Die DNA erfolgreicher Marken - Werner Weißmann - E-Book

Die DNA erfolgreicher Marken E-Book

Werner Weißmann

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Beschreibung

Was macht Marken heute wirklich erfolgreich? Warum schaffen es manche Marken, nachhaltig zu wachsen und langfristig starke Bindungen zu ihren Kund*innen aufzubauen, während andere schnell verblassen? Juniper & Werner entschlüsseln in diesem inspirierenden und tiefgründigen Werk die Erfolgs-DNA starker Marken. Sie verbinden fundierte Erkenntnisse aus Psychologie, Wirtschaft, Systemtheorie und Soziologie mit ihrer einzigartigen Synthese aus menschlicher Intuition und künstlicher Intelligenz. Das Ergebnis: Game-changing Insights, die Ihre Markenführung nachhaltig verändern werden. Lernen Sie anhand konkreter Fallbeispiele und praxisnaher Methoden, wie Sie qualitative Consumer Insights gewinnen, strategisch umsetzen und Ihre Marke klar differenzieren. Dabei zeigen die Autor*innen, wie sich spannungsvolle Gegensätze - Tradition und Innovation, Struktur und Freiraum, Nähe und Distanz - in erfolgreiche Markenführung integrieren lassen. Ein unverzichtbares Buch für Markenverantwortliche, Führungskräfte und alle, die ihre Marke nicht nur führen, sondern mit tiefer Erkenntnis, echter Resonanz und emotionaler Klarheit nachhaltig prägen möchten.

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Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2025

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort – Die DNA erfolgreicher Marken

Kapitel 1 – Einleitung: Warum Marken heute wichtiger sind als je zuvor

Kapitel 2 – Was macht eine Marke wirklich stark?

Kapitel 3 – Marken verstehen durch Consumer Insights

Kapitel 4 – Spannungsfelder als Schlüssel zu Marken-Insights

Kapitel 5 – Praxisleitfaden: Consumer Insights gewinnen & umsetzen

Kapitel 6 – Zukunftsausblick: Marke und KI

Kapitel 7 – Fazit: Die Essenz erfolgreicher Marken-DNA

Meta-Reflexion über die Genese unseres Buches

Danksagung – An Denker*innen und Leser*innen

Interdisziplinäre Methodik: Die DNA erfolgreicher Marken entschlüsseln

VORWORT – DIE DNA ERFOLGREICHER MARKEN

Stellen Sie sich vor, Sie navigieren Ihr Unternehmen durch stürmische Gewässer in einer Zeit, in der sich Märkte schneller verändern als je zuvor. Die Wellen der Digitalisierung schlagen hoch, Trends ändern abrupt ihre Richtung, und überall lauert neue Konkurrenz. Inmitten dieses tosenden Meeres gibt es einen entscheidenden Fixpunkt, der Ihrem Kurs Stabilität und Ihren Kund*innen Orientierung bietet: die Kraft Ihrer Marke. Eine starke Marke wirkt wie ein Leuchtturm im Nebel – sie strahlt Vertrauen aus und zeigt den Weg, selbst wenn die Sicht vor lauter Informationen und Angeboten verschwimmt.

Marken sind heute relevanter denn je. In einer Welt, in der Produkte und Dienstleistungen austauschbar geworden sind und Informationen im Überfluss fließen, entscheiden oft emotionale Werte über Erfolg oder Misserfolg. Kund*innen von heute suchen nach Bedeutung, nach einem Wertekompass in der Unbeständigkeit des Alltags. Hier entfaltet eine Marke ihre Macht: Sie stiftet Identität, vermittelt Vertrauen und schafft Bindung. Sie gibt einem Unternehmen ein Gesicht und eine Stimme in der Menge – und genau deshalb ist Markenführung im 21. Jahrhundert kein Luxus, sondern pure Notwendigkeit.

Doch was macht eine Marke wirklich erfolgreich? Welche unsichtbaren Ingredienzien verleihen ihr diese Anziehungskraft und Beständigkeit? Was ist die DNA erfolgreicher Marken?

