"Die Bibel ist ein Mythos" – muss ich das glauben? - Thomas B. Tribelhorn - E-Book

"Die Bibel ist ein Mythos" – muss ich das glauben? E-Book

Thomas B. Tribelhorn

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Beschreibung

Die Glaubwürdigkeit der Bibel wird immer wieder angezweifelt. Erstaunlicherweise sind einige der stärksten Befürworter der historischen Genauigkeit der Bibel gar keine Christen, sondern Wissenschaftler, die die archäologische Beweislage für sich sprechen lassen. Tom Tribelhorn hat nach intensivem Studium in Israel, Fakten für eine breite Leserschaft gesammelt, welche die historische Genauigkeit der Bibel beweisen. Er zeigt auf, dass Behauptungen gegen die Glaubwürdigkeit der Bibel auf einer massiven Verdrehung der Beweislage beruhen. Die schlüssige Verteidigung, die er in diesem Buch vorlegt, hat die Kraft, Ihr Leben zu verändern und Ihren Glauben neu zu stärken.

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Der SCM Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7332-2 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-5713-1 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:CPI books, Leck

© der deutschen Ausgabe 2016

SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scmedien.de · E-Mail: [email protected]

Titel der englischen Originalausgabe: My Professor Says The Bible Is A Myth,

Verlag: Hevel Media International

© der Originalausgabe 2010, 2012 by Thomas B. Tribelhorn

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002 by Biblica, Inc.®

Verwendet mit freundlicher Genehmigung von fontis – Brunnen Basel.

Weiterhin wurden verwendet:

Elberfelder Übersetzung, revidierte Fassung 2001,

© 1985/1991 R. Brockhaus Verlag Wuppertal (RevElb)

Neue evangelistische Übersetzung von Karl-Heinz Vanheiden (NeÜ)

Zürcher Bibel, © 2007 Genossenschaft Verlag der Zürcher Bibel beim

Theologischen Verlag Zürich

Herausgegeben von der Studiengemeinschaft

Wort und Wissen e.V.

www.wort-und-wissen.de

Satz: Studiengemeinschaft Wort und Wissen, Baiersbronn

Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch

Titelbild: Ägyptischer Tempel aus Kom Ombo, © T. Tribelhorn

Für meine Väter –

Robert TribelhornundRichard Goodhart

Auf deren Schultern ich stehe, zutiefst dankbar und zu Dank verpflichtet für ihr Leben der Treue, ihre harte Arbeit und ihre Opferbereitschaft für den Herrn und ihre Familien.

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Das sollten Sie zuerst lesen

1. Warum Studenten Gott den Rücken kehren

Sie sind nicht allein

Schadensbegrenzung

Historische Theologie und Philologie

Eine wichtige Erinnerung

2. Was die Fachleute über die Bibel sagen

Lernen Sie die Fachleute kennen

Bill Dever

Finkelstein und Silberman

Thomas L. Thompson

McCarthy und Sturgis

Michael D. Coogan

Peter Enns

3. Was ist Ihre ehrliche Meinung zur Bibel?

Was uns Computer über den Glauben sagen können

Geistliche Malware

Eine entscheidende Frage

Ehrlicher Unglaube

Der Krieg der Weltbilder

Den Sturm überstehen

4. Wo sind all die archäologischen Beweise geblieben?

Der erste Konflikt

Nach Israel gehen? Dazu wäre ein Wunder nötig

Die Beweise beginnen zu bröckeln

Die Debatte zwischen den Maximalisten und den Minimalisten

5. Ein holländischer Student bringt eine Lawine ins Rollen

Lernen Sie den Querdenker kennen – David Rohl

Frischer Wind in der akademischen Welt

Sich für den Kampf wappnen

6. Wie die Vergangenheit beherrscht wird

Geschichte definieren

Zwei Datierungstypen

Absolute Datierung für eine relativ datierte Welt?

Anker auswerfen

7. Wenn Zeitachsen keinen Sinn ergeben

Vier kritische Ankerpunkte – und warum sie fragwürdig sind

Welcher Pharao ist wirklich gemeint?

Das Schoschenk-Schischak-Identitätsproblem

Das Spiel mit den Namen

Drei Anomalien

Und wenn die Anhänger der revidierten Chronologie Recht bekämen?

Und wenn die revidierte Chronologie nicht richtig wäre?

8. Die Fakten aus der Erde sprechen

Gefälschte Beweislage

Die Maximalisten ergreifen das Wort

Großartige Funde … und keiner hört davon?

9. Neue Möglichkeiten, neue Fragen

Die Grenzen der Archäologie

Die Grenzen der Geschichte

Drei Warnungen

Schlussfolgerung

10. Tatsache oder Dichtung?

Heidnische Bräuche

Parallelen – und Unterschiede

11. Die Datierung der Tempel – Wer kopiert hier wen?

Das „Allerheiligste“ – von heidnischen Tempeln?

Das babylonische Exil – Die unerwähnte Geschichte

Eine logische Schlussfolgerung

12. Eine Tour durch die ägyptischen Tempel

Abu Simbel

Der Tempel von Sethos I. in Abydos

Das Areal der Königin Hatschepsut

Karnak

Luxor

Einige neuere Tempelentdeckungen

Schlussfolgerungen

13. Tempel im Norden und rituelle Ähnlichkeiten

Den Unterschied finden

Beispiele für Ähnlichkeiten bei Tempelritualen

14. Übersetzungen – akkurat oder ausgelegt?

Uns fehlen die Worte

Das Gilgamesch-Epos

Die 30 Lehren des Amen-em-Ope

Der Kodex des Hammurabi

Der hethitische Kodex

Eine Pause auf unserer Reise

15. Die Wahrheit in eine Lüge verwandeln

Ach Babylon!

Begriffliche und stilistische Ähnlichkeiten

Welche Ähnlichkeiten sollten wir erwarten?

Sprachwissenschaft! Ähnlichkeiten deuten auf eine Originalquelle

16. Muss biblischer Glaube blind sein?

Kein Zweifel – kein Glaube?

Der intellektuelle Aspekt des Glaubens

Raum für Zweifel

17. Für wen haltet ihr mich?

Persönlicher Glaube

Achten Sie auf das Objekt Ihres Vertrauens

Die einzige, wichtigste Frage Ihres Lebens

18. Aus Glauben zu Glauben

Das „Werk des Glaubens“

Glaubensereignisse als solche kenntlich machen

Glaubenstaten schriftlich festhalten

Ist wirklich der Beweis das Problem?

Sich für den Glauben entscheiden

Anhang A: Über das antike Mesopotamien

Zusätzliche Informationen über die revidierte Chronologie, wie sie von Bernard Newgrosh vorgeschlagen wird

Über Bernard Newgrosh

Anhang B: Die Debatte über die Oberherrschaft

Van der Veens Antwort

Anhang C: Geschichte der revidierten Chronologie

Zusammenfassung des Hintergrunds der revidierten Chronologie

Die Arbeit wächst

Anhang D: Das Jericho-Dilemma

Anmerkungen

Danksagung

Archäologische Zeiträume

Abkürzungen

Index

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Vorwort

Als Wissenschaftler, der seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Archäologie und Alten Geschichte arbeitet, kann ich Ihnen dieses Buch voll und ganz empfehlen. Alle Studenten und Schüler, die am Christentum interessiert sind, sollten dieses Buch lesen, ebenso ihre Eltern und Mitarbeiter in christlichen Gemeinden.

Beim Lesen dieses Buches kommen in mir viele Erinnerungen aus meiner eigenen Studienzeit hoch. Da ich in einer evangelikalen christlichen Familie aufwuchs – für die die Historizität der Bibel und ihrer Erzählungen selbstverständlich war – zweifelte ich während meiner Kindheit und Jugend nie daran, dass die in der Bibel geschilderten Ereignisse tatsächlich stattgefunden oder dass die Menschen der Bibel tatsächlich gelebt haben. Soweit ich mich zurückerinnern kann, faszinierten mich immer die Geschichte und der Hintergrund der biblischen Welt. Die Suche nach ergänzenden Hinweisen zur Untermauerung der Aussagen der Bibel wurde zur Lebensart. Obwohl es in meiner Jugend Zeiten gab, in denen ich keinen moralisch guten, christlichen Lebensstil führte, zweifelte ich die Zuverlässigkeit der Bibel als Gottes Wort nicht an.

Erst im Studium an einer evangelikalen Bibelschule in der Nähe von Paris in Frankreich begann ich das, was mich meine Eltern gelehrt hatten, ernsthaft zu hinterfragen. Ich möchte klarstellen, dass es nicht die Lehrer an der Schule waren, die mein Fragen und meine Zweifel verursachten (sie alle liebten Jesus und waren ein großartiges Zeugnis). Der Grund dafür war wohl eher, dass ich von zu Hause weg war und versuchte, meine eigene Denkweise zu finden. Ich las nun Dinge, die mir meine Eltern nie zu lesen erlaubt hätten, zum Beispiel Bücher von Rudolf Bultmann, einem deutschen neutestamentlichen Wissenschaftler, der die historische Auferstehung Jesu Christi anzweifelte (er glaubte, dass Jesus nur in den Gedanken seiner Nachfolger auferstanden war). Obwohl ich nicht bereit war, meinen Glauben an die Auferstehung aufzugeben, begann ich mich zu fragen, ob es sich bei gewissen Aspekten der Bibel vielleicht doch um Mythen handelte und sie entmythologisiert werden müssten (wie es Bultmann selber nennt), indem man dahinter eine symbolische Bedeutung findet. Ich machte mir Gedanken über Jona und seine drei Tage innerhalb des Fisches, ich machte mir Gedanken über die Dreieinigkeit – wie Gott drei in einem sein konnte. Ich machte mir Gedanken darüber, ob alles in der Bibel wirklich wahr sein musste. Nach meiner Zeit in Frankreich ging ich durch eine noch viel härtere Zeit der Zweifel und fragte mich sogar, ob Gott überhaupt da war.

