Die besten Ärzte - Sammelband 51 - Katrin Kastell - E-Book

Die besten Ärzte - Sammelband 51 E-Book

Katrin Kastell

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Willkommen zur privaten Sprechstunde in Sachen Liebe!

Sie sind ständig in Bereitschaft, um Leben zu retten. Das macht sie für ihre Patienten zu Helden.
Im Sammelband "Die besten Ärzte" erleben Sie hautnah die aufregende Welt in Weiß zwischen Krankenhausalltag und romantischen Liebesabenteuern. Da ist Herzklopfen garantiert!

Der Sammelband "Die besten Ärzte" ist ein perfektes Angebot für alle, die Geschichten um Ärzte und Ärztinnen, Schwestern und Patienten lieben. Dr. Stefan Frank, Chefarzt Dr. Holl, Notärztin Andrea Bergen - hier bekommen Sie alle! Und das zum günstigen Angebotspreis!

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Chefarzt Dr. Holl 1816: Das Leid der Unfallzeugin
Notärztin Andrea Bergen 1295: Sie schenkte ihm sein Lachen wieder
Dr. Stefan Frank 2249: Kleine Familie, großes Glück
Dr. Karsten Fabian 192: Liebesgeflüster am Heidebach
Der Notarzt 298: Streberin wider Willen

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
Jetzt herunterladen und sofort sparen und lesen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 556

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Katrin Kastell Isabelle Winter Stefan Frank Sybille Nordmann Karin Graf
Die besten Ärzte - Sammelband 51

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2014/2016/2017 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © StockLite / Shutterstock

ISBN: 978-3-7517-4660-1

www.bastei.de

www.sinclair.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Die besten Ärzte - Sammelband 51

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Chefarzt Dr. Holl 1816

Das Leid der Unfallzeugin

Die Notärztin 1295

Sie schenkte ihm sein Lachen wieder

Dr. Stefan Frank 2249

Kleine Familie, großes Glück

Dr. Karsten Fabian - Folge 192

Die wichtigsten Bewohner Altenhagens

Liebesgeflüster am Heidebach

Der Notarzt 298

Streberin wider Willen

Guide

Start Reading

Contents

Das Leid der Unfallzeugin

Sie sah das Unglück kommen und konnte es nicht verhindern

Von Katrin Kastell

Was für ein entzückendes, harmonisches Bild! Versonnen und gleichzeitig ein bisschen wehmütig beobachtet Sandra den attraktiven Mann, der mit seinem süßen Töchterchen aus dem Park kommt. Voller Stolz trägt die Kleine einen knallroten Luftballon in der Hand.

Sandra, die erfolgreiche, aber einsame Anwältin, stellt sich gerade vor, wie schön es doch wäre, eine eigene Familie zu haben, als die Ereignisse sich überschlagen. Die Schnur löst sich von der Hand des Kindes, der rote Luftballon fliegt davon, die Kleine rennt erschrocken los, um ihn zu fangen – und läuft einfach auf die Straße.

„Vorsicht!“, schreit Sandra noch, doch verhindern kann sie Katastrophe nicht. Der Fahrer kann nicht mehr rechtzeitig bremsen, und in der nächsten Sekunde liegt das kleine Mädchen mit verdrehten Gliedern reglos auf der Straße …

„Christl, bitte, tu das nicht! Es ist mein Wochenende mit Maria. Die Kleine und ich freuen uns so darauf. Mach das nicht kaputt! Ich bin doch ihr Papa. Bitte!“, bat Lars Eckbert hilflos und klopfte vergeblich an die Tür des Einfamilienhauses in einem Vorort von München, in dem er selbst vor knapp zwei Jahren noch gewohnt hatte.

Seine kleine Tochter stand im ersten Stock weinend am Fenster ihres Zimmers und klopfte und winkte ängstlich. Sie wollte, dass er blieb. Lars konnte seine geschiedene Frau hinter der Haustür hören, wie sie rasch den Schlüssel umdrehte, damit er nicht unaufgefordert eintreten konnte.

Das war unnötig – er wäre nie ohne ihre Erlaubnis ins Haus gegangen. Damit hätte er sich des Hausfriedensbruches schuldig gemacht. Diesen Gefallen wollte er ihr nicht tun. Er wusste genau, sie hätte es umgehend vor Gericht gegen ihn verwendet. Ihr Verhältnis war inzwischen an einem Punkt angelangt, wo er ihr fast alles zutraute.

Lars Eckbert teilte sich mit seiner geschiedenen Frau das Sorgerecht für seine fünfjährige Tochter. Im ersten Jahr hatte es gut geklappt, und Christl hatte ihm Maria sogar häufiger überlassen, als es vom Gericht bestimmt worden war. Inzwischen hatte sie wieder geheiratet und ging keinem Beruf mehr nach. Seitdem wurde es von Monat zu Monat schwieriger und feindseliger.

Christl hatte Zeit und wollte Maria ganz für sich und ihren zweiten Mann. Sie sah nicht ein, warum Lars nicht einfach von der Bildfläche verschwand. Schließlich wurde er nicht mehr gebraucht und störte ihrer Ansicht nach nur noch. Er brachte Unordnung in ihr Bild einer perfekten, glücklichen Familie. Sie wollte ihn am liebsten ausradieren aus ihrer und Marias Vergangenheit.

„Maria hat einen neuen Papa, der total lieb mit ihr umgeht und den sie mag. Du bringst alles durcheinander. Wenn du sie wirklich so lieb hast, wie du behauptest, dann lass uns in Ruhe und verschwinde!“, hatte sie Lars am Telefon aufgefordert, als er mit ihr hatte absprechen wollen, wann er Maria an diesem Wochenende holen konnte.

„Ich bin ihr Vater, und das werde ich immer bleiben“, hatte er erwidert.

„Du hast sie gezeugt, das macht dich nicht zu ihrem Vater. Klaus liest ihr abends noch etwas vor, damit sie leichter einschlafen kann. Er ist für sie da – jeden Tag. Du holst sie hin und wieder ab, und hinterher ist sie jedes Mal durch den Wind, weil sie nicht verstehen kann, warum du nicht dableibst. Du machst sie traurig!“

„Ich hole sie, sooft ich gerichtlich darf und du es mir erlaubst und …“

„Du gehörst nicht mehr zu ihrem Alltag. Das musst du doch einsehen!“, war Christl laut geworden.

„Du hast dich von mir scheiden lassen wegen Klaus. Du hast unsere Familie auseinandergerissen und jetzt …“, konterte er gereizt, obwohl er im selben Augenblick wusste, wie dumm das war.

Es hatte keinen Sinn, wenn sie sich immer dieselben Vorwürfe an den Kopf warfen. Nichts änderte sich dadurch, und für Maria war es schrecklich, die Feinseligkeiten zwischen ihnen zu spüren. Das Vergangene musste endlich vergangen sein.

„Natürlich! Ich bin die Böse und an allem schuld! Glaub doch, was du willst, du Unschuldslamm!“, schrie sie und geriet wieder wie jedes Mal an diesem Punkt außer sich.

Lars hatte das Gefühl, dieses Gespräch schon unzählige Male geführt zu haben. Immer lief es genau gleich ab und endete damit, dass einer von ihnen einfach auflegte. Es musste doch einen Weg geben, das Muster zu durchbrechen und sich auf einer neuen Basis zu verständigen. Sie brauchten einen Kompromiss, auf dem sie aufbauen konnten.

„Entschuldige! So kommen wir nicht weiter, Christl! Es tut mir leid, dass ich zu oft Überstunden in der Redaktion gemacht habe, anstatt zu euch nach Hause zu kommen. Glaub mir, heute würde ich vieles anders machen und dich nicht mehr so oft mit der Kleinen alleine lassen. Aber dafür ist es zu spät“, versuchte er, ihr entgegenzukommen.

Er war bereit, seinen Teil der Verantwortung für das Scheitern ihrer Beziehung zu übernehmen.

„Aber für Maria kann ich noch der Vater sein, den sie braucht. Ich werde mein Kind nicht einfach im Stich lassen. Maria soll wissen, dass ihr Papa sie lieb hat, immer für sie da ist und dass sie sich auf ihn verlassen kann – immer.“

„Du bist ja so toll!“ Christl hatte höhnisch gelacht. „Ich bin die Ehebrecherin und du bist der Einsichtige, der Verständige, und du bist der beste Papa der Welt. Was habe ich doch für ein Glück, einen Ex wie dich zu haben!“

Sie hatte aufgelegt, ohne ihm noch die Gelegenheit zur Antwort zu geben. Und nun weigerte sie sich, ihm die Tür zu öffnen. Offensichtlich hatte er während des Telefonates einen wunden Punkt getroffen. Er hatte keine Ahnung, was er diesmal wieder falsch gemacht hatte. Reden war nie Christls und seine starke Seite gewesen, nicht einmal, als sie noch verliebt und ein Paar gewesen waren.

Es waren die verzweifelten Tränen seiner Tochter, die Lars veranlassten zu gehen. Er wollte Marias Leiden nicht unnötig verlängern. Hier konnte er nichts ausrichten. Christl würde ihm das Kind nicht geben, und mit jeder Minute, die Maria länger in ihrem Zimmer eingesperrt ausharren musste, wuchs ihr Kummer.

