Die Bestimmung des Menschen - Patrick Zäuner - E-Book

Die Bestimmung des Menschen E-Book

Patrick Zäuner

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Beschreibung

Immer stärker spielt die Politik den Menschen gegen die Natur aus. Die Natur ist das Gute, das Unberührte, der Mensch der Schädling, der Schmarotzer, den es in seinen Gewohnheiten zu erziehen, zu beschneiden gilt. Wir müssen Ressourcen sparen ist eine Behauptung, die meist ohne Begründung eingängig ist und über einer Vielzahl von Verboten und Einschränkungen steht. Die Natur wäre ohne Menschen besser dran, hört man in vielen Variationen. Doch kann man nicht auch ein Konzept zum Schutz der Natur im Einklang mit dem Menschen und dessen Eigenart denken? Heisst Naturschutz auf der einen Seite immer, die Natur des Menschen auf der anderen Seite zu bekämpfen? Sind wir nicht gerade aufgrund unserer Fähigkeit zu ethischen und ästhetischen Urteilen in ganz besonderer Weise dazu in der Lage - vielleicht sogar dazu aufgerufen, die Umwelt zu veredeln, sie zu vereinen und auf eine neue Stufe zu bringen? Ein konservativer Ansatz zur Umweltpolitik erschöpft sich nicht in der "Bewahrung der Schöpfung", er sieht den Menschen in der Verantwortung für das, was ihm übergeben wurde. Der Mensch soll sich nicht zurücknehmen, er soll nicht aus der Natur verschwinden und bestenfalls keinen Fußabdruck hinterlassen, sondern im Gegenteil seine Fähigkeiten zum Wohl aller aus voller Kraft einsetzen und etwas neues, etwas besseres zu erschaffen.

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Die Bestimmung des Menschen

Umwandlung von Natur in Kultur

Patrick Zäuner, 2021

Ein Konzept zu Grundlagen einer bürgerlichen Umweltpolitik Warum Naturschutz erst durch die gestalterische Kraft des Menschen möglich wird und Bemühungen einer Rückabwicklung kultureller Leistungen in die falsche Richtung weisen.

Inhaltsverzeichnis

1. Ausgangslage2

1.1 Natur vs. Kultur5

1.2 Ökologische Nische8

1.3 Ressourcen10

1.4 Abhängigkeiten14

1.5 Verhältnis Mensch & Natur18

1.5.1 Identität19

1.5.2 Gegenüber22

2. Ethik in der Natur25

2.1 Was ist Ethik?25

2.2 Natur und Naturrecht32

2.3 Rolle des Menschen35

2.3.1 Der Mensch als Person38

2.3.2 Veredelung43

3. Natur und Schönheit47

3.1 Ästhetik als Zugang zur Natur49

3.2 Ästhetik als Ansporn53

3.3 Nachklang des verlorenen Paradieses55

4. Ausblick75

4.1 Verantwortung76

4.2 Technik78

4.3 Kultur als Perspektive81

1. Ausgangslage

Die moderne Welt ist von Technik geprägt. Autos, Elektronik, himmelhohe Häuserfronten und breit angelegte Verkehrswege prägen das Bild. Selbst außerhalb der Städte sind die Wälder von Forstwegen durchzogen. Das Wild ist abgezählt, Felder werden mit riesigen Maschinen bewirtschaftet und die Landschaft ist in zweckmäßig geplante Nutzflächen untergliedert.

Wir haben unseren Lebensraum fein und sauber eingeteilt. Es gibt Bereiche zum Wohnen, zum Arbeiten und zur Entspannung. Sogar die Freizeitgestaltung ist perfekt durchorganisiert. Ob man Kino und Theater bevorzugt, oder ohne Absicherung durch überhängendes Felsgelände klettert, überall bewegt man sich in festen Bahnen. Das ungebrochene Naturerlebnis wird durch exakt ausgearbeitete Routen ermöglicht, schwierige Stellen sind mit technischen Hilfsmitteln versehen. Für jene, die es weniger riskant wünschen, gibt es nahezu stufenlos abgeschwächte Varianten, vom Klettersteig, über geführte Touren bis hin zur Boulderhalle.

Das alles wird durch eine umfangreiche Auswahl an Kleidung und Ausrüstung abgerundet. Für jedes Hobby und jede Beschäftigung, stehen Coaches bereit. Es werden Trainings angeboten und es sind ausführliche Anleitungen erhältlich. Auf der Suche nach immer mehr Nervenkitzel betreten wir längst kein Neuland mehr. Wir bewegen uns auf breit ausgetretenen Wegen, engmaschig beschriftet und nach DIN zertifiziert.