Aber durch die herzliche Freundschaft und den Einsatz einiger meiner Professoren an der Bibelschule in Frankreich und an der Fakultät in Belgien lernte ich, der Bibel schließlich wieder zu vertrauen, und das sogar mehr als zuvor. An der Bibelschule in Paris begegnete ich Tom Tribelhorn zum ersten Mal (damals war er mein Lehrer in Dogmatik). Lehrer wie er brachten Veränderung in mein Leben. Sie gestatteten mir, frei über meine Zweifel und Fragen zu reden. Es kamen keine Drohungen, dass – sollte ich zweifeln wie Thomas (oder Jesus verleugnen wie Petrus) – Gott auf mich ärgerlich sein und mich strafen würde. Bei Tribelhorn durfte ich denken, meinen Verstand einsetzen und eine eigene Meinung haben. Wenn ich frei über meine Zweifel redete, wurde ich nicht zurückgewiesen. Ich fühlte mich immer geliebt und ernst genommen. Ich hatte den Eindruck, dass Lehrer wie Tribelhorn mir Raum zum Atmen gaben.

Oh ja, ich hatte auch andere Lehrer, die sich anders verhielten. Sie sagten mir, dass es falsch sei, die Bibel in Frage zu stellen, ja sie behaupteten sogar, dass meine Zweifel dämonisch seien. Ich fühlte mich eingeschüchtert; noch schlimmer: Ich begann mich zu fürchten. Aber ihre ermahnende Einstellung brachte mich nicht näher zu Gott; ich entfernte mich von ihm und machte mir noch mehr kritische Gedanken über die Wahrheit der Bibel. Rückblickend muss ich ehrlich sagen, dass ich nicht weiß, wo ich gelandet wäre, wenn nicht Menschen wie Tom Tribelhorn da gewesen wären. Aber sie waren für mich da und ich bin Gott für seine Führung dankbar.

In diesem bewegenden und zum Nachdenken anregenden Buch ermutigt Tribelhorn seine Leser, ihren Glauben an die Zuverlässigkeit der Bibel nicht aufzugeben. Gekonnt fasst er die Fallstricke verschiedener Fragestellungen, denen heutige Studenten in der Archäologie, der Philologie, der Philosophie und der Theologie begegnen, zusammen und macht sie verständlich. Tatsächlich akzeptiert dieser Professor nicht nur die theologische Botschaft der Bibel (wozu vielleicht noch viele Theologen bereit sind), sondern er geht ganz bewusst noch einen Schritt weiter: Er akzeptiert auch die historischen Behauptungen der Bibel. Heutzutage nehmen nur sehr wenige Archäologen die Bibel für bare Münze, wenn sie von der Existenz Abrahams redet, einem großen Auszug der Israeliten aus Ägypten unter der Führung Moses oder einer bedeutenden militärischen Eroberung unter Josua. Beim Lesen dieses Buches werden Sie die wissenschaftlichen Gründe kennenlernen, warum Tribelhorn glaubt, dass es so wichtig ist, nicht vorschnell das zu schlucken, was gewisse Wissenschaftler über die Bibel lehren. Sie werden seine Leidenschaft entdecken, unseren Studenten die Werkzeuge in die Hand zu geben, die sie benötigen, um bibelkritische Standpunkte in Frage zu stellen.

Dabei nimmt uns Tribelhorn mit auf eine Reise ins Land Israel zu einer Zeit, da er selber mit vielen Zweifeln über die Historizität der Bibel konfrontiert war. Wenn Sie mit diesem zweifelnden Thomas durch Israel und Ägypten reisen, erzählt und erklärt er geradeheraus das, was er für sich selbst entdeckte. Seine Eltern haben seinen Namen gut ausgewählt, denn in all den Jahren, seit ich ihn kenne, ist Tribelhorn wahrhaftig eine „Ich-muss-es-selbst-gesehen-haben“-Person.

Als Epigraphiker interessiere ich mich besonders für alte Inschriften aus dem Land der Bibel. Gerade die zeitgenössischen Schriften aus der Zeit der Könige Israels und Judas werfen ein erstaunliches Licht auf die Welt der biblischen Autoren und den Ursprung der biblischen Texte. Es wurden mehrere Inschriften gefunden, in denen aus der Bibel bekannte Personen (Könige und Beamte) tatsächlich bestätigt wurden. Dies bringt uns die biblische Welt sehr nahe. Meine Arbeit hat nicht nur geholfen, diese Dokumente zu benutzen, um sicherere Daten für die archäologischen Schichten der späteren judäischen Königszeit zu ermitteln, sondern auch, um einige weitere biblische Personen in Inschriften zu identifizieren. Manchmal hatte ich den Eindruck, sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass ein Buch wie dieses nun für eine breitere allgemeine Leserschaft verfügbar ist. Die Begeisterung über neue Entdeckungen erwartet Sie, wenn Sie die folgenden Kapitel lesen.

Tribelhorns ermutigendes Buch wurde mit einer sehr wichtigen Absicht geschrieben: Sie, den Leser, dort abzuholen, wo Sie stehen – mitsamt den Zweifeln und Fragen, die Sie schon längere Zeit mit sich herumtragen. Dieses Buch wird Ihnen helfen, kritischer zu denken, Sie befähigen, festzustellen, ob Ihre Zweifel auf stichhaltigen Beweisen und ausgewogenem Denken beruhen – oder auf jemandes falscher und voreingenommener Weltanschauung. Ich hoffe, dass dieses Buch nicht nur Ihren Glauben an die Bibel festigen, sondern Sie auch lehren wird, wie Sie in Zukunft mit Ihren Zweifeln und kritischen Fragen besser umgehen können.

Peter van der Veen, Ph.D.

Leiter der Arbeitsgruppe für Biblische Archäologie

Schorndorf, Deutschland

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Einleitung

Unsere Welt erlebt gegenwärtig eine noch nie zuvor da gewesene Loslösung von der Bibel, was dazu führt, dass die zukünftigen Studenten sie scharenweise als unwichtig einstufen. Vielleicht gehören Sie auch dazu. Falls dies zutrifft, möchte ich Sie wissen lassen, dass Sie nicht alleine sind.

Es gab nämlich eine Zeit, in der ich nahe daran war, dasselbe zu tun.

Ich habe viel dazu zu sagen. Sogar unter denen, die sich zu den Christen rechnen, befinden sich mehr, als wir ahnen (oder vielleicht zugeben wollen), in einem Gefühlschaos. Eigentlich wollen sie Christen sein, doch gleichzeitig verheimlichen sie ernsthafte Zweifel an der Bibel und ihrem Glauben. Diese Zweifel sind weitgehend das Ergebnis unbeantworteter Fragen, die sie nicht zu stellen gewagt haben. Vielleicht wollen sie vermeiden, ausgeschlossen zu werden, oder sie sind zu stolz oder haben Angst, verurteilt zu werden, und bleiben deshalb still. (Mal ehrlich: Wie oft haben Sie sich schon nach einem Vertrauten gesehnt, mit dem Sie über ihre intimsten Fragen, die den Glauben betreffen, reden können, ohne Angst vor einer Maßregelung?)

Als Professor an einem Seminar kann ich dies ständig beobachten. Deshalb ist eines meiner Ziele, den Studenten einen „sicheren Hafen“ zu bieten, wo sie frei und offen über solche Themen reden können. Es verging kaum ein Semester in all den Jahren (besonders im letzten Jahrzehnt), in dem ich nicht einen „heimlichen Zweifler“ getroffen habe. Jemand, der in einer christlichen Gemeinde aufgewachsen war und nun am liebsten alles hingeschmissen hätte. Ein Student, der leise darum kämpfte, die eigentliche Bedeutung in seinem Leben zu finden. Vielleicht suchten diese Studenten sogar leise nach einem größeren Sicherheitsgefühl in unserer immer unsicherer werdenden Welt.

Diese Fragen und Zweifel des 21. Jahrhunderts sind aber nicht nur auf den Campus beschränkt. Ich habe heimliche Zweifler auf der Kanzel getroffen, vorne im Klassenzimmer, in Versammlungen, in Hauskreisen, in kleinen Gruppen. Heimliche Zweifler gibt es sowohl unter denen, die nachfolgen, als auch unter denen, die leiten.

Ich nehme einmal an, dass auch Sie früher oder später von irgendwelchen Zweifeln geplagt wurden oder Fragen stellten. In einer post-christlichen Gesellschaft werden viele verwirrt und sogar desillusioniert durch den Postmodernismus und eine Archäologie der neuen Generation. Sie werden durch politische Korrektheit eingeschüchtert, sie verstecken ihre Verwirrung und ihre Bedenken aus Angst davor, dass es ihren Positionen schaden könnte, und sie lassen den gottgegebenen Denkprozess unter dem Erwartungsdruck zusammenbrechen.

Solche Menschen möchte ich vor allem erreichen. Dieses Buch ist besonders für diejenigen geschrieben worden, die im Begriff sind, ihrem Glauben davonzulaufen, aber auch für diejenigen, die dies in ihren Herzen bereits vollzogen haben – während man ihnen äußerlich nichts anmerkt.

Beim Schreiben mussten ständig Entscheidungen getroffen werden, was ins Buch aufgenommen werden soll und was nicht. Dieses Buch will auf keinen Fall den Anspruch erheben, eine komplette Arbeit über christliche Apologetik zu sein oder so etwas Ähnliches. Es ist zweifelhaft, ob solch ein Buch überhaupt geschrieben werden kann. Zugegebenermaßen ist mein Blickfeld absichtlich selektiv.

