Die Chance ihres Lebens - Agnès Desarthe - E-Book

Die Chance ihres Lebens E-Book

Agnès Desarthe

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Beschreibung

"Hector hatte eine Frau. Sie hieß Sylvie. Sie hatten einen gemeinsamen Sohn. Sein Name war Lester … " Dieses Trio wird eine Zeitlang in den USA leben. Alles kann sich da verändern. Oder nichts. – Ein psychologisch fein gesponnener, ironisch getönter Roman voller origineller Alltagsszenen über das Leben in der Fremde und das zu entdeckende Land in uns selbst.

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AGNÈS DESARTHE

Die Chance ihres Lebens

Roman

Aus dem Französischenvon Cordula Unewisse

Inhalt

Erster Teil

Zweiter Teil

Dritter Teil

Vierter Teil

Danksagung

Erster Teil

Hector hatte eine Frau. Sie hieß Sylvie. Sie hatten einen gemeinsamen Sohn. Er hieß Lester. Ein englischer Vorname, weil Hectors Familie väterlicherseits aus Penzance in Cornwall stammte beziehungsweise einem Marktflecken, der nördlich dieses Seebades gelegen war. Ein Dorf, dessen Name verschwiegen wurde, denn man hatte ein Faible für Geheimnisse.

Vor Kurzem hatte Lester darum gebeten, anders genannt zu werden. Das war in einem Flugzeug gewesen. Über dem Atlantik. Sagen wir, ungefähr auf halber Strecke. Dort, so hatte der Jugendliche vermutet, wo Passagiere und Besatzung unrettbar verloren wären, sollte die Maschine abstürzen. Selbst wenn eine Wasserlandung möglich ist, hatte er spekuliert, wir sind so weit weg von allem, von Land weit und breit keine Spur, dass wir sterben werden. Wir werden nicht in den Flammen umkommen, nicht beim Aufprall, die Körper von den Splittern des Cockpits durchbohrt, wir werden wie Matrosen und Entdeckungsreisende sterben: vor Hunger, Traurigkeit und Angst.

Er fürchtete sich nicht. Er war vierzehn und übte sich entschlossen in Weisheit.

Wir werden sterben.

Lester saß zwischen seinem Vater und seiner Mutter – er in eine Zeitung vertieft, sie seit Beginn des Fluges mit derselben Seite ihres Buches beschäftigt, denn sie konnte sich nicht konzentrieren. Sie spionierte ihn aus, sie spionierte ihren Sohn aus, ja, ihren Sohn, um den sie sich sorgte, ohne dass sie es zugeben wollte oder darüber gesprochen hätte – und er sah ihrer aller Ableben mit großer Seelenruhe entgegen.

Während er sich an einen Atemrhythmus von fünf Sekunden beim Einatmen und zehn beim Ausatmen hielt, in der Hoffnung, so leichter einen Zustand tiefer Meditation zu erreichen – die Handflächen nach oben gedreht, Augenlider geschlossen –, war ihm ein dünner Wasserstrahl ins Gesicht gespritzt. Nur ganz wenig. Gerade so viel Wasser, wie einem spitzbübischen Frosch ins Maul gepasst hätte, um ihn aus lauter Spaß damit anzuspucken. Es war aber natürlich kein Frosch. Sondern Leonie, die Stewardess mit akutem Rheuma, von dem sie niemandem etwas gesagt hatte, weil sie das Reisen und ihre Uniform liebte und eine Kündigung befürchtete. Ein schmerzhaftes Stechen mitten im Knie hatte sie straucheln lassen, gerade als sie einem Mann auf der anderen Seite vom Gang sein Getränk hinstellen wollte. Das Wasser war übergeschwappt.

«Oh, Entschuldigung. Sorry, mein Großer. Wie heißt du?», fragte sie und tupfte ihn vorsichtig ab.

Der Junge sah sie aufmerksam an. Das Make-up ließ ihre Haut glatt und samtig wirken wie einen gewaschenen Pfirsich, sie hatte große, braune Tieraugen, und um ihren Nacken war ein kleines Halstuch geknotet.

«Absalom Absalom», antwortete Lester.

«Absalom? Ein seltener Name. Und so schön.»

«Absalom Absalom», hatte Lester korrigiert. «Es ist eine Art Doppelname, wenn Sie so wollen, wie Jean-Jacques, nur dass es zweimal dasselbe ist.»

«Mit einem Bindestrich dazwischen?»

«Absalom Leerzeichen Absalom. So, ohne Bindestrich.»

«Interessant», hatte Léonie gemurmelt und einen bewundernden Blick, dem aber auch ein wenig Skepsis beigemischt war, auf die Person geworfen, die neben dem Jungen saß und von der sie nicht hätte sagen können, ob es sich um seine Großmutter, seine Tante oder vielleicht doch um seine Mutter handelte. Sie waren verwandt, dafür hätte sie ihre Hand ins Feuer gelegt, denn sie hatten dieselben großen, weit auseinander stehenden Augen, deren Grün … wie sollte sie dieses Grün genauer beschreiben … das ins Gelbliche spielte … Aber das erinnerte sie doch an etwas. Genau! Es war exakt der Farbton vom Nasenschleim ihrer Tochter Stella, der ihr ständig in zwei Rotzglocken zwischen Nasenlöchern und Amorbogen hing.

Sylvie wollte sich nicht gleich einmischen. Sollte sie diesen absurden Wortwechsel unterbrechen? Musste sie die falsche Information richtigstellen? Mein Sohn heißt Lester. Er macht nur Spaß. Er ist ein richtiger Spaßvogel, wissen Sie. Etwas hatte sie zurückgehalten. Die Angst vor Uniformen. Amtstrachten hatten diese Wirkung bei ihr. Sie wusste zwar, dass die Uniform der Polizei nicht gleichwertig war mit der von Kontrolleuren, Platzanweiserinnen im Theater, Stewardessen und dem Zimmerservice. Aber war das überhaupt wichtig?

«Hector?», hatte sie zu ihrem Mann hinübergehaucht.

«Jooh?»

«Lester hebt jetzt völlig ab.»

«Was ist los?», hatte Hector mit abwesender Stimme gebrummt, die Augen immer noch auf seine Zeitung geheftet.

Sylvie hatte nichts erklärt. Sie musste sich ruhig und zuversichtlich zeigen. Es waren so viele Entscheidungen getroffen worden. Das Leben von ihnen dreien würde so radikal auf den Kopf gestellt, dass das Motto von Edwina, ihrer Schwiegermutter, hier doch einmal passte: «Sich immer wundern, aber nie die Fassung verlieren.»

Der Flughafen, auf dem sie am Ende ihrer Reise landeten, ähnelte dem davor nicht, wo es einen dreistündigen Zwischenstopp gegeben hatte, wo sie von einem Polizisten, der in seinem Körperbau einem jungen Gänserich ähnelte, einer Befragung unterzogen worden waren. Der junge Mann in Uniform, dessen überlangen Hals ein Adamsapfel zierte, der so hervorsprang, dass Sylvie dachte: Das ist sein drittes Auge (ohne ihren Blick von dem blassrosa Höcker abwenden zu können, der mit einer Art chronischer Gänsehaut überzogen war), dieser junge Mann hatte jedem von ihnen eine Reihe von Fragen gestellt, dabei nicht aufgehört, sie anzustarren, und wenn doch, dann nur, um einen prüfenden Blick in den Reisepass folgen zu lassen, den er in seinen zitternden Händen hielt. Er wirkte so, als hätte er furchtbare Angst und sei enorm misstrauisch.

