Die bürgerliche Komtess - Marhild Hehn - E-Book

Die bürgerliche Komtess E-Book

Marhild Hehn

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. »Drei Uhr, Mama! Sie werden gleich kommen«, sagte der junge Graf Bergen und steckte den Kopf durch einen Spalt der Salontür. Seine Mutter erhob sich seufzend. »Schrecklich«, murrte sie, verließ aber dennoch den hübschen Raum mit den kostbaren Rokokomöbeln, um sich in den Seitenflügel des alten Wasserschlosses zurückzuziehen. Sie und ihr Sohn hatten vor einiger Zeit vereinbart, Schloss Herrenhorst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die alte Dame verstand die Zeit nicht und ihren Sohn noch weniger. Für sie war es undenkbar, dass man ihren herrlichen Familienbesitz sozusagen zu einem Museum erniedrigte, in dem fremde Leute ungehindert eindringen und herumtrampeln durften, nur weil sie Eintrittsgeld bezahlt hatten. In jener Zeit, in der sie herangewachsen war, galt es als unfein, über Geld zu sprechen. Man brauchte es zwar, aber man vermied es, darüber zu reden, schon gar nicht, wenn man keines mehr besaß. Verarmt zu sein, galt für Melanie Gräfin Bergen als Schande. Auch die Tatsache, dass ihr Sohn ganz anders darüber dachte, vermochte nichts daran zu ändern. Martin Bergen, wie er sich bescheiden nannte, zog indes die blaue Jacke mit dem aufgestickten Wappen der Bergen an, um den Besuchern von Schloss Herrenhorst als Führer zu dienen. Es machte ihm nichts aus, die Fremden, die mit Omnibussen und Autos hierherkamen, durch die Räume mit dem kostbaren Mobiliar und den zahlreichen Gemälden zu führen, ihnen die Rüstkammer zu zeigen und die Geschichte des Schlosses und die sich darum rankenden Sagen zu erzählen. Mit Heiterkeit und Charme erfüllte er diese Aufgabe, und keiner der Besucher ahnte, dass

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Fürstenkrone – 104–

Die bürgerliche Komtess

Ein Urlaub wird für Martina zum Wendepunkt ihres Lebens ...

Marhild Hehn

»Drei Uhr, Mama! Sie werden gleich kommen«, sagte der junge Graf Bergen und steckte den Kopf durch einen Spalt der Salontür.

Seine Mutter erhob sich seufzend. »Schrecklich«, murrte sie, verließ aber dennoch den hübschen Raum mit den kostbaren Rokokomöbeln, um sich in den Seitenflügel des alten Wasserschlosses zurückzuziehen. Sie und ihr Sohn hatten vor einiger Zeit vereinbart, Schloss Herrenhorst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die alte Dame verstand die Zeit nicht und ihren Sohn noch weniger. Für sie war es undenkbar, dass man ihren herrlichen Familienbesitz sozusagen zu einem Museum erniedrigte, in dem fremde Leute ungehindert eindringen und herumtrampeln durften, nur weil sie Eintrittsgeld bezahlt hatten. In jener Zeit, in der sie herangewachsen war, galt es als unfein, über Geld zu sprechen. Man brauchte es zwar, aber man vermied es, darüber zu reden, schon gar nicht, wenn man keines mehr besaß. Verarmt zu sein, galt für Melanie Gräfin Bergen als Schande. Auch die Tatsache, dass ihr Sohn ganz anders darüber dachte, vermochte nichts daran zu ändern.

Martin Bergen, wie er sich bescheiden nannte, zog indes die blaue Jacke mit dem aufgestickten Wappen der Bergen an, um den Besuchern von Schloss Herrenhorst als Führer zu dienen. Es machte ihm nichts aus, die Fremden, die mit Omnibussen und Autos hierherkamen, durch die Räume mit dem kostbaren Mobiliar und den zahlreichen Gemälden zu führen, ihnen die Rüstkammer zu zeigen und die Geschichte des Schlosses und die sich darum rankenden Sagen zu erzählen. Mit Heiterkeit und Charme erfüllte er diese Aufgabe, und keiner der Besucher ahnte, dass in der Livree der Eigentümer dieses herrlichen Besitzes steckte. Er freute sich, wenn möglichst viele Leute kamen. Sie konnten wahrlich jeden Euro gebrauchen, um das Wasserschloss einigermaßen instand zu halten. Würde er nicht so viel Fantasie entwickeln, hätte er Herrenhorst längst verkaufen müssen.