Es ist mein Gebet, dass der Geist des lebendigen Gottes dieses Werk segnen möge, damit es meine Leser ermutigt und ihnen eine Plattform bietet, von der aus sie auf einige der intellektuellen Herausforderungen, denen sie als Christen des 21. Jahrhunderts begegnen, antworten können. Es ist meine Hoffnung, dass sie sich der Gefahren, die von der geschickten Infragestellung einer biblischen Weltanschauung ausgehen, mehr bewusst werden. Das postmoderne Denken, das sie täglich umgibt, ist der Auslöser. Um jeglichen Anschein einer herablassenden Haltung zu vermeiden, werde ich bei der Darstellung des Stoffes, wo es angemessen erscheint, meine eigenen Jahre von Zweifeln und Kämpfen zu Hilfe nehmen.

Mir sind zwei Hauptziele wichtig. Mein erstes Ziel ist, die Fehler in der Interpretationsweise der jüngeren Archäologie vorzustellen mitsamt den Begrenzungen und Vorurteilen der Argumentation, die gegen die Historizität der Bibel gerichtet werden. Ich möchte, dass meine Leser erkennen, dass die sogenannten „unanfechtbaren“ Fakten, die benutzt werden, um die Bibel als Fälschung darzustellen, nicht so felsenfest sind, wie uns vorgemacht wird. Weiterhin möchte ich, dass sie erkennen, dass jegliche Studien der Antike immer unvollständige laufende Arbeiten sein werden. Daher werden auch die Argumente gegen die Historizität der Bibel nie auf solider Basis stehen. Meine Leser müssen verstehen, dass die Beweislast effektiv genauso auf diejenigen geschoben werden kann, die die Historizität der Bibel herausfordern, wie auf jene, die sie verteidigen.

Mein zweites Ziel ist es, auf die verborgenen Fehler und Vorurteile hinter den ständigen Theorien hinzuweisen, dass die israelitische Religion des Alten Testaments nur eine Anpassung an die umgebenden heidnischen Religionen ist. Diese sogenannte „Tatsache“ wird in Lehrbüchern und Hörsälen immer wichtiger. Wenn ich mit Ihnen – meinen Lesern – durch verschiedene antike Tempel am Nil entlanggehe und Ihnen verwandte nicht-biblische Texte zeige, werden sie sowohl die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem israelitischen Tempel in Jerusalem und den antiken Tempeln Ägyptens und des Nahen Ostens als auch die Ähnlichkeiten und Unterschiede in den rituellen Gottesdienstpraktiken und in der Linguistik erkennen. Mein Ziel ist, dies auf eine verständliche, unkomplizierte, leserfreundliche Art zu verwirklichen.

Wie schon gesagt, schreibe ich aus der Perspektive eines Mannes, der sich selbst durch einige dieser intellektuellen Herausforderungen und Zweifel hindurcharbeiten musste. Ich erinnere mich nur zu gut, dass ich mich durch genau die Christen ausgegrenzt fühlte, die ich während meiner eigenen Jahre der Infragestellung der Historizität der biblischen Erzählungen um Hilfe gebeten hatte. (Meine weltlichen Freunde verhielten sich mir gegenüber christlicher als jene, die sich Christen nannten.) Als Ergebnis dieses unerfreulichen Erlebnisses bitte ich Gott ständig, mich immer davor zu bewahren, meine zweifelnden Studenten oder Kollegen oder andere, die mutig genug sind, mit mir über ihre Fragen, Zweifel und Glaubenskämpfe zu reden, auszugrenzen oder sie herabzusetzen.

Ich glaube, dass die Studenten, die in all den Jahren meinen Unterricht besuchten, bezeugen können, dass dies meine Zusage an jede Klasse war. Bei jedem von ihnen hatte ich als Ziel, nichts unversucht zu lassen. Es gibt keine dummen Fragen. Es gibt keine falschen Fragen. Es gibt keine verbotenen Fragen, vorausgesetzt, sie sind ernsthaft und respektvoll gestellt. Die einzige schlechte Frage ist die, die ungefragt bleibt, obwohl eine stichhaltige, recherchierte Antwort einen nagenden Zweifel bezwungen hätte.

Somit möchte ich mich bei meinen Studenten bedanken (die nun zu zahlreich sind, um einzeln namentlich erwähnt zu werden) – besonders bei jenen im Master- und Doktoralprogramm, die mich seit einigen Jahren zu diesem Projekt ermutigt haben. Ich fühle mich tief geehrt, dass sie mir viele ihrer persönlichen Fragen, Zweifel und Ängste anvertraut haben. Ihre Offenheit und Ehrlichkeit waren immer willkommen und werden immer bewundert werden. Zugegeben, nicht immer fanden wir die Antwort, die sie vielleicht erwartet haben. Aber in der Zusammenarbeit fanden wir viele Antworten und ließen dutzende ihrer beunruhigenden Fragen ruhen. Ich bin mir sicher, dass sie die Interaktion als genauso wertvoll und hilfreich empfunden haben wie ich – selbst bei jenen Gelegenheiten, bei denen wir zugeben mussten, dass in unserem begrenzten Verständnis einige Fragen auf dieser Seite der Ewigkeit vielleicht nie beantwortet werden.

Ich schreibe auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir als Mitglieder der weltweiten bibelgläubigen Gemeinde Christi füreinander da sind, um einander im Glauben aufzubauen. Eine Freundin von uns erzählt die Geschichte, dass sie einmal zu ihrem Pastor in Brasilien ging und bekannte, dass sie das Gefühl hatte, den Glauben zu verlieren. Anstatt sie zu verdammen, sie anzupredigen, sie mit Bibelversen zu bombardieren oder sie auszu-stoßen, sagte er sehr behutsam, „dann wird es Zeit, dass der Leib Christi für dich glaubt.“ Falls Sie den Eindruck haben, dass Sie den Glauben verlieren, schließen Sie sich einer Gemeinschaft an, die die Gnade in der Bibel und die Macht der Liebe begreift, oder versuchen sie, einen bibelgläubigen Bruder oder eine Schwester zu finden, die bereit sind, Sie auf Ihrer Reise voller Zweifel zu begleiten.

In vieler Hinsicht glaube ich, dass dies das Buch ist, von dem ich mir wünsche, dass es mir jemand gegeben hätte, als ich als Student in Israel auf dem alttestamentlichen Tell in Jericho stand (Tell el-Sultan), während alle um mich herum mich zu überzeugen versuchten, dass ich ziemlich falsch lag und es naiv war zu denken, dass ich die Archäologie mit den Erzählungen meiner nicht-mehr-relevanten Bibel in Übereinstimmung bringen könnte. Möge dies ein Buch sein, das einige der falschen akademischen Angriffe auf den biblischen Glauben als das enthüllt, was sie sind, und genauso die Voreingenommenheit deutlich macht, aus der sie stammen.

Auf meinen dunkelsten Reisen habe ich entdeckt, dass es am Ende des sprichwörtlichen Tunnels ein Licht gibt, und dieses Licht ist die Wahrheit, die man erfährt, wenn man Gott kennenlernt. Mögen Sie etwas davon – und Ihn – auf diesen Seiten finden.

Tom Tribelhorn, D.Min., Ph.D.

St. Petersburg Theological Seminary

Clearwater, Florida, USA

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Das sollten Sie zuerst lesen

Die Organisation dieses Buches möchte ich hier etwas erklären. Man sollte es nicht wie eine Enzyklopädie verwenden, indem man sich ein Thema auswählt und dieses aufschlägt. Die hier dargelegten Informationen bauen aufeinander auf. Das heißt, die letzten Kapitel dieses Buches bauen auf grundlegend wichtigen Informationen in den früheren Kapiteln auf.

Deshalb, bitte WIDERSTEHEN SIE DER VERSUCHUNG, VORAUS-ZULESEN.

Das Material in diesem Buch organisierte ich bewusst so, als würde ich einen Universitäts- oder Onlinekurs oder eine Vortragsreihe vorbereiten. Jedes Kapitel ist so aufgebaut, dass es grundlegend ist für die nachfolgenden.

Ich verstehe, dass das Thema der vor kurzem entdeckten Ähnlichkeiten bezüglich des Tempels und den Gottesdienstpraktiken im Tempel Ihr Interesse weckt, aber eilen Sie nicht voraus. Sie werden dort noch früh genug sein … und dann werden Sie mit den vorigen Informationen ausgerüstet sein, die Sie für ein komplettes Verständnis des Themas benötigen.

Lesen Sie also die Kapitel in der vorgegebenen Reihenfolge. Auf diese Weise werden Sie darüber froh sein, wie mächtig die Beweislage für den biblischen Glauben ist.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

1Warum Studenten Gott den Rücken kehren

Lindseys E-Mail landete gegen Ende des Sommersemesters in meinem Posteingang. Wie so viele andere reflektiert sie die steigende Tendenz von bibelgläubigen Studenten, die – als Folge der Aufklärung durch die so genannten archäologischen „Fakten“ – plötzlich die Historizität der Bibel in Frage stellen, in deren Glauben sie aufgewachsen sind. Sie schreibt:

Von: Lindsey

Betreff: Frage

Ich habe eine Frage aus meinem Religionsunterricht, die mich umtreibt, so dachte ich, ich könnte sie an Leute schicken, von denen ich den Eindruck habe, dass sie sich damit auskennen und mir weiterhelfen können.

Gestern in meiner Klasse für Biblische Literatur war es unsere Aufgabe, das Buch Josua zu lesen, und dann mussten wir das Kapitel eines Buches lesen, genannt Keine Posaunen vor Jericho von Israel Finkelstein. Ich werde mir Mühe geben, Ihnen eine Zusammenfassung dessen zu geben, was es aussagt.

Im Grunde war es ein archäologischer Bericht der Eroberung Kanaans. Offensichtlich gibt es Hinweise für die Annahme, dass Kanaan zu dieser Zeit unter ägyptischer Kontrolle war. Wenn dies wahr wäre, hätten die Ägypter nie eine solche Invasion zugelassen – zumindest wäre es auf jeden Fall in der ägyptischen Berichterstattung erwähnt worden.

