Die Blaubeerdetektive (2) Achtung Geisterelch! - Pertti Kivinen - E-Book + Hörbuch

Die Blaubeerdetektive (2) Achtung Geisterelch! Hörbuch

Pertti Kivinen

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Beschreibung

Ein neuer Fall für die  Blaubeerdetektive – Der Wahnsinn geht weiter Es geht das Gerücht um, dass ein seltsamer Elch sich am Ortsrand rumtreibt, riesig mit mächtigem Geweih, der sich quasi im Nebel auflöst, sobald man sich ihm nähern will. Ein Geisterelch, der mittlerweile so viele schaulustige Touristen anlockt – wegen der reißerischen Presseberichte –, dass es selbst im »Hecht«, dem einzigen und dramatisch schlechtem Lokal im Ort, mittags voll werden kann. Die muffigen Ferienhäuser, die aus Mangel an Touristen fast immer leer stehen, sind ausgebucht. Unsere Detektive wissen natürlich, dass es keine Geister gibt und Geisterelche schon gar nicht. Es beginnt die kriminalistische Feinarbeit, ohne übernatürliches Gedöns, aber mit Geduld und Beobachtungsgabe, um herauszufinden, wer oder was dahintersteckt.

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Zeit:2 Std. 42 min

Sprecher:Sebastian Rudolph

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Inhalt

»Auf dem Maulwurffelsen?«

»Ihr habt einen neuen Fall, stimmt’s?«

»Sag mal, suchst du Streit, Hirni?«

»Dann hab ich dich wohl falsch verstanden.«

»Weil Wölfe Blut riechen.«

»Mein Papa kann das reparieren!«

»Trotzdem bleibt das Licht ein Rätsel.«

»Außer es haben Menschen die Hand im Spiel!«

»Der Holzwurm!«

»Erzähl einfach, Hirni!«

»Er wittert das Rentier!«

»Wo Riku ist, kann Samu nicht weit sein.«

»Wieder nur Elch!«

»Keinen Schritt weiter, du Ferkel!«

»Was für ein Quatsch!«

»Irre!«

»Wie in der Stadt!«

»So was hat hier noch überhaupt niemand erlebt.«

»Wenn er ihr Typ ist …«

»Okay, ich.«

»Glauben Sie an den Geisterelch?«

»Es ist natürlich nicht wörtlich gemeint …«

»Wir wissen, wer’s ist!«

»Jetzt müssen wir’s ihm nur noch beweisen.«

»Und du hast ein Foto, sagst du?«

»Kinder aus Kaninkorva, so, so …«

»Ihr macht mir bitte keinen Unfug, okay?«

»Na, ihr Geisterseher?«

»Vielleicht hält er jemand gefangen, der ihm in die Quere gekommen ist.«

»Ein Bär!«

»Der Schlüssel steckt?«

»Ja, er ist noch da.«

»Jungs!«

»Ich glaub’s nicht!«

»Unfair eigentlich.«

»Und warum machen die das nicht?«

»Obwohl es hier gar keinen Geisterelch gibt?«

»Auf dem Maulwurffelsen?«

Ich heiße Samu und bin einer von den berühmten Blaubeerdetektiven. Falls es jemand nicht weiß: Wir waren sogar in der Zeitung, weil wir dem fiesen Sägewerkbesitzer Mäkelä das Handwerk gelegt haben. Der wollte einen uralten Eichenwald abholzen, obwohl er unter Naturschutz stand. Also der Eichenwald. Der fiese Mäkelä stand natürlich nicht unter Naturschutz.

Wir Blaubeerdetektive haben die schönen alten Eichen gerettet, und der Sägewerkbesitzer musste zur Strafe neue Bänke für unsere Kirche spendieren, sonst hätte unser Bürgermeister ihn angezeigt.* Die Bänke sind toll und ganz aus zertifiziertem Eichenholz, darauf hat der Herr Pfarrer bestanden, obwohl es richtig teuer war. Was »zertifiziert« heißt, wusste ich vorher auch nicht. Es heißt, dass das Holz von Bäumen stammt, die auch wirklich gefällt werden dürfen.

