst du nicht mithalten!“, spottete Clarissa giftig.

„Mama!“, beschwerte sich Lara, die es nicht mochte, wenn ihre Mutter ironisch wurde.

„Mich ärgert es, dass du so wenig von dir hältst. Ein Mann, den du gernhast, kann sich glücklich preisen. Du bist eine kluge, eigenständige und erfolgreiche Frau. Du hast in den letzten Monaten so oft von diesem Mann im Park gesprochen. Anstatt aufzugeben, solltest du dich freuen, dass er ausgerechnet auf deinem Stuhl gelandet ist. Das ist ein erster Schritt.“

Clarissa las ihrer Tochter ordentlich die Leviten, und sie war noch nicht fertig.

„Falls ihr nicht zueinanderpasst, merkst du das schnell genug, aber sein Titel ist kein Grund, dich gleich wieder in dein Schneckenhaus zurückzuziehen. Lara, seit fast drei Jahren hattest du keinen Freund mehr. Du arbeitest immerzu oder unterstützt mich bei Papas Pflege.“

„Das mache ich gerne. Ich …“

„Ich bin dir auch dankbar und weiß, wie viel es deinem Vater bedeutet, dass du so viel Zeit mit ihm verbringst. Aber ich möchte, dass du auch an dich denkst. Du sollst glücklich sein, dein eigenes Leben führen! Das ist es, was ich mir für dich wünsche – genau wie dein Vater“, unterbrach Clarissa sie sanft.

Das Lebensglück ihrer Tochter lag der Mutter sehr am Herzen.

„Du magst diesen Mann. Das ist etwas Schönes. Zieh dich nicht bei der ersten Gelegenheit zurück, weil du Angst hast. Die Jahre mit deinem Vater waren …“

Sie verstummte, und Tränen schimmerten in ihren Augen. Es machte sie traurig, dass sie das erste Mal unabsichtlich die Vergangenheitsform gewählt hatte, und sie korrigierte sich umgehend.

„Die Jahre mit deinem Vater sind die schönsten für mich, und ich möchte keinen Tag ohne ihn sein. Sei offen dafür, dem Menschen zu begegnen, mit dem du dein Leben teilen möchtest! Erlaube dir, zu träumen und zu hoffen! Lebe!“

„Ich hab dich lieb, Mama.“

Sie umarmten sich lange, und dann ging Lara hoch zu ihrem Vater.

***

„War Ihre Besprechung erfolgreich?“

Benny und Candy tollten ausgelassen miteinander, und nach einem kurzen, befangenen Schweigen sprach Lara Roland an, der genau wie sie nach Worten zu ringen schien. Seit seinem Besuch im Friseursalon war über eine Woche vergangen, und sie waren sich seitdem nicht mehr im Park begegnet.

Lara hegte den Verdacht, dass er sich eine andere Tour für den abendlichen Spaziergang mit Benny gesucht hatte, um ihr nicht mehr über den Weg zu laufen. Sie hatte die Begegnungen mit ihm vermisst, und Candy hatte ihren Spielkameraden jeden Abend überall gesucht. Frauchen und Hund waren eben Gewohnheitstiere.

„Ihr Haarschnitt und Julias Sturheit haben mich gerettet. So leicht war es noch nie, Gelder an Land zu ziehen. In Zukunft komme ich immer zu Ihnen und lasse mich frisieren und stylen, bevor ich in bettelnder Mission losziehe“, antwortete er und war den Frauen wirklich dankbar für ihre Hilfe.

Das erste Mal war so eine Besprechung geradezu angenehm verlaufen. Ihm war nicht klar gewesen, welch starken Einfluss sein äußeres Erscheinungsbild auf die Atmosphäre hatte. In seiner Verkleidung – wie er es empfand – war es ihm leichter gefallen, die passenden schmeichelnden Worte zu finden und besser zu argumentieren. Man hatte ihm aufmerksamer zugehört, ohne ihn gleich vom ersten Eindruck her zu belächeln.

„Das ist ein guter Plan!“, lobte Lara schmunzelnd. „Und zur Belohnung müssen Sie nie einen Termin bei mir machen und dürfen als einziger Kunde zu jeder Zeit hereinplatzen.“

„So frech bin ich nicht!“, lehnte er lächelnd ab. „Ich werde brav rechtzeitig vorher anrufen.“

„Die Hauptache ist, Sie kommen!“

„Das werde ich!“

Beide waren überrascht, wie leicht es ihnen plötzlich fiel, sich zu unterhalten. Bisher hatten sie meist schweigend den Hunden zugesehen. Etwas hatte sich zwischen ihnen verändert, und das war schön.

„Candy und ich haben Benny und Sie in den letzten Tagen schon vermisst“, gestand Lara. „Sie gehören irgendwie schon zu unserer abendlichen Runde dazu. Ohne Sie macht es keinen rechten Spaß.“

„Benny hat mich immer in Richtung Park gezogen, aber …“ Roland brach ab. Wie sollte er ihr erklären, warum er für eine Weile extra zu einem weiter entfernten Spazierweg an der Isar gefahren war, nur um sie nicht zu sehen? Julias sanftes Drängen hatte ihn auf Abstand gehen lassen, gerade weil er etwas für Lara empfand.

„Sollen wir ein paar Schritte gehen?“, schlug sie vor und half ihm aus der Verlegenheit.

„Gerne!“

Sie schlenderten nebeneinanderher, während die Hunde um sie herum sprangen und ausgelassen miteinander spielten. Roland hatte sich schon lange nicht mehr so wohlgefühlt. Was hatte diese Frau nur an sich, dass er sich in ihrer Nähe am liebsten schnurrend eingekuschelt hätte wie ein alter grauer Kater. Etwas, was von ihr ausging, machte ihn auf eine natürliche Weise froh.