Liebevoll warf er Maria mehrere Kusshände zu und zwang sich, für sie zu lachen und lustige Grimassen zu schneiden. Erst als sich ihre Miene aufhellte und sie sein Lachen erwiderte, stieg Lars in sein Auto und fuhr davon.

Diese Schlacht hatte Christl gewonnen, aber den Krieg gab er nicht verloren. Er war gewillt, um sein Kind zu kämpfen und sein Besuchsrecht notfalls gerichtlich einzuklagen. Maria brauchte ihn. Er war ihr Papa, und sie brauchte ihn, auch wenn ihre Mutter das nicht einsehen wollte.

Sobald er an seinem Schreibtisch in der Redaktion saß, rief er bei seiner Anwältin an. Er hatte ihre private mobile Nummer, und sie nahm ab, obwohl es Samstagmorgen war.

„Herr Eckbert? Es ist Samstag!“, erinnerte sie ihn. „Woher haben Sie überhaupt diese Nummer?“

„Als Journalist hat man seine Quellen“, antwortete er gelassen. „Sie schulden mir etwas!“, erinnerte er sie unverblümt.

Einen Moment sagte sie nichts und wollte ihn in seine Schranken weisen, aber dann überlegte sie es sich. Ihre Kanzlei war in der Öffentlichkeit ziemlich unter Beschuss geraten, obwohl ihr Handeln rechtlich und moralisch korrekt gewesen war. Dank eines sauber recherchierten und fairen Artikels von Lars Eckbert war die Empörung rasch wieder abgeklungen.

„Gut, für heute lasse ich es Ihnen durchgehen. Meine Kanzlei schuldet Ihnen tatsächlich etwas. Streng genommen haben Sie dabei aber nur Ihre Arbeit gemacht“, stellte sie klar.

„Streng genommen könnte man das so sagen“, stimmte er ihr zu.

„Gut, für heute mache ich eine Ausnahme. Aber in Zukunft erwarte ich, dass Sie sich wie jeder andere Klient einen Termin holen und …“

„Das werde ich!“, kürzte Lars ab und erzählte ihr von dem Vorfall, den er eben hinter sich hatte. „Was kann ich tun?“

„Ist es das erste Mal, dass Ihnen Ihre Tochter verweigert wird?“

„Nein. Es ist das zweite Besuchswochenende am Stück. Vor zwei Wochen stand ich vor verschlossener Tür, und es war niemand zu Hause. Die Uhrzeit, zu der ich Maria holen wollte, hatte ich am Abend davor noch einmal telefonisch abgesprochen.“

„Warum haben Sie sich nicht bei mir gemeldet?“

„Christl hat mir erklärt, den Termin vollkommen vergessen zu haben. Eine glatte Lüge, das ist klar. Aber ich dachte, wenn ich es ihr dieses eine Mal durchgehen lasse, kommt sie mir beim nächsten Mal vielleicht entgegen. Falsch gedacht! Ich möchte, dass es für Maria so harmonisch wie möglich abläuft“, gestand er frustriert.

Er war noch immer total aufgewühlt.

„Heute, das war wirklich schrecklich und grausam. Maria war in ihrem Zimmer. Ich nehme an, die Tür war abgeschlossen, denn sie wollte zu mir herunterkommen. Da es nicht ging, stand sie weinend am Fenster. Ich konnte nichts tun, und mir blieb nichts anderes übrig, als zu gehen.“

Lars Stimme wurde rau. Sein Kind litt, und er konnte es nicht beschützen. Das war nahezu unerträglich für ihn.

„Wie kann Christl Maria so etwas antun? Sie hat doch Pädagogik studiert und mit Jugendlichen gearbeitet, die eine schwere Kindheit hatten. Will sie, dass unser kleines Mädchen irgendwann dieselben Probleme hat, sich in die Gesellschaft zu integrieren? Was soll das? Ich begreife es nicht!“, ereiferte er sich, und seine Traurigkeit schlug in Zorn um.

„Herr Eckbert, haben Sie Zeugen für den Vorfall heute?“, fragte die Anwältin sachlich, ohne auf seine Gefühle einzugehen. Für sie gehörte das, was er da erlebte, zum beruflichen Alltag. Viele Paare waren nach der Scheidung nicht in der Lage, ihre persönlichen Differenzen von ihren Kindern fernzuhalten. Die Konflikte wurden leider oft auf dem Rücken der Kinder ausgetragen.

Lars erinnerte sich, seine frühere Nachbarin im Garten gesehen zu haben. Er hatte sich immer gut mir ihr verstanden und ging davon aus, dass sie für ihn aussagen würde.

„Gut, dann kümmere ich mich darum!“, sicherte die Anwältin ihm zu.

***

In den folgenden vier Wochen verhinderte Christl Mayer, dass Lars seine Tochter sah oder auch nur mit ihr telefonierte. Er war froh, als es endlich zu einer Anhörung vor Gericht kam. Dennoch klagte er nur die Einhaltung seines Besuchsrechtes ein und forderte ganz bewusst nicht das volle Sorgerecht für sein Kind.

Maria liebte ihre Mami, und er war überzeugt, dass er ihr schadete, wenn er sie Christl wegnahm. Er wollte einfach nur ein Teil des Lebens seiner Tochter sein dürfen. Im Zentrum stand für ihn die Frage, was gut für Marias Entwicklung war und womit es der Kleinen am besten ging.

„Lars, du wohnst nicht mehr hier, aber ich. Ich muss mit Christl auskommen. Es tut mir leid, was da passiert – vor allem für Maria, aber ich halte mich raus. Ich hoffe, du verstehst das!“, hatte die Nachbarin sich geweigert, eine Aussage zu machen und offiziell angegeben, an dem Tag nichts mitbekommen zu haben.

Zum Glück erwies sich die Aussage als unnötig, denn Christl Mayer stritt nicht ab, ihm das Kind verweigert zu haben. Sie hatte sich für eine völlig andere Strategie entschieden, auf die er nicht vorbereitet war.

„Ich bin selbst zu betroffen, um auch nur darüber reden zu wollen. Mein früherer Mann zwingt mich zu reagieren, obwohl ich lieber geschwiegen hätte. Die Verantwortung für das Wohl meiner Tochter zwingt mich zu handeln“, begann sie mysteriös und wirkte dabei geradezu erschüttert und verstört.

„In welcher Hinsicht stellt Herr Eckbert eine Gefahr für seine Tochter dar?“, wollte die Richterin wissen.

„Ich möchte nicht, dass meine Tochter noch einmal mit ihm alleine ist. Das letzte Mal kam sie mit Blutergüssen am ganzen Körper zurück und hatte eine Wunde an der Stirn, die mit fünf Stichen genäht worden war“, ließ Christl die Bombe platzen.

„Das war ein Unfall auf dem Spielplatz, und meine Exfrau hat selbst gesagt, dass es jedem hätte passieren können – auch ihr!“

Fassungslos sprang Lars auf und schwieg erst, als er den tadelnden Blick der Richterin bemerkte.

„Entschuldigen Sie meine Unbeherrschtheit!“, murmelte er und setzte sich wieder hin. Was Christl da tat, war einfach unerhört und gemein. Sie wusste genau, dass Maria beim Klettern auf dem Spielplatz vom Kletterturm heruntergefallen war. Er hatte nur zwei Schritte entfernt gestanden und sie auffangen wollen, war aber zu langsam gewesen.

„Mein Mann hat mir bei der Übergabe gestanden, dass er abgelenkt war und nicht aufgepasst hat. Er hat sich Vorwürfe gemacht, weil er wusste, dass so etwas nicht passieren darf“, fuhr Christl Mayer fort, ohne in Lars Richtung zu sehen.

Er musste ihre Angaben bestätigen, obwohl er vor verhaltener Entrüstung förmlich bebte. Natürlich hatte er sich Vorwürfe gemacht! Maria hatte schrecklich geweint. Da machte man sich Vorwürfe, ob man nun nachlässig gewesen war oder nicht.

Aber Maria war kein Kleinkind mehr und klagte ihre Freiheiten ein. Sie musste sich erproben dürfen. Da sie oft eher scheu, schüchtern und ängstlich war, hatte sich Lars darüber gefreut, mit welcher Begeisterung sie mit den anderen Kindern geklettert war.

Ja, er hatte gerade geschäftlich telefoniert, als sie den Halt verlor und fiel. In der Redaktion war an dem Wochenende die Hölle los gewesen, und eigentlich hätte er dort sein müssen. Die Zeit mit Maria war ihm wichtiger gewesen. Er hatte das Telefon fallen lassen und war zu seiner Tochter gerannt, aber das zählte anscheinend nicht.

„Überhaupt tun die Besuche bei ihrem Vater Maria nicht gut. Sie ist völlig verändert hinterher, weint viel, und es dauert Tage, bis sie die Alte ist. Ich habe keine Ahnung, was mein Exmann mit ihr anstellt, und möchte mein Kind vor seinem schädlichen und gefährlichen Einfluss beschützen“, fuhr Christl Mayer unerbittlich fort.

„Meine Mandantin fordert zum Kindeswohl das alleinige Sorgerecht!“, beantragte ihre Anwältin.

Lars bekam keine Luft mehr und rang nach Atem. Kannte sie denn keine Grenzen? Er hatte ihr nichts getan. Wie konnte sie nur andeuten, dass er sein Kind misshandeln würde? Wie konnte sie nur!

„Ich würde meinem Kind nie Schaden zufügen und habe Maria noch nie geschlagen oder …“ Lars konnte sich nicht zurückhalten.