Ein Mann, eine Frau und ein Jugendlicher aus Frankreich, Passagiere unter Tausenden anderer Passagiere, schienen ihn persönlich zu bedrohen. «Man wählt sie wegen ihres psychiatrischen Profils aus», hatte Hector erklärt, als sie auf amerikanischem Boden waren. «In dem Fragebogen, den sie bei ihrer Einstellung ausfüllen, befindet sich ein Feld mit der Überschrift ‹Medizinische Vorgeschichte›. Jene, die hier ein Kreuz machen und ausführen, dass sie zwanghafte Verhaltensstörungen mit einer Tendenz zur Paranoia vorweisen können, werden vorrangig rekrutiert.» Er lächelte und Sylvie fragte sich, ob das wohl ein Scherz sein sollte. Hector war mit Leib und Seele Professor. Alles, was er sagte, schien gelehrt und glaubwürdig, trotz mancher Ungereimtheiten.

Sylvie hatte sich gefragt, ob sie denn eine Bedrohung für diese riesengroße Föderation der USA darstellte. Drohte ihre unbedeutende Gegenwart eine wertvolle Ordnung zu stören, die mit Wachsamkeit, Feuereifer und erbittertem Glauben in weniger als drei Jahrhunderten errichtet worden war? Bestand die geringste Chance, dass sie eine echte Gefahr darstellte? Sie war ein nachlässiger Mensch, zeigte sich manchmal unterkühlt und glaubte an nichts. Standen ihr diese Charaktereigenschaften ins Gesicht geschrieben? Schwitzten sie aus den Wasserzeichen heraus, die sich über die Seiten des Dokuments zogen, das ihre Identität bestätigte? Sie färbte sich nicht die Haare, trieb keinen Sport, wurde schwach bei der vergammelnden Kruste von nicht pasteurisiertem Käse. War das ein Verbrechen? Als sie das Formular ausfüllte, das man im ersten Flugzeug verteilte, war sie versucht gewesen, in die Rubrik zum Gebrauch von Betäubungsmitteln einzutragen, dass in ihrer Kindheit das Rauchen von Hanfstroh schon vorgekommen war. «Ihr müsst alle Fragen mit Nein beantworten», hatte Hector ihnen geraten. «Verliert keine Zeit mit Lesen.»

Der erste Flughafen war abweisend gewesen. Sie hatte sich dort fremd gefühlt, so, als litte sie unter mannigfaltigen Krankheiten und sei schrecklich ansteckend. Die Pest steckte ihr im kleinen Finger, Typhus in der rechten Kniescheibe und Lepra in der linken. Der zweite Flughafen hatte sie als eine Bürgerin unter vielen willkommen geheißen. Er war weitläufiger und moderner als der erste. Riesige Fensterfronten aus Glas, das Blassviolett getönt war, verbreiteten ein schmeichelhaftes Licht. Die Marmorböden waren von spektakulärer Sauberkeit, ein Spiegel für vereinzelte, friedfertige Gestalten. Niemand schien es eilig zu haben. Am Rand des Gepäckbandes, das wie eine langsame Raupe die Koffer auf seiner Wirbelsäule aus schwarzem Kautschuk im Kreis herumfahren ließ, harrten geduldige Menschen aus, einzeln, in einer Traube oder als Paar, ohne zu den besten Plätzen hin zu drängen, sie warteten mit einem gewissen Abstand zu den anderen und warfen sich ein sehr verhaltenes Lächeln zu. Lester hatte sich einen Gepäckwagen besorgt und fuhr damit herum, als wäre es ein Roller, wobei er langsame Pirouetten drehte. Man sah ihm mit Wohlwollen zu. Vielleicht gewöhne ich mich daran, dachte Sylvie. Amerika ist blind und gelassen wie ein Unterwasserwesen, das aufgrund seiner Größe, die jene aller seiner Artgenossen weit übertrifft, eine Gleichgültigkeit an den Tag legt, die an Lethargie grenzt. Man lebt auf seinem Rücken wie auf einer Insel und ist ganz ahnungslos ob der Zuckungen, die es erschüttern. Hier werde ich dieselbe sein und doch eine andere, dachte sie auch noch. Sie verwechselte die Wirkungen der Zeitverschiebung mit der zwangsläufig melancholischen Seelenruhe, die ein Traum mit sich bringt, der erfüllt worden ist.

Im Auto, das sie zu ihrer neuen Bleibe brachte, legte Sylvie den Kopf auf Hectors Schulter und fragte:

«Wie spät ist es, Liebling?»

«Zeit, schlafen zu gehen, aber auch Zeit, Tee zu trinken und einen kleinen Waldspaziergang zu machen.»

«Nein, ernsthaft.»

«Es ist fast fünf Uhr am Nachmittag. Aber für deinen Körper ist es bald elf Uhr abends. In Paris schläfst du schon seit 10 Minuten und ich höre dich schnarchen.»

«Ich schnarche nicht.»

«Jeder schnarcht.»

«Es ist fünf Uhr nachmittags und ich schnarche nie. Meine großen negroiden Nasenlöcher, die habe ich von meinen Vorfahren aus Kamerun geerbt.»

«Wir haben Ahnen in Kamerun?», Lester schrie fast vor Erstaunen.

Sylvie versuchte ihn zu zügeln. «Niemand kennt seine Ahnen wirklich.»

Schützt meine Eltern. Schützt sie vor sich selbst und vor den anderen. Es sind rechtschaffene Menschen und, ihr wisst es ja, rechtschaffene Menschen sind dünn gesät. Warum sie rechtschaffen sind? Das werde ich euch sagen. Sie sind unschuldig und sie ahnen nichts von den Umständen, unter denen sie leben. Ich sehe, wie sie mit Mut und Anstand ihren Weg gehen. Sie haben manche Kümmernisse erlebt. Sie haben einige Prüfungen durchgestanden. Darüber sprechen sie nicht. Sie beschweren sich nie. Sie kommen voran, blind wie Regenwürmer, genauso arbeitsam und harmlos wie diese. Sie lieben sich. Das kommt so selten vor. Hector liebt Sylvie. Sylvie liebt Hector. Sie sind meine Eltern. Meine armen Eltern. Meine alten Eltern. Meine armen alten Eltern. Schützt sie …

«Was machst du denn da?», fragt Sylvie, die schon seit einigen Minuten im Rahmen der Tür steht, die zur Garage hinüberführt. Sie beobachtet Lester, der sich, aufrecht stehend, mit einem Buch in den Händen vor und zurück wiegt. «Lester! Was machst du da? Antworte mir.»