»Geben ist seliger als nehmen«, hat der Pfarrer bei der Einweihung der neuen Bänke gesagt, und der Sägewerkbesitzer saß vorne in der ersten Reihe und musste auch noch freundlich nicken. Aber alle fanden, das geschah ihm recht.

Wenn wir Blaubeerdetektive den Sägewerkbesitzer jetzt auf der Straße sehen, nickt er auch immer freundlich, aber ob er’s wirklich so meint, wissen wir nicht. In jedem Fall sind wir vor ihm auf der Hut, und als die Sache mit dem Geisterelch losging, dachten wir gleich, er hätte was damit zu tun. Hatte er auch – nur nicht so, wie wir’s uns vorgestellt hatten.

Aber vielleicht erzähl ich die Geschichte besser von vorn.

Also erst mal die Blaubeerdetektive: Dazu gehören meine großen Zwillingsschwestern Alma und Selma, dann Olli, der mit den beiden in dieselbe Klasse geht, dann ich selber, und mein Hund Riku ist auch dabei. Bei der Sache mit dem Geisterelch war er sogar besonders wichtig, weil er von uns allen die feinste Nase hat. Wenn man’s genau nimmt, haben wir’s überhaupt nur ihm zu verdanken, dass wir am Ende nicht wie die letzten Doofen dastanden. Wenn er und seine Nase nicht gewesen wären, hätte uns das entscheidende Beweisstück gefehlt, und der Fall mit dem Geisterelch wäre vielleicht für immer ungelöst geblieben.

Für alle, die sich mit Elchen nicht so auskennen: Mit ihren komischen Schaufeln und ihren staksigen Beinen sehen sie vielleicht harmlos aus, aber in Wirklichkeit sind sie echt gefährlich und wahnsinnig stark. Papa sagt immer, wenn man sie zähmen könnte, würden sie mit ihren Schaufeln glatt als Gabelstapler taugen. Sie lassen sich nur nicht zähmen, und man nimmt sich besser vor ihnen in Acht. Das gilt schon für normale Elche, also gilt es für Geisterelche erst recht – natürlich nur, wenn es sie gibt.

Bei uns war es so, dass erst mal keiner an den Geisterelch geglaubt hat. Da dachten alle, der Herr Qvist sucht nur eine Ausrede, weil er mit seinem nagelneuen Auto in den Wald gerauscht ist. Wenn man von Osten kommt, gibt’s ein Stück vorm Ort eine scharfe Kurve, in der ist er, ohne zu bremsen, geradeaus gefahren und so dumm zwischen zwei Birken gelandet, dass es ihm alle vier Türen eingequetscht hat. Abends im Dunkeln war das, und zum Glück darf man an der Stelle sowieso nur 30 fahren, darum ist dem armen Herrn Qvist auch nichts passiert. Nur die Türen von dem Auto gingen nicht mehr auf, und weil die vorderen Fenster von den Bäumen versperrt waren, musste er über die Sitze turnen und hinten aus einem Seitenfenster klettern.

Das heißt, eigentlich mussten die Feuerwehrleute Herrn Qvist aus dem Auto ziehen, weil er mit dem Bauch nicht durchs Fenster passte. Und wie dann der Polizeiobermeister Parkkinen dazugekommen ist, hat Herr Qvist behauptet, er wäre nur vor Schreck geradeaus gefahren, weil auf dem Maulwurffelsen ein Geisterelch gestanden hätte.

Der Maulwurffelsen heißt so, weil er genau wie ein Maulwurfshügel aussieht, nur ist er aus rotem Fels und so hoch, dass er noch über die höchsten Baumwipfel hinausragt. Da oben hätte der Geisterelch gestanden, riesig groß, und um seine Schaufeln hätte so ein komisches rötliches Licht geleuchtet, erzählte Herr Qvist.