Seine Mutter allerdings war auch darin anderer Meinung.

»Du hattest schon längst heiraten sollen«, sagte sie vorwurfsvoll, als sie nach beendeter Besichtigungszeit wieder in dem hübschen Rokokosalon beim Tee saßen.

Martin zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, Mama, dass ich dich darin enttäusche, aber mir ist eben noch nicht die Richtige über den Weg gelaufen.«

»Nicht die Richtige!«, wiederholte die Gräfin kopfschüttelnd. »Es gibt doch genügend junge Damen, die sich darum reißen würden, Gräfin Bergen zu werden. Da wäre zum Beispiel Jutta von Reckenzin. Sie ist jung, von Adel und hat eine Menge Geld, genau das, was deine Frau braucht.«

»Du hast vergessen, dass sie außerdem auch noch hübsch ist«, fügte Martin hinzu. Er holte seine Shagpfeife hervor. »Ein bisschen viel auf einmal für einen Mann wie mich, findest du nicht auch?«, fragte er, während er sich bedächtig mit seiner Pfeife beschäftigte. »Dem Alter nach könnte sie glatt meine Tochter sein.«

»Papperlapapp! Das tut absolut nichts zur Sache«, entgegnete die Gräfin. »Viele Mädchen heiraten Männer, die wesentlich älter sind.«

»Zugegeben. Und was können wir diesem Traummädchen dafür bieten?«

»Immerhin einen guten, alten Namen. Wir sind ein uraltes Geschlecht. Ist das etwa nichts? Außerdem besitzen wir ein Schloss und Ländereien.«

»Ob das alles zusammen Jutta von Reckenzin beeindrucken wird?«, zweifelte Martin. »Für den Namen kann sie sich nichts kaufen. Das Schloss verschlingt, was die Ländereien abwerfen, und das reicht noch nicht einmal. Wir selber, Mama, und das wenige Personal, das wir uns leisten können, schlagen uns doch mehr schlecht als recht durch, nicht wahr? Das musst du doch zugeben.«

»Eben darum brauchst du eine reiche Frau. Jutta von Reckenzin ist in dich verliebt, das merkt doch ein Blinder«, beharrte die alte Dame. »Sie wäre genau die richtige Frau, um Herrenhorst den Erben zu schenken.«

»Der Erbe bin doch ich, Mama«, sagte Martin ungerührt.

»Noch«, erwiderte die Gräfin, »und was wird später einmal sein?«

»An später denke ich noch nicht. Ich bin gerade erst vierzig geworden, und so Gott will, habe ich noch einige Zeit vor mir.«

»Ich höre aus dir deinen Vater sprechen. Er hat auch nicht daran gedacht, dass er so zeitig sterben würde«, hielt seine Mutter dagegen. »Ganz ernsthaft, Martin, ich wünsche mir eine Schwiegertochter und Enkelkinder. Du bist in den besten Jahren, ein stattlicher Mann, und Jutta von Reckenzin würde dich bestimmt nehmen.«

»Woher weißt du das? Hast du sie schon gefragt?«

Es widerstrebte ihm, dass seine Mutter über ihn verfügen wollte wie damals, als er Hals über Kopf und gegen seinen Wunsch sein Studium abbrechen musste, um die Leitung von Herrenhorst zu übernehmen.

»Wie käme ich dazu«, antwortete seine Mutter jedoch zu seiner Erleichterung. »Fragen musst du sie schon selber.«

»Das wollte ich mir auch ausgebeten haben«, sagte Martin unwillig. »Schließlich ist es meine ganz persönliche Angelegenheit, ob und wen ich heirate. Und ich werde nur eine Frau heiraten, die ich liebe.«

»Von Liebe ist in unseren Kreisen – jedenfalls solange ich mich zurückerinnern kann – wenig die Rede gewesen, umso mehr aber von Pflichten. Liebe findet sich von selbst, mein Sohn. Wenn du erst mit Jutta verheiratet bist …«

»Den Gedanken schlag dir bitte aus dem Kopf, Mama. Weder Jutta noch ich denken daran«, unterbrach Martin verärgert seine Mutter. Er sprang auf und ging im Salon hin und her.