«Ich heiße nicht mehr Lester», sagt er und dreht sich langsam zu ihr um. «Ich heiße Absalom Absalom. Nenn mich jetzt so.»

«Ich nenne dich, wie ich will. Wie wir, dein Vater und ich, dich getauft haben.»

«Aber ihr habt mich nicht getauft.»

«Was redest du denn da?»

«Ich wurde im Flugzeug getauft. Die Stewardess hat mir ihren Segen gegeben. Es war meine Lufttaufe.»

Sylvie lacht laut auf, und Lester lacht mit.

«Ernsthaft, was macht du hier, im Keller, ganz allein? Draußen ist so schönes Wetter.»

«Das hier ist kein Keller, Sylvie, es ist eine Garage.»

«Nenn mich Mama.»

«Es ist eine Garage.»

«Betest du?», fragt sie misstrauisch und zeigt auf das Buch, das Lester jetzt an seine Brust drückt.

«Nein, ich spiele Nintendo.»

«Aber da ist keine Konsole, kein Bildschirm. Was soll das denn schon wieder heißen?»

«Ich schalte die Konsole an, wenn ich so weit bin. Ich übe. Ich laufe mich warm, wenn dir das lieber ist.»

«Und was ist das hier?», hakt Sylvie nach und tippt mit dem Zeigefinger auf das Buch.

«Was, das?»

«Das Buch. Es ist ja wohl keine Anleitung für ein Videospiel?»

«Nein», antwortet Lester und zeigt ihr den Einband. «Es sind die Bekenntnisse des heiligen Augustinus.»

«Aha, immerhin!»

«Wie?»

«Du gibst es zu.»

«Was?»

«Dass du den heiligen Augustinus liest.»

«Ich lese ihn nicht. Ich habe das Buch genommen, weil es genau das richtige Gewicht hat, um damit meine Bizepse zu trainieren, ohne mir eine Sehnenentzündung einzuhandeln. Soll ich das Lernprogramm holen?»

«Nein, ich will, dass du rausgehst und den Sonnenschein genießt.»

«Okay, Mama. »

Als sie die Eingangstür des Hauses zum ersten Mal aufstieß, musste Sylvie an die Aufkleber auf den Wänden mancher Toiletten denken: «Bitte lassen Sie dieses Örtchen so zurück, wie sie es vorgefunden haben.» Die taoistische Lehre des Nicht-Handelns in Kurzform. Wie sollte man denn das Laken der Zeit nicht zerwühlen? Wie nicht irgendetwas verpatzen oder verpfuschen? Die Welt so zurückgeben, wie sie uns gegeben wurde. Würde es ihr gelingen, in diesem Haus, das ihr nicht gehörte, nichts zu beschädigen? Alles war weiß hier, oder genauer: es war von diesem mit Rosa oder Gelb abgetönten Weiß, das es nur in den Crème fraîche-Töpfchen gibt, vorausgesetzt man öffnet sie bei strahlendem Sonnenschein. Cremefarbene Wände, cremefarbene Decke, und alle Räume, selbst die Badezimmer (wie sie später herausfinden würde) waren mit einem farblich abgestimmten, flauschigen Teppichboden ausgelegt, von dem sie wusste, kaum dass sie ihn gesehen hatte: Der ist mein ärgster Feind.

«Ich wusste gar nicht, dass es möbliert ist», sagte Hector mit einem Grinsen.

Wenn das Haus nicht möbliert wäre, hätten sie dann nicht Betten, einen Kühlschrank und einen Tisch kaufen müssen? Natürlich wusste er es. Komfortables Wohnhaus, acht Zimmer, geschmackvoll möbliert, das hatte man ihnen in Aussicht gestellt.

Bewohnt, dachte sie. Es war eher bewohnt als möbliert. Es hingen sogar Bilder an den Wänden, Tuschezeichnungen und Aquarelle, und auf den meisten waren Enten dargestellt, auf einigen auch ganz bestimmte Blumen. Aber, dachte sie und verbesserte sich, davon verstehe ich ja nichts. Die Rahmen waren vergoldet und hatten alle dieselbe Größe. Eine scheußliche Harmonie herrschte schon im Flur und noch davor, in dem Teil des Hauses, den sie nicht benennen konnte, eine Art überdachtes Podium, das sich an der Fassade entlangzog, eine offene Veranda, eine Terrasse, die von einem Geländer abgeschlossen und deren Überdachung von Holzsäulen getragen wurde. Sie hatte in Filmen schon Ähnliches gesehen. In amerikanischen Filmen, versteht sich. Ein wippender Schaukelstuhl gehörte auch dazu.

Die Treppe aus hellem Holz war breit und solide gearbeitet. Man konnte darauf zwei Tragen mit großen Verletzten aneinander vorbeidirigieren, ohne dass sie zusammengestoßen wären, dachte Sylvie. Warum kam ihr denn jetzt dieses düstere Bild in den Sinn? Warum wirkte der offensichtliche Komfort der Dienstwohnung, die die Universität Hector angeboten hatte, so bedrohlich auf sie? Die Badezimmer waren so groß wie Schlafzimmer, die Betten riesig. Was waren das für Leute? Diese Riesen, die hier normalerweise lebten?

«Ein Physikprofessor, Spezialist für Klimatologie. Seine Frau ist eine recht bekannte Lyrikerin, glaube ich zumindest, sie unterrichtet ebenfalls. Sie haben zwei Töchter. Die Ältere ist Sängerin. Sie macht beim Gesangs- und Opernfestival Chorégies d’Orange mit. Sie haben schon mal ein Sabbath-Jahr in Aix-en-Provence verbracht. Die Jüngere geht noch zur Schule. Ich hatte dir ein Foto von ihr gezeigt, erinnerst du dich?»

«Nein.»

«Ich hatte dir gesagt, sie ähnele dir ein wenig.»

Mir sieht niemand ähnlich, dachte Sylvie, und anstatt sich von dieser Besonderheit geehrt zu fühlen, wurde sie von diffuser Traurigkeit erfasst. Die Besitzer dieses Hauses waren ehrliche Leute. Sie waren vermögend. Sie hatten Geschmack. Sie hatten ihre Kinder feinfühlig und intelligent erzogen. Ihre Bratpfannen waren teflonbeschichtet. Die Griffe der Töpfe wackelten nicht. Sie hatten sich für alles ein Ordnungssystem ausgedacht. Die Einrichtung war das Werk eines Verstandesmenschen gewesen. Und doch blieb Sylvies Suche nach etwas, woran sie ihren Mantel hätte aufhängen können, erfolglos. Sie sah sich nach einem hervorstehenden Nagel um, einem Haken, der in einen Balken eingeschlagen war, einem irgendwie vorspringenden Stück Holz, einem Fenstergriff. Die Fensterfronten ließen sich per Knopfdruck öffnen. Hector half ihr aus der Klemme, indem er ihren Regenmantel auf einen Bügel und den an die Garderobe im Eingangsflur hängte. Er lächelte. Er war stolz. Etwas war geschehen in seinem Leben. Er war nominiert worden. Er war ausgewählt worden. Er hatte Vorstellungsgespräche geführt. Er hatte überzeugt. Sein Werk als Kritiker und als Lyriker würde in der fakultätseigenen University Press veröffentlicht werden. Die Dekanin der Fakultät, Farah Asmanantou, hatte ihm das zugesichert: «Es wird eine Ehre für uns sein, Hector, wirklich eine Ehre. Das ist der Aufbruch nach Derrida, aber nicht gegen Derrida. Wir finden das sehr scharfsinnig. Wirklich sehr scharfsinnig.» Sie hatte ihre braune Hand mit den langen, in Begonienrosa lackierten Fingernägeln auf ihre Brust gedrückt und ihr rechter Busen hatte leicht nachgegeben, wie ein Kopfkissen unter dem Kopf. Hector hatte nach seinem Hemdkragen gegriffen, ihn etwas nach unten gezogen und sogleich wieder losgelassen. Es war sein bestes Hemd, das grauleinene, ein Geschenk seiner Mutter.