Diese Fragen haben uns, Juniper und Werner, angetrieben und schließlich dazu inspiriert, gemeinsam dieses Buch zu schreiben. Mit diesem Werk wollen wir Antworten finden und das Geheimnis starker Marken lüften. Dabei vereinen wir unsere jahrzehntelangen Erfahrungen aus Markenstrategie und Unternehmenspraxis. Unser Ziel war es, ein Buch zu schaffen, das Vision und Handwerk verbindet – fundierte Theorie und gelebte Praxis, Inspiration und Anleitung zugleich.

In den Kapiteln dieses Buches entschlüsseln wir die genetischen Bausteine starker Marken. Wir zeigen, wie Authentizität zur Glaubwürdigkeit beiträgt und warum sie die Basis jeder erfolgreichen Markenpersönlichkeit ist. Wir ergründen, wie konsequente Differenzierung eine Marke im Meer der Ähnlichkeiten unverwechselbar macht. Wir tauchen ein in die emotionale Welt der Marken und beleuchten die Resonanz, die sie im Herzen ihrer Zielgruppe erzeugen – jene unsichtbare Bindung, die Loyalität schafft. Und wir diskutieren, wie eine kluge Markenführung die Balance hält zwischen Tradition und Innovation: Wie bleibt eine Marke ihrem Kern treu und erfindet sich dennoch immer wieder neu, um relevant zu bleiben?

Dieses Buch entstand aus der Überzeugung, dass Marken viel mehr sind als Management-Konzepte – sie sind lebendige Organismen. Eine Marke wird geboren, wächst und entwickelt sich weiter. Sie lernt aus Erfahrungen, passt sich an Veränderungen an und kann sich – wenn es sein muss – häuten und neu erblühen. Die DNA erfolgreicher Marken ist unser Versuch, dieses Lebewesen namens Marke verständlich zu machen. Wir möchten Sie dazu inspirieren, Ihre Marke als etwas Lebendiges zu begreifen, das Pflege und Leidenschaft braucht, um zu gedeihen.

Liebe Markenverantwortliche, dieses Vorwort ist eine Einladung. Kommen Sie mit uns auf eine Reise ins Innere großer Marken, zu ihren Prinzipien und Geheimnissen. Lassen Sie sich beim Lesen von unserer Begeisterung anstecken und nutzen Sie die Erkenntnisse, um Ihre eigene Marke mit sicherer Hand in die Zukunft zu führen. Ganz gleich, ob Sie als CMO, Brand Manager*in, Strateg*in oder Unternehmer*in Verantwortung tragen – wir möchten, dass Sie dieses Buch mit neuen Ideen, frischer Motivation und dem Mut schließen, Ihre Marke aktiv zu gestalten und ihre einzigartige DNA zum Leuchten zu bringen.

Machen wir uns gemeinsam auf den Weg, die faszinierende Welt der Marken zu erkunden. Die Reise beginnt jetzt.

KAPITEL 1 – EINLEITUNG: WARUM MARKEN HEUTE WICHTI-GER SIND ALS JE ZUVOR

Wir leben in einer Welt, in der Marken allgegenwärtig sind und unseren Alltag prägen. Ob beim morgendlichen Griff zur Lieblingstasse mit dem bekannten Logo oder beim globalen Austausch über die neuesten Trends in sozialen Netzwerken – Marken beeinflussen unser Verhalten, unsere Entscheidungen und sogar unser Selbstbild. Diese Bedeutung von Marken ist kein neues Phänomen, hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten tiefgreifend gewandelt und verstärkt. Gesellschaftlicher Wandel, technologische Digitalisierung und veränderte Werte in der Konsumkultur haben dazu geführt, dass Marken heute eine größere Rolle einnehmen als jemals zuvor – wirtschaftlich, sozial und psychologisch. In dieser Einleitung werfen wir einen interdisziplinären Blick darauf, warum Marken so wichtig geworden sind, welche Funktionen sie erfüllen und welche Theorien uns helfen können, dieses Markenphänomen zu verstehen.