Es wird angenommen, dass es in Jericho im 13. Jahrhundert v. Chr. keine Spuren einer Besiedelung gab und dass die Besiedelung im 14. Jahrhundert geringe Auswirkungen hatte und unbefestigt war. Außerdem soll es absolut kein Zeichen von Zerstörung geben.

Wegen des militärischen Einflusses Ägyptens und des vorhandenen Schutzes in der Region konnten die berühmten Mauern von Jericho nicht eingestürzt sein, denn sie haben nie existiert, laut Finkelstein. Als Konsequenz dieser Entdeckungen ist laut Finkelstein die berühmte Szene, wo die Israeliten um die Mauern marschieren und die Bundeslade tragen, die Widderhörner blasen und die Mauern zu Boden stürzen, nur eine „romantische Illusion“. Das ganze Ereignis und die anderen berühmten Szenen des Buches Josua sollen nur Überlieferungen des Volkes sein, die als Stilmittel dienten, um zu beschreiben, was passieren könnte, wenn die Israeliten dem Gesetz buchstäblich gehorchen, mit dem Ziel, die Israe-liten zur Zeit Josias zu vereinen und ihnen eine gemeinsame und ruhmreiche Vergangenheit zu geben.

SO das wäre gesagt … irgendwelche Ideen?

Meinen Sie, dass das, was diese Archäologen sagen, wahr sein könnte? Könnte mein Professor Recht haben? Dies hat mich wirklich beschäftigt! Können Sie helfen?1

Sie sind nicht allein

Jedes Frühjahr schließen tausende amerikanische Schüler eine christliche Schule ab und lassen sie hinter sich, um ein Studium oder eine Ausbildung zu beginnen. Das Problem ist – wie eine neuere amerikanische Studie zeigt –, dass eine alarmierende Mehrheit dieser Schüler auch ihre Bibel und ihren Glauben an Gott hinter sich lassen. Studentenpfarrer aus zahlreichen christlichen Denominationen schätzen, dass zwischen 65 und 94 Prozent dieser Schüler Gott den Rücken zukehren und nach der Schule vom Glauben abkommen.

Um diese Schätzungen zu dokumentieren, hat das Jugend- und Familienzentrum des Fuller Theological Seminary im Januar 2005 eine dreijährige Studie2 gestartet, genannt das College-Übergangsprojekt.3 Die Studie bestätigte, dass Schüler, die nicht fähig waren, ihren Glauben zu verteidigen, (oder jemand zu finden, der ihnen helfen konnte, ihren Glauben zu verteidigen) normalerweise im ersten Studienjahr ihren Glauben verloren.

Die Fuller-Studie bestätigt auch, dass alle Gemeinden Schüler hatten, die auf der höheren Schule ihrem Glauben treu blieben, aber irgendwie eine Kehrtwendung machten und ins Straucheln kamen (oder in die Gegenrichtung losspurteten), als sie anfingen zu studieren.

In dem Buch Already Gone4 zitieren die Autoren Ken Ham und Britt Beemer Forschungen, die von der Americaʻs Research Group durchgeführt wurden, die „über 20-Jährige“ beobachteten, die es als Kinder gewohnt waren, zur Kirche zu gehen, nun aber nicht mehr dabei sind. Der Gottesdienstbesuch in dieser Altersgruppe (20-29) ist folgendermaßen:

• 95 % gingen während der Grundschule regelmäßig zum Gottesdienst

• 95 % gingen während der Mittelstufe regelmäßig zum Gottesdienst

• 55 % gingen während der Oberstufe regelmäßig zum Gottesdienst

• 11 % gingen während des Studiums regelmäßig zum Gottesdienst

Die Teilnahme am Gottesdienst sank also rapide, je älter die Schüler wurden. Aber warum? Könnte folgende Statistik etwas damit zu tun haben? Von den Studenten sagten aus:

• 39,8 % hatten während der Mittelstufe das erste Mal Zweifel an der Bibel

• 43,7 % hatten während der Oberstufe das erste Mal Zweifel an der Bibel

• 10,6 % hatten während des Studiums das erste Mal Zweifel an der Bibel

Wenn diese Studenten mit dem Studium beginnen, sind sie schon voller Fragen und fühlen sich entweder zu unwohl oder zu schüchtern, um sie zu stellen. Entweder lag hier das Problem oder die Gemeinde gab ihnen keine befriedigenden Antworten, um ihre Zweifel zu mindern. Zu diesem Zeitpunkt sind sie, wie der Buchtitel Already Gone es bereits sagt, schon längst gegangen. Seltsamerweise wurde bei der Studie5 herausgefunden, dass diejenigen, die den Kindergottesdienst (61 %) besucht hatten, noch eher zu folgenden Einstellungen neigten, als die, die ihn nicht besucht hatten:

• Nicht zu glauben, dass alle Berichte und Geschichten in der Bibel wahr sind.

• An der Bibel zu zweifeln, da sie von Menschen niedergeschrieben wurde.

• An der Bibel zu zweifeln, da sie nicht korrekt übersetzt wurde.

• Der Meinung zu sein, dass gleichgeschlechtliche Ehen und Abtreibung legalisiert werden sollten.

• An die Evolution zu glauben.

• Die Kirche als scheinheilig anzusehen.

• Mit den Jahren immer mehr gegen die Kirche zu sein.

• Zu glauben, dass gute Menschen nicht zur Kirche gehen müssen.

Falls auch Sie zu dieser „Schon-längst-gegangen“-Gruppe gehören, verstehe ich Ihre Zweifel – aber ich bitte Sie eindringlich, weiterzulesen. Falls Sie zu den christlichen Eltern gehören, die verwurzelt sind in kulturspezifischer Erziehung, wird sich das Lesen dieses Buches und das Reflektieren der Dokumentation, die es bietet, für Sie lohnen. Es gibt Antworten – sehr gute sogar –, die es ermöglichen, dass sich für die kommenden Generationen das Blatt wendet.

Schadensbegrenzung

Aus meiner Sicht als Professor am St.-Petersburg-Seminar in Florida versagen wir darin, den Staffelstab des Glaubens an die nächste Generation weiterzureichen – wir müssen es einfach besser machen6. Ich bin jedes Mal schockiert (und betrübt), wenn ich in Statistiken lese, wie viele Amerikaner kein einziges Evangelium nennen oder Jesus als die Person identifizieren können, die die Bergpredigt hielt, oder die glauben, dass die ganze Bibel – Altes und Neues Testament – kurz nach Jesu Tod geschrieben wurde. Frank Page von der Southern Baptist Convention (SBC; die größte Denomination in den Vereinigten Staaten) findet es alarmierend, wie viele in der SBC aus der Kirche austreten: „Es ist eine beunruhigende Tendenz, und ein Grund dafür ist, dass unsere Gemeinden zu Ein- und Zwei-Generationen-Gemeinden wurden und es uns nicht gelang, die jüngere Generation zu erreichen.“7

Die Historizität der Bibel ist nicht so ungenau und weit hergeholt, wie es unseren Studenten im Unterricht gesagt wird; ganz im Gegenteil. Es ist möglich, den Verstand zu gebrauchen und trotzdem im 21. Jahrhundert der Bibel zu vertrauen. Zu viele der heranwachsenden Generation haben die Bibel schon als irrelevanten Mythos abgeschrieben – unnötigerweise. Es gibt Arbeit. Der Inhalt des Staffelstabes, den wir weiterreichen, muss ständig aktualisiert werden und den intellektuellen Herausforderungen, mit denen die Studenten konfrontiert werden, angepasst werden. Wenn ein relevanter Stab nicht weitergereicht wird, wird die nächste Generation Gott nicht kennen. Sie wird später einmal als nach-christliche Generation weiterleben. Nachdem von der Generation Josuas alle gestorben waren, „gab es eine neue Generation, die den Herrn weder kannte noch wusste, was er für Israel getan hatte. Sie taten, was der Herr verabscheute: Sie dienten anderen Göttern“ (Richter 2,10-11). Die Aussicht ist erschreckend. Und es geschieht im Handumdrehen.

Vor kurzem wurde ich gebeten, zu einer Gruppe über die Anschuldigungen gegen die Historizität der Bibel und über die alarmierende Zahl von Studenten, die ihren Glauben verwerfen, zu sprechen. Als die Veranstaltung zu Ende war, übte auf die Mehrheit der Zuhörer langsam aber sicher der Redner eine größere Anziehungskraft aus als der Hörsaalausgang. Sie warteten geduldig, bis sie mich sprechen konnten. Sie kamen nicht nach vorne, weil ich eine Art emotionalen Aufruf nach vorne zu kommen gestartet hatte. Diese Leute sehnten sich danach, uns ihre eigene „Opfer“-Geschichte als gläubige Studenten mitzuteilen.

Die Erlebnisse waren mir alle vertraut, genauso wie der Kummer und das tiefe Gefühl des Verletztseins in ihren Gesichtern. Eine Frage quälte sie alle: Wie kam es dazu, dass mein Sohn oder meine Tochter (oder mein Neffe oder meine Nichte oder mein Enkel) – der oder die doch das perfekte Baby, das perfekte Kind, der perfekte Jugendliche war, immer so kooperativ war und nie widersprach, in der Gemeinde so aktiv war, zu Hause unterrichtet wurde – sich vom Glauben entfernt hatte?

Da waren diejenigen, deren Sohn oder Tochter nicht nur vom Glauben weggelaufen war, sondern auch von den Eltern. Sie verleugneten sie und brachen jegliche Verbindung und Kommunikation ab, denn sie hatten das Gefühl, dass ihre Eltern sie betrogen hatten, indem sie ihnen glaubhaft machten, dass die Bibel wahr sei, wo es doch (laut ihrer Professoren) überhaupt nicht so sei – sie hätten genau so gut an den Nikolaus glauben können.