»Nur um des Geldes willen heiraten, welche Idee!« Martin blieb stehen und blickte seine Mutter an. »Ich habe eine andere. Die große Wiese am See ließe sich ausgezeichnet zu einem Campingplatz herrichten.«

Die Gräfin holte tief Luft. »Was sagst du da?«

»Ja, wir sollten einen Campingplatz für junge Leute einrichten, Mama.«

»Das ist doch wohl nicht dein Ernst, Martin? Ein Campingplatz! Wie kommst du nur auf diese absurde Idee?«

Sie sagte es in einem Ton, als habe man ihr zugemutet, aus Schloss Herrenhorst ein Obdachlosenasyl für Landstreicher zu machen. Doch diese Vorstellung entsprach tatsächlich ihrer Meinung von Jugendlichen, die ihre Ferien in Zelten verbrachten und sich spärlich bekleidet in der Sonne rekelten.

»Warum eigentlich nicht, Mama? Es gibt viel zu wenig solche Plätze und einen schöneren, als an unserem See mit dem Wald dahinter, kann sich kein Urlauber wünschen. Hier findet er wirklich Ruhe und Erholung.«

»Gib mir bitte einen Likör!«

»Gern, Mama.«

Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, nur daran zu nippen, kippte Melanie Gräfin Bergen das Getränk in einem Zuge hinunter. Weiß Gott, nach diesen unerfreulichen Eröffnungen hatte sie eine Stärkung nötig. Schließlich war sie mit ihren siebzig Jahren nicht mehr die Jüngste.

»Mit einer reichen Heirat wären wir alle finanziellen Sorgen los«, brachte sie das Gespräch schließlich wieder auf ihr Lieblingsthema. »So nimm doch endlich Vernunft an, Junge!«

Martin klopfte die Pfeife aus und steckte sie in die Tasche seiner Wildlederjacke, dann erhob er sich.

»Wo willst du hin? Ich denke, wir sind noch nicht zu Ende.«

»Zu den Stallungen.«

»Du führst ein Leben wie ein …, ein Bauer«, sagte die Gräfin geringschätzig. »Wenn das Vater noch erlebt hätte, nicht auszudenken! Er war ein Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle! Wo hast du nur diese vulgäre Ader her?«

»Vielleicht von irgendeinem räuberischen Urahn, dem alten Roderich von Bergen, von dem es so viele Geschichten gibt. Der hätte sicher seine helle Freude an mir gehabt!«, scherzte Martin, um einem Streit aus dem Wege zu gehen. »Doch sei versichert, dass ich diese Beschäftigung nicht als Arbeit betrachte, verehrte Mama, Pferde sind nun einmal mein Hobby.«

»Schön und gut, musst du aber deshalb auch den Stallknecht spielen? Als ob du das nötig hättest!«

»Wir haben es nötig«, entgegnete Martin schärfer als beabsichtigt. »Du lebst mit deinen Vorstellungen in einer Zeit, wo sich der Adel noch ein feudales Leben leisten konnte. Heute muss auch ich meine Hände rühren, wenn ich Schloss und Gut erhalten will. Nicht einmal den Nachkommen des Kaisers bleibt dieses Los erspart.«

»Entsetzlich!«, stöhnte die alte Dame, wobei sie in komisch anmutender Verzweiflung die Hände rang. »Einfach schrecklich, wie sich die Welt verändert hat. Aber … eine standesgemäße, gute Partie würde unsere Schwierigkeiten beenden.«

»Nun höre endlich mit deinen Heiratsplänen auf! Dies ist kein Weg für mich, Herrenhorst rentabler zu gestalten. So kommen wir nicht weiter.«

»Aber mit einem Campingplatz, wie?« Die Gräfin grollte. »Ein Platz für Lotterei und Unzucht auf dem Grund und Boden derer von Bergen! Kaiser Karl IV. hat diesen Besitz deinem Urahn einst für treue Dienste und Tapferkeit geschenkt, Martin.«

»Ja, ich weiß, Mama, ich erzähle es den Besuchern jeden Tag.« Er kam auf sie zu und baute sich mit verschränkten Armen vor ihr auf. »Doch jetzt ist es an mir, uns das alles zu erhalten. Schenken wird uns keiner mehr etwas. Das Gut muss modernisiert werden, sonst wird es immer unrentabler, und das Schloss allein verschlingt Unsummen.«