„Wenn Sie Ihren Mandanten nicht zum Schweigen anhalten können, werde ich ihn aus dem Saal entfernen lassen“, drohte die Richterin seiner Anwältin, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

Lars setzte sich niedergeschlagen wieder hin. Er fühlte sich als Mann in diesem Gerichtssaal voller Frauen diskriminiert. Maria – sein kleines Mädchen –, was sollte er tun, wenn ihm das Umgangsrecht entzogen wurde? Das Entsetzen ließ ihn in sich zusammensacken.

Es stimmte, dass Klaus Mayer liebevoll mit Maria umging. Das Mädchen sprach nur Gutes über ihn. Hatte Christl etwa recht? War es für Maria unter Umständen besser, wenn er von der Bildfläche verschwand? Sie war noch klein und würde ihn vielleicht bald vergessen.

Tat er seiner Tochter einen Gefallen, wenn er blieb, oder dachte er dabei nur an sich? Lars wusste es nicht. Ein Leben ganz ohne seine Tochter konnte er sich nicht vorstellen. Sie war sein kleines Mädchen und das Wundervollste, an dem er in seinem Leben bisher Anteil hatte. Er war Vater. Konnte es für ein Kind gut sein, wenn der Vater sich in Luft auflöste? Er konnte es nicht glauben.

Die Richterin musterte den Vater prüfend und sah dann die Mutter an, auf deren Gesicht ein triumphierendes Lächeln lag. Sie glaubte sich am Ziel ihrer Wünsche. Mütter, deren Kinder misshandelt und missbraucht wurden, sahen für gewöhnlich anders aus.

„Welche konkreten Anschuldigungen erheben Sie gegen Ihren Exmann?“

Die Frage überraschte Christl. Ihre Anwältin hatte ihr geraten, die vermeintliche körperliche Misshandlung anzugeben, die sich durch Bilder dokumentieren ließ, und ansonsten vage zu bleiben. Das Schlimmste sollte unausgesprochen als Verdacht im Raum stehen.

Nun wusste Christl nicht, was sie Lars am besten noch vorwerfen konnte, damit er als Vater disqualifiziert war. Sie wollte sich keiner direkten Falschaussage vor Gericht schuldig machen, denn das konnte rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

„Er ist kein guter Vater. Das war er nie. Ständig musste er wegen irgendeiner Story für die Zeitung los und hat sich nie um Maria und mich gekümmert. Warum pocht er jetzt derart darauf, sie zu sehen? Das ist doch nur Schikane, weil er mit der Scheidung nicht klarkommt und sich an mir rächen will.“

Ihre Anwältin hätte sie zu gerne zum Schweigen gebracht, aber die vernichtenden Worte waren gesprochen und warfen ein gar zu klares Licht auf die eigentlichen Motive.

„Dann werfen Sie dem Vater Ihrer Tochter vor, dass er sich um sein Kind bemüht und wie ein Vater handelt?“, fasste die Richterin ironisch zusammen.

„Nein! Nein, natürlich nicht!“ Christl begriff ihren Fauxpas und setzte alles daran, den Fehler auszubügeln. „Nein, ich glaube, dass er sie misshandelt und vielleicht sogar missbraucht. Die Kindergärtnerinnen haben gesagt, dass Maria seit der Scheidung stiller geworden ist und ernster. Ich möchte mein Kind vor ihm schützen und …“, ritt sie sich nur tiefer hinein.

Die Richterin stellte noch einige Fragen und klärte problemlos, dass es keinerlei Anhaltspunkte für die schwerwiegenden Anschuldigungen gab. Sie schnaubte verärgert. Sorgerechtsverhandlungen weckten das Übelste in Menschen. Wie oft bekam sie solche Anschuldigungen zu hören, die nur dazu gedacht waren, den Kindsvater zu diffamieren.

Keiner dachte dabei an die Kinder, die wirklich missbraucht wurden und geschützt werden mussten. In der Flut der Falschanschuldigungen und Verleumdungen wurde es immer schwieriger, die ernsten Fälle zu erkennen und den betroffenen Kindern schnell zu helfen.

Anstatt Lars das Umgangsrecht zu entziehen, bestätigte die Richterin es ausdrücklich und machte deutlich, dass es Konsequenzen haben würde, falls die Mutter weiterhin versuchte, die Begegnungen zwischen Vater und Tochter zu boykottieren.

Lars Eckbert war so überrascht und dankbar, dass er die ältere Frau in der Robe zu gerne umarmt hätte. Christl Mayer dagegen verließ den Gerichtssaal mit wütender, verkniffener Miene und warf ihrem Exmann hasserfüllte Blicke zu.

„Wiegen Sie sich nicht in falscher Sicherheit!“, warnte seine Anwältin. „Ihre frühere Frau wird weiterhin Mittel und Wege suchen, um Ihnen Ihr Kind ganz zu entziehen. Die einzig wirklich gute Lösung für alle Beteiligten wäre eine Aussprache und harmonische Annäherung. Sie waren schließlich einmal ein Paar.“

„Glauben Sie mir, das habe ich immer wieder versucht. Es endet nur im Streit. Christl kann mir nicht verzeihen. Nachdem sie mich für ihren jetzigen Mann aus dem Haus geworfen und die Scheidung eingereicht hatte, kam es zwischen den beiden zum Streit. Sie waren für eine Weile getrennt, und Christl stand allein da“, erzählte Lars.

Sie könne nicht alleine sein, fuhr er fort.

„Das konnte sie noch nie. Es gab immer einen Mann in ihrem Leben. Sie wollte, dass ich wieder ins Haus zog, und erwartete, dass wir weitermachten wie zuvor. Ich konnte das nicht. Ich … für mich war keine Vertrauensbasis mehr da. Na ja, mein Nein hat sie so wütend auf mich werden lassen. Nach der Scheidung hat sie so schnell wie möglich wieder geheiratet, und seitdem wird es immer schlimmer.“

Die Anwältin nickte verstehend, ohne näher darauf einzugehen.

„Versuchen Sie dennoch eine friedliche Lösung zu erreichen!“, riet sie dem geschiedenen Paar. „Maria liebt sie beide. Sie sollten Ihren Konflikt nicht auf dem Rücken Ihrer Tochter austragen.“

„Wem sagen Sie das?“, stöhnte Lars. „Ich werde mich weiterhin bemühen!“

***

„Frau Langer, dann sehen wir uns Anfang September! Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.“ Dr. Manuel Pfeiffer reichte der jungen Anwältin für internationales Wirtschaftsrecht die Hand, die er eben eingestellt hatte.

„Danke! Ich freue mich auch sehr!“ Sandra Langer musste sich beherrschen, um ihren Jubel und ihre Freude nicht gar zu deutlich zu zeigen. Sie hatte es geschafft! Endlich! Nun konnte sie ihre Stelle bei Thorsten kündigen und ein neues Leben beginnen.

Nach den vergangenen zwei Jahren kamen ihr die drei Monate Kündigungsfrist, von denen sie vier Wochen über ihren Urlaub abdecken konnte, wie ein Kinderspiel vor. Das schaffte sie jetzt auch noch. Ihre Leidenszeit hatte bald ein Ende!

Sandra erinnerte sich noch gut, mit welchen Erwartungen sie nach ihrem Studium in der renommierten Kanzlei von Dr. Thorsten Kuhn angefangen hatte. Das Glücksgefühl, als kurz nach ihrem Vorstellungsgespräch damals die Zusage gekommen war, ließ sich kaum beschreiben.

Was war schiefgegangen? Hätte sich der Schrecken verhindern lassen? Im Nachhinein war sie überzeugt, dass ihr eine Warnung von Seiten ihrer Kollegen geholfen hätte. Ob sie sich in der Tat nicht in Thorsten verliebt hätte, wenn sie gewarnt gewesen wäre, konnte sie letztendlich aber nicht sagen.

Thorsten war Mitte vierzig und ein attraktiver Mann, für den neben seinem guten Aussehen, seinem Erfolg und seinem Reichtum vor allem auch sein liebenswürdiger Charme sprach. Es war schwer, ihm etwas abzuschlagen. Von Sandras erstem Tag in der Kanzlei an hatte er um sie geworben.

Hatte sie es ihm zu leichtgemacht? Sie wusste es nicht. Die ersten Einladungen hatte sie ausgeschlagen, weil sie sich unter keinen Umständen mit ihrem Chef hatte einlassen wollen. Irgendwann hatte sie Ja gesagt und sich in ihn verliebt.

Sechs Monate lang war sie seine Favoritin gewesen, und er hatte sie überallhin mitgenommen. Sie hatte hauptsächlich bei ihm gewohnt und war sicher gewesen, dass sie für immer zusammenbleiben würden. Für sie war er der Mann gewesen, den sie heiraten und mit dem sie irgendwann eine Familie gründen wollte.

Und dann war es von einem Tag auf den anderen vorbei gewesen. Eine neue Favoritin war gekürt worden, ohne dass Sandra etwas davon mitbekommen hatte.

„Es war schön mit dir, Sandra. Wir sind erwachsene Menschen, oder? Da sollte es in der Kanzlei keine Schwierigkeiten geben, hoffe ich, aber du kannst natürlich gerne gehen. Wir sind noch in der Probezeit und …“, hatte er nach einem gemeinsamen Abendessen erklärt.