Marken im Wandel der Zeit

Ursprünglich bezeichnete der Begriff Marke lediglich ein physisches Kennzeichen – etwa einen Brandstempel zur Eigentumsmarkierung. Im Mittelalter war das „Branding“ wörtlich zu nehmen (das Einbrennen eines Zeichens), und noch im 17. Jahrhundert verstand man darunter vor allem eine Kennzeichnung des Besitzers (Ries & Ries, 2005). Erst Ende des 19. und im 20. Jahrhundert erlangten Marken größere Relevanz, als sie zur Unterscheidung von Waren und Dienstleistungen dienten und begannen, immaterielle Bedeutungen zu tragen. Während eine Marke früher primär für die Herkunft oder Qualität eines Produkts stand, repräsentiert sie heute ein ganzes Bündel an Assoziationen, Geschichten und Werten. Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts erkannten Marktforscher, dass eine Marke mehr ist als ein Name: „The overall character and personality of the brand may be more important to consumers than the mere technical facts of the product“ – dt.: „Der Gesamteindruck und die Persönlichkeit einer Marke können für Konsument*innen wichtiger sein als die rein technischen Fakten des Produkts“ (Gardner & Levy, 1955). Mit anderen Worten: Verbraucher*innen achten nicht nur auf funktionale Eigenschaften, sondern auf das Image und die Persönlichkeit einer Marke.

Seit den 1980er und 1990er Jahren hat sich das Markenverständnis weiterentwickelt. In den 1980ern rückte das Konsument*innenverhalten in den Fokus – Forscher*innen untersuchten, wie Markenpräferenzen entstehen und wie man Märkte segmentiert, um unterschiedlichen Verbraucher*innenbedürfnissen gerecht zu werden (Pitts & Woodside, 1983; Dibb, 1992). In den 1990ern erkannten Unternehmen, dass langfristige Kund*innenbeziehungen der Schlüssel zum Markenerfolg sind. Es entstand das Konzept des Relationship Marketing, also der Aufbau von Beziehungen zwischen Marken und Kund*innen (Morgan & Hunt, 1994), was das Verständnis einer Marke als Beziehungsobjekt stärkte. Zum Ende des 20. Jahrhunderts und mit Eintritt ins 21. Jahrhundert verlagerte sich der Fokus dann immer stärker auf die Wahrnehmung im Gedächtnis der Konsument*innen: Ein Meilenstein war Kevin Kellers Modell des Customer-Based Brand Equity (Markenwert aus Kund*innensicht), das aufzeigte, dass die Stärke einer Marke davon abhängt, wie sie im Kopf der Verbraucher*innen verankert ist (Keller, 2003). Marken wurden nun als Netzwerke von Assoziationen im Konsument*innenhirn verstanden – Markenwissen, das durch konsequente Kommunikation und Erfahrung aufgebaut wird.

Im 21. Jahrhundert erleben wir eine erneute Intensivierung der Markenbedeutung. Forscher widmen sich vermehrt den emotionalen Bindungen zwischen Mensch und Marke. Begriffe wie Markenpersönlichkeit und Markenliebe haben an Bedeutung gewonnen. Jennifer Aaker (1997) entwickelte z.B. das Konzept der Markenpersönlichkeit, definiert als „die Menge menschlicher Charakteristika, die mit einer Marke verbunden sind“. Damit wird deutlich: Marken treten heute quasi mit menschlichen Zügen auf – sie können sympathisch, aufregend oder verlässlich wirken, ähnlich wie Menschen. Die Folge dieser Personifizierung ist, dass Konsument*innen Beziehungen zu Marken aufbauen, die denen zu Freunden erstaunlich ähneln (Fournier, 1998). So sprechen wir inzwischen von Markenloyalität wie von Treue in einer Freundschaft oder sogar von Markenliebe, wenn Kund*innen leidenschaftliche Zuneigung zu „ihrer“ Marke entwickeln (Carroll & Ahuvia, 2006). Gleichzeitig hat die Vernetzung durch das Internet dazu geführt, dass Brand Communities entstehen – Gemeinschaften von Fans, die sich rund um eine Marke organisieren. Muniz und O’Guinn (2001) prägten den Begriff der Marken-Community als „eine spezialisierte, nicht-geografisch gebundene Gemeinschaft, die auf einem strukturierten Satz sozialer Beziehungen unter Bewunderern einer Marke basiert“. Solche Gemeinschaften – ob in Foren, auf Social-Media-Plattformen oder im realen Leben – verdeutlichen, dass Marken heute soziale Identität stiften: Anhänger fühlen sich miteinander verbunden, weil sie die gleiche Marke schätzen.