Julias Vorschlag fiel ihm ein, den er so bestimmt zurückgewiesen hatte. Aber was war dabei, wenn er Lara zu einem Dankesessen einlud? Warum sollte er sich keinen Abend gönnen, an dem er mit ihr am Tisch eines Restaurants sitzen und ein gutes Essen genießen durfte? Schließlich wusste er, dass er sich darüber hinaus keine Hoffnungen machen sollte. Er war viel zu alt und vor allem viel zu angestaubt und langweilig für sie.

„Darf ich Sie für die Rettung einmal zum Essen einladen? Ich meine, natürlich nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht und … und ich verstehe, wenn Sie nicht wollen. Entschuldigen Sie! Ich … ich meine, wenn Ihnen vielleicht ein Kaffee lieber ist, aber …“, stotterte er und brach verlegen ab.

Was für eine Glanzleistung! Dieses Gestotter war selbst für ihn beachtlich. Hätte er bloß den Mund gehalten! Nun hatte er den schönen Moment bestimmt kaputt gemacht und nichts gewonnen. Danke, Julia! , dachte er ärgerlich.

Warum war es nur so schrecklich schwer, mit einer Frau normal zu sprechen, die er attraktiv fand. Bei Frauen, die ihm gleichgültig waren, hatte er noch nie Probleme gehabt, sich vernünftig auszutauschen. Das Leben konnte gemein sein.

„Ich würde gerne einmal mit Ihnen essen gehen. Das wäre schön!“, beruhigte Lara ihn rasch, und in ihr sprühte es rosarote Funken.

Er hatte sie tatsächlich eingeladen! Sie war selig.

„Wirklich?“, fragte er ungläubig.

„Und ob! Ich habe in den vergangenen Wochen ein paarmal überlegt, ob ich Sie zu einem Kaffee drüben am Imbissstand einlade, aber ich war zu schüchtern.“ Sie sagte es, ohne vorher nachzudenken, und wurde sofort rot. Das klang ja so, als ob sie ihm nachstellen wollte. Was musste er nun von ihr denken?

„Das ist schön!“, seufzte er erleichtert. „Ich habe ein paarmal vor dem Spiegel geprobt, wie ich Sie genau dasselbe frage, aber wenn es dann so weit war, herrschte gähnende Leere in meinem Kopf. Erst wenn Candy und Sie weitergegangen waren, fielen mir die einstudierten Sätze wieder ein. Diese Schüchternheit ist nervig.“

„Das geht mir nicht anders. Als Professor haben Sie doch immerzu mit Menschen zu tun und müssen sich durchsetzen. Ich hätte nicht gedacht, dass jemand wie Sie auch solche Probleme hat.“

„Machen Sie Witze? Julia sagt immer, ich bin mit Abstand der sozial unbeholfenste Mensch, den sie kennt. Das ist aber auch kein Wunder. Ich habe eine Klasse übersprungen und Abitur ein Jahr früher gemacht. In meiner Kindheit und Jugend gab es nur Bücher“, erzählte er.

Ziemlich clever, dieser Professor, dachte Lara.

„Dann habe ich in Rekordzeit studiert, den Doktor gemacht, mich habilitiert, und seitdem sitze ich in meinem Labor“, fuhr er fort. „Es gab in meinem Leben nie Zeit, um jung zu sein und Spaß zu haben mit anderen Menschen. Alles, was ich kenne, ist die Arbeit, und damit kenne ich mich aus. Na ja, der Schuster bleibt bei seinen Leisten.“

Lara nickte. Das verstand sie gut. Ging es um ihr Handwerk und den Salon war sie eine selbstbewusste Frau. Ging es um ihre Weiblichkeit und den Wunsch nach einem Partner, versank sie vor Unsicherheit im Boden.

„Bei Ihnen hätte ich nie gedacht, dass Sie schüchtern sein könnten. Sie sind so … so … wunderschön. Julia hat mir erzählt, dass es Ihr eigener Salon ist. So eine Erfolgsgeschichte und Schüchternheit – wie geht das zusammen?“, wollte nun er wissen.

„Als Friseurin weiß ich, was ich kann. Es macht mir Freude, meinen Kunden dabei zu helfen herauszufinden, wer sie sein möchten“, schwärmte Lara. „Vor allem Frauen gehen nicht einfach nur zum Friseur, weil es an der Zeit ist. Sie gehen, weil sie sich mit jeder Frisur neu erfinden.“

Diese Frau liebte ihren Beruf offenbar sehr.

„Zu mir kommen Kundinnen, wenn sie zum ersten Mal verliebt sind, wenn sie jemand ganz anderes sein und dem Alltag entfliehen wollen. Sie kommen, wenn sie besonders glücklich sind, aber auch an den besonders harten und schweren Tagen. Frauen lassen sich neu frisieren, bevor sie sich scheiden lassen oder bevor sie sich eine neue Stelle suchen. Die Frisur ist immer Ausdruck eines Lebensgefühls und steht für Umbruch und Veränderung. Als Friseurin bin zum Teil auch Therapeutin.“

„So habe ich das nie gesehen“, meinte er fasziniert. „Ich hätte seltener selbst Hand anlegen und mir stattdessen einen Besuch beim Profi gönnen sollen.“

„Hätten Sie eindeutig, aber es ist nie zu spät! Sie sind auf Ihrem Gebiet mit Sicherheit genial, aber zu einer Schere sollten Sie nur greifen, um Papier zu schneiden. Was Sie Ihren Haaren angetan haben, war beachtlich“, stimmte sie verschmitzt zu.

„Danke!“ Er grinste breit und erinnerte mehr denn je an einen pubertierenden Rebell, der in die Jahre gekommen war.

„Immer wieder gerne! Sie sollten einmal einen Tag im Salon verbringen und die Ohren spitzen! Es ist unglaublich, welche Geschichten wir dort jeden Tag zu hören bekommen.“

„Macht Ihnen Ihre Schüchternheit im Berufsalltag nie Probleme?“, wollte Roland wissen, für den das Unterrichten die reinste Hölle gewesen war. Auf dem Podium im Hörsaal hatte er seine Vorlesungen viel zu schnell und ohne jede Betonung von seinen Skripten abgelesen. Es war für die Studenten und ihn eine Qual gewesen. Das war einer der Gründe, warum er von der Lehre befreit worden war.