Falls Sie ein Student sind, der dieses Buch liest, und Sie sich von den Eltern oder Großeltern oder dem Pastor in dieser Beziehung betrogen fühlen, lassen Sie mich dies klarstellen: Es ist nicht unbedingt deren Fehler. Die Kirche gibt sich Mühe – aber sie ist nicht darauf vorbereitet, mit den Angriffen aus Akademikerkreisen fertig zu werden. Sogar Theologiestudenten sind oft nicht ausreichend dafür gewappnet, ihren Glauben gegen solche Kritik zu verteidigen. Die Absolventen dieser kirchlichen Einrichtungen – diejenigen, die dann Pastoren und Missionare und Lehrer und (ja!) Professoren werden – stellen fest, dass sie nicht ausreichend dafür ausgerüstet sind, gegen solch schwere akademische Geschütze anzukommen. Im Gegenzug akzeptieren sie oft die „unwiderlegbaren Fakten“, die von den Kritikern behauptet werden, verkündigen somit Fehler und verleiten Studenten in ihrem Gewissenskampf zum Glauben, dass die Bibel im Licht der ihr widersprechenden wissenschaftlichen „Beweise“ in Misskredit geraten ist.

Falls Sie einer der verletzten Studenten sind, die dies lesen, muss ich Ihnen wahrscheinlich nicht sagen, wie sehr die Gemeinde und die christliche Erziehung Sie enttäuscht haben; Sie wissen das schon ganz genau. In einem Vortrag an der Notre Dame Universität vor ungefähr 30 Jahren warnte der christliche Apologetiker Francis Schaeffer davor, dass die Kirche und christliche Erzieher nur Teilaspekte unterrichteten auf Kosten eines umfassenden Rahmenkonzepts (Weltanschauung), in das die Studenten die einzelnen Teile einordnen könnten, mit denen sie konfrontiert werden. Dieses Buch soll Ihnen helfen, dieses lebensnotwendige Rahmenkonzept zu konstruieren – eines, das die Angriffe der akademischen Kritik überleben wird.

Sie müssen sich bewusst sein, dass der Kampf um die Historizität der Bibel nicht neu ist. Seit über 200 Jahren tobt er in liberalen Kreisen. Allmählich drang er auch in eher konservative Kreise8 ein und nun, angefacht durch immer neue archäologische Entdeckungen, wütet die Debatte fast überall. Demzufolge betrachten sehr viele die ganze hebräische Bibel nur noch als einen frommen Mythos. Wie kommt es, dass die Bibel, die verbreitet ist und in Seminaren und Universitäten so überzeugend gelehrt wurde, Studenten dazu bringt, dem Glauben, der Bibel und Gott in einem noch nie da gewesenen Ausmaß den Rücken zu kehren?9

Um diese Frage zu beantworten, werden wir untersuchen, was gegenwärtig von der Historizität der Bibel behauptet wird. Bei der Untersuchung dieses riesigen Bereiches müssen Sie allerdings bedenken, dass es den Rahmen dieses Buches sprengt (oder jedes anderen Buches zu diesem Thema), jeden schmählichen Versuch, die Bibel von der Realität zu trennen, zu beurteilen.

Historische Theologie und Philologie

Der Terminus Archäologie stammt von zwei griechischen Wörtern: archaios, was altertümlich bedeutet, und logos, was Wort, Kunde, Lehre bedeutet. Genau genommen bedeutet Archäologie das Studium der materiellen Überreste der Vergangenheit. Jedoch ist oft die Entdeckung von geschriebenem Material das Ergebnis archäologischer Forschungen. Obwohl die Untersuchung von geschriebenem Material eigentlich eher zur Philologie und Epigraphik und dergleichen gehört, ist dieses Gebiet nichtsdestotrotz untrennbar mit der Archäologie verbunden, wobei dasselbe auch für die Numismatik gilt.

Die Herausforderung für die Studenten heutzutage, die ich bis jetzt angesprochen habe, betrifft die eigentliche Archäologie. Doch unsere Untersuchungen wären nicht vollständig, wenn wir nicht die Linguistik und Gemeinsamkeiten des kultischen Lebens berücksichtigen würden. Dies betrifft auch die Parallelen der Grundrisse von Fußböden und Strukturen antiker Tempel mit den entsprechenden Merkmalen von Salomos Tempel. Deshalb muss im Rahmen dieser Studie unsere Untersuchung auch die historische Theologie und die Philologie mit einbeziehen. Die historische Theologie definiert sich zum größten Teil selbst: Es handelt sich um das Studium der Geschichte der Theologie. Die Philologie ist das Studium der niedergeschriebenen Berichte und die Feststellung ihrer Echtheit – oder das Fehlen derselben – einschließlich der Ermittlung ihrer ursprünglichen Form und Bedeutung.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckten Archäologen in Ägypten verschiedene alte ägyptische Schriften wie z. B. die beiden Versionen der „weisen Sprüche“ oder Lehren des Amen-em-Ope. Eine Version – sie befindet sich im Britischen Museum in London – besteht aus 27 Seiten und ist in hieratischer ägyptischer Langschrift auf Papyrus geschrieben. Es wird allgemein angenommen, dass Amen-em-Ope in Ägypten ungefähr zwischen 1250 und 1000 v. Chr. gelehrt hat. Einige Abschnitte der Lehren des Amenem-Ope finden wir auch in unserer Bibel (Sprüche 22,17-24,22). Es gibt bemerkenswerte Ähnlichkeiten zwischen dem Rat des Amen-em-Ope und den Versen in den Sprüchen sowie Ähnlichkeiten in der Darstellung und Struktur. Beide beginnen mit einer allgemeinen Einleitung, gefolgt von 30 weisen Worten.

Philologie

Sprachwissenschaft, Studium der Literatur oder der Sprache, die in der Literatur verwendet wird.

Epigraphik

Studium der Inschriften, antiker Inschriften.

Numismatik

Studium der Münzen und Metalle.

hieratisch

Bezieht sich auf die hieratische Schrift, eine vereinfachte und abgekürzte Form der Hieroglyphen.

Amen-em-Ope beginnt so: „Höre auf das, was ich sage, lerne meine Worte auswendig.“10 Der Abschnitt in Sprüche 22,17-21 beginnt mit einer ganz ähnlichen Einleitung:

Höre, ich will dir erzählen, was weise Menschen gesagt haben. Nimm dir meine Worte zu Herzen, behalte sie immer im Gedächtnis und rede davon; sie werden dir helfen. Ich unterrichte gerade dich, damit du es lernst, dem Herrn zu vertrauen. Schon vor einiger Zeit habe ich dir meine Ratschläge aufgeschrieben, um dir Einsicht zu vermitteln. Sie werden dir zeigen, wie zuverlässig die Wahrheit ist. Dann wirst auch du gute Antworten geben können, wenn dich Menschen um Rat fragen.

Die Ähnlichkeit zwischen den Sprüchen und Amen-em-Ope ist eines der bekannteren Beispiele, die wir zitieren können, doch es ist nur eine aus einer Vielzahl von linguistischen Parallelen zwischen der Bibel und anderen antiken Texten.

Außerdem gibt es Parallelen zwischen Salomos Tempel und anderen antiken Tempeln und Gemeinsamkeiten bei Gottesdienstpraktiken und Ritualen. Diese Parallelen wurden zur Begründung des Gedankens benützt, dass die Israeliten ihre eigene Religion dadurch erfunden hatten, dass sie die Inhalte der sie umgebenden Religionen übernahmen. Folgender Abschnitt fasst dies alles größtenteils zusammen. Beachten Sie das Ausmaß der Behauptung:

Die Bibel ist nicht ‚das Wort Gottes‘, sondern wurde von heidnischen Quellen gestohlen. Ihr Eden, Adam und Eva wurden dem babylonischen Bericht entnommen; ihre Flut oder Sintflut ist nur ein Auszug aus ungefähr 400 Sintflutberichten; ihre Arche und der Ararat haben ihre Äquivalente in zwanzig Sintflutmythen; sogar die Namen der Söhne Noahs sind Kopien, genauso wie Isaaks Opfer, Salomos Urteil und Samsons Säulendarbietung; ihr Mose wurde dem syrischen Mises nachgebildet; ihre Gesetze nach dem Kodex Hammurabis.11

Unser Überblick ist nicht vollständig. Er ist zugegebenermaßen einerseits zwar breit, aber auch selektiv mit dem Ziel, ein umfangreiches Gemälde über das gegenwärtige akademische Denken zu entwerfen. Wenn wir dieses Gemälde betrachten, bekommen wir eine Ahnung von den schwierigen Herausforderungen, denen unsere Schüler und Studenten jeden Tag in ihren Klassenzimmern und Hörsälen ausgesetzt sind. Ich kann meinen Studenten gegenüber nicht genug betonen, wie wichtig es ist, kritisch zu lesen, kritisch zu hören und kritisch zu denken, und zwar in jedem Bereich, nicht nur im Bereich der Archäologie der neuen Generation. Archäologische Lehrbücher sind nicht die einzigen Lehrbücher, durch die Studenten mit unausgewogenen antibiblischen, antichristlichen Vorstellungen bombardiert werden.12 Die Bibel – in Amerikas akademischen Kreisen einst verehrt und respektiert als Wort Gottes – wurde reduziert auf nur einen weiteren alten Mythos. Nicht nur die Studenten werden damit bombardiert, sondern alle Christen – durch unterschiedliche Medien, und zwar bewusst und unbewusst.

Könnte es also doch sein, dass wir die ganze Zeit falsch lagen und dass die alten Erzählungen der Bibel sich nicht wirklich zugetragen haben? Wenn die Archäologen nun Recht haben? Wenn es Beweise dafür gibt, dass die biblischen Erzählungen nur ausgeklügelte Fiktionen sind, wie es von so vielen Wissenschaftlern behauptet wird?