Solange man durch ständige Aktivitäten gebunden ist, wird man sich der Enge nicht bewusst, die sich aus der lückenlosen täglichen Planung ergibt. Zeit für Muße, oder gar für Langeweile, wird durch die allseits verfügbare Unterhaltungselektronik unterdrückt, sei es in Form von Accessoires, Spielen oder durch Berieselung mit nicht enden wollenden Serien.

Dennoch spüren immer mehr Menschen, dass ihnen etwas fehlt. Etwas Wesentliches. Etwas, das nicht durch ein weiteres Freizeitangebot oder andere „sinnvolle“ Beschäftigungen ersetzt werden kann. Wir empfinden unsere Umgebung zunehmend als unnatürlich. Es gibt keine Geheimnisse mehr, keine Rückzugsorte, keinen Raum der freien Entfaltung und intuitiv erahnen wir, dass dies nicht die Welt ist, auf die sich unser Organismus über hunderttausende Jahre hin entwickelt hat.

Sehnsüchtig blicken wir auf die scheinbar unberührte Natur. Wir streben nach Authentizität, nach Ursprünglichkeit und einem Zustand der Einheit, aus dem wir vermeintlich hervorgegangen sind. Dabei konstruieren wir ein Idealbild, ohne Krankheit, Schmerzen und Gefahren, vor allem basierend auf Ästhetik und Harmonie.

Erfahrungen mit virtuellen Welten, wie wir sie in Computersimulationen oder Filmen erleben, prägen unser Weltbild durch ihre audiovisuellen Effekte. Indem künstliche Handlungsstränge mit perfekten Bildern und Protagonisten umgesetzt werden, wird dem Betrachter der Eindruck tatsächlicher Erlebnisse vermittelt. Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen in einer idealisierten Darstellung. Besonders intensiv wirken interaktive Computerspiele, in denen man selbst am Verlauf einer Geschichte teilzuhaben glaubt, obwohl die dort gefassten Entscheidungen regelmäßig in vorgegebene Bahnen münden.

Wir verfügen mittlerweile über einen reichen Fundus an fiktionalen Werken, die eine gefühlte Entfremdung von unserem natürlichen Umfeld zu kompensieren versuchen. Die Grundideen ähneln sich in diesen Arbeiten oft verblüffend. Äußere Unterschiede, ob es sich um vorindustrielle Kulissen handelt, oder um raumfahrende Zivilisationen, ob die Erzählung als Komödie, Drama, Thriller oder als Liebesfilm konzipiert ist, spielt für das Weltgefüge keine Rolle. Das Universum, also die Natur, wenn sie denn Thema ist, wird immer als übermächtiges und komplexes Gebilde beschrieben, in das sich der Mensch zu fügen hat. Seine Aufgabe ist es, als Rädchen im Getriebe den ihm zugehörigen Platz zu finden und angepasst am Gelingen des Großen und Ganzen mitzuwirken oder zumindest niemandem im Wege zu stehen.

Das Idealbild von Harmonie zwischen Mensch und Natur, wo es kein Leid mehr gibt, wenn wir uns nur korrekt verhalten, transportieren wir in viele Alltagssituationen. Wir trennen unseren Abfall, achten bei der Ernährung, dem Kauf von Kleidung, oder dem Bau von Häusern auf die Verträglichkeit mit der Natur und schränken uns nach Möglichkeit im Energieverbrauch ein. Erklärtes Ziel ist es, einen geringen „Ökologischen Fußabdruck“ zu hinterlassen, was bedeutet, dass wir die Spuren unserer Existenz im Gefüge der Natur nach Möglichkeit minimieren. Ohne menschliches Leben stünde es besser um die Umwelt, so hört man immer wieder. Der Mensch sei ein Störfaktor. Pflanzen, Tiere und der gesamte Planet seien ohne ihn weniger belastet. Aus diesem Grund entscheiden sich mehr und mehr Jugendliche heute gegen eigene Kinder. Sie meinen, der Natur zu dienen, indem sie auf Fortpflanzung verzichten.

Auch wenn nicht jeder diese extreme Selbstkritik mitträgt, werden Gegenpositionen eher verhalten geäußert. In der Grundüberzeugung stimmen viele Zeitgenossen darin überein, dass die bloße menschliche Existenz für die Umwelt belastend sei. Zur Lösung der Probleme schlägt man vor allem strenge Regelungen und deren konsequente Einhaltung vor. Historisch gesehen ist diese Einschätzung des Verhältnisses von Mensch und Natur neu. Sie kehrt die klassische christliche Auffassung von der „Krone der Schöpfung“ um und ignoriert zudem moderne Erkenntnisse über die Komplexität des menschlichen Gehirns. Die vielfältigen Verhaltensmöglichkeiten, insbesondere die Fähigkeit zu ethischen Entscheidungen und Werturteilen werden zumeist negativ gesehen. Statt positives Potential herauszustellen, äußert man vor allem moralische Bedenken und sieht den Menschen als Schuldigen in der Verantwortung für unbeabsichtigte Entwicklungen.