»Und du meinst, so ein …, ein Massenlager wird da etwas nützen?«

»Es wirft eben auch seine Groschen ab. Für die Benutzung nehmen wir Miete. Dafür sorge ich dann auch für die notwendige Ordnung auf dem Platz.«

»Auch das noch!« Die Gräfin blickte ihren Einzigen mit deutlicher Entrüstung an. »Es fehlte nur noch, dass du dich unter diese schamlosen Leute mischst.«

Martin lächelte nachsichtig. »Aber Mama, ein Campingplatz ist doch kein Sündenpfuhl. Und dann: Die Zeiten haben sich geändert. Ich sagte es bereits. Wir dürfen sie nicht mit dem Maßstab deiner oder meiner Jugend messen. Man denkt heute freier, ungezwungener, und ich muss bekennen, dass ich das sogar gut finde, wenn manche Tabus abgebaut worden sind. Es gäbe natürlich auch noch eine andere Möglichkeit, das Schloss zu nutzen, man könnte eine Pension oder ein Hotel aus Herrenhorst machen.«

»Ein Hotel?«, kam es entsetzt zurück. »Was für ein idiotischer Einfall! Fremde Leute ins Haus nehmen zu wollen, die Lärm machen und Befehle erteilen.«

»Du würdest davon kaum behelligt werden, Mama. Wir würden dann in den Seitenflügel übersiedeln.«

»Nein, das ist keine Lösung. Die Menschen glauben dann, für ihr Geld alles tun zu dürfen. Nein, nein, nur über meine Leiche! Solange ich lebe, wird aus diesem Schloss kein Hotel.

»Dann bleibt es also erst mal bei dem Campingplatz«, entschied Martin, und diesmal klang in seiner Stimme etwas mit, das keine weiteren Einwände duldete.

»Ich werde mich wohl oder übel auch in diese Veränderung fügen müssen«, seufzte die weißhaarige Gräfin. »Hoffentlich machen diese Menschen nicht allzu viel Lärm.«

»Die Leute werden dich bestimmt nicht stören, Mama«, versicherte Martin. »Dein Leben geht weiter wie bisher.«

Martin Bergen ahnte in diesem Augenblick noch nicht, dass seine Pläne sein eigenes Leben von Grund auf umgestalten würden.

*

Martin Bergen stand auf der Wiese am See und griff tatkräftig zu, um das Stück Land zu einem Campingplatz umzugestalten. Es würde keiner für gehobene Ansprüche werden, denn eine Wasserleitung ließ sich nicht bis hierher verlegen. Eine elektrische Pumpe würde zwei Duschen versorgen und eine handbetriebene würde für frisches Brunnenwasser sorgen. Dafür konnten die jungen Leute dann aber auch billig auf seinem Grund Ferien machen.

Eine silberhelle Mädchenstimme riss Martin aus seinen Berechnungen.

»Hallo, Martin!« Jutta von Reckenzin sprang vom Pferd, ließ es grasen und ging mit raschen Schritten auf den Mann zu. Fesch sah sie in ihrem Reitdress aus. »Sie sind ja schon fleißig bei der Arbeit. Also, das soll der Campingplatz werden?« Sie blickte in die Runde. »Ich habe schon davon gehört. Ideen haben Sie! Aber wirft das überhaupt etwas ab?«

»Immer besser als gar nichts«, erwiderte Martin, »und einen ideellen Zweck erfüllt es auch noch.«

»Finden Sie keine andere Einnahmequelle?«

Ihre braunen Augen sahen ihn forschend an. Martin musste sogleich an die Worte seiner Mutter denken, die ihm unbedingt dieses Mädchen ans Herz legen wollte.

»Warum heiraten Sie nicht einfach eine reiche Frau?«, fragte Jutta von Reckenzin nun auch noch, als hätte sie seine Gedanken erraten.

Martin wurde regelrecht verlegen. Ob seine Mutter etwa doch hinter seinem Rücken mit Jutta über ihre Pläne gesprochen hatte? Der Gedanke war ihm peinlich.