Sandra war aus allen Wolken gefallen. Sie hatte ihn mit Fragen bestürmt, was sie denn getan habe?

„Ich liebe dich, Thorsten. Wenn ich dich verletzt habe, dann verzeih! Ich …“

„Aber nein, Liebes! Du warst wundervoll, und wir hatten viel Spaß, aber was hast du denn gedacht? Du bist doch wohl nicht davon ausgegangen, dass wir alt und grau zusammen werden? Ich bin kein Mann für feste Beziehungen. Das muss dir doch von Anfang an klar gewesen sein!“

„Das war es nicht. Warum hast du mir das nicht vorher gesagt? Ich hätte mich nie auf eine Affäre mit dir eingelassen unter diesen Bedingungen.“

Er hatte nur die Schultern gezuckt und sie in ihre eigene Wohnung gefahren. Höflich nahm er ihr den Schlüssel zu seinem Haus wieder ab, dann holte er eine Tasche mit Sachen aus dem Kofferraum, die sie im Lauf der Zeit bei ihm gelassen hatte.

Das war die größte Demütigung gewesen. Er hatte die Sachen vor dem Abendessen hinter ihrem Rücken zusammengepackt und alles genau geplant. Wie kaltherzig und berechnend musste man sein, um so handeln zu können? Während des Abendessens war er genau wie immer gewesen und hatte doch gewusst, dass er sie anschließend abservieren würde.

„Mach’s gut! Du bist eine tolle Frau“, meinte er noch und fuhr davon.

Sandra war noch nie so schäbig behandelt worden und fühlte sich einfach nur benutzt. Sie hatte das Wochenende weinend im Bett verbracht, aber am Montag war sie mit einer dicken Schicht Schminke im Gesicht zur Arbeit gegangen, als sei nichts gewesen.

Verließ sie ihre erste Stelle direkt nach dem zweiten juristischen Examen in der Probezeit, blieb das an ihr haften und ließ sich nicht mehr aus ihrem Lebenslauf entfernen. Kanzleien, bei denen sie sich bewarb, würden nicht danach fragen, ob Dr. Thorsten Kuhn mit ihren Gefühlen gespielt habe. Sie würden bei dem anerkannten Kollegen anrufen und ihn fragen, warum er sie nicht übernommen hatte.

Sandra war zutiefst verletzt und hatte keine Ahnung, ob sie irgendwann noch einmal in der Lage sein würde, einem Mann zu vertrauen. Damit musste sie irgendwie umgehen und der Zeit die Möglichkeit zugestehen, ihre Wunden zu heilen. Aber sie wollte Thorsten nicht auch noch den Triumph gönnen, sie beruflich ausgebremst und zerstört zu haben. Sie blieb in seiner Kanzlei.

In den folgenden zwei Jahren hatte sie sich nichts anmerken lassen und war ihm mit professioneller Freundlichkeit begegnet. Fast jeden Tag hatte sie ihn gesehen, Fälle mit ihm besprochen oder mit ihm vor Gericht gestanden. Über ihre Lippen war kein persönliches Wort gekommen, das sich auf die gemeinsame Zeit bezog.

Niemand konnte ahnen, wie weh ihr dabei oft ums Herz gewesen war. Sie sah die Favoritinnen kommen und gehen und musste begreifen, dass sie nur eine von vielen gewesen war. Die Liebesgeschichte, die sie erlebt zu haben glaubte, war kaum mehr als ein Konstrukt ihrer Fantasie gewesen.

Wie sollte sie sich selbst und ihren Gefühlen noch vertrauen? Sandra war einsam und sehnte sich nach einem Gefährten, aber wenn ihr ein Mann sympathisch war, zog sie sich instinktiv in ihr Schneckenhaus zurück. Woher sollte sie wissen, ob er nicht genau wie Thorsten war? Das Risiko war ihr zu hoch.

Mit der Einsamkeit ließ sich leben. Es war nicht schön, abends alleine zu sitzen und niemanden zum Kuscheln zu haben, aber man gewöhnte sich daran. Falschheit, Lüge und Betrug dagegen waren unerträglich. Damit wollte sie nie wieder in ihrem Leben etwas zu tun haben, selbst wenn sie den Preis dafür zahlen musste, allein zu bleiben.

Beruflich zahlte es sich aus, dass sie keine Ablenkungen in ihrem Leben hatte und sich voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren konnte. Sie arbeitete sich in der Kanzlei kontinuierlich und schnell hoch und sammelte Erfahrungen, die sie zu einer außergewöhnlich guten und qualifizierten Anwältin machten.

Ihr Name hatte inzwischen einen guten Klang in Berufskreisen. Sandra gehörte zu den Besten in Thorstens Anwaltsteam und zog Klienten an. Dr. Pfeiffer hatte sich glücklich geschätzt, als sie ihn gefragt hatte, ob sie in seiner Kanzlei willkommen sei.

Sie freute sich darauf, Thorsten ihre Kündigung zu überreichen. Zweimal hatte er sich ihr noch sexuell genähert und angedeutet, dass er nichts gegen eine unverbindliche Fortsetzung ihrer Beziehung einzuwenden gehabt hätte. Sandra hatte ihn elegant zurückgewiesen, aber in ihr hatte es gekocht und gebrodelt. Offenbar war ihm überhaupt nicht klar, wie weh er ihr getan hatte.

Und nun konnte sie sich revanchieren. Er hatte ihr wichtige Klienten übertragen und angefangen, sich auf sie zu verlassen. Nun, er würde lernen, ohne sie auszukommen. Jeder war zu ersetzen, auch sie. Das Problem war ihr besonders herzlicher Kontakt zu wichtigen Großklienten.

Fürs Erste würden die Klienten natürlich bei Thorsten bleiben, aber sobald es zu neuen Rechtsfällen kam, standen die Chancen gut, dass einige die Kanzlei wechselten, um weiterhin mit Sandra zu arbeiten. Das würde Thorsten da treffen, wo er sensibel war – beim Geld.

Sandra fühlte sich so leicht und froh wie schon lange nicht mehr, als sie ihren Wagen am Straßenrand parkte. Es war Sommer und ein strahlender Tag. Sie wollte ein paar Schritte durch den Park gehen und sich zur Feier des Tages ein Eis gönnen.

An diesem Nachmittag hatte sie keine Termine mit Klienten mehr, und es zog sie nicht an ihren Schreibtisch, obwohl sich die Arbeit wie eigentlich immer darauf häufte. Ein neuer, leichterer Lebensabschnitt begann, und sie freute sich darauf, Thorsten und alles, was mit ihm zusammenhing, hinter sich zu lassen.

***

Da sah sie einen Vater mit seiner vielleicht fünfjährigen Tochter aus dem Park kommen. Sie gingen Hand in Hand. Das kleine Mädchen hielt einen roten Luftballon an einer Schnur in seiner freien Hand und strahlte über das ganze Gesicht vor Zufriedenheit und Freude. Lachend sah es zum Vater auf und redete unverwandt auf ihn ein.

Man sah dem Mann an, wie sehr er es genoss, so angehimmelt und bewundert zu werden von seinem Kind. Die beiden lachten und schlenderten langsam auf Sandras parkenden Wagen zu, ganz in ihre eigene kleine Welt vertieft. Es war ein Familienglück zum Greifen und schön anzusehen.

Sandra konnte den Blick nicht wenden. Genauso hatte sie sich ihre Familie immer erträumt. Sie war davon ausgegangen, einmal einen Mann und Kinder zu haben. Das heimelige Glück von Vater und Tochter erinnerte sie an das, was sie aus Schmerz über die erlebte Enttäuschung tief in sich verdrängt hatte.

War Thorsten es wert, dass es in ihrem Leben nie solche Geborgenheit und Liebe geben sollte? Er hatte egoistisch und gedankenlos mit ihr gespielt und sie einfach fallen lassen, als er genug von ihr gehabt hatte. Das war nicht schön, und es hatte höllisch wehgetan. Aber durfte das ihr ganzes Leben bestimmen?

Sie hatte Thorsten für ihre große Liebe gehalten, und es hatte gedauert, bis sie erkannt hatte, was für ein mieser, unreifer Mensch er in Wahrheit war. Monatelang hatte Sandra ihm heimlich nachgeweint und immer wieder Entschuldigungen für ihn gesucht. Sie war eifersüchtig auf ihre Nachfolgerinnen gewesen und hatte ihnen nichts Gutes gewünscht. Als ob diese Frauen, denen er dasselbe antat wie ihr, verantwortlich gewesen wären für seine Charakterlosigkeit.

Und nun? Was war aus der großen, unsterblichen Liebe geworden? Sandra empfand nichts als kühle Gleichgültigkeit für Thorsten. Sie freute sich darauf, nie wieder etwas mit ihm zu tun zu haben. Als Anwalt war er brillant, und sie hatte viel von ihm gelernt. Als Mensch fand sie ihn geradezu erbärmlich.

Jede Schwärmerei, jedes Gefühl für ihn war erloschen. Sie sah ihn mit nüchterner Klarheit und war ihm dankbar, dass er sie vor einem Leben an seiner Seite bewahrt hatte. Mit so einem Menschen hätte sie keine Kinder haben wollen. Letztendlich hatte er ihr eine bittere Lektion erteilt, aber es hätte schlimmer kommen und er hätte bei ihr bleiben können.