„Wenn ich morgens den Salon aufschließe, lasse ich meine Schüchternheit vor der Tür und werde zur Friseurin und Zuhörerin. Wenn abends der letzte Kunde gegangen ist, wartet meine Schüchternheit dann allerdings vor der Tür auf mich und bringt mich heim.“

„Wünschten Sie sich auch manchmal einen Hinterausgang, um unbemerkt hinauszuschlüpfen?“, fragte Roland, dem es mit seinem Labor nicht anders ging.

Sie sahen sich an und mussten lachen.

„Leidensgenossen!“, fasste er zusammen.

„Ein kleines bisschen fühle ich mich gerade so, als ob wir entschlüpft wären“, meinte sie heiter.

„Mir geht es genauso. Haben Sie spontan Zeit? Ich hätte große Lust, dem Leben ein Schnippchen zu schlagen und einfach jetzt gleich und sofort mit Ihnen essen zu gehen, bevor die Schüchternheit uns wieder erwischt.“

Roland hörte sich zu und staunte. Spontaneität war nicht seine starke Seite. Lara weckte unbekannte Charakterzüge in ihm. Es war eigentümlich, aber es fühlte sich gut an – sehr gut sogar. Warum konnte er nicht fünfzehn Jahre jünger sein oder sie fünfzehn Jahre älter?

„Ich muss leider nach Hause. Ausgerechnet heute Abend kann ich nicht“, lehnte Lara ab, die zu gerne Ja gesagt hätte.

Ihre Mutter gönnte sich selten einen freien Abend, an dem sie sich mit Freunden verabredete. Lara musste sie immer dazu drängen, auch einmal an sich zu denken. Sobald Lara mit Candy zurückkam, wollte Clarissa an diesem Abend in ein Konzert und anschließend noch etwas mit ihren Freunden trinken gehen.

Da Herbert Natusch nicht alleine gelassen werden konnte, bedeutete das für Lara, den Abend mit ihrem Vater zu verbringen. Sie tat es gerne und hatte vor, einen Film mit ihm anzuschauen, den er früher besonders gemocht hatte.

„Natürlich! Das war auch viel zu spontan“, ruderte Roland sofort zurück und nahm es als verdiente Abfuhr. Er war schließlich ein älterer Mann für sie. Was hatte er sich nur gedacht! Julias Ermutigungen hatten ihn unvorsichtig werden lassen.

„Ich wäre sehr, sehr gerne heute gleich jetzt und sofort mit Ihnen essen gegangen!“, beteuerte Lara, als sie seine Enttäuschung bemerkte und begriff, dass er ihre Ablehnung vollkommen falsch deutete. Sollte sie ihm erklären, warum sie nach Hause musste? War das nicht viel zu persönlich? Bisher wussten sie kaum etwas voneinander. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, als ob sie auf sein Mitleid aus war.

„Das verstehe ich doch! Ein andermal!“ Er sagte es zu schnell, und sie spürte förmlich, wie er anfing, wieder einmal davonzulaufen und sie stehen zu lassen. Dieser Mann ging sofort stiften, wenn es ein bisschen schwierig wurde. Wenn er die Flucht ergriff, konnte man nur noch verdutzt hinterhersehen. Diese Erfahrung hatte sie in den vergangenen Monaten Abend für Abend gemacht.

„Mein Vater ist ein Pflegefall, und meine Mutter pflegt ihn zu Hause. Sie geht fast nie weg und tut sich etwas Gutes. Wenn sie sich einmal dazu durchringt, bin ich froh, denn es ist wichtig. Sie muss doch auch einmal Kraft tanken und etwas ganz anderes sehen. Heute besucht sie ein Konzert, und ich bin bei meinem Vater. Deshalb kann ich nicht mitkommen“, sprang sie über ihren Schatten.

„Das tut mir sehr leid!“ Rolands Miene entspannte sich und drückte zugleich Mitgefühl aus.

„Das muss es nicht. Es ist schön, dass mein Vater noch bei uns ist. Meine Mutter und ich kommen damit klar und wollen, dass es ihm gut geht.“

Roland nickte und sagte nichts dazu. Sie hatten den Ausgang des Parks erreicht, an dem Lara abbiegen musste, um rechtzeitig heimzukommen. Wie gerne wäre sie noch ewig weiter an seiner Seite gegangen. Es fühlte sich unglaublich gut an – wie daheim sein. Eigentlich kannte sie ihn kaum, und doch vermisste sie ihn bereits, bevor sie ihm den Rücken zugewandt hatte.

„Morgen um dieselbe Zeit?“, fragte sie beim Abschied hoffnungsvoll.

„Morgen um dieselbe Zeit!“, stimmte er zu.

Sie strahlten sich an, blieben noch einen Moment schweigend beieinander stehen, und keiner schaffte es, als Erster weiterzugehen.

„Morgen!“, sagte sie noch einmal, dann drehte sie sich entschieden um und ging davon. Ihre Mutter wartete.

„Benny! Sitz!“, musste Roland seinen Hund davon abhalten, Candy und Lara zu folgen, als ob er zu ihnen gehörte. Widerstrebend kam Benny zu ihm und gehorchte. Roland klopfte ihm lobend die Seite und gab ihm ein Leckerli zum Trost.

„Zwei Männer, die ihr Herz verloren haben. Das kann heiter werden. Dir ist schon klar, dass Candy und du nicht unbedingt füreinander geschaffen seid?“

„Wuff!“

„Schon gut! Ich bin ja still, Kumpel, aber ein Traumpaar seid ihr nicht, wie man es auch nimmt. Ich sage dir, wir müssen aufpassen! Mit gebrochenem Herzen lebt es sich nicht gut. Das geht schief.“

„Wuff!“

Benny verstand offensichtlich etwas falsch, denn er wedelte freudig mit dem Schwanz. Er sah anscheinend keine Probleme, sondern goldene Zeiten, die auf sein Herrchen und ihn zukamen.