Es läuft auf diese kritische Frage hinaus: Gibt es unwiderlegbare Beweise, dass die Bibel nur weitere Berichte antiker Mythen enthält, wie behauptet wird? Als jemand, der mehrere Jahre in Israel studiert hat und früher mit genau denselben Problemen gekämpft hat und der jahrelang zahlreiche Gruppenreisen in Israel, Ägypten und Jordanien geführt hat, ist es mein Ziel, Ihnen zur Erkenntnis zu verhelfen, dass die Antwort auf diese Frage absolut nein lautet! Gibt es etwa Antworten aus dem 21. Jahrhundert auf diese Fragen des 21. Jahrhunderts? Ich glaube, dass es tatsächlich Antworten gibt – felsenfeste (beabsichtigtes Wortspiel). Und sie sind genauso gut wie die Antworten derer, die etwas anderes behaupten.

Vielleicht haben Sie so einen vollendeten Glauben, dass es Ihnen möglich ist, die Wissenschaftler zu ignorieren, die darauf bestehen, dass Ihr Glaube auf Lügen aufgebaut ist. Oder womöglich tragen Sie eine intellektuelle Zeitbombe voller Zweifel mit sich herum, die bis jetzt nur noch nicht explodiert ist. Seien Sie versichert, dass handgreifliche Beweise doch einen Platz haben in einer biblischen Weltanschauung, denn diese Weltanschauung besteht darauf, dass es so etwas wie Wahrheit gibt und dass belegbare historische Wahrheit wichtig ist.

Haben Sie je darüber nachgedacht, wie viel im Neuen Testament Glaubensverteidigung ist? Johannes verkündigt in seinem Brief: „Christus war von allem Anfang an da. Jetzt aber haben wir ihn selbst gehört. Wir haben ihn mit unseren eigenen Augen gesehen und mit unseren Händen berühren können, ihn, der uns die Botschaft vom Leben brachte. … Wir geben euch nur das weiter, was wir selbst gesehen und gehört haben, damit ihr mit uns im Glauben verbunden seid. Gemeinsam gehören wir zu Gott, dem Vater, und zu seinem Sohn Jesus Christus“ (1. Johannes 1,1.3). Johannesʻ ursprüngliche Absicht war es, diejenigen anzusprechen, die vom aufkommenden Gnostizismus seiner Zeit beeinflusst wurden, doch dieser Abschnitt spricht uns heute noch genau so an. Das, was wir mit unseren Augen gesehen haben und mit unseren Händen berührt haben, ist ein wichtiger Teil christlicher Apologetik.

Falls Sie gerade einen Kampf um die Wahrheit führen (oder Sie machen sich Sorgen um jemand, der kämpft), dann sind die folgenden Kapitel genau das Richtige für Sie. Später, im letzten Kapitel, werden wir noch mehr über das Werk des Glaubens hören. Doch bis dahin möchte ich Sie an die Worte des Paulus im Römerbrief erinnern: „In der Vollmacht, die mir Gott als Apostel gegeben hat, warne ich jeden einzelnen von euch: Schätzt euch nicht höher ein, als euch zukommt. Bleibt bescheiden, und maßt euch nicht etwas an, was über die Gaben hinausgeht, die Gott euch geschenkt hat“ (Römer 12,3). Hüten Sie sich vor geistlichem Hochmut.

Bevor Sie über andere urteilen, die mit Zweifeln zu kämpfen haben, vergessen Sie nicht, dass wir alle anfälliger sind gegenüber dem uns umgebenden postchristlichen Umfeld, als uns bewusst ist.

So wie uns Already Gone warnt: „Nur wenn die Fakten hinter dem christlichen Glauben deutlich und überzeugend kommuniziert werden, sodass die Studenten es lernen und behalten können, wird ihr Glaube den Angriffen des Zweifels von der Welt standhalten. Es reicht nicht, den Studenten einfach zu sagen: ‚Glaube an Jesus!ʻ Glaube, der nicht auf Fakten gegründet ist, wird schließlich im Sturm des Säkularismus, dem unsere Studenten heutzutage begegnen, straucheln.“13

Eine wichtige Erinnerung

Dieses erste Kapitel war nur eine Übersicht. Im Folgenden werden wir eine Verteidigungsmauer aufbauen – Stein für Stein. Wir beginnen beim Fundament und bauen die Mauern darauf auf. Deshalb ist es so wichtig für mich, Sie daran zu erinnern, DER VERSUCHUNG ZU WIDERSTEHEN, VORAUSZULESEN.

Falls Sie diese Empfehlung nicht ernst nehmen, werden Ihnen die Werkzeuge fehlen, um die Informationen in den späteren Kapiteln völlig zu verstehen, denn die Grundlagen dafür wurden in den früheren Kapiteln gelegt. Somit beginnen wir zu graben nach den tatsächlichen Fakten, die bestimmen, ob die Bibel als historisch korrekt oder nicht angesehen werden kann.

Folgen Sie mir – lassen Sie uns unsere Hände schmutzig machen, um eine klare Sicht auf die Probleme zu bekommen.

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2Was die Fachleute über die Bibel sagen

Unsere kurze Zusammenfassung einiger aktueller Standpunkte zur Beziehung zwischen Bibel und Archäologie sollte diese Tatsache untermauern: Archäologen der neuen Generation sehen die biblische Archäologie als Widerspruch in sich. Eine Verbindung zwischen Bibel und Archäologie wird heutzutage als unmöglich angesehen, da die Erzählungen des Alten Testaments als nicht zutreffend eingeschätzt werden.

In einigen Beispielen werden wir sehen, wie der alttestamentliche Unterricht weltweit führender Archäologen und Historiker der jungen Generation und speziell eines evangelikalen Professors aussieht.

Lernen Sie die Fachleute kennen

Die Erzählungen in 1. Mose, 2. Mose und dem Buch Josua wurden nacheinander zerlegt und ihre Historizität als wissenschaftlich unglaubwürdig abgetan. Sie wurden zusammen mit anderen alten Mythen auf einen Haufen geworfen. Die Erzählungen in den Büchern Richter, Samuel, Könige und Chroniken werden entweder verworfen oder zumindest mit großer Skepsis betrachtet. Immer mehr Archäologen und Wissenschaftler im Allgemeinen sowie eine alarmierende Anzahl von Theologen meinen heute, dass die hebräische Bibel entweder zum größten Teil oder sogar vollständig in den Bereich der antiken Mythologie gehört. Nun wollen wir verschiedene Akademiker kennenlernen und erfahren, was sie glauben.

Bill Dever

„Josua zerstörte eine Stadt, die nicht einmal existierte“, sagt William G. Dever.13

Devers Fachgebiet ist die Geschichte Israels und des Nahen Ostens in biblischen Zeiten. Er war von 1975 bis 2002 Professor für Archäologie des Nahen Ostens und Anthropologie in den USA. Seine archäologische Karriere ist beeindruckend, ebenso seine Zeit als Grabungsdirektor, unter anderem in Geser von 1966 bis 1971, 1984 und 1990. Dever ging im Herbst 2008 an das Lycoming College (der Vereinigten Methodisten), wo er nun Professor für Archäologie des Nahen Ostens ist.

Lange Zeit beschäftigte sich Dever als Autor häufig mit Fragen, die die Historizität der Bibel betrafen. Oft schrieb er bissige Kommentare über diejenigen, die die Historizität der Schrift bestritten, obwohl er selbst nie ein Anhänger des biblischen Buchstabenglaubens war14. Bei genauerem Lesen besonders seiner neueren Bücher findet man eine allmähliche Tendenz weg von der Historizität der Bibel.

„Meine allgemeine Ansicht – besonders in den neueren Büchern – ist zunächst, dass es sich bei den biblischen Erzählungen tatsächlich um ‚Geschichtenʻ handelt, die oft fiktiv sind und fast immer propagandistisch, aber dass immer wieder etwas an stichhaltigem historischem Material vorhanden ist.“15

Dever (genau wie D. Coogan, den Sie bald kennenlernen werden) blieb dabei, dass die fiktiven und propagandistischen Erzählungen der Bibel doch noch einige stichhaltige historische Informationen beinhalteten. Vor Kurzem äußerte sich Dever über seinen Wechsel zu denen, die die Historizität der Bibel abstreiten. In einem Interview, das er und drei andere biblische Archäologen mit Hershel Shanks führten, sagte Dever: „Ursprünglich schrieb ich, um die biblischen Minimalisten zu frustrieren; dann wurde ich einer von ihnen, mehr oder weniger.“17 Warum hat er seine Meinung geändert? Warum sagt er so etwas?

Dever selbst nennt als Grund die in Jericho durchgeführten archäologischen Untersuchungen, die keinerlei Beweise hervorgebracht hätten, dass an diesem Ort gegen Ende der Spätbronzezeit überhaupt eine bewohnte Stadt existierte. Falls Sie mit der gegenwärtigen Denkweise auf diesem Gebiet nicht vertraut sind, müssen Sie sich seine Äußerung wahrscheinlich zweimal ansehen. Falls Sie andererseits mit der gegenwärtigen Denkweise auf diesem Gebiet vertraut sind, wissen Sie, dass die Position Devers nicht von der Norm abweicht – sie ist die Norm.

Offen gesagt gibt es nur noch wenige Wissenschaftler (der evangelikale Wissenschaftler Kenneth Kitchen ist einer von ihnen), die noch für eine vollständige militärische Invasion durch Josua eintreten. Für die Mehrheit der Archäologen und Geschichtswissenschaftler ist es unmöglich, die biblische Eroberungsgeschichte mit der archäologischen Beweislage zu vereinen. Sie werden Ihnen einmütig erklären, dass es für Josua gar keine bewohnte Stadt in Jericho gab, die er zerstören konnte, als er und falls er überhaupt dort durchzog. Sie werden zugeben, dass es archäologische Hinweise gibt, dass die Stadt Hazor bis auf den Grund niedergebrannt wurde, aber die Schicht, in der die Brandspuren entdeckt wurden, liegt ein halbes Jahrhundert oder mehr vor der Datierung der Eroberung, die Kitchen vertritt. Außerdem werden sie betonen, dass die Besiedelung im Zentralen Hügelland, die in Israel während der Eisenzeit I entstand, kulturell dieselbe war wie jene aus der vorhergehenden Periode. Also kann es während dieser Zeit keinen Zustrom von Fremden (von Nicht-Kanaanitern, d. h. Israeliten) mit einem anderen kulturellen Hintergrund gegeben haben.