Vater und Tochter waren nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt, als Sandra beschloss, sich dem Leben wieder zu öffnen. Falls ihr ein Mann begegnete, der ihr Herz berühren konnte, wollte sie ihm eine Chance geben. Sie wollte wieder davon träumen, an der Seite eines liebevollen Gefährten glücklich zu sein.

Da blieb der Vater stehen. Er hielt seine Tochter weiter an der Hand, nahm aber mit der anderen Hand sein Smartphone aus der Tasche. Die Kleine zog an seiner Hand und wollte weiter, aber er unterhielt sich mit seinem Anrufer. Er sagte etwas zu der Kleinen, bat sie vermutlich um Geduld.

Sandra ahnte, dass er ihr ein Eis versprochen hatte. Nur knappe fünfzig Meter entfernt gab es einen Eisstand, an dem auch sie sich ein paar Kugeln Eis kaufen wollte. So knapp vor dem ersehnten Ziel konnte das Kind es nicht erwarten und zog und zerrte ungnädig.

Sandra schmunzelte. So schnell konnte es gehen, und mit der Idylle war es vorbei. Jeden Augenblick würde das Kind anfangen, vor Zorn und Enttäuschung zu weinen. Die Schattenseiten gehörten eben auch zum Leben. Sie nahm ihre Handtasche vom Beifahrersitz und schickte sich eben an auszusteigen, als sich die Ereignisse überschlugen.

In seiner Verärgerung hatte das kleine Mädchen den Luftballon nicht mehr festgehalten. Als die Kleine es bemerkte, griff sie sofort nach der Schnur, aber es war schon zu spät.

„Mein Ballon!“

Sandra konnte den Aufschrei hören, und sie hätte genau wie der Vater reagiert. Er ließ die Hand seiner Tochter los, um den Luftballon zu fangen. Das gelang ihm nicht. Der Ballon war bereits zu hoch gestiegen und außerhalb seiner Reichweite.

„Schatz, wir kaufen dir einen neuen!“, versprach er und wollte seine Tochter trösten.

Sandra hörte es und lächelte, und dann folgte sie dem Blick des Mädchens und wusste Sekundenbruchteile, bevor es geschah, was gleich geschehen würde. Die Straße am Rande des Parks war auf 30 km/h begrenzt. Sie war keine Hauptverkehrsader, aber trotzdem relativ stark befahren, und nicht alle Autofahrer hielten sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung.

Sandra sah den Wagen kommen. Er fuhr langsam, registrierte sie, während sie schon losrannte. Sie musste es schaffen! Sie musste die Kleine am Arm packen, bevor sie auf die Straße rennen konnte! Es waren keine drei Meter, die sie noch von dem Kind trennten.

„Vorsicht!“, schrie sie dem verdutzten Vater zu, der gar nicht begriff, was los war, und sie nur fragend ansah.

„Bleib stehen!“, befahl sie der Kleinen, aber das Kind sah nur seinen Ballon, den es unter keinen Umständen verlieren wollte.

Weder Sandra noch dem Vater gelang es, das Mädchen rechtzeitig zu halten. Die Kleine rannte zwischen den parkenden Fahrzeugen hindurch hinter ihrem Ballon her auf die Straße, ohne nach rechts oder links zu sehen. Bremsen quietschten. Das metallene Krachen ertönte, wenn Metall auf Metall prallte.

Im Handumdrehen waren zwei Autos in den Unfall verwickelt, aber all das interessierte Sandra nicht. Sie sah nur den kleinen Körper, der seltsam verkrümmt auf der Straße lag und sich nicht mehr regte. Starr vor Entsetzen stand der Vater bei seinem Kind.

„Rufen Sie den Notarzt!“, wies Sandra ihn an und beugte sich über das Mädchen. Es atmete nicht.

Sandra hatte sich ihr Studium damit finanziert, immer wieder für das Rote Kreuz als Notfallhelferin zu arbeiten. Sie war an den Wochenenden mit ihrer Notfalltasche losgezogen und auf Festen und Veranstaltungen sofort zur Stelle gewesen, wenn ein Besucher Hilfe brauchte. Erste Hilfe zu leisten, das war für sie Routine.

Ohne zu zögern, begann sie mit einer Herzmassage und einer Mund-zu-Mund-Beatmung. Sie sorgte dafür, dass Gehirn und Organe des Kindes weiterhin mit Sauerstoff versorgt wurden, und konnte nur hoffen, dass der Rettungswagen bald eintraf.

Ihr Befehl hatte den Vater aus seiner Starre gerissen, und er wählte den Notruf, dann kniete er sich neben seinem Kind nieder. Es war alles viel zu schnell gegangen, und er hatte noch nicht ganz erfasst, dass es nicht nur ein schrecklicher Albtraum war.

„Maria, Liebling! Es tut mir so leid! Maria, bitte, du musst gesund werden! Bitte!“, flehte er verzweifelt, als ihm das ganze Ausmaß der Tragödie bewusst wurde.

„Ich habe das Kind nicht gesehen. Ich habe es nicht gesehen. Es tauchte plötzlich zwischen den parkenden Fahrzeugen auf und sprang direkt vor mir auf die Straße. Ich habe es nicht gesehen“, wiederholte der ältere Autofahrer, der unter Schock stand.

„Warum sind Sie so gerast? Begrenzung auf 30 km/h. Hätten Sie sich daran gehalten, würde das Kind noch leben!“, griff ihn eine Passantin an, als ob sie gesehen hätte, dass er tatsächlich zu schnell gefahren war.

Inzwischen war die Umfallstelle von einer Schar Menschen umstellt, die nicht daran dachten weiterzugehen. Entsetzt, aber auch vom Entsetzlichen fasziniert und angezogen, standen die Leute herum und bildeten einen derart engen Kreis, dass jemand über Sandras Beine stolperte. Dabei trat er ihr schmerzhaft ins Schienbein und warf sie fast nach vorne auf das Kind.

Viele hatten ihr Smartphone gezückt und versuchten, den Unfall zu filmen, um ihn zu posten. Natürlich wollte jeder Aufnahmen von dem kleinen Mädchen und drängte nach vorne, um eine bessere Sicht zu haben. Jeder wollte der Erste sein, der Bilder ans Netz lieferte. Ein Wettkampf unter den Schaulustigen war entbrannt und ließ die Leute noch rücksichtsloser schieben und stoßen.

„Lassen Sie mir gefälligst Platz!“, schrie Sandra und hörte nicht auf mit der lebenserhaltenden Massage, obwohl ihr Bein extrem schmerzte. Sie durfte nicht aus dem Rhythmus kommen, damit das Gehirn des Mädchens keinen Schaden nahm.

Der Vater versuchte, die Leute auf Abstand zu bringen, aber es drängten nur immer mehr heran. Die Aufmerksamkeit der Schaulustigen wandte sich nach der Bemerkung der Passantin dem vermeintlich Schuldigen zu. Auch um ihn wurde der Kreis enger und enger.

Er bekam wüste Beschimpfungen zu hören. Man zerrte an seiner Kleidung, schubste ihn, drohte ihm mit der Faust. Er wich rückwärts vor der feindseligen Menge zurück, bis die Motorhaube seines Wagens jede weitere Flucht unmöglich machte und ihn stoppte.

„Ich bin nicht zu schnell gefahren. Ich habe das Kind nicht gesehen!“, rechtfertigte er sich immer wieder, aber das wollte keiner hören. Das Urteil der Menge war gefällt, und die Leute überhäuften ihn mit wütenden Vorwürfen.

„Der Mann sagt die Wahrheit. Ich fuhr viel zu dicht bei ihm auf, weil er mir zu langsam fuhr. Sein Auto fuhr keine 30km/h“, warf der Fahrer des zweiten Unfallwagens mutig ein, aber auch das wollte keiner hören, und der Unmut der Menge richtete sich nun auch gegen ihn.

Sandra brach der Schweiß aus allen Poren. Die Massage war anstrengend, und die wütende, gewaltbereite Menschenmenge, die ihr dabei immer enger auf den Leib rückte, machte es nicht leichter durchzuhalten.

„Gehen Sie endlich ein paar Schritte zurück!“, verlor der Vater die Beherrschung und war nahe daran, auf die Menge loszugehen. „Das ist meine Tochter, die da liegt. Lassen Sie der Frau Raum, um meiner Tochter das Leben zu retten! Gehen Sie gefälligst zurück!“, forderte er die Leute auf.

Niemand achtete auf ihn. Der Unfallfahrer war Anfang achtzig. Er wusste, dass er nichts falsch gemacht hatte, und doch fühlte er sich schuldig und verantwortlich. Die aggressiven Menschen jagten ihm zusätzlich Angst ein, und das war zu viel für sein Herz.

„Ich … ich wollte …“ Mit diesen Worten sackte er in dem Moment, als der Rettungswagen eintraf, in sich zusammen.

Sandra kümmerte sich um das Mädchen, bis der Notarzt übernahm. Auch Notarzt und Sanitätern gelang es nicht, die Menge auf Abstand zu bringen und zu zerstreuen. Die Helfer konnten sich gerade genug Raum erkämpfen, um ihre Arbeit tun zu können, und kostbare Sekunden gingen dabei verloren.

Erst als die Polizei am Unfallort eintraf, wurde es besser. Bis dahin kursierten im Internet bereits mehrere Fassungen des Vorfalles. Es war eine teuer ertrotzte Information, die keinem nutzte und die nur Augenblicke, nachdem sie gepostet worden war, schon wieder jegliche Bedeutung verlor.