***

Am Sonntagabend trafen Lara, Roland und die Hunde sich das erste Mal nicht zufällig im Park, sondern waren zum Spaziergang verabredet. Für die Vierbeiner machte das keinen Unterschied. Die Zweibeiner waren da etwas komplizierter.

Lara stand eine gefühlte Ewigkeit vor ihrem Kleiderschrank, überlegte, was sie anziehen sollte, und kam sich ein wenig lächerlich vor. Normalerweise warf sie eine Jacke über und putzte sich nicht extra heraus, wenn sie mit Candy loszog. Eigentlich handelte es sich doch um einen ganz normalen Spaziergang wie sonst auch, oder?

„Du siehst toll aus!“, lobte ihre Mutter sie, als sie rasch bei ihr hineinsah, bevor sie zum Park ging.

„Zu aufgebrezelt?“ Ängstlich warf Lara einen Blick in den Garderobenspiegel. Ganz bewusst hatte sie sich kaum geschminkt und trug ein fröhliches Sommerkleid, das ihr gut stand, ohne gar zu elegant zu sein. Es war ein warmer Abend Anfang Juni, und sie brauchte keine Jacke.

„Genau richtig! Zapple nicht herum, zupfe nicht nervös am Kleid und sei du!“, wies ihre Mutter sie an.

„Und wie geht das?“ Lara schnitt eine Grimasse.

„Du machst das schon! Wenn er der Richtige ist, vergisst du deine Unsicherheit und fühlst dich wohl mit ihm. Ist er der Falsche – na ja, dann darfst du zupfen und zappeln, so viel du willst“, meine Clarissa gelassen.

„Danke, Mama! Jetzt geht es mir gleich viel besser. Erinnere mich daran, dass ich vor einem Date nie wieder bei dir reinschaue!“, schimpfte Lara.

Ihre Mutter lachte nur.

Candy entdeckte Benny zuerst, bellte und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Sie war nicht mehr an der Leine zu halten, und Lara ließ sie springen, obwohl das eigentlich verboten war. Erleichtert stellte sie fest, dass auch Roland deutlich gepflegter aussah als gewöhnlich. Unwillkürlich musste sie schmunzeln. Wie viel Zeit hatte er wohl vor seinem Schrank verbracht?

„Ist das schön! Ich habe mich den ganzen Tag auf unseren Spaziergang gefreut“, begrüßte er sie herzlich und war bester Laune. Die Schüchternheit machte noch Urlaub.

„Ich auch.“

Wieder streiften sie zusammen durch den Park und unterhielten sich entspannt. Die ganze Nervosität im Vorfeld war verflogen und vergessen. Es tat gut, miteinander zu reden, und es fühlte sich so natürlich an. Da war eine Vertrautheit, die sich durch nichts erklären ließ.

„Darf ich fragen, was mit Ihrem Vater ist? Er kann kaum älter sein als ich.“ Roland hatte immer wieder daran denken müssen, mit welcher Wärme Lara über ihren Vater gesprochen hatte. Die Last, die es für sie und ihre Mutter bedeuten musste, ihn zu Hause zu pflegen, konnte er sich kaum vorstellen.

„Er hatte eine Gehirnblutung vor gut zwei Jahren. Obwohl er sofort operiert wurde und das CT nach Aussage der Ärzte eigentlich keinen Anlass dafür zeigt, ist er nach der Operation nicht mehr zu sich gekommen und liegt im Wachkoma.“

„Über so ein Wachkoma wissen wir medizinisch noch viel zu wenig. Keiner kann sagen, wie viel ein Mensch im Wachkoma mitbekommt“, sagte Roland mit Anteilnahme.

„Meine Mutter und ich können immer wieder beobachten, dass die Augen meines Vaters uns an manchen Tagen folgen. Er liebt die Sonne, und wenn die Sonne zum Fenster hereinscheint, dann wendet er ihr sein Gesicht zu. Wäre er ganz ohne Wahrnehmung der Außenwelt, könnte er das nicht tun. Wir sind sicher, dass er uns hört, und reden ganz normal mit ihm. Wir beziehen ihn in unser Leben ein.“

„Damit tun Sie genau das, was inzwischen auch an vielen Kliniken – vor allem mit Kindern, die im Koma liegen – gemacht wird. Es ist ein ganz neuer Ansatz in der Therapie. Man richtet das Augenmerk nicht mehr darauf, was ein Komapatient nicht mehr kann, sondern achtet auf Anzeichen von verbliebenen oder wiederkehrenden Fähigkeiten und Wahrnehmungen, die dann aktiv gefördert werden“, berichtete Roland, den das Thema Koma schon lange interessierte.

„Für meine Mutter steht fest, dass Papa aufwachen wird. Sie gibt die Hoffnung nicht auf. Ich weiß nicht, ob ich nach zwei Jahren noch daran glaube“, gestand Lara fast beschämt. „Für mich ist es schön, dass Papa noch da ist, ob er nun aufwacht oder nicht. Er gehört zu unserem Leben und …“

Sie musste Tränen verschlucken, die sie sich schon lange verboten hatte zu weinen. Ihr Vater gehörte dazu, und doch war er nicht wirklich bei ihnen. Alles schöne Reden konnte daran nichts ändern. Sie hörte seine Stimme nach wie vor in ihrem Kopf, bezog ihn in ihre Überlegungen ein, aber es war der Vater, den sie vor zwei Jahren verloren hatte, der in ihr sprach. Zwei Jahre an geteiltem Leben fehlten, auch wenn sie das nicht wahrhaben wollte.

Roland musterte sie nachdenklich. Da war so viel Zuneigung und Liebe. Ihr Vater war trotz seiner schlimmen Lage ein reicher Mann. Wie gerne hätte er etwas getan, um Laras Familie zu helfen.

„Wissen Sie vielleicht, in welchem Bereich des Gehirns die Blutung war?“, hakte er nach, weil er gerne mehr wissen wollte.