Sylvie hatte keine Lust auf schlechte Laune. Sie wollte weder enttäuscht noch verbittert sein. Sie hatte beschlossen, jeden Augenblick dieses Aufenthaltes zu genießen. Sechs Monate. Ein Jahr. Vielleicht noch länger, hatte Hector gemeint. «Das hängt auch von euch ab, von dir und Lester. Es ist wirklich wichtig, dass es euch gelingt, euch einzuleben. Das hat Farah deutlich betont. Es muss ein globales, ein kollektives Projekt sein, ein Familienprojekt. Sie hat große Lust darauf, dich kennenzulernen.»

Ich nicht, hätte Sylvie fast gesagt, es aber für sich behalten und gelächelt. Sie war schüchtern. Sie wusste nie, ob sie Tee oder Kaffee wollte, und deshalb fürchtete sie Besuche bei Unbekannten. «Tee? Kaffee?», wurde mit fröhlicher Stimme gefragt, und schon öffnete sich der Boden unter ihren Füßen. Sie schwor sich, mit «Kaffee» zu antworten, wenn sie – und das ließe sich wohl kaum vermeiden – Professor Asmanantous Bekanntschaft machen würde.

Der Container war auf einem Laster abgesetzt worden. Der LKW war bis zum Haus gefahren. Männer, die stark nach Aftershave rochen, hatten die Kartons im living room abgestellt. Diese Bezeichnung hatten sie benutzt: living room. Die einzigen zwei Wörter, die Sylvie im diffusen Durcheinander ihrer Sätze wiedererkannt hatte.

Sie spricht Englisch. Zumindest hat sie die Sprache auf dem Gymnasium gelernt. Aber jetzt, wo sie sich eventuell für ein Jahr in einem Land niederlässt, in dem dieses Idiom in Umlauf ist, wird ihr klar, dass ihre Sprachkenntnisse sehr eingeschränkt sind. Ihr kommt die Idee, dass zwischen der Sprache, die sie zu beherrschen glaubt, und der, die man hier spricht, derselbe Unterschied besteht wie zwischen einer nicht mehr ganz jungen Frau kurz nach dem Aufwachen, die ein ausgeleiertes Nachthemd und die zu großen Pantoffeln ihres Mannes trägt, und derselben Frau, nun geschminkt, frisiert und in Pumps. Sie fragt sich, welcher der zwei Frauen das Englische gleicht, das sie damals auf dem Gymnasium gelernt hat. Sie ist sich nicht sicher, ob die Metapher funktioniert. Sie fragt sich auch, ob zur Beschreibung ihrer Tagträumereien Metapher überhaupt das richtige Wort ist.

Ihr Blick fällt auf das Packmaterial, das deutlich anspruchsvoller ist als bei einem gewöhnlichen Umzug. Sie denkt, dass Lester zehn Jahre früher diese riesigen Kartons dazu verwendet hätte, sich eine Burg zu bauen. Er spielt nicht mehr. Er ist groß. Was macht er dann? Sie bezweifelt, dass sie eine Antwort auf diese Frage findet. Was machen sie denn eigentlich, die Jugendlichen? Man hört so schreckliche Geschichten über sie. Zwischen dreizehn und einundzwanzig drehen sie so leicht durch. Darüber hat sie Artikel gelesen. Und Bücher. Die Autoren sind der einhelligen Meinung, dass die Eltern, und insbesondere die Mütter, sich mit ihnen nicht besonders geschickt anstellen. Sie hat beschlossen, sich um nichts zu kümmern. Sie hat sich schon früh geweigert und sie bleibt damit auf Kurs. Wieder der Glaubenssatz des Nicht-Handelns, noch mal der. Sie hat mehr oder weniger beschlossen, die Großmutter ihres Sohnes zu sein. Die Idee kam nicht von ihr, sondern von einer Frau im Bus. Lester musste etwa drei Jahre alt gewesen sein. In der Linie 75 hielten sich beide, Sylvie und er, an der Hand. «Sag mal, kleiner Mann», so wandte sich die Dame an Lester, «du hast aber Glück mit einer so jungen Oma.» Sylvie hatte das Für und Wider gegeneinander abgewogen: eine junge Oma, eine alte Mutter. Lester hatte nicht protestiert. Er hatte nicht versucht, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen. Immer höflich, so unglaublich höflich. Sylvie hatte gedacht, dass vielleicht auch er es lieber so gehabt hätte. Mit seiner jungen Oma durch die Stadt zu gondeln.

Natürlich belog Sylvie die Verwaltung nicht. Auf den Formularen, die für die Schule oder die Stadtverwaltung auszufüllen waren, blieb sie bei der Wahrheit. Nur bei informellen Begegnungen, in der Grünanlage, im Theater, gegenüber Unbekannten, die sie nie wiedersehen würde, griff sie auf diese Fassung ihres Verwandtschaftsverhältnisses zurück. Sie bezeichnete Lester nicht als «meinen Sohn», sie sagte «mein Kleiner» oder «mein Junge», manchmal sogar «mein Großkind». Dabei brachte sie ein kaum wahrnehmbares Stocken zwischen Adjektiv und Nomen unter: «Groß», Zweiunddreißigstelpause, «Kind».

Das vermittelte ihr das Gefühl, weniger Verantwortung zu tragen. Sie konnte sich damit zufriedengeben, ihn zu beobachten, statt sich mit seiner Erziehung abzumühen. Aber die Beobachtung wurde immer schwieriger. Sie fürchtete, indiskret zu sein, und vor allem hatte sie, obwohl sie ihn ständig oder beinahe ständig im Auge behielt und er nichts Besonderes vor ihr zu verbergen schien, doch das Gefühl, ihn aus dem Blick zu verlieren. Entfernte er sich von ihr? Oder sie sich von ihm? Ein Teenager eben. Diese Teenager. Furchtbar. Sie nahmen Drogen, sie tranken, sie starben, sie verunstalteten sich, saßen plötzlich im Rollstuhl, erstachen ihre besten Freunde mit einem Messer oder erschossen sie, opferten sich auf, hörten ganz auf zu essen, sprangen aus dem Fenster oder von einer Klippe. Teenager.