Es bleibt nicht bei der Geschichte von Josua und dem Kampf um Jericho. Die Liste der unglaublichen Behauptungen geht immer weiter:

• Die Israeliten waren nie Sklaven in Ägypten.

• Der deutsche Archäologe Edgar Pusch und sein Team machten einige faszinierende Entdeckungen in der Stadt Pi-Ramesse, aber sie fanden keine asiatischen Wohnviertel, die auf viele israelitische Arbeitskräfte schließen lassen.

• Die Erzählungen über Mose sind nette Geschichten, aber als Person gab es ihn nicht wirklich.

• Der Auszug aus Ägypten ist eine Geschichte, die nie stattfand; die Eroberung des verheißenen Landes durch Josua fand ganz einfach nicht statt.

• Außerhalb der Bibel gibt es keinen Hinweis auf König Saul.

• Es gibt keine archäologischen Hinweise für ein prachtvolles Jerusalem mit Tempeln und Palästen während der angenommenen Regierungszeit von David und Salomon.

Beginnen Sie zu verstehen, um was es hier geht?

Finkelstein und Silberman18

Es gibt zahlreiche Lehrbücher und Medien, die wir zitieren könnten, um unsere Frage zu beantworten, was für eine Lehre über die Bibel so viele Studenten dazu bringt, sich vom Glauben abzuwenden – aber ein spezielles Buch fällt mir sofort ein. Seit der Publikation von Professor Israel Finkelstein und Neil Asher Silberman: Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel (auf Englisch: The Bible Unearthed: Archaeology‘s New Vision of Ancient Israel and the Origin of Its Sacred Texts)19 wurde es üblich, diese Texte zur Pflichtlektüre zu machen. Dieses Buch wird in E-Mails wie der oben erwähnten von Lindsey am meisten erwähnt.20 (Einmal unterlief mir ein Freudʻscher Versprecher, indem ich auf dieses Buch hinwies als neue Version (statt „Vision“ wie im englischen Titel) der Archäologie des alten Israel und des Ursprungs seiner heiligen Texte, aber es war ein ehrlicher Fehler … denke ich).

Dieses Buch ist gut strukturiert. Jedes Kapitel beginnt mit einer Zusammenfassung der biblischen Erzählung und danach wird besprochen, wie die neuesten archäologischen Entdeckungen und Ansichten den früheren Meinungen zu diesem speziellen Bibeltext widersprechen. Kritiker haben allerdings behauptet, das Buch sei ideologisch festgelegt. Dies stimmt sicherlich, doch nach der vom Autor selbst formulierten Absicht war dies wohl selbstverständlich.

Aus zwei Gründen habe ich einige meiner Studenten vorsichtig ermutigt, dieses Buch zu lesen: 1. wegen seiner gefälligen Struktur und 2. weil es meinen Studenten einen raschen Praxisschock geben kann – vor allem, wenn sie mit der gegenwärtigen Lehre in der Archäologie des Nahen Ostens nicht vertraut sind. Es sollte konzentriert gelesen und durch die Lektüre eines Buches wie das Buch Das Alte Testament und der Vordere Orient21 von Kitchen ausbalanciert werden. Finkelsteins Text ist voreingenommen und hat tatsächlich die Absicht, die Historizität der hebräischen Bibel zu untergraben – eine Voreingenommenheit, die klar und deutlich von den Autoren zugegeben und genannt wird. (Ich schätze ihre Aufrichtigkeit. Sie sprechen es aus, anstatt es zu vergraben wie eine Landmine, über die ein unachtsamer Leser stolpert.)

Hier werden ahnungslose Studenten aus dem Hinterhalt angegriffen: Theologieprofessoren, die Bücher wie diese zur Pflichtlektüre machen, sollten bereit sein, die apologetische Leere, die sie verursachen können, auch zu füllen. Was sie einreißen, müssen sie wieder aufbauen. Lasst die Studenten nicht hängen. Es macht einen himmelweiten Unterschied, ob man etwas abreißt, um es besser konstruiert wieder aufzubauen, oder ob man abreißt um des Abreißens willen.

„… Bei all diesen Fragen, beim Essen und Trinken oder was ihr auch tut, denkt immer daran, dass alles zur Ehre Gottes geschieht. Gebt deshalb niemandem Anlass zur Verärgerung, weder den Juden noch den Heiden und auch nicht euern Brüdern in der Gemeinde“ (1. Korinther 10,31-32).

Gegenwärtig ist Finkelstein Professor für die Archäologie Israels im Bronzezeitalter und den Eisenzeitaltern an der Universität Tel Aviv. Außerdem ist er Ko-Direktor der Ausgrabungen in Megiddo in Nord-Israel. Er wurde in Petah Tikva, Israel, geboren und hat einen Abschluss der Universität Tel Aviv. Seine Doktorarbeit schrieb er über die Ausgrabungen in Izbet Sartah, wo er auch Feldleiter war. Als führende Autorität in der Archäologie des Mittleren Ostens ist das Fachgebiet Finkelsteins die Frühe Geschichte Israels. Beim Aufbau seiner Karriere verhielt er sich kritisch gegenüber den Archäologen der ersten Generation, die die Ergebnisse ihrer Ausgrabungen als Bestätigung der biblischen Erzählungen und der Eroberung von Kanaan interpretierten. Im Lauf der Jahre wurde er bekannt für seine Kontroversen. Er war einer der ersten, die das Jerusalem des 10. Jahrhunderts (die Zeitspanne, die mit den biblischen Königen David und Salomo in Verbindung gebracht wird) nur als „Dorf“ oder Stammeszentrum beschrieben haben. Auch behauptet er, dass die endgültige Fassung der hebräischen Bibel erst in der Perserzeit oder in der hellenistischen Zeit geschrieben wurde, irgendwann nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil.

Finkelstein wurde unter anderem von Michael D. Coogan kritisiert, dem Herausgeber der New Oxford Annotated Bible, der meint, dass Finkelstein und seine Kollegen „sich von der Hypothese über das Unmögliche zum Absurden bewegen.“22

Finkelstein gehört zu den israelischen Archäologen der neuen Generation, deren Ziel es ist, darzustellen, wie die neuesten archäologischen Entdeckungen unsere lange aufrecht erhaltenen Vorstellungen über die Historizität des Alten Testaments grundlegend zum Kentern bringen. Beachten Sie die Auswirkungen und daraus resultierenden Probleme in diesen beiden Auszügen von zentralen Abschnitten:

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die ägyptischen Garnisonen im ganzen Land unbeteiligt zuschauten, wie eine Gruppe von Flüchtlingen (aus Ägypten) die gesamte Provinz Kanaan verwüstete. Und es ist unvorstellbar, dass die Zerstörung so vieler loyaler Vasallenstädte durch die Invasoren absolut keine Spur in den umfassenden Aufzeichnungen des ägyptischen Reichs hinterlassen haben soll. Mit der einzigen sicheren unabhängigen Erwähnung des Namens Israel aus dieser Zeit – Merenptahs Siegesstele – wird lediglich mitgeteilt, dass dieses ansonsten obskure Volk, das in Kanaan lebte, eine vernichtende Niederlage hat einstecken müssen. Ganz eindeutig stimmt hier etwas nicht, vergleicht man den biblischen Bericht mit den archäologischen Beweisen und den ägyptischen Aufzeichnungen.23

Der hier beschriebene Prozess ist genau das Gegenteil von dem, was in der Bibel steht: Der Aufstieg des frühen Israels war ein Ergebnis des Zusammenbruchs der kanaanäischen Kultur, nicht ihre Ursache. Und die meisten Israeliten kamen nicht von außen nach Kanaan – sondern aus seiner Mitte heraus. Es gab keinen Massenauszug aus Ägypten, ebenso wenig wie eine gewaltsame Einnahme Kanaans. Die meisten Menschen, die das frühe Israel bildeten, waren Einheimische – die gleichen Menschen, die im Bergland in der Bronze- und Eisenzeit zu sehen sind. Die frühen Israeliten waren – ein Gipfel der Ironie – selbst ursprünglich Kanaanäer!24

Stele

Mit einer Inschrift versehener Stein oder hölzerne Tafel mit der Funktion eines Gedenksteins, eines Grabschildes, einer Gedenktafel an einem Gebäude oder als Gebietsmarkierung, um Landeigentum zu kennzeichnen.

Die biblische Erzählung über Jericho, in der das Blasen der Widder-hörner den Fall der Mauern von Jericho verursachte, ist (laut Finkelstein) nur eine „romantische Illusion“.

Thomas L. Thompson

Für Thompson ist es ein Widerspruch, den Begriff biblisch mit Archäologie zu verbinden, denn es gibt (nach seiner Ansicht) keine Verbindung zwischen den beiden. Von seinen über ein Dutzend Publikationen empfehle ich meinen Studenten normalerweise Early History of the Israelite People: From the Written & Archaeological Sources als Lektüre.25

Thompson wurde 1939 in Detroit, Michigan, geboren. Er ist Theologe und lebt in Dänemark. Seinen Bachelorabschluss erwarb er 1962 an der Duquesne University (Pittsburgh, USA) und seinen Doktortitel 1976 an der Temple University (Philadelphia, USA). Er war in verschiedenen Positionen tätig. Vielleicht war er ein wenig zu radikal für das Ausbildungsklima in Amerika, deshalb wurde er 1993 Professor an der Universität Kopenhagen und dänischer Staatsbürger.