„Im Kleinhirn. Man hat uns gesagt, dass sein Großhirn eigentlich keinen Schaden genommen hat, und das ist wohl für das Bewusstsein zuständig. Ganz begreife ich das alles nicht. Die Ärzte können uns nicht wirklich erklären, warum Papa nicht aufwacht, aber sie sagen dann immer, dass das menschliche Gehirn noch immer in vielen Bereichen ein Rätsel ist.“

„Die Funktionsweise des Gehirns in seiner Komplexität wird uns immer rätselhaft bleiben, fürchte ich. Und doch ist inzwischen so einiges erforscht. Waren Sie denn schon in der Berling-Klinik? Die neurologische Abteilung dort wird von einer wahren Kapazität geleitet, und wenn es jemanden gibt, der Ihrem Vater helfen kann, dann Doktor Sperber“, regte Roland an.

Er hatte selbst neben Biochemie auch Medizin studiert, war aber nie auf den Gedanken gekommen, als Arzt zu praktizieren. Die Forschung war sein Gebiet. Sich medizinisch dennoch auf dem Laufenden zu halten, das war für ihn aber eine Selbstverständlichkeit. Fachzeitschriften bildeten seine Gutenachtlektüre.

Lara zögerte. Es rührte sie, dass er derart Anteil nahm, und sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen. Andererseits hatten ihre Mutter und sie sich vorgenommen, ihren Vater nicht unnötig zu quälen. Zu Hause fühlte er sich wohl. Was für einen Sinn sollte eine weitere Untersuchung haben? Es bedeutete entsetzlichen Stress für ihn, ins Krankenhaus transportiert zu werden. Lohnte sich dieser Stress?

War es nicht vollkommen gleichgültig, warum ihr Vater im Koma lag? Selbst wenn man die Ursache medizinisch benennen konnte, wachte er davon kaum wieder auf. Seine Ärzte in der Klinik, in der er operiert worden war, und Dr. Maier, der Arzt, der ihn zu Hause betreute, waren sich darin einig, dass man nichts tun konnte.

„Entschuldigen Sie! Ich wollte mich in nichts einmischen“, nahm sich Roland zurück, der ihr Zögern richtig deutete. „Hoffnung kann teuer sein. Hat man mit einer Situation seinen Frieden gemacht und kann damit umgehen, ist das viel wert.“

„Genau wie meine Mutter möchte ich das Beste für meinen Vater. Glauben Sie tatsächlich, dass es Hoffnung gibt?“ Fragend sah sie ihm in die Augen.

„Das kann ich nicht sagen. Falls es Hoffnung geben sollte, wird Doktor Sperber einen Weg finden, Ihren Vater zu behandeln. Er ist gut – verdammt gut. Sollte es keine Hoffnung geben, wird er Ihnen das sagen und Ihren Vater nach den erforderlichen Untersuchungen sofort wieder nach Hause entlassen.“

Lara dachte eine Weile schweigend nach. Hoffnung – ihre Mutter war neunundvierzig Jahre alt und sollte erfüllte und glückliche Jahre mit ihrem Vater verbringen dürfen, anstatt ihn morgens zu waschen und anzukleiden wie eine Puppe und abends an seinem Bett zu sitzen und Selbstgespräche zu führen. Hoffnung war kostbar.

„Ich werde mit meiner Mutter darüber sprechen“, sagte sie schließlich. „Allerdings glaube ich nicht, dass der Arzt meines Vaters ihn anstandslos in die Klinik einweist. Er sieht dafür sicherlich keinen Grund.“

„Doktor Stefan Holl ist ein Kunde von Ihnen genau wie Julia, seine Frau, oder?“

„Ja, aber ich verstehe den Zusammenhang nicht.“

„Doktor Holl ist der Leiter der Berling-Klinik. Ich dachte, Sie wüssten das. Wir sind gut befreundet. Erlauben Sie mir, mit ihm über Ihren Vater zu sprechen?“, bat Roland um Erlaubnis.

„Natürlich!“

Schweigend gingen sie weiter. Lara hätte sich zu gerne an ihn geschmiegt. Sie hielt sich zurück, weil sie ihn nicht erschrecken wollte. Weiter konnten sie ihre Runde nicht mehr ausdehnen. Sie waren schon doppelt so weit gegangen, wie sie es allein zu tun pflegten, und die Zeit des Abschieds war gekommen.

„Morgen um dieselbe Zeit?“, fragte Lara.

„Morgen um dieselbe Zeit!“

Sie verabschiedeten sich mit einem langen Händedruck und machten beide Anstalten, sich zu umarmen, aber dann wagte es doch keiner von ihnen. Mit einem nervösen Lachen winkten sie sich stattdessen noch einmal zu.

***

Noch am selben Abend rief Roland bei Stefan Holl an, um abzuklären, ob die Möglichkeit bestand, Herbert Natusch auf der neurologischen Station der Berling-Klinik noch einmal gründlich zu untersuchen.

„Mit einer Überweisung in die Klinik ist das kein Problem, Roland. Sollte der Hausarzt Einwände haben, rufe ich gerne bei ihm an. Das bekommen wir hin. Was mir mehr Sorgen macht, ist die Tatsache, dass sich Frau und Tochter unter Umständen zu viel davon versprechen. Doktor Sperber kann keine Wunder vollbringen.“

„Das habe ich Lara selbstverständlich gesagt. Es ist auch noch nicht sicher, ob ihre Mutter einem weiteren Krankenhausaufenthalt überhaupt zustimmt. Ich wollte nur wissen, wie du dazu stehst, Stefan.“

„Positiv. Julia hat angedeutet, dass du Frau Natusch kennst. Was für ein Zufall, dass sie dich bei all den Friseursalons, die es in München gibt, gerade zu ihr geschleppt hat“, wechselte Stefan das Thema und hatte keine Ahnung, in welches Wespennest er damit stach.

„Frauen! Hast du gewusst, dass deine bessere Hälfte etwas von einer Kupplerin hat?“, brummte Roland, dem es unbehaglich wurde.