In ihrer Jugend auf dem Land war das anders gewesen. Es gab nicht einmal das Wort. Niemand sprach von Teenagern. Auf der einen Seite standen die Kinder, auf der anderen die Erwachsenen. Zwischen diesen beiden Gruppen erstreckte sich eine namenlose Zone, die damit auch keine spezifischen Probleme barg. Es war trotzdem doch idiotisch, so darüber zu denken, überlegte Sylvie und schimpfte mit sich, wie es so ihre Gewohnheit war. Idiotisch, zu meinen, dass damals, nur weil man das Wort «Teenager» nicht aussprach, keine Teenager existiert hätten, dass sie nicht litten und kein Leiden verursachten. Dennoch war an dieser Sichtweise etwas durch und durch Wahres, so schien ihr. Sie entsprach ganz einfach der Erinnerung, die sie an die Vergangenheit bewahrte. An ihre Vergangenheit. An das Leben mit ihrem Vater in den Bergen, an ihren Körper, ihre Knie, ihre Beine, die gerade waren, bevor sie ihre Form veränderten, bevor sie kurvig wurden, an ihren Bauch, der flach und nicht von ihrem Oberkörper zu unterscheiden gewesen war, bis sich zwischen Becken und Brustkorb eine Taille herausbildete. Diese Veränderungen fanden statt. Man sprach nicht darüber. Von heute auf morgen hörten die Älteren auf, einen anzuschreien. Diese Älteren hörten auch auf, einem die Haare zu zerzausen, einem in die Wange zu kneifen oder einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Fast gleichzeitig verlor man das, was schlecht war, wie auch das, was gut gewesen war. Einen Übergang gab es nicht. Man schloss zu den oberen Rängen auf. Niemand hatte einen vorgewarnt.

Sie erinnert sich auch an den Hexenkessel, oder Kochtopf. Hexenkessel war das treffende Wort, der richtige Begriff. Wegen des Bezuges auf die Hexen, den Teufel, das Böse ganz allgemein. Etwas brüllend Heißes im Inneren, das mit einem schweren Deckel verschlossen wurde. Das permanente Hin und Her der Zellen. Das Blut schien gegen seinen eigenen Strom zu schwimmen und den Hals, die Wangen zu überfluten, wenn es gar nicht passte. Stiche in der Brust. Lustgefühle, auch sie namenlos. Nicht unbenennbar, aber nicht benannt, als sei das Kauderwelsch der ersten Lebensmonate nie überwunden worden. Berühren, sich berühren, berührt werden. Ach! Wie gut sie sich erinnerte. Und deshalb spähte sie aus, deshalb spionierte sie.

Unter dem Hexenkessel ihres Sohnes brannte kein Feuer. Er war ein Junge. Vielleicht waren Jungen da anders. Er hatte keine kritische Wachstumsphase gehabt, war für sein Alter immer noch klein. Er sah sie unverwandt mit seinen großen und schönen grünen Augen an, die die Farbe eines Bergsees hatten, mit einem Schimmer Türkis, wenn das Licht schwächer wird. Die Offenherzigkeit seines Blickes.

«Absalom, was ist das für ein Name? Wo hast du dir den denn gesucht?» Sie wollte mit ihm über seine Bücher reden. Er hatte William Faulkner gelesen. Warum auch nicht? Es war nichts Schlechtes daran, Faulkner zu lesen. Aber warum es nicht sagen? Warum lügen? Lester hatte die krankhafte Angewohnheit, dümmer erscheinen zu wollen, als er wirklich war. Was hatte er davon?

«Der kommt in einem Zeichentrickfilm vor.»

«Was für ein Zeichentrickfilm? Du guckst doch in deinem Alter keine Zeichentrickfilme mehr?»

«Doch. Nein. Das war ein Zeichentrickfilm, als ich klein war, mit Eidechsen. Mit drei Eidechsen. Einer einäugigen namens Victor, einer bärtigen, die Ingmar hieß, und einer dritten mit Hut, deren Name war Absalom.»

«Eine Eidechse mit Bart?»

«Sylvie, es ist ein Zeichentrickfilm.»

«Nenn mich Mama.»

Er hatte ihr sein Lächeln zugeworfen, sein breites Lächeln, das vor Güte triefte.

Sylvie hatte das Gefühl, die meisten Menschen versuchten, und sei es unbewusst, es so anzustellen, dass die anderen eine hohe Meinung von ihnen bekamen. Lester neigte zum Gegenteil. Er brachte sich zum Verschwinden, machte sich klein, machte sich zum Blödmann.

Als er noch jünger war, hatte er Freunde, die ausgesprochen schwierig waren. Die Sorte, die ihre Popel essen, während sie mit einem reden. Als sie dann acht oder neun waren, wurde es doch etwas eklig. Rémi war das stolzeste Exemplar der Bande. Er nuckelte nachts noch am Daumen, was an der Stellung der Zähne und der Verformung der Lippe zu erkennen war. Das Maul einer Kuh, dachte Sylvie, die sich ein wenig schuldig dabei fühlte, so über ein Kind zu urteilen, das vielleicht Probleme hatte. Jedes Mal, wenn er bei ihnen eingeladen war, fragte er: «Wo sind die Toiletten?» Anfangs hatte Sylvie Mitleid empfunden und geantwortet: «Im Flur, mein Spatz, gleich neben dem Badezimmer.» Aber beim sechsten Mal reichte es ihr und sie erwiderte mit schneidender Stimme: «An derselben Stelle wie letztes Mal!» Rémi hatte sich nicht vom Fleck gerührt, die Hände am Hosenlatz. Er hätte im Flur Pipi gemacht. Zu seinem Glück war ihm Lester zu Hilfe geeilt. Mit den Worten: «Komm, ich zeig’s dir», hatte er ihn vorsichtig am Arm genommen. Danach war er zu seiner Mutter zurückgekommen. «Was hat er dir getan?» – «Wer denn?»– «Rémi.» – «Er macht sich über mich lustig.» – «Er hat dich nur gefragt, wo die Toiletten sind.» – «Das ist das x-te Mal, dass er mich das fragt. Kann er sich nicht erinnern? Ist er doof oder was?» – «Nein. Er interessiert sich nur für was anderes.» – «Wie sind seine Eltern?» – «Wessen Eltern?» – «Na ja, die Eltern von Rémi natürlich. Wirst du jetzt auch bekloppt?» – «Und warum interessiert dich das?» – «Wie sind sie?» – «So wie du.» – «Wie ich?» – «In jünger.» Man bekam nichts aus ihm heraus. Er verriet nichts. Er schützte seine Bande von Unfähigen, von Dorftrotteln. Warum suchte er sich ein solches Umfeld?