Mit Blaulicht und Sirene wurden Maria Eckbert und der Unfallfahrer in die Berling-Klinik gebracht. Lars Eckbert begleitete sein Kind im Rettungswagen. Ihm blieb nicht einmal mehr die Zeit, sich bei der mutigen Helferin zu bedanken. Aber das Bild, wie sie versucht hatte, Maria wiederzubeleben, das hatte sich ihm für immer ins Herz gebrannt.

***

„Ihre Tochter hat starke innere Blutungen. Die Milz ist auf jeden Fall verletzt und hat einen Riss. Wir werden versuchen, sie zu retten. Wie stark die Verletzungen der anderen Organe sind, können wir erst wirklich sehen, wenn wir operieren. Nieren und Leber sind betroffen. Ihre Tochter muss sofort in den OP!“, erklärte der Kinderchirurg Lars Eckbert, der von dem Notarzt der Berling-Klinik umgehend hinzugezogen worden war.

„Sie wird es doch schaffen? Maria wird es schaffen? Bitte! Sie ist doch erst fünf!“ Lars konnte seine Angst kaum beherrschen. Milz, Nieren, Leber – wie hatte das nur passieren können? Warum hatte er ihre kleine Hand losgelassen? „Maria kann auch ohne Milz leben, oder?“

Er brauchte etwas, an dem er sich festhalten konnte. Wenn es hauptsächlich die Milz war, dann würde doch alles wieder gut werden, oder? Es musste gut werden! Während der Fahrt zur Klinik war Maria kurz zu sich gekommen und hatte bitterlich geweint.

„Papa, es tut so weh! Mach, dass es aufhört! Papa, hilf mir!“, hatte sie gebettelt.

Lars hätte alles dafür getan, um den Platz mit seinem Kind tauschen zu können und selbst körperliche Schmerzen zu erleiden. Wie hatte das nur passieren können? Gerade waren sie noch glücklich gewesen und Hand in Hand durch den Park geschlendert. Gerade war die Welt noch in Ordnung gewesen, und im nächsten Moment war die Katastrophe geschehen.

Es war das erste Mal seit der Gerichtsverhandlung, dass er Maria bei sich hatte. Fast drei Monate hatten sie keine Zeit miteinander verbracht, und jede Minute mit der Kleinen war für Lars ein Fest, obwohl er sie schon am nächsten Wochenende wieder haben durfte. Maria war so ausgelassen und fröhlich gewesen wie selten. Vater und Tochter hatten ihr Wiedersehen gefeiert.

Die Hälfte der Ferien, ein Nachmittag in der Woche und jedes zweite Wochenende – wie froh hatte Lars die Aussicht gemacht, seine Kleine so oft sehen zu können. Nun wünschte er, Maria wäre sicher und wohlbehalten bei ihrer Mutter gewesen.

Warum hatte er den Anruf aus der Redaktion angenommen? Warum nur? Der Nachmittag hatte doch nur Maria und ihm gehören sollen! Warum hatte er das Handy nicht ausgeschaltet oder sein Klingeln ignoriert? Es hatte sich nur um eine unwichtige Kleinigkeit gehandelt, die sich auch ohne ihn hätte regeln lassen. Beim Layout hatte einer seiner Artikel gefehlt.

Das passierte öfter. Irgendwann tauchte die vermisste Datei dann doch immer auf. Er hätte nur sein Handy ignorieren müssen, dann wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Christl hatte recht. Er war kein guter Vater. Er hatte versagt. Er war schuld, wenn Maria starb. Er war schuld, wenn sein kleines Mädchen nie erwachsen wurde. Wie sollte er mit dieser Schuld leben?

„Herr Eckbert, wir brauchen Ihre Unterschrift, dass Sie dem Eingriff zustimmen. Ich werde alles tun, um die Milz Ihrer Tochter zu retten. Maria kann ohne Milz leben, aber ihre Immunabwehr wäre dadurch stark beeinträchtigt“, beantwortete der Chirurg seine Frage, während er mit der Liege des Mädchens bereits auf dem Weg zur Chirurgischen Station war, wo gerade ein OP-Saal geöffnet wurde und das OP-Team bereitstand.

Jede Sekunde zählte. Der Zustand des Kindes war äußerst kritisch, und noch konnte der Chirurg nicht sagen, ob Maria Eckbert überleben würde. Allein die Verletzungen im Bauchraum waren äußerst ernst und konnten durch den extremen Blutverlust dazu führen, dass der Kreislauf des Kindes zusammenbrach und das Herz aussetzte.

Dazu kamen aber weitere Risiken, die sich nicht einschätzen ließen. Es war ein CT des Kopfes gemacht worden, um eine Gehirnblutung auszuschließen. Zum Glück schien das Kind nur eine schwere Gehirnerschütterung zu haben. Aber auch wenn es bisher noch zu keiner Blutung gekommen war, konnte diese jederzeit einsetzen.

Lars unterschrieb das Formular im Gehen, und dann sah er, wie die Liege in einen der OPs geschoben wurde, während er vor der Glastür zurückbleiben musste, die zur Chirurgischen Abteilung führte. Er hatte sich noch nie in seinem Leben so hilflos und verloren gefühlt. Eine Welt ohne Maria konnte es für ihn nicht mehr geben.

„Du hast mir mein Kind genommen! Du hast sie mir weggenommen! Dafür verfluche ich dich! Ich wusste, dass ich sie nicht mehr zu dir lassen darf und dass du uns Unglück bringst. Ich wusste es!“ Kreischend stürzte sich Christl Mayer auf Lars, als sie kam, und schlug mit aller Wucht mit ihren Fäusten auf ihn ein.

Sie traf vor allem seinen Oberkörper, aber auch sein Gesicht. Lars’ Unterlippe platzte auf, und auch seine Nase blutete. Er wehrte sich nicht, verteidigte sich nicht und ließ sie zuschlagen. Klaus Mayer war es, der seine Frau von hinten umfasste und sie von Lars wegzog.

„Liebling, du musst dich beruhigen! Alles wird gut! Alles wird wieder gut! Maria ist ein starkes, kleines Mädchen. Sie schafft das!“, redete er seiner Frau zu und warf Lars über ihren Kopf hinweg einen um Verzeihung bittenden Blick zu.

Die Männer waren einmal Freunde gewesen. Sie hatten ihre Kindheit miteinander verbracht, beide Fußball gespielt, dieselbe Musik gehört, und dann hatten sie leider irgendwann auch dieselbe Frau begehrt. Das war das Ende ihrer Freundschaft gewesen.

Seit Christl sich wegen Klaus von Lars getrennt hatte, war zwischen den Männern kein Wort mehr gefallen. Klaus hatte es mehr als einmal probieren wollen, aber er kannte seinen Freund und wusste, dass es keinen Sinn hatte. Lars mochte Christl irgendwann verzeihen können, dass sie ihn betrogen hatte, aber nicht ihm. Er hatte niemandem in seinem Leben je so vertraut wie ihm.

Lars nickte ihm knapp zu, ohne ihn dabei anzusehen, dann ging er zur Toilette, um sich das Blut aus dem Gesicht zu waschen. Christls Schläge hatten ihm irgendwie gutgetan. Am liebsten hätte er selbst weiter auf sich eingeprügelt. Der körperliche Schmerz machte den seelischen Schmerz erträglicher.

„Du hast mein Kind auf dem Gewissen!“, rief Christl ihm schluchzend nach. Sie lag in Klaus’ Armen und weinte hemmungslos.

„Maria lebt noch, Christl“, hörte er Klaus beruhigend murmeln. „Unsere Kleine ist noch bei uns, und sie wird es schaffen! Sie braucht uns jetzt mehr denn je. Sie braucht unser Vertrauen und unseren Glauben an sie. Sie braucht unsere Liebe. Maria kämpft für uns, und wir müssen an sie glauben und ihr starke, positive Gedanken schicken!“ Es war wie eine Beschwörung.

Als Lars vor dem Spiegel im Waschraum stand, hörte er diese Worte wieder und wieder. Klaus ging es nicht darum, wer an dem Unfall schuld war. Weder Christls rasende Rachegelüste noch seine eigenen Schuldgefühle interessierten Klaus. Ihm ging es allein darum, dass Maria wieder gesund wurde. Er dachte an Maria.

Lars schämte sich plötzlich. Klaus war tatsächlich der bessere Vater, erkannte er. Im Augenblick spielte es keine Rolle, dass er Marias Hand losgelassen hatte, um diesen dummen Luftballon zu fangen. Es spielte keine Rolle, dass er an sein Smartphone gegangen war. Alles, was zählte, war Maria – nur Maria.

„Es geht jetzt nur um Maria. Danke!“ Lars sah seinem früheren Freund das erste Mal seit zwei Jahren wieder in die Augen, als er aus dem Waschraum kam.

Sie nickten sich zu. Christl saß inzwischen zusammengekauert neben ihrem Mann und weinte leise in sich hinein. In ihrem Schock bekam sie kaum noch mit, was um sie herum geschah. Der Kummer war übermächtig.

***

Sandra musste an der Unfallstelle bleiben, weil sie eine wichtige Zeugin des Unfallherganges war. Eine Polizistin und ein Polizist befragten die Passanten, was sie gesehen hatten.