„Haben das nicht alle Frauen? Sie hat mir gar nicht erzählt, dass sie dich unter die Haube bringen möchte. Du musst ihr zugestehen, dass sie zumindest diskret ist“, lachte Stefan.

„Hat sie wirklich nichts erzählt?“, zweifelte Roland.

„Nur dass Frau Natusch und du euch kennt und dass Benny ganz verliebt in ihren Terrier ist. Julia möchte, dass alle, die sie gerne hat, glücklich und zufrieden sind. Da kann sie auch einmal über das Ziel hinausschießen. Nimm es als Kompliment. Sie hat dich sehr gern, sonst würde sie so etwas nicht tun.“

„Danke! Zuerst war ich ganz schön verärgert. Nach Julias Bemerkungen ging ich jeder Begegnung mit Lara aus dem Weg, um in nichts hineinzugeraten“, erzählte Roland und stimmte in das Lachen seines Freundes ein, weil ihm klar war, wie kindisch sein Verhalten gewesen war.

„Und jetzt bist du hineingeraten?“

„Nein! Oder vielleicht doch? Keine Ahnung. Wir treffen uns abends im Park und führen die Hunde aus. Es ist schön. Für mich ist es der Höhepunkt des Tages, auf den ich mich freue.“

„Klingt gut.“

„Ist auch gut. Aber ich bin trotzdem zu alt für sie. Siebzehn Jahre Altersunterschied, und dazu kommt mein lebensfrohes, einnehmendes Wesen – das könnte ich ihr nie antun. Sie ist toll.“

„Du auch! Mach dich nicht ständig klein, Roland.“ Mehr sagte Stefan nicht dazu. Das Mögliche würde geschehen, und was möglich war, bestimmten Roland und Lara.

„Sag Frau Natusch, dass sie sich jederzeit an mich wenden kann, falls es Schwierigkeiten mit der Überweisung gibt. Wenn ihre Mutter und sie eine Untersuchung in der Berling-Klinik wünschen, finden wir einen Weg.“

„Danke, Stefan!“

Roland legte zufrieden auf. Es war ein schönes Gefühl, etwas für Lara tun zu können. Damit war er irgendwie ein Teil ihres Lebens, und auch wenn sein Verstand dagegen war, wollte sein Herz mehr, als nur eine nette Parkbekanntschaft für sie zu sein.

Er war noch nie richtig verliebt gewesen und hatte bisher nur relativ gefühlskalte Affären gehabt, die mehr oder weniger nur seine körperlichen Bedürfnisse gestillt hatten. Etwas anderes hatte sich nicht ergeben. Die Zeit dafür hatte ihm gefehlt. Zumindest redete er sich das als Erklärung ein, weil ihm die Alternative nicht gefiel.

Beziehungen jagten ihm Angst ein. Selbst Freundschaften empfand er oft als ungeheuer anstrengend und mühsam. Daher hatte er so gut wie keine Freunde. Roland war im Internat für Hochbegabte aufgewachsen. Zu seinen Eltern hatte er keine Bindung aufbauen können. Er kannte sie kaum.

Seine besondere Begabung war schon in der ersten Klasse aufgefallen. Man hatte seinen Eltern geraten, ihn auf eine spezielle Schule zu geben, damit er optimal gefördert werden konnte, und das hatten sie getan. Es war ihnen aber nicht gelungen, den inneren Kontakt zu ihm aufrechtzuerhalten. Irgendwann hatte er selbst seine Ferien im Internat verbracht.

Ging es um etwas Intellektuelles, war Roland in seinem Element. Ging es um Gefühle, fühlte er sich heillos überfordert. Er wusste noch genau, wie es gewesen war, als seine Eltern ihn ins Internat brachten und ohne ihn weggefahren waren. Verlassen zu werden tat unendlich weh. Es war besser, alleine zu bleiben. Alleine war man sicher.

Im Umgang mit anderen musste man ständig aufpassen, das Richtige zu sagen und sich richtig zu benehmen. Leider wusste er meistens nicht, was das Richtige war. Menschen waren leicht zu verletzen und für ihn völlig undurchsichtig.

Was er an Stefan und Julia Holl besonders mochte, war, dass sie ihn so sein ließen, wie er war. Sie nahmen ihm nicht übel, wenn er Geburtstage vergaß und sich an Einladungen erinnerte, wenn der Termin verstrichen war. Von ihnen fühlte er sich angenommen.

„Ich mag dich, wie du bist, Roland. Du musst dich nicht so schrecklich anstrengen. Ich mag dich, auch wenn mir manchmal etwas nicht an dir gefällt. Dasselbe gilt hoffentlich auch umgekehrt. Du weißt doch, wie oft ich dich auf die Palme bringe. Magst du mich etwa nicht mehr, nur weil ich dich gerade einmal wieder ärgere?“

Das hatte Julia irgendwann zu ihm gesagt, und seitdem fühlte er sich unbefangen und frei im Umgang mit ihr. Sie war zu seiner Anlaufstelle geworden, wenn er nicht wusste, was jemand gerade von ihm erwartete. Mit ihr sprach er vieles durch und holte sich Rat, weil er sich sicher fühlte.

Konnte es mit Lara ähnlich sein? Würde sie ihn noch gernhaben, wenn sie ihn besser kannte und seine ganzen Mängel offensichtlich wurden? Er wünschte es sich sehr, und zugleich fürchtete er sich davor. War er überhaupt beziehungsfähig? Woher sollte er das denn wissen? Es war absolutes Neuland für ihn.

Während Roland so grübelte, saß Lara mit ihrer Mutter bei einem Glas Wein und berichtete ihr von dem Gespräch und Rolands Vorschlag. Clarissa Natusch hörte es sich ruhig an, und ihre Miene blieb lange verschlossen und ausdruckslos.

„Ihr braucht Monate, um über ein schnödes Hallo hinauszukommen, aber dann legt ihr los, das muss ich euch lassen“, spottete sie nach längerem Schweigen.