Sylvie dachte oft an die Heiligenviten, die ihr die Nachbarin immer vorlas, wenn sie als Kind bei ihr schlief, weil ihr Vater nicht da war. Die Nachbarin hatte ein Buch auf den Knien liegen, aber nie senkte sie den Blick auf die Seiten. Sie kannte den Text auswendig oder sie erfand ihn. Wie sollte Sylvie das wissen? Ihre monotone Stimme war mit rollenden r-Lauten gespickt und sie sang mehr, als dass sie erzählte. Der heilige Franziskus war Sylvies Lieblingsheiliger. Sie hatte sich nach und nach in ihn verliebt und hoffte, ihm eines Tages zu begegnen, so wie die kleinen Mädchen davon träumen, ihre Idole zu treffen, Prinzen, Sänger oder Schauspieler, schon lange tot oder fünfzig Jahre älter als sie selbst. Was bedeutete das schon? Denn diese Liebe war so rein, so absolut und vor allem so einseitig, dass sich ihr kein Hindernis in den Weg stellte. Der heilige Franziskus also. Großartig. Es gab aber auch noch einen anderen. Eine ehrliche Haut mit ziemlich gewöhnlichem Namen. Einen, der leidenschaftlich gern mit den Dorftrotteln herumhing. Welche Art Mutter war sie eigentlich, dass sie glaubte, ihr Sohn sei ein Heiliger? Vielleicht war das eine merkwürdige Art und Weise, etwas ganz Banales zu beschreiben? Lester steckte voller Komplexe. Sie zog es vor, zu sagen, er sei heilig. Aber das lief auf dasselbe hinaus. Der heilige Lester las William Faulkner. Sie übersetzte für sich: Mein Sohn kommt ins Jugendalter und entwickelt eine leichte Neigung zur Lügensucht.

Sie schlug ihm vor, ihn bis zur Mittelschule zu begleiten. Hier sagte man allerdings nicht Mittelschule, sondern high school – Hoch-schule übersetzte sie im Stillen und verfolgte diesen Gedanken weiter: Mittelschule bedeutete in ihrer neuen Heimat also Universität: Vorsicht Falle! Man könnte meinen, Sprachen würden gemeinsame Sache machen, um die Menschen in die Irre zu führen. Während sie die wenigen Schritte zwischen dem Ausgang des Parkplatzes und der ziegelsteingepflasterten Allee, die zum Eingang der Schule führte, zurücklegte, hatte sie Zeit, sich die Schüler genauer anzusehen. Ihr fiel auf, dass sie hochgewachsen und stämmig waren, so als würden sie einer anderen Spezies angehören als ihr Sohn. Ihre T-Shirts waren entweder zu weit oder zu kurz. Sie trugen Turnschuhe, aber heutzutage trug jeder Turnschuhe. Bis auf Lester natürlich. Lester hatte an seinem ersten Highschool-Tag buntgestreifte Espadrilles angezogen. Nachdem er ihr einen Abschiedskuss gegeben hatte, sah Sylvie zu, wie die Füße ihres Sohnes sich entfernten, so als würde sie das Holzschwert eines für das Schlachtfeld mangelhaft ausgerüsteten Soldaten in Augenschein nehmen. Dann dachte sie an den heiligen Hieronymus, der dem Löwen mit bloßen Händen entgegengetreten war. Das wilde Tier hatte nicht angegriffen, es war zu abgelenkt, weil es seine Tatze lecken musste, in der ein Dorn steckte. Auf dem Campus der P. W. Julian Highschool war die Situation eine andere: Hunderte Individuen jedweder Hautfarbe, in buntscheckiger Kleidung, mit geschminkten Mündern, waren bereit, ihren Sohn zu verschlingen. Mit ihren Pausbacken sahen sie aus wie kleine Steppkes, aber ihnen war nicht zu trauen, Sylvie wusste es, sie hatte es gelesen: Sie spielten gefährliche Spiele, sprachen dem Alkohol zu, hatten Sex und guckten dabei Horrorfilme, und sie entwendeten die Handfeuerwaffen ihrer Eltern. Nicht dran denken, befahl sie sich, während Lester weiterging, eine noch sommerliche Brise fuhr unter seine halblangen hellbraunen Haare.

Warum hatten sie ihn eigentlich nicht auf dem Lycée français, dem französischen Gymnasium, angemeldet? Er hätte am Fernunterricht teilnehmen können. Wie würde er zurechtkommen, wie verstehen, wie sein Schließfach finden, seinen Klassenraum? Mit wem würde er sprechen? Er würde so einsam sein. Sie würden sich sicherlich über ihn lustig machen. Der Franzose. Der Typ, der in Hausschuhen in die Schule kommt. Der Versager. Sie würden ihn auf der Toilette einsperren, würden mit mehreren zu Werke gehen, ihn schlagen. Sylvie hatte solche Szenen in Filmen gesehen. Nicht dran denken. Wieder nach Hause fahren. Beech Drive. Sie musste darauf achten, das «i» lang auszusprechen, biiiiitsch draiv, sonst würde die Buchenallee zur Allee der läufigen Hündin, zum Schlampen-Weg, noch eine Falle.

Auf dem Rückweg verfuhr sie sich. Die Häuser sahen alle gleich aus. Die Straßen waren alle nach demselben Plan angelegt worden: lang, gesäumt von eingeschossigen Holzhäusern, und sie stießen im rechten Winkel aufeinander. Wie viele gleichförmige Quadratkilometer waren das, wie viele Quadratkilometer sich unendlich wiederholender Häuserblocks? Ein primitives Rasenflächen-Puzzle mit seltsam majestätischen Bäumen, die eine antike Überlegenheit zu behaupten schienen: «Am Ende aller Zivilisation (das nicht mehr lange auf sich warten lassen wird) kommen wir wieder zu unserem Recht», schienen sie von ihren Wipfeln herab zu versichern. Plötzlich fand Sylvie sich in einem ramponierten Gässchen wieder, wo sich bungalowartige Gebäude aneinanderreihten, eigentlich müsste man sagen, Hütten, deren Fenster mit Holzplanken vernagelt waren. Bereiteten sich die Bewohner so auf einen Orkan vor? In den kleinen Gärtchen vor diesen Hütten war das Gras entweder verbrannt oder es stand zu hoch. Anstelle der Brunnen mit Stuckaturen, der Nachahmung eines Traums von italienischer Architektur, sah man hier verrostete Feuerschalen, Beinchen nach oben wie Wildschweine, die in vollem Lauf niedergestreckt worden waren, kaputte Plastikeimer, Stücke von Metallrohren in allen Größen, vom Zufall hingestellte Orgelpfeifen, die aussahen, als hätte eine Explosion sie auseinandergerissen.

Sylvie, so überrascht, als wäre sie aus heiterem Himmel in einem Albtraum gelandet, sah das tiefe Schlagloch nicht, das ihr Auto zum Schaukeln brachte. Das Lenkrad entglitt ihr, die allzu selbstständige Servolenkung des Wagens, den sie noch nicht ausreichend kannte, ließ sie gegen einen Bürgersteig fahren. Sie hielt an. Stellte den Motor ab. Lehnte sich mit der Stirn gegen das Lenkrad und drückte dabei unabsichtlich auf die Hupe, die ihren Klageton zu einem frei schwingenden Ladenschild hinaufschallen ließ, auf dem «Mr Black – Landscaping» zu lesen war. Monsieur Schwarz – Landschaftsgestaltung. Hinter einem zur Hälfte herausgerissenen Gitter lag wie ein trostloser, ausgerollter Teppich ein Rasen, der kahler war als die Nachbarrasen, den aber frisch gepflanzte, herausgeputzte Azaleen zierten.