»Du lieber Himmel, ein Mann wie Sie!«, fuhr Jutta fort, als er die Antwort schuldig blieb. »Diese Bemühungen«, sie deutete über die Wiese, »haben Sie doch gar nicht nötig.«

Lag nicht in den braunen Augen geradezu eine Herausforderung? Er hätte Jutta jetzt vielleicht einfach küssen können. Doch jedes Mal, wenn er in eine solche Situation gelangte, sei es bei Jutta oder bei einer anderen Frau, hatte er das unbestimmbare Gefühl, dass noch nicht das große Glück seines Lebens für ihn gekommen war. Und anstatt der Verlockung nachzugeben, die sich ihm bot, erwiderte er:

»Ich verlasse mich lieber auf meiner Hände Arbeit. Heiraten sollte man nur, wenn das Herz spricht, nicht um ein Geschäft daraus zu machen. Die Ehe ist für mich eine ernste Angelegenheit.«

Jutta von Reckenzin schob schmollend die Unterlippe vor, überwand jedoch die versteckte Abfuhr rasch.

»Nun ja, es ließe sich aber doch vielleicht beides vereinen – Liebe und Geschäft, meinen Sie nicht auch?«

»In meinem Alter handelt man nicht mehr unbesonnen.«

Juttas Blick hielt den des Mannes fest. Sie lächelte spitzbübisch.

»Haben Sie es nötig, Komplimente herauszufordern, Martin?«

»Ich wollte keine hören«, versicherte er rasch.

»Nicht? Es klang aber ganz danach. Es ist auch kein Kompliment, sondern entspricht der Tatsache, dass Sie mit jedem an Jahren jüngeren Mann konkurrieren können.«

»Danke, Jutta, das hört kein Mann ungern«, antwortete Martin Bergen und rettete sich in ein amüsiertes Lachen. »Aber ich bin nicht so töricht, daraus die Konsequenzen zu ziehen.«

»Finden Sie es so töricht, die Annehmlichkeiten des Lebens zu genießen, die es bereithält?«

»Es kommt darauf an.«

»Dann lassen Sie es doch darauf ankommen!«, erwiderte Jutta herausfordernd, und ihre braunen Augen blitzten. »Im Übrigen hat mich Ihre Frau Mama zum Tee eingeladen.«

»Dann sollten Sie sie nicht länger warten lassen.«

»Kommen Sie nicht mit?«, fragte Jutta enttäuscht.

»Nein, tut mir leid, ich habe hier zu tun.«

Er wusste zu gut, weshalb seine Mutter das junge Mädchen, Tochter eines Gutsnachbarn, dem zugleich mehrere Fabriken gehörten, sich häufig zur Gesellschaft erkor. Schließlich nahmen er und seine Mutter den Tee täglich gemeinsam ein. Heute allerdings würde er besser darauf verzichten. Er durchschaute diese Einladung.

*

»Bald werde ich einundzwanzig, Mutti«, sagte Martina Weinsteiger beim Abendessen.

»Ich weiß, mein Kind. Hat das eine Bedeutung?«

»Peter und ich, wir kennen uns jetzt drei Jahre. Du weißt, dass er gut verdient, Mutti. Er kann eine Familie gründen.«

»Willst du damit sagen, Tini …«

»Ja, Mutti!«, fiel das blonde Mädchen rasch ein, »wir haben neulich vom Heiraten gesprochen.«

»Ich habe natürlich geahnt, dass es eines Tages mit euch so kommen würde, und ich habe auch nichts gegen Peter Hartwig, aber dass ich dich so schnell hergeben soll – ich habe doch nur dich auf der Welt«, erwiderte Ursula Weinsteiger ein bisschen bedrückt.

Martina erhob sich und schlang die Arme um ihre Mutter. »Es soll ja nicht gleich sein, Mutti. Bis zum Herbst wollen wir bestimmt noch warten. Schon wegen der Wohnung. Dann geht Peters Vermieterin in ein Altersheim, und wir bekommen die Wohnung, das hat sie uns versprochen, ist das nicht prima?«

»Dann ist es also schon eine abgemachte Sache zwischen euch?«

»Ja, Mutti. Aber vorher fahren wir noch mit unseren Freunden zusammen in Urlaub. Zum Camping natürlich, wie in den letzten beiden Jahren. Diese Ferien wollen wir noch einmal im alten Freundeskreis erleben.«

»Du weißt ja, Tini, dass ich dieses Zelten – oder Camping, wie ihr es heute nennt, nicht so gern sehe. Junge Menschen verschiedenen Geschlechtes so eng beieinander …«

Frau Weinsteiger hatte Bedenken.