Wir waren ja nicht dabei, aber im Dorf hieß es später, der Polizeiobermeister Parkkinen wäre richtig sauer geworden, weil er bei einem Unfall ja immer alles aufschreiben muss. Den Geisterelch, soll er gesagt haben, könne Herr Qvist sich abschminken. Der käme ihm auf gar keinen Fall in den Unfallbericht, und sowieso müsse er erst mal ins Röhrchen pusten und einen Alkoholtest machen. Also der Herr Qvist. Der hat den Test dann auch gemacht, es hat nur nichts genützt. Herr Qvist hatte keinen Tropfen getrunken, und weil er keine Ruhe geben wollte, kam der Geisterelch am Ende doch in den Bericht. Aber klar, ganz Kaninkorva* hat gelacht und sich an die Stirn getippt.

»Was – ein Geisterelch?«

»Wo – auf dem Maulwurffelsen?«

»Sag mal, geht’s noch?«

»Wenn’s wenigstens ein Geistermaulwurf gewesen wäre!«

»Den könnte man ihm vielleicht noch abnehmen!«

»Ich glaub ja, dem Parkkinen sein Pusteröhrchen war kaputt.«

Freitagabends war die Sache passiert, und eine Woche lang hatten alle in Kaninkorva ihren Spaß. Dann war wieder Freitagabend, und der Nächste fuhr in der scharfen Kurve beim Maulwurffelsen geradeaus: der Polizeiobermeister Parkkinen persönlich. Im Polizeiauto!

*   Wer wissen will, wie es genau war, kann es in »Die Blaubeerdetektive – Gefahr für den Inselwald!« nachlesen.

*   Nur für den Fall, dass jemand nicht Finnisch kann: Der schöne Ortsname bedeutet auf Deutsch Kaninchenohr.

»Ihr habt einen neuen Fall, stimmt’s?«

Klar, erst dachten alle, jetzt spinnt unser Dorfpolizist auch noch.

»Hoffentlich ist die Krankheit nicht ansteckend!«, hieß es.

»Sonst hilft nur noch impfen.«

»Kann man sich gegen Geisterelche impfen lassen?«

»Klar – mit unsichtbaren Spritzen!«

So ging das wieder eine Woche, und wieder hatten alle einen Riesenspaß. Dann hat’s den Bürgermeister erwischt, als er am Freitagabend von einer Veranstaltung im Nachbarort nach Hause fuhr.

Über den Bürgermeister allein hätte man vielleicht auch wieder Witze gemacht, aber seine Frau war mit dabei, und die ist Ärztin. Genauer gesagt, ist sie die einzige Ärztin bei uns im Dorf, und wenn die Frau Doktor den Geisterelch gesehen hatte, dann gab es ihn auch, das sagten alle. Nur einer nicht: Olli.

Am Samstagnachmittag saßen wir im Baumhaus bei uns im Garten, das gleichzeitig unser Hauptquartier ist, und Olli schüttelte immer nur den Kopf.

»Geisterelche gibt’s nicht, Punkt, aus, Ende!«, sagte er, egal wie oft Alma und Selma davon anfingen.

»Und woher willst du das wissen, Hirni?«, fragte Alma zum ich weiß nicht wievielten Mal.

»Hirni« sagen meine Schwestern nur, wenn Olli ihnen auf die Nerven geht, weil er mal wieder was besser weiß. Das kommt öfter vor, und das Problem ist, dass er in den allermeisten Fällen recht hat. Ollis Gehirn tickt irgendwie anders und schneller als bei normalen Menschen, und er durfte auch schon eine Klasse überspringen, sonst wäre er nämlich in der Dritten und nicht schon bei Alma und Selma in der Vierten.

»Genau, woher weißt du das? Hast du schon mal einen getroffen?«, hakte Selma nach.

Mein Gehirn tickt ganz normal, aber dass die letzte Frage nicht wirklich logisch war, merkte ich trotzdem. So sauer, wie meine Schwestern Olli anfunkelten, hütete ich mich nur, was zu sagen. Außerdem braucht man Olli beim Diskutieren nicht zu helfen. Da nimmt er’s sogar mit Erwachsenen auf.