Kurzum, die Reise der Marke vom simplen Erkennungszeichen hin zum komplexen sozialen und psychologischen Konstrukt ist beeindruckend. Marken sind heute Erlebniswelten und Beziehungspartner. Sie sind nicht länger nur Anhängsel eines Produkts, sondern werden von Unternehmen strategisch als eine ihrer wertvollsten Ressourcen gemanagt. Tatsächlich ist Branding „zu einer Top-Priorität des Managements“ geworden, seit man erkannt hat, dass Marken einen der wichtigsten immateriellen Vermögenswerte von Firmen darstellen (Keller & Lehmann, 2006). Diese historische Entwicklung bildet den Hintergrund für die wachsende Bedeutung, die Marken in unserem modernen Leben einnehmen.

Psychologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Funktionen von Marken

Warum aber sind Marken so bedeutsam? Ein Grund liegt in den vielfältigen Funktionen, die sie heute erfüllen – in unseren Köpfen, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft. Aus psychologischer Sicht dienen Marken den Menschen als Orientierung und Ausdrucksmittel. Sie bieten ein Stück Identität. Konsument*innen nutzen Marken, um zu zeigen, wer sie sind oder sein möchten. In der Konsumpsychologie gilt: “We buy what we wanna be” – wir kaufen, was wir sein wollen. Über Marken können Individuen bestimmte Werte und Lebensstile ausdrücken (Elliott & Wattanasuwan, 1998). So erhöhen starke Markenprodukte oft das Selbstwertgefühl ihrer Nutzer*innen oder geben ein Gefühl von Zugehörigkeit. Untersuchungen zu Luxusmarken zeigen beispielsweise, dass Verbraucher*innen teure Marken nicht allein wegen funktionaler Qualität kaufen, sondern weil der symbolische Wert dieser Marken ihr Selbstwertgefühl steigert und ihnen Anerkennung durch andere verschafft (Smith Maguire & Hu, 2013). In einer Welt, in der traditionelle soziale Strukturen im Wandel sind, füllen Marken psychologische Bedürfnisse: Sie vermitteln Sicherheit, Stolz und Zugehörigkeit. Wenn jemand etwa bewusst zu Fair-Trade-Kaffee einer bestimmten Marke greift, drückt er damit auch seine Werte aus und fühlt sich als Teil einer Gemeinschaft Gleichgesinnter – ein Prozess, den die Theorie der sozialen Identität (Tajfel & Turner, 1979) erklären kann. Diese Theorie besagt, dass Menschen einen Teil ihres Selbstkonzepts aus den Gruppen ziehen, denen sie sich zugehörig fühlen – und Marken fungieren heute oft als solche Gruppensymbole, seien es die Fans einer Fußballmannschaft (als Marke) oder die Anhänger*innen einer Lifestyle-Marke, die bestimmte Musik und Mode teilen.

Aus ökonomischer Sicht erfüllen Marken ebenso wichtige Rollen. Für Verbraucher*innen vereinfachen sie Kaufentscheidungen in einer unüberschaubaren Angebotswelt. Eine etablierte Marke steht als Garant für eine bestimmte Qualität und einen Nutzen – man weiß, was man bekommt. Damit reduzieren Marken das wahrgenommene Risiko beim Kauf und spenden Vertrauen. Wie Keller und Lehmann (2006) festhalten, helfen Marken Kund*innen dabei, aus der Fülle an Angeboten einfacher zu wählen, da sie eine bestimmte Qualität versprechen, Risiken verringern und Vertrauen schaffen. Dieses Vertrauen wirkt wie ein Anker inmitten der Informationsflut des Marktes. Der Soziologe Niklas Luhmann (1979) argumentierte, dass Vertrauen ein Mechanismus zur Reduktion von Komplexität ist – übertragen auf den Konsum bedeutet das: Eine vertraute Marke macht die komplexe Welt einfacher und berechenbarer. Darüber hinaus ermöglichen Marken den Unternehmen, Preispremium zu erzielen und langfristige Kund*innenbindung aufzubauen – ökonomische Vorteile, die im Konzept des Markenkapitals (Brand Equity) greifbar werden (Aaker, 1991). Starke Marken zeichnen sich durch treue Kund*innen aus, die auch bereit sind, mehr zu bezahlen, weil sie der Marke einen Mehrwert beimessen.