„Das Auto fuhr viel zu schnell!“, behaupteten viele, obwohl Sandra relativ sicher war, dass sie den Unfall gar nicht beobachtet hatten. Bestürzt lauschte sie all den Aussagen, die einen Schuldigen schufen, wo es ihrer Meinung nach nur tragische Umstände gab. Niemand hätte rechtzeitig zum Stehen kommen können. Das Kind war direkt in den Wagen hineingelaufen.

„Erst einmal möchte ich Ihnen meine Anerkennung aussprechen“, wandte sich die Polizistin an Sandra.

Inzwischen hatte sie sich ein wenig beruhigt und war in der Lage, Fragen zu beantworten.

„Die meisten Menschen schauen untätig zu und machen Bilder, anstatt zu helfen. Ihr beherztes und kundiges Eingreifen hat dem Kind vermutlich das Leben gerettet, falls es den Unfall übersteht“, fuhr die Polizistin fort.

Sandras Augen wurden feucht, und sie schüttelte heftig den Kopf. Nein, diese anerkennenden Worte hatte sie ganz und gar nicht verdient. Sie machte sich selbst schwere Vorwürfe und hätte die Uhr zu gerne zurückgedreht. Nichts wünschte sie sich mehr als eine zweite Chance, um alles ganz anders zu machen.

„Wenn das kleine Mädchen stirbt, dann durch meine Dummheit!“, klagte sie sich an.

„Wie meinen Sie das?“, wollte die Beamtin wissen.

„Ich sah einen kurzen Moment, bevor die Kleine losrannte, um ihrem Luftballon zu folgen, dass sie gleich losrennen würde. Ich sah es. Verstehen Sie? Ich hätte es verhindern müssen, stattdessen habe ich den Vater auch noch abgelenkt“, brach es aus Sandra hervor.

Sie war noch immer völlig verstört.

„Als ich ihm zurief aufzupassen, war er doch längst dabei, sich wieder seiner Tochter zuzuwenden. Hätte ich nicht gerufen und seine Aufmerksamkeit auf mich gezogen, dann hätte er sie noch halten können. So verlor er kostbare Sekunden, bevor er begriff, in welcher Gefahr sie war und dann … Ich hätte einfach losrennen müssen, ohne ihn zu rufen! Ich hätte das Kind retten müssen!“

„Sie haben getan, was Ihnen möglich war, um den Unfall zu verhindern, und als es geschehen war, haben Sie geholfen. Wenn es einen Menschen gibt, der sich nichts vorzuwerfen hat, dann sind das Sie!“, widersprach die Beamtin.

Sandra hörte die Worte, aber sie brachten ihr keinen Trost. Vor ihrem inneren Auge lief die Szene in einer Dauerschleife ab. Es war ihr Rufen gewesen, das den Vater die entscheidenden Sekunden gekostet hatte. Warum nur hatte sie gerufen und nicht einfach gehandelt? Die Warnung war ein Reflex gewesen, über den sie nicht nachgedacht hatte, aber sie hätte zuerst denken müssen, so knapp die Zeit auch gewesen war.

„Ich habe das Auto kommen sehen. Es fuhr extrem langsam, langsamer als 30km/h. Der Fahrer hatte keine Chance. Ich habe einige der Aussagen mitbekommen, die Sie aufgenommen haben. Keiner dieser Leute war zum Zeitpunkt des Unfalles nah genug, um beurteilen zu können, wie schnell der Fahrer fuhr. Sie haben den Unfall erst mitbekommen, als er bereits geschehen war“, stellte Sandra richtig.

Es war ihr wichtig, die Aussagen der Passanten richtigzustellen.

„Wissen Sie, wie es dem älteren Mann geht? Ich hoffe, es war nur ein Schwächeanfall und kein Herzinfarkt! Er wird sich doch von dem Schreck erholen?“, fragte sie.

„Darüber darf ich Ihnen leider keine Auskunft geben.“

„Dann dürfen Sie mir auch nicht sagen, ob das Kind die Klinik lebend erreicht hat?“

„Leider nein.“

Sandra argumentierte nicht dagegen. Regeln hatten ihren Grund. Allerdings wusste sie, wie sie problemlos an die Informationen gelangen konnte. Sie hatte von früher her noch ihre Kontakte. Ausführlich schilderte sie der Beamtin, was sie beobachtet hatte. In Gedanken war sie dabei aber bei dem kleinen Mädchen.

Der Körper hatte so zerschlagen und zerbrochen ausgesehen. Konnte das Kind es geschafft haben? Wurde es vielleicht gerade operiert? Sandra hoffte es so sehr. Vater und Tochter hatten sie an eine glückliche Familie erinnert, und nun drohte diese Familie zerstört zu werden.

„Der Vater hielt seine Tochter sicher an der Hand. Es war dieser elende Ballon“, schloss sie ihren Bericht. „Und mein Rufen“, fügte sie niedergeschlagen hinzu.

„Falls wir weitere Auskünfte von Ihnen brauchen, werden wir uns melden. Fahren Sie am besten erst einmal nach Hause und ruhen Sie sich aus! Sie stehen noch unter Schock“, riet die Polizistin ihr freundlich.

„Danke! Werden Sie den Fahrer belangen?“, wollte Sandra noch wissen, die sich Sorgen um den alten Mann machte.

„Eigentlich sollte ich Ihnen das wohl auch nicht sagen, aber ich mache einmal eine Ausnahme. Ihre Aussage, die Aussage des zweiten Unfallbeteiligten und die Bremsspuren belegen eindeutig, dass der Mann nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Er hatte in der Tat keine Möglichkeit, das Kind rechtzeitig zu sehen und ihm auszuweichen. Wenn sich nichts Unerwartetes mehr ergeben sollte, dann ist er entlastet.“

„Gott sei Dank!“, freute sich Sandra. „Könnten Sie ihm das umgehend mitteilen, ohne den Dienstweg einzuhalten? Die Menge hat ihn übel attackiert, und der Unfall ist ihm auch so schon sehr nahegegangen. Es könnte für seinen Gesundheitszustand entscheidend sein.“

„Ich sehe, was ich tun kann. Fahren Sie nach Hause, Frau Langer! Für Herrn Eckbert und seine Tochter haben Sie alles getan, was möglich war. Sie können stolz auf sich sein!“

Sandra widersprach nicht mehr, obwohl sie anderer Meinung war. Als sie den Namen Eckbert hörte, begriff sie, dass der Vater kein völlig Fremder für sie war. Sie hatte zwar persönlich noch nie mit ihm gesprochen, war ihm aber mehrmals in der Kanzlei begegnet. Er war Journalist und hatte Thorsten interviewt. Wie klein die Welt doch manchmal war!

Lars Eckbert – er war ein in München recht bekannter Wirtschaftsjournalist. Sie musste an sein glückliches Lächeln denken, als er noch entspannt mit seinem Kind zum Eisstand geschlendert war. Keiner hatte an diesem Nachmittag etwas falsch gemacht, und doch rang ein Kind um sein Leben, und gleich mehrere Menschenleben standen am Rande eines Abgrunds.

Warum hatte die Geschichte nicht ganz anders weitergehen können? Die beiden hätten geplaudert, ein Eis gegessen und wären dann zurück zu der wartenden Mutter gegangen, die es sicher irgendwo gab. Es hätte ein ganz gewöhnlicher Tag sein können, auf den ein friedvoller, schöner Abend folgte.

„Frau Langer?“

Sandra zuckte zusammen. Sie hatte völlig vergessen, dass sie noch vor der Beamtin stand.

„Wollen Sie lieber mit einem Taxi nach Hause fahren?“

„Nein! Es geht schon!“, beteuerte Sandra verlegen und beeilte sich wegzukommen, bevor die Polizistin es ihr noch verbieten konnte, selbst zu fahren.

Sie fuhr nicht zur Kanzlei, sondern auf direktem Weg nach Hause. Als sie dann aber vor der Einfahrt zu ihrer Tiefgarage stand, kehrte sie um und fuhr stattdessen zur Berling-Klinik. Es war ihr nicht möglich, so zu tun, als ob ihr Alltag nach dem, was sie getan und gesehen hatte, einfach so weitergehen konnte. Sie musste zumindest wissen, wie es dem Kind ging.

Hätte der Augenblick, den sie Lars Eckbert abgelenkt hatte, seiner Tochter das Leben retten können? Sie wusste es nicht, aber etwas in ihr war überzeugt davon. Sie fühlte sich, als ob sie den Wagen gefahren hätte, gegen den das Kind gelaufen war. Aber ihr Wagen war viel zu schnell gewesen …

Der Tag hätte ein Festtag für Sandra sein sollen. Es war der Tag, an dem sie die leidige Episode mit Thorsten endlich zu einem Abschluss bringen konnte. Sie hatte sich vorgenommen, nach einem Spaziergang durch den Park genüsslich ihre Kündigung zu schreiben. Am nächsten Morgen hatte sie in Thorstens Büro spazieren und sie ihm überreichen wollen. Wie sehr hatte sie sich darauf gefreut!

Jetzt kam es ihr schal und unbedeutend vor. Ein Kind würde vielleicht sterben, und sie trug ihrer Meinung nach die Schuld daran. Der neue Lebensabschnitt, den sie derart herbeigesehnt hatte, würde um nichts heller und freundlicher werden als der verstrichene. Ganz im Gegenteil – was sollte sie nur tun, wenn das Kind es nicht schaffte? Wie lebte man mit so etwas? Wie kam man damit klar, einen solchen Fehler gemacht zu haben?