»Wen es nicht gibt, den kann man auch nicht treffen«, sagte er. »Geisterelche gibt’s nicht, Punkt, aus, Ende!«

Irgendwie drehte sich die Sache im Kreis, und keine Ahnung, ob es nicht noch richtig Zoff gegeben hätte, aber genau da hörten wir Riku knurren. Er liegt immer unten unterm Baum, wenn wir uns oben im Hauptquartier treffen, weil er nicht die Leiter hoch mag.

»Was hat er denn?«, fragte Alma.

Riku knurrt nämlich nur, wenn es unbedingt sein muss. Sonst ist es ihm zu anstrengend.

»Wahrscheinlich kann er das dämliche ›Punkt, aus, Ende!‹ auch nicht mehr hören«, sagte Selma.

Es war dann aber nur, weil er gesehen hatte, dass Papa mit einem Tablett auf die Terrasse kam. Die Sonne schaffte es zwar noch nicht ganz durch einen leichten Nebel, aber sonst war es der erste ein bisschen wärmere Frühsommertag, und morgens hatte Papa schon die Gartenmöbel aus dem Schuppen geholt. Auf dem Tablett standen dampfende Tassen, die Riku nicht so interessierten, aber da war auch ein Berg Zimtschnecken, und nach denen ist er süchtig.

»Jemand Kakao und Zimtschnecken?«, rief Papa.

»Wir kommen!«, rief ich zurück, und der Moment, den ich zum Rufen brauchte, reichte schon, dass mich die anderen überholten.

Es war aber sowieso genug da. Papa ist Lehrer und hätte eigentlich Hausarbeiten korrigieren sollen, aber wenn er keine Lust hat, backt er lieber was. Wir finden alle, er backt die besten Zimtschnecken nach Frau Huovi vom Kiosk am Marktplatz. Nur Mama schimpft manchmal, weil er immer gleich so viele backt, und hinterher sagt die strenge Frau Doktor wieder, wenn die zwei so viel Süßes essen, müssen sie auch mehr joggen. Jetzt gerade war Mama aber nicht da, und wir waren alle froh, dass es einen ganzen Berg Zimtschnecken gab.

»Fpipfe!«, sagte Olli und nahm sich mit vollem Mund die dritte oder vierte. So genau hab ich nicht mitgezählt.

»Nein, drei find genug!«, sagte Papa mit genauso vollem Mund zu Riku. »Daf ift fon eine fu viel für einen Hund!«

»Für Menfen aber genaufo«, sagte Olli. »Wifft ihr, wie viel Kilometer man laufen muff, bif eine Pfimtfnecke aufgebraucht ift?«

»Fünf?«, fragte Papa.

»Dreipfehn«, sagte Olli.

Papa hatte gerade auch nach der dritten oder vierten Zimtschnecke greifen wollen, aber jetzt zog er die Hand zurück.

»Macht bei vier Pfimtfnecken pfweiundfümpftig«, sagte Olli.

Papa hörte auf zu kauen und sah kurz aus, als würde ihm schlecht. Dann schluckte er den letzten Bissen aber doch noch runter und lehnte sich seufzend auf seinem Stuhl zurück. Er tat mir richtig ein bisschen leid, aber er joggt nun mal nicht gern, und Mama muss ihn sowieso immer erst scheuchen. Man konnte sehen, wie er mit sich kämpfte, aber er blieb stark. Ich selber war fast mit der fünften Zimtschnecke fertig, als er fragte:

»Ihr habt einen neuen Fall, stimmt’s?«

Keine Ahnung, wie er darauf kam. Vielleicht, weil wir so lange im Baumhaus gesessen hatten. Dass wir da nur über den blöden Geisterelch geredet hatten, konnte er ja nicht wissen.

»Nein«, sagten Alma und Selma gleichzeitig.

»Doch«, sagte Olli.

»Ach ja?«, wunderte sich Alma.

»Und was für einen?«, fragte Selma.

»Den mit dem Geisterelch natürlich«, sagte Olli.