Nicht umsonst gelten Marken als finanzielle Vermögenswerte: Sie steigern den Firmenwert – man denke an globale Marken wie Apple oder Coca-Cola, deren Markenwert in den Bilanzen viele Milliarden ausmacht. Marken schaffen also Werte – sowohl im Kopf der Verbraucher*innen als auch in der Bilanz der Unternehmen.

Neben der individuellen Psychologie und der Ökonomie haben Marken aber auch gesellschaftliche Funktionen. In modernen Gesellschaften, in denen traditionelle Gemeinschaften (Familie, Kirche, Dorf) an Bindungskraft verloren haben, treten Marken als kulturelle Bezugsgrößen auf. Sie stiften eine gemeinsame Sprache und Symbolik, über die Menschen sich austauschen. Marken sind Teil unserer Kultur geworden. So sprechen wir vom „Coca-Cola-Weihnachtsmann“ oder vom „Nike-Spirit“, und jeder versteht die Anspielungen. Marken formen Lebensstile und prägen Zeitgeist: Die Sneaker-Kultur beispielsweise wurde maßgeblich durch Marken wie Nike, Adidas oder Converse geschaffen, die bestimmten Generationen ein Gemeinschaftsgefühl geben. In sozialen Medien verbinden Hashtags und Fandoms die Anhänger bestimmter Marken zu virtuellen Communities. Ein anschauliches Beispiel sind die Apple-Fans, die jedes neue iPhone-Release beinahe wie einen Feiertag zelebrieren und sich selbstironisch als „Apple-Jünger*innen“ bezeichnen – hier wird deutlich, dass eine Marke ähnliche Funktionen übernimmt wie einst eine soziale Bewegung oder sogar Religion, indem sie Sinn stiftet und Menschen vereint.

Marken vermitteln auch Werte und Normen. Einige Marken haben klar definierte Werte, die über das Produkt hinausgehen, und beeinflussen damit gesellschaftliche Diskurse. Ein frühes Beispiel ist The Body Shop: Die Gründerin Anita Roddick verschrieb ihre Kosmetikmarke schon in den 1980ern ethischen Prinzipien wie Tierschutz, Menschenrechte und Umweltschutz. Kund*innen kauften nicht nur Lotionen, sondern unterstützten Überzeugungen – viele Body-Shop-Kund*innen beteiligten sich an Protestaktionen für diese Anliegen (zit. in Kotler & Sarkar, 2017). Dieses Beispiel zeigt, dass Marken auch als soziale Akteure wahrgenommen werden können, die Haltung zeigen. In ähnlicher Weise positionieren sich heute zahlreiche Marken zu sozialen oder ökologischen Fragen – sei es eine Sportartikelmarke, die im Marketing gegen Rassismus Stellung bezieht, oder eine Outdoor-Marke, die offen für den Klimaschutz kämpft. Solche Marken fungieren als Werterahmen für Konsument*innen: Wer sich mit der Marke identifiziert, teilt oft auch deren Werte und trägt diese in die Gesellschaft. Damit erfüllen Marken eine soziokulturelle Funktion, indem sie als Zeichen in sozialen Interaktionen dienen. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu (1984) zeigte, dass Konsum auch der sozialen Distinktion dient – über bestimmte (Marken-)Produkte signalisieren Menschen ihren Status und ihre Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht. Luxusmarken etwa fungieren als Statussymbole, die gesellschaftliche Position ausdrücken. So gesehen ermöglichen Marken, dass Individuen sich innerhalb sozialer Gruppen verorten: Ein bestimmtes Auto, eine bestimmte Modemarke kann Prestige ausstrahlen und Anerkennung innerhalb der Peergroup bringen. Aber nicht nur Prestige steht im Vordergrund – auch Gemeinschaftserlebnisse: Sportvereine, Musiker*innen, Influencer*innen – all das sind im weiteren Sinne Marken, die Gemeinschaften formen, in denen Menschen Sinn und Anschluss finden.