„Mama, ich kann verstehen, wenn du das nicht möchtest. Mein erster Impuls war, dass Papa genug gelitten hat und nicht noch einmal durch die Mangel gedreht werden sollte.“

Wieder blieb Clarissa lange still. Sie lauschte in sich hinein. Wollte sie Herbert beschützen oder sich selbst? Diese Frage stellte sie sich.

„Glaubst du, Papa geht es gut, wie es jetzt ist? Wir haben uns daran gewöhnt, ihn einzubeziehen, ohne auf eine Reaktion zu warten. Er gehört zu uns, aber lindern wir sein Leid tatsächlich? Haben wir die geringste Ahnung, wie es ihm geht?“

„Mama, wir können nur unser Bestes geben und ihn lieb haben. Ich wünschte, wir wären in der Lage, mehr für ihn zu tun, aber ich weiß nicht, wie das gehen soll“, rechtfertigte Lara das, was sie taten.

„Falls wir recht haben, Lara, und er oft etwas von uns mitbekommt, wie ist es dann für ihn, nie die Hand nach uns ausstrecken zu können?“

Tränen schimmerten in Clarissas Augen.

„Heute Morgen haben zwei verliebte Tauben auf dem Kirschbaum vor seinem Fenster gesessen und gegurrt. Ich bin sicher, dass er seinen Kopf den Tauben zugewandt hat. Für einen Moment sah ich ihn lächeln. Als ich genauer hinsah, war das Lächeln weg. Hat er gelächelt? Hat er den Kopf den Tauben zugewandt, oder hat er einfach nur den Kopf dorthin gedreht ohne äußeren Reiz?“

„Doktor Maier behauptet zwar, dass wir uns all das nur einbilden, aber ich vertraue meinem Herzen und meinen Augen. Papa bekommt vieles mit. Davon bin ich überzeugt!“, sagte Lara mit großer Entschiedenheit.

„Ich auch, Kind. Genau deshalb müssen wir ihm jede Chance verschaffen, sich aus dem Koma zu befreien. Vielleicht schickt dieser Doktor Sperber ihn nach drei, vier Tagen wieder nach Hause und sagt dasselbe wie Doktor Maier. Das mag sein, und falls es so kommt, müssen wir mit der Enttäuschung umgehen. Aber vielleicht führen die Untersuchungen auch zu neuen Erkenntnissen, und Türen öffnen sich. Wir müssen es zumindest versuchen. Das sind wir deinem Vater schuldig.“

Sie nahmen sich an beiden Händen und saßen lange still beisammen. Hoffnung erforderte Mut. Sie waren froh, nicht alleine zu sein und sich alldem gemeinsam stellen zu können. Am anderen Morgen rief Clarissa bei dem Hausarzt ihres Mannes an, der zweimal im Monat routinemäßig ins Haus kam und nach ihm sah.

„Frau Natusch, ich schreibe Ihnen die Überweisung, aber Hoffnung mache ich Ihnen nicht. Der Zustand Ihres Mannes wird sich nicht auf wundersame Weise ändern“, sagte Dr. Maier, wie Clarissa es nicht anders erwartet hatte.

„Danke für die Überweisung!“

***

„Wir haben einen Termin für die Aufnahme in die Berling-Klinik. Kommenden Montag wird mein Vater in die Klinik gebracht. Professor Schneider, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie …“

„Roland. Wenn Sie mich Professor Schneider nennen, bekomme ich eine Gänsehaut und Frostbeulen. Schön, dass es so schnell klappt! Ich wünsche Ihnen so sehr, dass Doktor Sperber etwas tun kann für Ihren Vater!“, sagte Roland mit großer Herzlichkeit. Seine Freude war echt.

„Lara.“ Sie reichte ihm lächelnd die Hand. „Jetzt haben wir noch einen Grund, einmal zusammen essen zu gehen, findest du nicht auch?“, ergriff sie die Initiative. Er hatte das Thema nicht mehr angesprochen, und sie war relativ sicher, dass er es nur nicht wagte.

„Am Samstagabend?“ Seine Augen leuchteten.

„Sehr gerne!“

Wieder wurde es ein sehr ausgedehnter Spaziergang, und Benny und Candy waren sehr zufrieden mit Herrchen und Frauchen.

„Morgen um dieselbe Zeit?“, rief Roland Lara nach, als sie gehen wollte, ohne die entscheidende Frage zu stellen.

„Morgen um dieselbe Zeit!“

Sie kam noch einmal zurück, und diesmal schaffte sie es, ihn zu umarmen. Es war, als ob eine Wärmewoge sie völlig umschloss und nichts als Wohlbehagen zuließ. Lara hatte sich noch nie so gefühlt und löste sich scheu von ihm. Die Anziehungskraft, die er auf sie hatte, war unglaublich mächtig und verwirrend.

Roland blieb stehen, bis er sie nicht mehr sehen konnte, und vergaß fast, Benny zurückzurufen. Auf dem Weg nach Hause summte er vor sich hin. Er war glücklich. Am Samstag würden sie einen ganzen Abend gemeinsam verbringen. Und wenn sie vermutlich auch nur genau diesen einen Abend haben würden, dann musste es eben der schönste und einmaligste Abend werden, von dem er für den Rest seines Lebens zehren konnte.

Es musste ein unbeschreiblicher Abend werden! Mit dieser Erkenntnis kam die Panik. Wodurch wurde ein Abend für Lara unvergleichlich schön? Wohin sollte er am Samstagabend mit ihr gehen? Auf was kam es bei so einem Date an? Was sollte er anziehen? Worüber sollte er mit ihr reden? Würde es so einfach sein wir im Park mit den Hunden?

Roland ging im Grunde nie aus. Hin und wieder wurde er von einem Kollegen eingeladen, um etwas zu besprechen. Das waren berufliche Essen in Lokalen, die in der Nähe der Uni lagen. Bemerkenswert war keines davon. Nein, dahin konnte er Lara nicht ausführen.