Meinen großen Schwestern verschlägt es sonst nicht so schnell die Sprache, aber jetzt gerade passierte es mal. Sie sperrten den Mund auf, als warteten sie, dass ihnen die Zimtschnecken von allein hineinflogen. Aber okay, ich war auch verdattert, das geb ich zu.

»Waff?«, fragte ich, und Papa auf der anderen Seite vom Tisch musste sich ducken, damit er keine Zimtschneckenkrümel abkriegte.

Normalerweise hätten meine Schwestern jetzt gleichzeitig »Altes Ferkel!« rufen müssen, aber ihnen stand immer noch der Mund offen, und ich war schneller.

»If dachte, Geifterelfe gib’f nift«, sagte ich, als Papa sich gerade wieder aufrichtete.

»Ferkel!«, riefen Alma und Selma.

»Aber ehrlich!«, seufzte Papa und wischte sich die Krümel vom Hemd.

»Eben«, sagte Olli. »Darum ist es ja ein Fall.«

Bei dem Durcheinander dauerte es ein bisschen, bis wir anderen verstanden, was er meinte, aber doof sind wir schließlich auch nicht.

»Sag mal, suchst du Streit, Hirni?«

Es war eigentlich ganz einfach. Oder logisch, wie Olli gern sagt: Geisterelche gab’s nicht, also musste das auf dem Maulwurffelsen was anderes sein. Irgendwas, wofür es eine ganz natürliche Erklärung gab.

»Und was könnte so eine Erklärung sein?«, fragte Alma, als wir wieder oben im Baumhaus saßen.

Papa hatte gesagt, wir dürften alles auf dem Tisch stehen lassen. Er wolle noch ein Weilchen auf der Terrasse sitzen bleiben, dann räume er selber ab.

»Aber bitte so, dass es auch normale Menschen verstehen!«, sagte Selma.

»Keine Ahnung«, sagte Olli.

Was dann kam, waren Todesblicke von Alma und Selma. Ich weiß, das klingt grässlich, aber es sind nun mal Todesblicke, wenn meine großen Schwestern dich mit vier genau gleichen Augen gleichzeitig anfunkeln. Als wir noch kleiner waren, haben die beiden immer Gruselkrimis gedreht. Eins von ihren Handys war die Kamera, ich musste die tote Leiche sein, und Olli war der Mörderzombie, den die Superdetektivin Samanta und ihre geheime Zwillingsschwester Atnamas mit Karatetritten besiegten. Die Filme drehen wir zum Glück nicht mehr, aber die Samanta-und-Atnamas-Blicke sind davon noch übrig.

»Du weißt ganz genau, dass es kein Geisterelch ist, aber du hast keine Ahnung, was es sonst sein soll?«, zischte Samanta (also Alma).

»Richtig«, sagte Olli zufrieden. »Besser hätte ich’s auch nicht erklären können.«

»Sag mal, suchst du Streit, Hirni?«, zischte Atnamas (also Selma).

Ich an Ollis Stelle hätte spätestens jetzt den Rückzug angetreten, aber ich bin auch der kleine Bruder und keine so coole Socke wie Olli Superhirn.

»Nein – nur jemanden, der kapiert, was ich sage«, sagte er.

»WIE?«

»WAS?«

Ohne Quatsch: Meine großen Schwestern können wirklich Karatetritte, und jetzt gerade sprangen sie beide auf.

»SAGDASNOCHMAL!«, fauchten sie Olli mit ihren Samanta-und-Atnamas-Stimmen an.

»Nein – nur jemanden …«

So weit kam Olli, dann fing Riku an, zu uns heraufzubellen. Und wie! Im Nachbardorf gibt’s einen Schrottplatz, da hält ein dreibeiniger Mastiff Wache, der bellt immer so. Aber Riku doch nicht! Der bellt eigentlich nie. Alma und Selma hatten jede schon ein Bein für den Karatetritt gehoben und blieben vor Schreck so stehen. Als ich zu Riku runterschaute, sah ich, dass er mit den Vorderpfoten auf der fünften oder sechsten Leitersprosse stand. Das hatte er auch noch nie gemacht.