Zusammengefasst: Marken erfüllen psychologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufgaben zugleich. Sie helfen uns als Konsument*innen dabei, Produkte zu verstehen und auszuwählen, sie geben uns als Individuen Identität und Halt, und sie verbinden uns als Mitglieder der Gesellschaft durch gemeinsame Zeichen und Geschichten. Diese Multifunktionalität macht sie zu einem zentralen Element der modernen Welt.

Markenführung im Zeitalter von Digitalisierung, KI und Wertewandel

Angesichts dieser wichtigen Rollen verwundert es nicht, dass die Markenführung – also das strategische Management von Marken – in der Gegenwart besonders gefordert ist. Wir leben in einer Zeit rapider Veränderungen: Die fortschreitende Digitalisierung hat die Spielregeln für Marken drastisch verändert. Konsument*innen sind heute über Social Media direkt mit Marken in Kontakt, Informationen verbreiten sich in Sekundenschnelle global, und ein einziger Fehltritt einer Marke kann als „Shitstorm“ viral gehen. Umgekehrt haben zufriedene Kund*innen mehr Möglichkeiten denn je, ihre Begeisterung zu teilen und Marken aktiv mitzugestalten – durch Rezensionen, Fan-Art, eigene Beiträge. Die Kontrolle über Markenimages liegt nicht mehr allein bei den Unternehmen, sondern wird mit den Konsument*innen geteilt. Markenführung bedeutet heute, in einen Dialog mit den vernetzten Konsument*innen zu treten und konsistente Erfahrungen über unzählige Touchpoints hinweg zu schaffen: vom Laden über die Website bis zum Instagram-Auftritt oder dem Sprachassistenten, der im Namen der Marke spricht. Dabei sind Authentizität und Vertrauenswürdigkeit zu kritischen Erfolgsfaktoren geworden. Verbraucher*innen von heute sind aufgeklärt und skeptisch – sie durchschauen leere Werbeversprechen schnell. Echtheit in der Markenkommunikation wird daher hochgeschätzt (Grayson & Martinec, 2004). Studien zeigen, dass glaubwürdige, authentische Marken stärkeres Vertrauen genießen (Beverland & Farrelly, 2010) und langfristig loyalere Kund*innen binden.

Zugleich hat die Digitalisierung einen Informationsüberfluss erzeugt, der paradoxerweise Marken noch wichtiger macht: In einer Welt, in der wir täglich mit Tausenden Werbebotschaften und Produktinformationen konfrontiert sind, bieten bekannte Marken einen Kompass. Sie ragen als vertraute Fixpunkte in der Flut an Neuem heraus. Viele Konsument*innen brauchen dieses Vertrauen: Laut einer globalen Umfrage geben 70 % der Befragten an, dass Vertrauen in eine Marke heute wichtiger ist als in der Vergangenheit. Besonders in unsicheren Zeiten – etwa während globaler Krisen – suchen Menschen nach Marken, auf die sie sich verlassen können. So zeigte der Edelman Trust Barometer 2020, dass eine überwältigende Mehrheit der Verbraucher*innen erwartet, dass Marken Verantwortung übernehmen und aktiv Probleme lösen helfen. 80 % der Konsument*innen meinten, Marken sollten gesellschaftliche Probleme mit anpacken, nicht nur Produkte verkaufen (Edelman, 2020). Diese Erwartungshaltung hat mit einem breiteren Wertewandel zu tun: Insbesondere jüngere Generationen (Millennials und Gen Z) achten beim Konsum darauf, ob eine Marke zu ihren ethischen Vorstellungen passt – sei es in Hinblick auf Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit oder Diversität. Markenführung ist daher komplexer geworden: Sie umfasst heute auch Werte-Management und gesellschaftliche Positionierung. Unternehmen, die das ignorieren, riskieren Glaubwürdigkeitsverlust. Wer hingegen seine Marke mit einem echten Purpose (einer sinnstiftenden Mission) auflädt, kann emotional punkten. So sind Marken, die als authentisch werteorientiert wahrgenommen werden, oft erfolgreicher in der Bindung ihrer Kund*innen (Kotler & Sarkar, 2018).