«Haben Sie zu tief ins Glas geschaut, Madam?», fragte ein Mann, der sich auf der Beifahrerseite zum offenen Fenster hinunterbeugte.

Das zumindest meinte Sylvie zu verstehen. Die Situation war ihr dabei behilflich.

«Sind Sie Mister Black?», fragte sie und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, denn der fragliche Mann war schwarz, und es war wirklich idiotisch, wenn man sich vorstellte … aber es kam von dem Schock … und überhaupt, was war denn Schlimmes daran, wenn man bedachte, dass sie keinerlei böse Absicht gehabt hatte?

«Aber sicher», gab er stolz zur Antwort. «Das bin ich. Mister Black, Landschaftsgärtner. Mögen Sie Blumen? Azaleen? Azaleen sind meine Lieblingsblumen. Sie sind robust und treu.»

«Lieber Mister Black. Ich habe mich verfahren. Ich habe meinen Sohn zur Schule gebracht, und jetzt weiß ich nicht mehr, wo ich bin.»

Sie drückte sich so miserabel aus in ihrem Mittelschulenglisch. Ihre Sätze erschienen ihr zu einfach, hohl. Sie hoffte, Mister Black werde daran keinen Anstoß nehmen.

«Wo wollen Sie denn hin, Madam?»

«Bitch Drive», antwortete sie, zu schnell, und verpatzte die Aussprache. Das «i» war zu kurz gewesen. Sie hatte ihn nach der Schlampenallee gefragt.

Er kratzte sich am Kinn, die Augen zum Himmel gerichtet, als sei dort ein Stadtplan ausgebreitet.

«Beech Drive», wiederholte sie. «Das Viertel heißt Forest Hill.»

Mister Black kam von seiner Wolke herunter, beschrieb ihr mit vollendeter Freundlichkeit den Weg und reichte ihr dann noch seine Visitenkarte.

«Sie sind neu hier», meinte er. «Sie werden mich sicherlich brauchen. Ich werde Azaleen in Ihren Rasen pflanzen.»

War das eine Anspielung? Und wenn ja, worauf?

Sylvie nahm die Visitenkarte entgegen, dankte ihrem Retter und wendete, wie er es ihr nahegelegt hatte. Dann fuhr sie auf eine Ringstraße (eine gewisse geometrische Erleichterung stellte sich ein) und dankte Mister Black in Gedanken dafür, dass er ihr wertvolle Orientierungspunkte mitgegeben hatte, die sie einen nach dem anderen auf der Strecke entdecken sollte, wie die Spuren bei einer Schnitzeljagd. Das Schild «If you like blue grass», auf dem das «u» in blue und das letzte «s» von grass fehlten. Die Reihe von ganz genau dreiundvierzig Kiefern auf jeder Seite, so hatte sie von ihm erfahren, und am Stamm der vorletzten auf der rechten Seite ein gelbes Band mit einem Ballon mit der Aufschrift «Happy Birthday, Jody»; und schließlich die Albinoglyzinie inmitten ihrer malvenfarbenen Mitschwestern, die jene Kreuzung markierte, an der sie rechts abbiegen musste.

Sylvie hielt das Lenkrad umklammert und stellte fest, dass sie heftig schwitzte, was eigentlich gar nicht zu ihr passte. Sie bemerkte außerdem, dass das dankbare, wahrscheinlich etwas dümmliche Lächeln, mit dem sie sich an Mister Black gewendet hatte, immer noch auf ihrem Gesicht lag und jetzt, da unbegründet, auf ihren Lippen versauerte.

Oder doch. Es gab einen Grund zu lächeln. Und dieser Grund war der Duft, der feine Duft der invasiven, unersättlichen und allgegenwärtigen Glyzinien. Dünne Lianenschnüre, die aus biegsamen Stämmchen herauswuchsen, sich selbst einwickelten, sich verflochten, die nächstbesten Pfosten, Baumstämme oder Verkehrsschilder sofort würgten. Sylvie kam der Gedanke, dass jemand, der zu lange am Straßenrand stehen blieb, Gefahr liefe, auch zu verschwinden, weil diese enthusiastische Akrobatin ihn zu ihrer Kolonie erklären würde.

«Du bist da?», rutschte ihr erstaunt heraus, als sie ihn sah. Er stand vor ihr im Flur, kaum dass sie hereingekommen war.

Er fuhr zusammen, als hätte sie ihn auf frischer Tat ertappt, die Hand in der Tasche. Aber Sylvie hätte nicht sagen können, in welcher Tasche seine Hand steckte. Hector hatte ihr angekündigt, er werde das Haus direkt nach ihr verlassen, um zur Uni zu fahren, wo er mit Professor Asmanantou verabredet war. Und doch war er da. Er war da und hatte nichts zu tun. Aufrecht, groß, mit mageren Schultern, die leicht nach vorn fielen, seinem kleinen runden Bierbauch, der sich als befremdlicher Ballon oberhalb seines schmalen Beckens abzeichnete, seinen langen Oberschenkelknochen, die seine Beine wie die eines Reihers aussehen ließen, und seinem Kopf, diesem Kopf, den sie so gut kannte, den sie aber, so ihr seltsames Gefühl, immer wie zum ersten Mal sah und der oben auf seinem grazilen Nacken saß.

«Du hast ja eine komische Frisur», bemerkte sie beim Näherkommen, mit dem Gedanken, das zerwühlte Meer seiner schönen weißen, lockigen Haare mit ihrer flachen Hand zu besänftigen. Dafür war sie zu klein. Mit ihrer Stirn reichte sie ihrem Mann nur bis an die Brust.

«Wie ist es gelaufen?», fragte Hector und überprüfte mit den Fingerspitzen, ob das Dreieck seines Kragens, das rechte, auch hochstand, wie er es mochte.

Diese rebellische Stoffspitze war ein Charakteristikum der Kleidung ihres Mannes. Man hätte meinen können, er sei gerade aus seiner Siesta aufgewacht, ungeachtet der Uhrzeit. Sylvie wusste nicht, ob er sich dessen bewusst war, ob er sie, wenn er einen Blick in den Spiegel warf, selbst hochklappte. Manchmal überkam sie die Lust, sie herunterzuklappen, aber das wagte sie nicht, hier bewegte man sich doch auf zu persönlichem Terrain. Oft dachte sie an ihr Privatleben, das Leben, von dem jeder den anderen ausschloss. Worin bestand es? Sie machten alles zusammen. Wenn man alles zusammen macht, was blieb dann noch verborgen, was kam nicht in den Blick? Und dennoch hatte sie das anhaltende Gefühl, ihn nicht zu kennen. Sich selbst nicht zu kennen. Sie beneidete jene Menschen, die fertig wirkten, abgeschlossen und entschlossen. Sie wissen, was ihnen gefällt, was gut für sie ist. Ganz anders Sylvie. Sie war überzeugt, dass sie, solange sie etwas nicht ausprobiert hatte, unmöglich wissen konnte, ob die fragliche Sache ihr entsprach. Und es gab so vieles. Ein Leben reichte dafür nicht aus. Sie würde sterben, ohne sich selbst zu kennen. So what?