Der Kern von Thompsons Arbeit war es, das zu verdeutlichen, was er selbst als leeres Grenzgebiet zwischen der Bibel (speziell des Alten Testaments) und der Archäologie empfand. 1974 schrieb er Geschichte, als er The Historicity of the Patriarchal Narratives herausbrachte. In diesem frühen Werk griff er die damals vorherrschende Ansicht an, die Biblische Archäologie habe die Historizität Abrahams und der biblischen Ereignisse wie den Exodus und die Eroberung Kanaans bestätigt. Viele waren verärgert, als er 1993 zum ersten Mal The Early History of the Israelite People herausbrachte (wo davon ausgegangen wird, dass die Israeliten ein legendäres – und kein historisches – Volk sind). In The Mythic Past: Biblical Archae-ology and the Myth of Israel argumentiert er, dass die Bibel ein Produkt der Zeit zwischen dem 5. und 2. Jahrhundert v. Chr. sei, eine Ansicht, die sich inzwischen in akademischen Kreisen weitgehend etabliert hat. Sein Buch The Bible in History: How Writers Create a Past (1999) führt oben Genanntes weiter aus. Alle diese Bücher sind weiterhin an den Universitäten überall in der Welt verbreitet.

Thompson war schon immer umstritten im Bereich der biblischen Studien, aber heute scheinen seine Ansichten nicht mehr so radikal zu sein, wie sie einmal waren. Viele folgen ihm und behaupten, dass die biblische Geschichte von keinen archäologischen Beweisen gestützt wird. Thompson fasst die Beziehung zwischen Bibel und Archäologie folgendermaßen zusammen: Jeglicher Versuch „eine Geschichte des späten zweiten – oder frühen ersten Jahrtausends v. Chr. in Palästina – zu schreiben und dabei die biblischen und außerbiblischen Quellen zu integrieren … muss nicht nur fragwürdig, sondern gänzlich lächerlich erscheinen.“26 Seiner Ansicht nach kann es einen Forschungsbereich wie die Biblische Archäologienicht geben – da es zwischen der Bibel und jeglicher Art von archäologischen Hinweisen gar keinen Zusammenhang gibt.

McCarthy und Sturgis

Im November 2001 begann der Sender ITV in England eine Sonntagabendserie auszustrahlen namens It Ainʻt Necessarily So, für die John McCarthy Gastgeber war. McCarthy ist ein britischer Journalist, wurde 1956 geboren und stammt von irischen Katholiken ab. Sein Name mag Ihnen bekannt vorkommen, denn es handelt sich hierbei um den britischen Journalisten, der im April 1986 von islamischen Terroristen des Dschihad im Libanon entführt wurde und über fünf Jahre lang als Geisel gefangen gehalten wurde. McCarthy war die am längsten gefangen gehaltene Geisel des Libanon, er verbrachte über fünf Jahre in Gefangenschaft bis zu seiner Freilassung im August 1991. Er war zusammen mit der nordirischen Geisel Brian Keenan einige Jahre lang in einer Zelle. (Seine Verlobte, Jill Morrell, hatte um seine Freilassung gekämpft und die meisten vermuteten, dass sie heiraten würden. Das Paar schrieb gemeinsam ein Buch über seine Qualen im Libanon, doch sie trennten sich 1994 freundschaftlich.)

Matthew Sturgis schrieb ein Begleitbuch zur Fernsehserie: It Ainʻt Necessarily So: Investigating the Truth of the Biblical Past.27 Sowohl die Serie als auch das Buch sind eher unterhaltsam als wissenschaftlich, aber der Schockfaktor zog viele Zuschauer an. Weder McCarthy noch Sturgis sind Wissenschaftler; beide sind Journalisten.

Sturgis wirft die Frage auf: „Wenn die Kinder Israels sich nicht in Kanaan ausbreiteten und es eroberten, sind sie dann je aus Ägypten geflohen und haben die Wüste durchquert? Ja, waren sie überhaupt jemals in Ägypten? … für sie (die Mehrheit der Wissenschaftler) bleibt der Auszug durch das Fehlen archäologischer Beweise – wie die Geschichte von Josuas Eroberung – ein entlarvter Mythos.“28

Sturgis macht eine ausschlaggebende, wichtige Beobachtung. Die eigentlichen Grundlagen des biblischen Berichts wurden herausgefordert und erschüttert. „Eine gottgegebene Eroberung des verheißenen Landes und eine eigene Identität als Gottes auserwähltes Volk: Dies sind die beiden großen Pfeiler jüdischer Tradition. Wenn sie umgestoßen werden, wird die anerkannte Geschichte des Alten Testaments scheinbar radikal neu ausgerichtet. Es untermauert die gesamte Dynamik der biblischen Erzählung.“29

Und wie steht es mit der Größe Jerusalems und dem Königreich Salomos, über das die Bibel redet? „Für die meisten Wissenschaftler hat die Ausdehnung und der Charakter des Salomonischen Reiches abgenommen“, sagt Sturgis. „Für einige hat es sich in ein Nichts aufgelöst. … Salomos Größe bleibt unbeirrt und irritierenderweise frei erfunden.“30

Somit wird deutlich, dass nach Auffassung der genannten Archäologen der mythische Charakter der Bibel weit über die Schöpfungsgeschichte in 1. Mose hinausgeht. John McCarthy erklärt: „Als in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts an der Grabungsstätte in Jericho noch einmal gearbeitet wurde, entdeckte man, dass die Mauern schon lange, bevor Josua und sein Volk angeblich dort ankamen, eingestürzt waren – und dass zu dieser Zeit Jericho mit ziemlicher Sicherheit nicht bewohnt war. … Die Eroberung des Verheißenen Landes durch das Volk Israel begann sich in Luft aufzulösen. Die Tatsache, dass die archäologische Beweislage in Jericho – und an anderen in der Bibel erwähnten Stätten – der Eroberungsgeschichte widerspricht, löste Bestürzung aus. … Ein Archäologe nach dem anderen erzählte mir, dass es nicht nur keine Eroberung Kanaans durch Josua und das Volk Israel gab, sondern dass auch die Israeliten selbst eigentlich Kanaaniter waren.“31

McCarthy fasst über die Königszeit zusammen: „Es gibt keinerlei archäologische Beweise, dass Jerusalem zur Zeit der Könige David und Salomo eine große Stadt mit Palästen und Tempeln war. Die Archäologen fanden reichlich Material aus früheren Perioden und viel aus den späteren, aber aus dem 10. Jh. v. Chr. gibt es nichts.“32

McCarthys Behauptung stimmt. Die Wahrheit ist: Es gibt keine Hinweise, dass Jerusalem im 10. Jh. v. Chr. eine große Stadt war. Dies war eine der vielen Entdeckungen, die auch meinen eigenen Glauben während meines Masterstudiums in Israel erschütterten (mehr darüber weiter hinten in diesem Buch). Bevor Sie voreilige Schlüsse ziehen, will ich nur vorwegnehmen, dass wir in den späteren Kapiteln darüber reden werden, warum diese „spezifischen Beweise“ nicht vorhanden sind. (Es ist nicht so, wie Sie denken.)

Michael D. Coogan

Eines der eher konservativen Lehrbücher, die gegenwärtig an den amerikanischen Universitäten gelesen werden, ist The Old Testament: A Historical and Literary Introduction to the Hebrew Scriptures (2006). In meinem Unterricht über das Alte Testament weise ich selbst darauf hin. Der Autor, Michael D. Coogan, ist Professor für Religionswissenschaft am Stonehill College, USA (katholisch). Außerdem ist er Publikationsleiter des Harvard Semitic Museums. Er hat an archäologischen Ausgrabungen in Israel, Jordanien, Zypern und Ägypten teilgenommen und war auch teilweise als Grabungsdirektor beteiligt.

Coogan ist einer der führenden Bibelwissenschaftler in den Vereinigten Staaten. Außer vom oben erwähnten Buch war er Autor oder Herausgeber weiterer Bücher: Weltreligionen. Das neue illustrierte Handbuch, The Oxford Companion to the Bible, The Oxford History of the Biblical World, The New Jerome Biblical Commentary und The Old Testament: A Very Short Introduction.

Amerikanische Leser haben Coogan vielleicht in der zweistündigen Sondersendung The Bibleʻs Buried Secrets auf PBS Nova Series gesehen. Der Dokumentarfilm untersuchte den Ursprung der alten Israeliten, die Entwicklung ihres Glaubens an einen Gott und die Zusammenstellung der Bibel. Coogan lieferte zusammen mit anderen führenden Bibelwissenschaftlern während des gesamten Films ausführliche Informationen (nebenbei: Die Produktion des Films dauerte über vier Jahre). Dieser Film konzentrierte sich auf das Alte Testament und untersuchte die entscheidenden Probleme der biblischen Archäologie betreffs der wahren Bedeutung der historischen Berichte über Abraham, Mose und andere biblische Personen.

In seiner Einführung ins Alte Testament bespricht Coogan die Beziehung zwischen der Mythologie und der Bibel folgendermaßen:

Alte Kulturen waren genauso wie wir von den Anfängen fasziniert – von Erzählungen, in denen die Hauptcharaktere Götter waren –, um ihre eigene Vorgeschichte zu erklären. Der Aufbau der Natur- und Sozialordnung wird in diesen Mythen typischerweise als das Werk einer Gottheit dargestellt, dies ist meistens der Hauptgott oder die Göttin der Stadt oder Region, in der sie geschrieben wurden. Genau wie ihre Nachbarn im Nahen Osten benutzten die biblischen Autoren Mythen, um die Entstehung ihrer Welt zu erklären. Für beide Gruppen waren die Berichte über die Ursprünge jedoch nicht nur Mythen, sondern auch Geschichte. Heute unterscheidet man wahrscheinlich zu stark zwischen Mythos und Geschichte, denn mythische Traditionen prägten die Interpretation