Ein weiterer Treiber, der Markenführung heute so wichtig macht, ist die aufkommende künstliche Intelligenz (KI). KI verändert die Interaktion zwischen Marke und Kund*in grundlegend – von personalisierten Produktempfehlungen über Chatbots bis zu Sprachassistenten, die Markenstimmen repräsentieren. Marken müssen sicherstellen, dass auch diese neuen Technologien konsistent im Sinne der Markenidentität eingesetzt werden. Gleichzeitig bietet KI der Markenführung mächtige Werkzeuge: Aus großen Datenmengen lassen sich Kund*innenbedürfnisse präziser denn je herausfiltern, um maßgeschneiderte Angebote und Kommunikation zu entwickeln. Doch trotz aller Automatisierung gilt: Die Kernidee und Werte einer Marke müssen klar definiert sein, damit KI-Anwendungen im Kund*innendialog nicht beliebig, sondern markenkonform agieren. Marken sind Orientierungsgrößen – in einer Zukunft mit noch mehr digitalen Einflüssen werden sie weiter an Bedeutung gewinnen, weil sie den Menschen ein Stück Verlässlichkeit und menschliche Verbindung bieten. So betonen Expert*innen, dass gerade im Zeitalter der KI die menschliche Dimension der Marke – die „Markenseele“ – der entscheidende Unterschied bleibt (HBR, 2024). Kreativität, Empathie und Werte können durch Technologie unterstützt, aber nicht vollständig ersetzt werden. Insofern ist Markenführung wichtiger denn je, um im digitalen Wandel die Verbindung zwischen Unternehmen und Kund*innen aufrechtzuerhalten und mit Sinn zu füllen.

Theorien zum Verständnis von Marken heute

Um die wachsende Bedeutung von Marken interdisziplinär zu verstehen, lohnt ein Blick auf verschiedene wissenschaftliche Theorien aus Psychologie, Wirtschaft, Systemtheorie und Soziologie, die als Erklärungsmodell dienen. Jede Disziplin beleuchtet die „DNA“ erfolgreicher Marken aus einem anderen Blickwinkel:

Psychologische Theorien:

Aus der Psychologie hilft insbesondere die Theorie der sozialen Identität (Tajfel & Turner, 1979) zu erklären, warum Konsument*innen sich mit Marken identifizieren. Menschen definieren sich demnach über Zugehörigkeiten zu Gruppen – eine starke Marke kann zu einer solchen Bezugsgruppe werden, die Stolz und Selbstwert vermittelt. Eng verknüpft ist die Idee der Selbstkongruenz (Sirgy, 1982), wonach wir Marken bevorzugen, die zu unserem Selbstbild passen. Darüber hinaus hat die Persönlichkeitspsychologie Eingang in die Markenforschung gefunden: Aaker’s Markenpersönlichkeits-Modell (1997) beschreibt, wie Verbraucher*innen Marken Eigenschaften wie Aufrichtigkeit oder Abenteuerlust zuschreiben. Solche anthropomorphen Markenbilder erklären, warum wir zu manchen Marken eine emotionale Bindung aufbauen – wir behandeln sie beinahe wie zwischenmenschliche Partner (Fournier, 1998). Ein weiterer psychologischer Ansatz ist das Konzept des Brand Attachment (Markenbindung), das an Bindungstheorien aus der Entwicklungspsychologie anknüpft: Es beschreibt die

emotionale Verbundenheit

, die von Vertrauen und Leidenschaft geprägt ist (Park et al., 2010). Diese Theorien verdeutlichen, wie Marken tief in die

Gefühlswelt

und Identitätsbildung der Menschen hineinwirken.