Martina lachte. »Aber, Mutti, erstens sind wir drei Paare und haben zwei Zelte. Die Männer schlafen in dem einen und wir in dem anderen. Das muss ich dir jedes Mal erneut erklären. Na und wenn schon, wäre es denn so schlimm? Peter und ich wollen sowieso heiraten.«

»Wenn ein Mädchen in Not ist, macht der Liebhaber sich häufig davon. Das Vergnügen wollen sie, aber wenn ein Kind unterwegs ist …«

»Peter nicht! Ich kenne ihn, Mutti!«

»Das glaubt man immer von dem Mann, den man liebt, Tini.«

»Du tust ja so, als hättest du trübe Erfahrungen gemacht, Mutti? Vati hat dich doch nicht sitzenlassen, als ich unterwegs war.«

Ursula Weinsteiger nickte gedankenvoll. »Er hat mich geheiratet …«, sagte sie in einem Tonfall, dass Martina jäh aufhorchte.

Und du hättest nach seinem Tode wieder heiraten sollen, schloss sie aus dem Verhalten ihrer Mutter. »Warum bist du allein geblieben? Du bist noch viel zu jung, um dein Leben ohne einen Mann zu verbringen.«

»Man liebt nur einmal im Leben wirklich, Tini, jedenfalls bei mir ist das so«, erwiderte Frau Weinsteiger.

»Ich habe ja auch nicht die Absicht, zweimal zu lieben, Mutti.«

Sie strich ihrer Mutter über das dunkle Haar. »Peter ist schon der richtige Mann für mich. Aber dass du dann ganz allein sein wirst, macht mich manchmal richtig traurig. Du brauchst doch jemand, den du verwöhnen kannst, Mutschilein. Wer sollte das schließlich besser beurteilen können als ich? Und darum solltest du wieder heiraten.«

»Ich werde mich schon an den Zustand des Alleinseins gewöhnen«, meinte Ursula Weinsteiger. »Schließlich müssen sich andere Mütter auch eines Tages mit dieser Tatsache abfinden, nicht wahr?«

Sie lächelte ihrer Tochter herzlich und tapfer zu, obwohl ihr der Gedanke, Martina nicht mehr täglich um sich zu haben, gar nicht so leichtfiel. Dann erkundigte sie sich:

»Wohin wollt ihr denn diesmal fahren?«

»Nach Herrenhorst.«

»Herrenhorst?«, wiederholte Ursula Weinsteiger überrascht. »Wo soll denn das liegen?«

»Es soll ein Wasserschloss sein, mit einem herrlichen See und viel Wald drum herum, wo man schwimmen und angeln kann. Der Campingplatz soll ganz neu angelegt sein – und ist nur für junge Leute.

Jochen Reimer – du weißt schon: Peters Kollege – hat den Ort ausgekundschaftet. Er hat mal auf einem Ausflug das Schloss besichtigt, und er sagt, einen so schönen Campingplatz gäbe es sonst nirgends.«

»Ich weiß nicht – Herrenhorst … Kennst du die Gegend, Mutti? Erzähle doch!«, drängte Martina.

»Nein, nein, ich kenne sie nicht!« Ihre Mutter wehrte hastig ab. »Ich habe nur mal davon gehört. Muss es denn gerade Herrenhorst sein? Es gibt doch so viele andere Orte, wo es auch schön ist. Ihr wolltet doch mal nach Spanien.«

»Erstens wird das zu teuer, und zweitens meint Peter, da wäre viel zu viel Trubel am Strand. Herrenhorst ist noch nicht so bekannt und wird daher auch nicht überfüllt sein. Und außerdem: Nur junge Leute! Das ist doch prima, da können wir machen, was wir wollen, da stören wir bestimmt keinen. Ach, ich freue mich schon riesig auf die Ferien, Mutti!«

Ursula Weinsteiger freute sich weniger. Herrenhorst – dieser Name war in ihrer Erinnerung hängengeblieben, hatte sich in ihr Herz gegraben. Aber davon wusste Martina nichts. Und das war gut so. Was würde Tini sonst von ihr denken. Herrenhorst – mein Gott!