1.1 Natur vs. Kultur

„Lasst uns ein wenig in die Natur hinaus fahren.“

„Ist es nicht beeindruckend, wie sich der Bach naturbelassen durch die Wiese schlängelt?“

„In freier Natur fühlen sich die Tiere am wohlsten.“

„Ich lege bei der Ernährung starken wert auf Naturprodukte.“

Diese und ähnliche Redewendungen hören und nutzen wir ständig. Dabei sind wir uns der exakten Bedeutung dessen, was wir als Natur bezeichnen, oft wenig bewusst. Wir haben Bilder von Wiesen, von Wäldern unter blauem Himmel, oder von wohlschmeckenden und duftenden Produkten vor Augen. „Natürlich“ ist ein Synonym für „unverdorben“, „sauber“, oder „unberührt“. Dabei sind wir oft weniger am exakten Wortsinn interessiert, sondern verknüpfen unsere positiven Emotionen und Bilder mit dem Begriff der „Natürlichkeit“.

Beispielhaft sei hier das Konzept der „Renaturierung“ angebracht.

Noch vor zwei Generationen wurden zahlreiche Flüsse begradigt, Bäche kanalisiert, oder auch Sumpf und Moorlandschaften trockengelegt. So konnten Grundstücke als Bau- oder Ackerland erschlossen werden, wo bis dahin mäandernde Gewässer immer wieder für großräumige Überschwemmungen sorgten, oder Sand und Schutt aus den Gebirgsflüssen abgetragen und in Tälern abgelagert wurden. Die natürlichen Veränderungen der Landschaft führten regelmäßig zu aufwändigen Instandsetzungen der genutzten Grundstücke, was Arbeit und hohe Kosten zur Folge hatte.

Mittlerweile weiß man, dass mit diesen Maßnahmen vielerorts mehr Probleme geschaffen als gelöst wurden. Wo es möglich ist, versucht man darum, nach bestem Wissen, wieder naturnahe Flussläufe zu rekonstruieren. Dazu werden künstliche Seitenarme angelegt, Buchten, Stromschnellen und Wasserfälle, die zum einen „natürlich“ wirken sollen, aber nicht allein dem Auge des Betrachters zu liebe, sondern vor allem zur Verbesserung des regionalen Wasserhaushaltes, sowie zur Kompensation von Schäden, die durch die Begradigungen aufgekommen sind.

Man sieht allein an diesem kleinen Beispiel, wie heterogen der Begriff „Natur“ benutzt wird. Tatsächlich lässt man ja den Fluss kein eigenes, natürliches Bett suchen, indem man bloß die alten baulichen Veränderungen beseitigt, sondern man konstruiert eine neue, vom Gartenbauarchitekten geplante Landschaft. Genaugenommen wird also nicht renaturiert, es wird ein künstlicher Park angelegt.

Mit „natürlich“, oder „der Natur entsprechend“, soll in diesem Text, wenn nicht explizit auf eine andere Bedeutung verwiesen ist, die vom Menschen unberührte Landschaft gemeint sein. Wo man auf der Erde in diesem Sinne überhaupt noch von Natur sprechen kann, ist allerdings fraglich. Für Deutschland kann man derartige Flächen wohl ausschließen, denn selbst Nationalparks sind, wie der Name sagt, Parks: eine Form von Garten.

Gerade streng überwachte Biotope oder Naturreservate sind von einer natürlichen Umgebung deutlich zu unterscheiden, denn der Mensch reguliert dort Prozesse, er achtet darauf, dass sich die „Natur“ so entwickelt, wie er es geplant hat. Das gilt selbst für Flächen, auf denen man sich ein Eingreifen verbietet, denn auch diese haben exakt definierte Außengrenzen und sind im Austausch mit ihrer Umgebung durch den Menschen geprägt. Zudem handelt es sich dabei in der Regel um Gebiete, die zuvor schon vom Menschen bearbeitet wurden und dadurch nach wie vor geprägt sind.