»Was ist denn los?«, fragte ich ihn, aber er bellte nur weiter.

»Riku, aus!«, sagte ich und wollte schon mit ihm schimpfen, als ich Papa mit dem Handy am Ohr durch den Garten kommen sah.

»Himmel, seid ihr taub? Los, kommt! Wir müssen Mama abholen!«, rief er.

Und als hätte er genau das auch sagen wollen, hörte Riku zu bellen auf. Ich weiß, die meisten Leute halten es für Quatsch, wenn ich erzähle, dass Riku die Menschensprache versteht. Aber so ist es einfach, und das jetzt war wieder mal der Beweis.

»Wieso abholen?«, fragte Alma, während sie sich an mir vorbeidrängte.

»Ist das Auto kaputt?«, fragte Selma, der ich auch Platz machen musste.

»Zum Glück nicht«, sagte Papa. »Sie kann nur nicht mehr fahren.«

Keine Minute später saßen wir alle auf unseren Fahrrädern, und Riku lief hinter uns her, was noch ein Beweis war, dass er alles ganz genau versteht. Sonst bringen ihn nämlich keine zehn Rentiere dazu, hinter Fahrrädern herzulaufen. Und wir radelten so schnell wie noch nie. Weil wir uns Sorgen um Mama machten, darum.

So wie Papa es uns erklärt hatte, konnte Mama deshalb nicht mehr Auto fahren, weil sie den Geisterelch gesehen hatte, und jetzt stand sie unter Schock.

»Dann hab ich dich wohl falsch verstanden.«

Reden konnten wir unterwegs nicht, dazu waren die Abstände zwischen uns zu groß. Alma und Selma können schneller laufen und schwimmen als die schnellsten Jungs in ihrer Klasse, und natürlich können sie auch schneller radeln als normale Menschen. Ein Stück hinter ihnen kam ich, weil ich auch ganz gut in Sport bin, nur mit ein bisschen kürzeren Beinen, und wieder ein Stück dahinter kamen Papa und Olli. Papa hat abends behauptet, es hätte an seinem altmodischen Fahrrad ohne Gangschaltung gelegen, aber Olli sagte, er sei auch heftig aus der Puste gewesen. Olli selber hatte sich ausgerechnet, dass sie in Papas Tempo auf dem Kilometer bis zu Mama höchstens um die zwanzig Sekunden verlieren würden, sich abzustrampeln also sowieso nicht viel brachte.

Ein Kilometer – so weit ist es ungefähr bis zur Kurve beim Maulwurffelsen, und Riku hatte es sich wahrscheinlich auch ausgerechnet. Jedenfalls hielt er sich hinter Papa und Olli, obwohl er bestimmt schneller gekonnt hätte.

Als wir drei Vorderen bei Mama ankamen, mussten wir erst mal tief Luft holen, und als wir damit fertig waren, hörten wir Papa schon rufen:

»Geht’s … dir … gut … Liebes?«

Er war wirklich aus der Puste und hatte einen ganz roten Kopf.

»Warum soll’s mir denn nicht gut gehen?«, fragte Mama, die neben unserem Auto stand.

Das Auto war ganz normal in Richtung Dorf am Straßenrand abgestellt, und wenn es Kratzer oder Dellen hatte, dann höchstens hinten oder auf der Seite, die ich nicht sehen konnte.

»Wegen dem Unfall«, sagte Alma, während Papa ein Stück an uns vorbeirollte, weil anscheinend seine Bremsen nicht so gut funktionierten.

»Und dem Schock«, sagte Selma.

»Überhaupt soll man sich bei einem Schock hinsetzen, sonst bekommt das Gehirn nicht genug Sauerstoff und man fällt um«, sagte Olli, der sein Fahrrad vorne gegen das Auto lehnte und Mamas Hände nahm, als wollte er sie irgendwohin führen.

Aber Mama wollte sich nirgendwohin führen lassen.

»Sagt mal, habt ihr sie noch alle?«, fragte sie in einem Ton, dass ich sie vorsichtshalber losgelassen hätte. Und meine Schwestern bestimmt auch.