«Na ja, du weißt ja, wie er ist», antwortete sie.

«Wer denn?»

«Lester. Du hast mich doch gefragt, wie es gelaufen ist. Ich habe ihn vor der Highschool abgesetzt. Er ist in der Masse untergetaucht. Er wirkte absolut gelassen.»

«Er ist zweisprachig.»

«Er ist nicht zweisprachig.»

«Er ist zweisprachig. Und du», fügte Hector noch hinzu und legte dabei seine breite Hand auf den Scheitel seiner Frau, «du bist erschöpft, genervt und unruhig. Vergiss die Umzugskartons. Dreh eine Runde. Tu so, als wärst du auf Reisen, im Urlaub.»

«Aber ich bin doch gerade erst nach Hause gekommen. Ich habe mich verfahren, stell dir mal vor. Ich habe keine Lust, noch mal …»

Sie hatte fast einen Jammerton angeschlagen. Hector ließ seine Hand noch ein wenig schwerer auf dem Schädel seiner Frau ruhen. Warum heilt mich seine Hand?, dachte Sylvie. Er legt seine Hand auf, an welcher Stelle auch immer, und sofort bin ich geheilt. Er weiß immer genau, wo er mich berühren muss. Manchmal hält er mich am kleinen Finger und ich will genau da festgehalten werden. Ein anderes Mal legt er seine Hand flach auf meinen Rücken, knapp unterhalb der Taille, als wollten wir anfangen zu tanzen. Das ist ganz selten. Und sehr wirksam. Auch wenn wir zusammenleben, im selben Bett liegen, miteinander schlafen, immer habe ich das Gefühl, dass er seine Hände in den Hosentaschen hat oder hinter dem Kopf verschränkt hält, so als wollte er mit ihren Kräften haushalten.

«Du bist wieder zurückgekommen? Hast du was vergessen?», fragte Sylvie, leicht überwältigt von der Hand auf ihrem Kopf.

«Ich bin gar nicht gefahren.»

«Warum? Du wirst dich verspäten.»

«Farah hat angerufen. Sie hat unser Meeting verschoben …»

Sieh mal an, er nennt sie Farah, dachte Sylvie. Er sagte schon nicht mehr «Professor Asmanantou». Das beunruhigte sie so wenig wie die Anwesenheit einer Fliege auf der Fensterbank bei geöffnetem Fenster.

«Ich habe Kaffee gekocht», teilte Hector ihr mit und nahm seine Hand vom Schädel seiner Frau. «Komm mit, wir gehen in die Küche.»

Die Tassen waren riesig und schwer, zu schwer für Sylvies kleine Hände. Sie fühlte sich wie Goldlöckchen bei den drei Bären. Der Kaffee roch schal, nach Brachwasser oder Schlamm. Als sie ihn probierte, verbrannte sie sich die Zunge.

«Hier geht es uns gut», erklärte Hector. «Hier geht es uns besser.»

Als sie die Nachricht bekamen, die wunderbare Nachricht von seiner Berufung an die Earl University in North Carolina, hatten sie ein paar Tage der Glückseligkeit erlebt. Eine schuldhafte Glückseligkeit. Sie würden Frankreich verlassen, Paris, würden die unlösbaren Parkprobleme, die missmutigen Gesichter, das Gedrängel und Geschiebe in der Metro, die Schweigeminuten hinter sich lassen. Die Angst vor einem neuen islamistischen Attentat. Den beschämenden Übergang von der Ungläubigkeit zum Fatalismus. Sie würden die alte, erschöpfte und gespaltene Heimat aufgeben für ein neues, strahlendes und adrettes Land. Die in ihre antiquierte Würde, ihren verwahrlosten Glanz gehüllte Nation würde sie zu einem Abenteuer ohne Konsequenzen aufbrechen sehen. Ah, diese Leichtigkeit! «Die Natur ist dort unten wundervoll», hatte Hector gesagt. Noch am selben Abend hatte er auf dem Bildschirm seines Rechners Bilder von Riesenbäumen paradieren lassen, von grüner, wilder Felsküste, mit gelben Blüten bewachsenen sanften Klippen, die sich Dutzende von Kilometern hinzogen. Die Outer Banks wurden sichtbar, eine Flotte von Inseln, endlose Sandbänke, Landzungen, die sich im türkisfarbenen Wasser schlängelten, eine immense, unberührte Camargue. Ihre drei vom blauen Licht beschienenen Gesichter träumten von Unendlichkeiten. «Was das Geld angeht, wird es auch leichter», hatte Hector einfließen lassen, und Sylvie hatte unwillkürlich eine nur zu ahnende Grimasse geschnitten, wie jedes Mal, wenn er von Geld sprach und sich so ihrer beider unterschiedliche soziale Herkunft in Erinnerung brachte. «Das interessiert doch heutzutage niemand mehr», antwortete Hector, wenn sie ihre Mesalliance beschwor. Mir ist es nicht egal, dachte sie im Stillen, wenn sie sich an die Märchen und Romane erinnerte, in denen sich der Autor ausführlich mit den zahlreichen vorhersehbaren Katastrophen befasste, deren Ursache in Amouren mit ungleichen Liebenden zu suchen ist.

Einen Monat vor ihrer Abreise hatte Sylvie Lester befragt:

«Bist du auch nicht zu traurig?»

«Traurig?»

«Weil du von der Schule abgehst, deine Freunde nicht mehr siehst.»

«Ich habe nicht viele Freunde.»

«Und was ist zum Beispiel mit Jules und Lucas. Wirst du die nicht vermissen?»

«Nein.»

«Bist du sicher?»

«Ja.»

In der Stimme des Jungen lag eine Ungeduld, die Sylvie erstaunt hatte. Sie war beharrlich geblieben, hatte nachgebohrt:

«Es sieht so aus, als würde es einen ziemlich mitnehmen, umzuziehen und sein Umfeld zu verlassen.»

«Hast du das in einer Zeitschrift gelesen?»

«Nein, das sagt man so. Hast du keine Angst?»

«Und du?», hatte Lester erwidert, diesmal war er es, der die Frage stellte.

«Ich?»

«Werden dir deine Freunde nicht fehlen?»

Sylvie hatte einen Augenblick nachgedacht. Obwohl es ihr so schien, als könne sie ebenso grundsätzlich antworten wie ihr Sohn, wurde ihr plötzlich flau. Da war jemand, der ihr fehlen würde, ja, das spürte sie. Eine Gegenwart, eine Obhut, das ahnte sie an dem klitzekleinen Schmerz in der Magengrube, würde ihr fehlen.

«Nein. Solange ich mit euch zusammen bin, mit deinem Vater und dir, geht es mir überall gut. Mir wird es da drüben gefallen.»

Lester hatte sie wortlos angesehen, mit zärtlichem und skeptischem Ausdruck. Schützt meine Eltern, hatte er im Geiste rezitiert, und darauf geachtet, dass sich sein Blick bei diesem geheimen Mantra nicht veränderte.