Würde sie es einfach verdrängen? Vorstellen konnte sie sich das nicht, aber es schien ihr der einzige Weg. Für einen flüchtigen Moment hatten ausgerechnet Lars Eckbert und seine Tochter sie daran erinnert, wie sehr sie sich eine eigene Familie wünschte. Für einen Augenblick hatte sie den Mut gehabt, wieder zu träumen.

Das kleine Mädchen musste überleben, denn ansonsten würde es keine Träume mehr für sie geben.

***

„Gudrun, du musst nach dem Mädchen sehen! Bitte!“, bat Walter Metzler seine Frau immer wieder. Er lag auf der Intensivstation der Berling-Klinik. Sein Herz wurde über einen Monitor überwacht, und er bekam stärkende und beruhigende Medikamente über eine Infusion. Dennoch war sein Puls noch erhöht, und sein Herz mühte sich unter der Überbelastung.

Dreimal war er bereits am Herzen operiert worden und hatte mehrere Bypässe. Einen weiteren Eingriff ließ sein schlechter Gesamtzustand nicht zu. Er würde ihn unter Umständen nicht überleben. Die Ärzte hofften, dass der drohende Infarkt vermieden werden konnte.

„Beruhige dich, Walter! Du musst an dich denken!“, bat ihn seine Frau liebevoll. „Die nette Polizistin hat dir doch vorhin extra am Telefon gesagt, dass du dir nichts hast zuschulden kommen lassen. Niemand hätte diesen Unfall verhindern können. Dein Alter spielt dabei überhaupt keine Rolle!“

„Gudrun, ich habe ein kleines Mädchen angefahren“, erinnerte er sie müde. „Weißt du noch, wie wir letzten Monat diskutiert haben, ob es nicht besser wäre, wenn ich den Führerschein abgebe? Ich hätte auf dich hören sollen! Warum war ich nur so ein Dickschädel?“, hielt er sich vor.

„Weil du dein Leben lang ein exzellenter Autofahrer warst, Walter, und es praktisch ist, schnell einmal mit dem Auto aus der Stadt fahren zu können. Nur weil du zweiundachtzig Jahre alt bist, musst du im Straßenverkehr kein Risiko sein. Du hattest recht, und ich lag daneben!“

Sie nahm seine Hand und drückte sie zärtlich.

„Mein Lieber, du darfst mich jetzt noch nicht alleine lassen! Ich bin noch nicht bereit dafür. Bitte, du musst dich entspannen und beruhigen!“, bat sie ihn liebevoll.

„Das werde ich, Gudrun. Aber, bitte, schau nach dem Kind! Bitte! Ich finde sonst keine Ruhe! Dr. Holl hilft dir bestimmt weiter! Ich muss nur wissen, dass die Kleine noch am Leben ist und es schaffen kann.“

Gudrun und Walter Metzler lebten nur ein paar Häuser von der Villa des Leiters der Berling-Klinik, Dr. Stefan Holl, entfernt. Sie hatten die vier Kinder der Holls mit aufwachsen sehen. Bis vor einigen Jahren hatte das Ehepaar immer mehrere Pudel gehabt, und die älteren Holl-Kinder waren früher gern vorbeigekommen, um die Pudel für einen Spaziergang abzuholen.

Für die zwei ältesten Kinder der Holls, die zwanzigjährigen Zwillinge Dani und Marc, waren Walter und Gudrun ein fester Bestandteil ihrer Kindheit. Sie hatten oft in Gudruns Küche eine heiße Schokolade getrunken, wenn sie mit den Hunden zurückgekommen waren.

Da Gudrun und Walter selbst nie Kinder gehabt hatten, betrachteten sie die Zwillinge ein Stück weit als ihre Enkel, und nach wie vor kamen Marc und Dani noch öfter bei ihnen vorbei und erzählten, was sie so machten. Die alten Leute nahmen regen Anteil.

„Stefan, entschuldige, wenn ich dich so überfalle!“, begann Gudrun verlegen, als sie das Büro des Klinikleiters betrat. Es war ihr unangenehm, ihn zu stören.

„So ein Unsinn! Ist mit Walter alles in Ordnung?“, fragte Dr. Holl sofort alarmiert. Er wusste, wie fragil der Gesundheitszustand von Walter Metzler war.

„Er hatte einen Schwächeanfall und liegt einmal wieder auf eurer Intensivstation“, beruhigte sie ihn und rang sich ein Lächeln ab.

„Ich schaue nachher gleich bei ihm vorbei!“ Herzlich winkte Dr. Holl sie herein und rückte ihr den Stuhl zurecht.

„Das ist sehr lieb von dir, Stefan. Er wird sich freuen, dich zu sehen, aber …“ Gudrun schossen Tränen in die Augen. „Stefan, etwas Schlimmes ist passiert, etwas sehr Schlimmes!“

Sie berichtete ihm von dem Unfall. Nach der letzten Operation ihres Mannes hatte Dr. Holl geraten, dass er nicht mehr alleine Auto fuhr. Meist war Gudrun auch mit im Wagen. An diesem Nachmittag hatte Walter nur schnell zwei Stücke Kuchen bei ihrem Lieblingsbäcker holen wollen. Gudrun hatte Kaffee gekocht und den Terrassentisch gedeckt. Warum war sie nur nicht an Walters Seite gewesen, wo ihr Platz war!

„Wir halten uns an deinen Rat, und ich lasse Walter kaum noch alleine fahren. Er fährt nicht mehr so sicher wie früher. Seine Augen machen ihm Probleme, deshalb fährt er immer äußerst vorsichtig und ist fast schon ein Verkehrshindernis, so langsam tuckert er durch die Gegend. Das sage ich ihm natürlich nicht. Er ist so stolz auf seine Fahrkünste, das war er immer.“

Dr. Holl lächelte ermutigend. Er fand es jedes Mal wieder berührend und schön, wenn er hörte, wie das alte Ehepaar übereinander sprach. Fünfundfünfzig Jahre waren Gudrun und Walter verheiratet, und sie waren wie jeder Mensch durch Höhen und Tiefen gegangen. Ihre Liebe schien in all der Zeit noch gewachsen und gereift zu sein.

Stefan und seine Frau Julia hatten sich fest vorgenommen, auf dieselbe Weise gemeinsam zu altern und aneinander und miteinander zu wachsen. Sie hatten das alte Paar beide sehr gern.

„Und jetzt macht Walter sich trotz allem Vorwürfe?“, fragte Stefan.

„Natürlich! Er fragt sich die ganze Zeit, ob ein jüngerer Mensch schneller reagiert hätte und in der Lage gewesen wäre, dem Kind irgendwie auszuweichen. Das macht ihn wahnsinnig, und er steigert sich immer mehr da hinein. Wenn er sich nicht bald beruhigt, wird es doch noch ein Infarkt. Er muss wissen, wie es dem Kind geht. Könntest du …“

Der Chefarzt wusste, dass eine Fünfjährige nach einem Verkehrsunfall in die Berling-Klinik eingeliefert worden war und im Moment noch operiert wurde.

„Ich finde heraus, wie es um das Mädchen steht, Gudrun. Warte bitte einen Moment hier!“, bat er und ging hinaus. Er wollte nicht vor ihr mit dem OP telefonieren, falls es schlechte Nachrichten gab.

Es dauerte nicht lange, bis er zurückkehrte.

„Gudrun, das Kind ist noch im OP, aber der Eingriff ist erst einmal überstanden. Es wird für einige Zeit ins künstliche Koma versetzt, um seine Heilungschancen zu erhöhen. Mehr kann ich vorerst nicht sagen, aber ich halte euch auf dem Laufenden“, versprach Dr. Holl.

Er sagte Gudrun Metzler nicht, dass der Chirurg eine Niere des Kindes hatte entfernen müssen. Sie war zu schwer beschädigt gewesen und hatte sich nicht retten lassen. Dafür hatte sich die Blutung an der Milz stoppen lassen. Die zweite Niere und die Leber waren ebenfalls verletzt, aber vorerst konnten die Ärzte nichts mehr tun.

Maria Eckberts Zustand war kritisch, und es lag nun an ihren Selbstheilungskräften, ob sie es schaffte. Kinder waren oft zäher als Erwachsene und erholten sich leichter. Ihre Zellen regenerierten sich deutlich schneller. Darauf hofften die Ärzte und darauf, dass es zu keinen weiteren Blutungen kam. Die kommenden Tage würden entscheiden, ob das Kind überlebte.

„Danke, Stefan!“ Gudrun erhob sich sofort. Es zog sie ans Bett ihres Mannes zurück.

„Sag Walter, alles wird gut! Ich komme später bei euch vorbei!“

***

Sandra bekam schnell heraus, dass Maria Eckbert noch operiert wurde, und fuhr mit dem Fahrstuhl hoch zur Chirurgischen Abteilung. Sie stieg eben aus dem Aufzug, als Maria aus dem OP gefahren wurde, um auf die Kinderintensivstation gebracht zu werden.

Lars Eckbert saß alleine etwas abseits auf einem Stuhl. Gab es doch keine Mutter? Zog er sein Kind alleine groß? Nein, da sprang eine Frau auf. Sie hatte zusammengekauert und leise weinend neben einem anderen Mann gesessen.

„Mein Liebling!“ Sie eilte zu der Liege. „Mein kleiner Liebling!“