Wirtschaftswissenschaftliche Theorien:

In der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre dominieren Modelle, die den

Wert von Marken

und ihr strategisches Management betonen. Ein zentrales Konzept ist das der Markenidentität und -positionierung (Kapferer, 1992; Aaker, 1996), das vorgibt, wie eine Marke konsistent nach außen auftritt. Vor allem aber das bereits erwähnte Konstrukt des Brand Equity (Aaker, 1991; Keller, 1993) ist fundamental: Es fasst den Mehrwert zusammen, den eine Marke zu einem Produkt beiträgt – etwa in Form höherer Zahlungsbereitschaft oder loyaler Kundschaft. Markenwert-Modelle basieren auf Erkenntnissen der

Informationsökonomie

: Weil Verbraucher*innen nie alle Informationen über alle Produkte haben können, dienen Marken als Signal für Qualität (Erdem & Swait, 1998) und lösen das Problem der Informationsasymmetrie zwischen Anbieter*in und Kund*in (Spence, 1973). Aus Management-Sicht wird eine Marke so zu einem

strategischen Asset

, das langfristig gepflegt und ausgebaut werden muss. Der Ressourcenbasierte Ansatz in der Strategie (Barney, 1991) betrachtet starke Marken als schwer imitierbare, einzigartige Ressourcen eines Unternehmens, die nachhaltige Wettbewerbsvorteile bringen. Diese wirtschaftlichen Perspektiven helfen zu verstehen, warum Unternehmen immense Summen in Markenaufbau und -pflege investieren: Eine starke Marke amortisiert sich durch Kund*innenvertrauen, Marktanteile und Profitabilität.

Systemtheoretische Perspektive:

Die Systemtheorie, insbesondere nach Niklas Luhmann, liefert einen abstrakteren, aber aufschlussreichen Rahmen: Organisationen und Märkte können als komplexe

Systeme

betrachtet werden, in denen Kommunikation der entscheidende Vernetzungsmechanismus ist. Marken lassen sich in diesem Sinne als

Kommunikationsmedien

verstehen, die innerhalb des Wirtschaftssystems Sinn vermitteln. Luhmann (1979) betont, dass Vertrauen zentral ist, um komplexe Systeme handhabbar zu machen – es reduziert die unendliche Komplexität möglicher Erwartungen. Eine Marke schafft genau dies: Sie stabilisiert Erwartungen bei den Kund*innen (z.B. erwartet man von der Marke BMW eine bestimmte Qualität und Fahrerlebnis) und reduziert so die Komplexität der Kaufentscheidung. In systemtheoretischer Lesart erfüllt eine Marke also die Funktion eines Codes, der die Kommunikation zwischen Anbieter*in und Nachfrager*in vereinfacht: Alle wissen, was gemeint ist, wenn von “Coca-Cola” die Rede ist – gewisse Werte und Qualitäten schwingen automatisch mit. Außerdem kann man Marken als

selbstreferentielle Systeme

betrachten, die sich im Laufe der Zeit durch Feedback (z.B. Kund*innenreaktionen, Medienberichte) an veränderte Umwelten anpassen. Ein modernes Beispiel ist die agile Markenführung, die Parallelen zur Systemtheorie aufweist: Marken werden flexibel geführt, indem Unternehmen in Echtzeit auf Umweltfeedback reagieren (etwa Shitstorms oder Trends aufgreifen) und so das System „Marke“ ständig rekonfigurieren, um relevant zu bleiben. Zwar ist die Systemtheorie komplex, doch ihr Kernbegriff der Komplexitätsreduktion macht verständlich, warum Marken in unserer hochdifferenzierten Gesellschaft so notwendig sind.

Soziologische Theorien:

Aus soziologischer Sicht werden Marken vor allem als

soziokulturelle Phänomene

interpretiert. Eine einflussreiche Theorie stammt von Pierre Bourdieu (1984), der darlegte, wie Konsum und Geschmack zur

sozialen Abgrenzung

beitragen. In seinem Werk „Die feinen Unterschiede“ beschreibt Bourdieu, dass die Wahl bestimmter Marken (etwa im Mode- oder Automobilbereich) als Ausdruck von kulturellem Kapital dient – ein Mittel, um den eigenen Status und Lebensstil in sozialen Räumen zu kommunizieren. Demnach spiegelt eine Luxusmarke nicht bloß persönlichen Geschmack wider, sondern fungiert als Marker sozialer Position. Eine andere Perspektive bietet der

symbolische Interaktionismus