All die angepassten und gestalteten Bereiche sind Resultat der kulturellen Bearbeitung von Naturflächen. Noch zur Zeit der Römer hatten wir in Deutschland in weiten Teilen einen undurchdringlichen Urwald. Wie sehr wir die von uns veränderte Welt als natürlich wahrnehmen, zeigt sich in Aktionen, wie dem Einsatz gegen das Bienensterben. Dort gehen wir von einer Wiesen- und Auenlandschaft mit zahlreichen Blüten in unseren Breiten aus und denken vielleicht an Bauerngärten des 19. Jahrhundert oder an Almen im Hochgebirge. Dass es sich dabei um klassische Kulturlandschaften handelt, kommt uns kaum in den Sinn, denn sie sind uns ans Herz gewachsen, und entsprechen exakt dem romantischen Blick auf die Natur, der uns träumend aus dem tristen technisch geprägten Alltag entfliehen lässt.

Kultur bezeichnet den Wandel der unberührten Natur in einen Garten, bei größeren Flächen in eine Parklandschaft. Gefahren werden beseitigt, Tiere werden gezähmt, Pflanzen veredelt, Wege zum sicheren Reisen oder auch bloß zum Betrachten besonders reizvoller Ecken werden angelegt, um dem Menschen ein möglichst komfortables Leben mit natürlichem Ambiente zu ermöglichen, denn von Haus aus zeigt sich die Natur bei aller Schönheit immer auch als nicht zu unterschätzendes Risiko für Leib und Leben.

Trotz großem Fortschritt, den gewaltigen Umwälzungen und kulturellen Errungenschaften, mit denen wir den Planeten bearbeitet haben, stoßen wir immer wieder auf natürliche Phänomene, die wir nicht zu beeinflussen in der Lage sind, zumindest noch nicht und wohl auch nicht in absehbarer Zeit. Vieles ist unserem Zugriff allein durch die Größe entzogen. So können wir nichts gegen den Vulkanismus ausrichten, den Einfluss unterschiedlich intensiver Sonnenbestrahlung oder gar gegen Einschläge aus dem All. Immer wieder fordern uns Naturereignisse heraus, den kulturellen Stand, den wir erreicht haben, durch neue Technologie und effektivere Methoden zu erhalten und auszubauen.

1.2 Ökologische Nische

Leben besteht aus komplexen organischen Strukturen, die dem Prinzip der Entropie trotzen. Während in der Regel beim Zusammentreffen unterschiedlicher Komponenten eine Ausgleichsbewegung hin zu einem stabilen Zustand zu beobachten ist, organisiert sich das Leben zu immer vielschichtigeren, aber auch anfälligeren Einheiten. Von einfachen Molekülen, über Zellstrukturen, bis hin zu komplexen Verbindungen wie der DNA, dem Träger der Erbinformationen, die sämtlichen Spezies als Bauplan zugrunde liegt, steigt die Schwierigkeit der Selbsterhaltung und damit der energetische Aufwand.

Je flexibler eine Form sich ihrer Umgebung anpassen kann, desto wahrscheinlicher ist ihr dauerhaftes Fortbestehen. Einfache Lebewesen, etwa Bakterien, können als Generalisten an eine ganze Reihe von Lebensräumen angepasst sein, deutlich komplexere Organismen, beispielsweise Pflanzen, existieren oft nur in einem genau auf sie abgestimmten Umfeld, ihrer ökologischen Nische.

Für höher strukturiertes Leben ist die Anpassung grundlegend. Dem tragen zahlreiche ökologische Initiativen Rechnung, wenn sie sich vorrangig um Artenschutz kümmern und dafür Umweltbedingungen stabil halten wollen oder gar eigene Refugien bauen. Das Aussterben von Gattungen, deren Lebensraum sich verändert hat und die an neue Bedingungen nicht genügend angepasst sind, kann auch für weitere Arten zum Problem werden, wenn ihnen dadurch u.a. eine wichtige Nahrungsquelle fehlt. Im ungünstigen Fall kommt es zu Kettenreaktionen, die empfindlich auf fein miteinander abgestimmte Ökosysteme reagieren.

In Bezug auf die Vielschichtigkeit des Gehirns gilt der Mensch als das komplexeste der Säugetiere. Dennoch scheint gerade er auf kein fest definiertes Umfeld hin angelegt zu sein. Menschen besiedeln Sand- wie Eiswüsten, sie leben in den hohen Regionen der Andengipfel oder auf überschaubaren Südseeinseln. Mittlerweile gibt es Überlebenschancen sogar außerhalb der Erde, es ist vorstellbar Kolonien auf fremden Himmelskörpern zu gründen oder Siedlungen auf künstlichen Trabanten, bzw. Raumstationen.