Er selbst holte sich meist in der Mittagspause etwas bei einem Imbiss, der ganz in der Nähe des Labors lag. Bei gutem Wetter drehte er mit Benny eine kleine Runde und aß im Gehen. Abends belegte er sich eine Scheibe Brot und war zufrieden. Essen interessierte ihn nicht sonderlich, und mit den Restaurants in München kannte er sich nicht aus.

„Julia Holl, wenn du mich auslachst oder auch nur einen Ton darüber verlierst, dass du das vorgeschlagen hast, dann lege ich auf und rufe dich nie wieder an!“, drohte er ohne Begrüßung, als Julia das Gespräch annahm.

„Professor Schneider, ich werde mich zu benehmen wissen!“, gelobte sie belustigt. „Was hast du auf dem Herzen? Was habe ich denn Weises vorgeschlagen?“

„Ich wusste, dass du es nicht lassen kannst!“, beschwerte er sich.

„Lege es mir nicht in den Mund, wenn du es nicht hören willst, mein Guter! Noch habe ich keine Ahnung, um was es eigentlich geht“, konterte sie.

„Also, das ist so“, begann er umständlich. „Also, wenn du eine attraktive Frau ausführen wolltest und … Na ja, wenn du wolltest, dass diese Frau sich wohlfühlt und dass es ein schöner Abend wird, den sie nicht vergisst, wohin würdest du mit ihr gehen?“

„Also, ich treffe mich mit meinen attraktiven Freundinnen ganz gerne im Kaffee Hüftgold. Da gönnen wir uns ein Stück Torte und einen Kaffee und tauschen nostalgische Erinnerungen aus, wie es damals war, als wir noch jung und begehrenswert waren und …“

„Julia! Ich lege auf!“

„Tust du nicht, Herr Professor, zumindest nicht, bevor ich dir verraten habe, wohin Stefan mich ausführen müsste, um mein Herz höherschlagen zu lassen“, neckte sie ihn.

„Und wohin müsste Stefan dich ausführen?“

„Wenn du mich so fragst, dann …“, sagte sie gedehnt und überlegte.

„Ist das so schwer?“

„Es muss passen – für den Herren und die Dame. Da liegt die Herausforderung. Um dich glücklich zu machen, müsste ich euch zum nächsten Imbissstand schicken.“

„Was du nicht tun wirst. Leider!“

„Was ich nicht tun werde! Auf keinen Fall! Aber zu vornehm darf es nicht sein, sonst bekommst du mir Atemnot und Platzangst. Wie wäre es mit einem auserlesenen Italiener, der seinen Schwerpunkt auf toskanischen Spezialitäten liegen hat? Er ist gemütlich eingerichtet, hat ein warmes, einladendes Ambiente. Lara war ein paarmal in der Toskana im Urlaub und hat geschwärmt, wie gut das Essen dort ist.“

„Julia, ich liebe dich! Und wo finde ich diesen Italiener?“

„Die Frage ist eher, wie bekommst du so kurzfristig einen Tisch.“

„Kurzfristig? Es ist doch erst Montag. Muss ich da etwa reservieren?“

Julia lachte. Das war typisch Roland.

„Solltest du, ansonsten kannst du am Samstag improvisieren und endest am Ende dann doch am Imbissstand. Was auch wieder witzig wäre, und ich glaube, Lara würde es lustig finden.“

„Aber ich nicht!“, stöhnte Roland. „Warum kann nicht ausnahmsweise mal etwas einfach sein und klappen?“, jammerte er.

„Stefan und ich sind häufig Gäste dort. Ich schaue, was ich erreichen kann, Roland. Hast du eine besondere Uhrzeit im Sinn?“

„Wir wollen zuerst mit den Hunden gehen. Einundzwanzig Uhr wäre gut, oder ist das zu spät?“ Panik klang aus jedem Ton.

„Es wird ein toller Abend werden, den ihr beide nie vergesst!“, beruhigte ihn Julia und versuchte, ernst zu bleiben. „Morgen gebe ich dir Bescheid, ob es mit einem Tisch klappt. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“

„Ja, und das wird dich begeistern, denn du möchtest es seit Jahren, und bisher habe ich mich standhaft geweigert“, kam es kleinlaut.

„Professor Schneider, heißt das, du und ich machen einen Einkaufsbummel und kleiden dich neu ein?“

„Nein, aber das heißt, du und ich machen einen Einkaufsbummel, und du kleidest mich für diesen einen Abend ein.“

„Nein, wenn ich mit dir losziehen soll, dann musst du mir mehr bieten“, pokerte sie.

„Wie viel mehr?“

Sie überlegte. Rolands schmuddeliges Aussehen lag zum Teil daran, dass er es hasste, Kleidung kaufen zu gehen. Fiel eine Jeans auseinander, bestellte er sich irgendwo eine neue, ob sie ihm nun passte oder gut stand, war ihm egal.

„Mein Kompromissvorschlag lautet: Wir kaufen dir etwas, in dem du dich rundum wohlfühlst für euren Abend, eine Ausstattung für den Alltag im Labor und einen schönen Anzug für Besprechungen.“

„Im Labor trage ich immer einen weißen Kittel, und außer ein paar Doktoranden, die andere Sorgen haben als meinen Kleidungsstil, sieht mich niemand. Das mit dem Anzug ist eine vernünftige Sache. Ich kann nicht jedes Mal Stefans Schrank plündern. Das sehe ich ein. Haben wir einen Deal?“

„Deal! Aber sollten wir noch etwas Schönes für dich finden, das gut zu dir passt, ist es mir erlaubt, dich darauf aufmerksam zu machen.“

„Deal!“

„Gut, dann holst du mich am Samstagmorgen um neun Uhr ab“, bestimmte Julia, die wusste, dass er keinen Arbeitstag für einen Einkaufsbummel opfern würde.

Roland schluckte eine ablehnende Antwort gerade noch rechtzeitig hinunter und stimmte zu. Eigentlich hatte er am Samstag wie immer ins Labor fahren und arbeiten wollen, aber irgendwann musste er sich Zeit nehmen, wenn er sich etwas Schönes zum Anziehen für den Abend mit Lara kaufen wollte.