Die Dunkelelfen - R.A. Salvatore - E-Book

Die Dunkelelfen E-Book

R.A. Salvatore

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Beschreibung

Die wahren Herren der Unterwelt

Tief unter der Erde befindet sich Menzoberranzan, die Stadt der Dunkelelfen. Hier regiert die grausame Spinnengöttin und verbreitet durch ihre Priesterinnen Finsternis und Angst. Die Dunkelelfen selbst sind der Schrecken der Unterwelt und ihrer Völker. Stets sind sie bereit, ihrer Göttin an Grausamkeit nachzueifern. Nur Drizzt, der bereits in jungen Jahren ein überragender Schwertkämpfer ist, begehrt gegen sein eigenes böses Volk auf. Dies ist seine Geschichte …

Die Saga, mit der R.A. Salvatore Weltruhm erlangte - endlich in ungeteilter Ausgabe!

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Seitenzahl: 494

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Der vorliegende Roman ist bereits bei Blanvalet erschienen unter dem Titel »Die Saga vom Dunkelelf 1 + 2: Der dritte Sohn & Im Reich der Spinne«. Der Blanvalet Verlag veröffentlicht mit dieser Ausgabe eine überarbeitete Fassung. Erstmals wurde die amerikanische Originalausgabe für die deutsche Ausgabe nicht in zwei Teile aufgesplittet.

 

 

Autor

R.A. Salvatore wurde 1959 in Massachusetts geboren, wo er auch heute noch lebt. Bereits sein erster Roman »Der gesprungene Kristall« machte ihn bekannt und legte den Grundstein zu seiner weltweit beliebten Reihe von Romanen um den Dunkelelf Drizzt Do’Urden. Die Fans lieben Salvatores Bücher vor allem wegen seiner plastischen Schilderungen von Kampfhandlungen und seiner farbigen Erzählweise.

Informationen über den Autor auch unter: www.rasalvatore.com.

 

 

Als Blanvalet Taschenbuch von R.A. Salvatore lieferbar:

Die Vergessenen Welten: 1. Der gesprungene Kristall (24549), 2. Die verschlungenen Pfade (24550), 3. Die silbernen Ströme (24551), 4. Das Tal der Dunkelheit (24552), 5. Der magische Stein (24553), 6. Der ewige Traum (24554)

Die Saga vom Dunkelelf: 1. Der dritte Sohn (24562), 2. Im Reich der Spinne (24564), 3. Der Wächter im Dunkel (24565), 4. Im Zeichen des Panthers (24566), 5. In Acht und Bann (24567), 6. Der Hüter des Waldes (24568)

Die Vergessenen Welten, weitere Bände: 1. Das Vermächtnis (24663) [= 7. Band], 2. Nacht ohne Sterne (24664) [= 8. Band], 3. Brüder des Dunkels (24706) [= 9. Band], 4. Die Küste der Schwerter (24741) [= 10. Band], 5. Kristall der Finsternis (24931) [= 11. Band], 6. Schattenzeit (24973) [= 12. Band], 7. Der schwarze Zauber (24168) [= 13. Band], 8. Die Rückkehr der Hoffnung (24227) [= 14. Band], 9. Der Hexenkönig (24402) [= 15. Band], 10. Die Drachen der Blutsteinlande (24458) [= 16. Band]

Die Rückkehr des Dunkelelf: 1. Die Invasion der Orks (24284), 2. Kampf der Kreaturen (24299), 3. Die zwei Schwerter (24369) Die Legende vom Dunkelelf: 1. Der König der Orks (26580), 2. Der Piratenkönig (26618)

 

Die Drachenwelt-Saga: Der Speer des Kriegers/Der Dolch des Drachen/Die Rückkehr des Drachenjägers. Drei Romane in einem Band! (24314)

 

Außerdem von R.A. Salvatore:

Star Wars: Episode II. Angriff der Klonkrieger (35761), Das Erbe der Jedi-Ritter 1. Die Abtrünnigen (35414)

R.A. Salvatore

Die Dunkelelfen

Roman

Aus dem Englischen von Karin König

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Forgotten Realms. The Dark Elf Trilogy 01: Homeland« bei Wizards of the Coast, Renton, USA.

 

Deutsche Ausgabe Oktober 2010 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

Copyright © 1990 / 1992 by Wizards of the Coast, Inc. licensing by Hasbro Consumer Products. All rights reserved. FORGOTTEN REALMS and the Wizards of the Coast logo are registered trademarks owned by Wizards of the Coast, Inc., a subsidiary of Hasbro, Inc.

All FORGOTTEN REALMS characters, character names, and the distinctive likeness thereof are trademarks owned by Wizards of the Coast, Inc., a subsidiary of Hasbro, Inc.

Published in the Federal Republic of Germany by Blanvalet Verlag, München

Deutschsprachige Rechte bei der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

 

HK · Herstellung: sam Satz: Uhl + Massopust, Aalen

 

ISBN 978-3-641-05416-8V003

 

www.blanvalet.de

www.randomhouse.de

Für meinen besten Freund, meinen Bruder Gary

EINLEITUNG

NIEMALS ZIERT EIN Stern dieses Land mit des Poeten lichtfunkelnder Mysterien, noch sendet die Sonne ihre wärmenden und belebenden Strahlen hierher. Dies ist das Unterreich, eine geheime Welt unter der bewegten Oberfläche der Vergessenen Welten, deren Himmel von einer Decke aus kühlem Stein gebildet wird und deren Mauern die graue Sanftmut des Todes im Fackelschein der zufällig hierhergelangten törichten Oberflächenbewohner zeigen. Dies ist nicht ihre Welt, nicht die Welt des Lichts. Wer uneingeladen hierherkommt, kehrt meistens nicht zurück.

Und jene, die in die Sicherheit ihrer Behausungen an der Oberfläche entkommen können, kehren verändert zurück. Ihre Augen haben die Schatten und das Dunkel gesehen, das unausweichliche Verhängnis des Unterreichs.

Dunkle Gänge schlängeln sich in Windungen durch das gesamte dunkle Reich und verbinden große und kleine Höhlen mit hohen und niedrigen Decken miteinander. Wälle aus Steinen, die so spitz sind wie die Zähne eines schlafenden Drachen, starren in stummer Bedrohung herab oder erheben sich als Hindernis im Weg des Eindringlings.

Hier herrscht eine tiefe und ahnungsvolle Stille, die angespannte Ruhe eines Diebes bei der Arbeit. Zu häufig ist der einzige Laut, der einzige Hinweis für Reisende im Unterreich darauf, dass sie ihr Hörvermögen nicht vollständig verloren haben, ein entferntes und widerhallendes Tropfgeräusch, das wie der Herzschlag eines Tieres klingt und durch die stummen Steine zu den tief im Unterreich gelegenen Teichen kühlen Wassers abgleitet. Was sich unter der ruhigen onyxähnlichen Oberfläche dieser Teiche befindet, kann man nur erahnen. Welche Geheimnisse den Tapferen und welche Schrecknisse den Narren erwarten, kann nur die Fantasie offenbaren – bis die Stille zerstört wird.

Das ist das Unterreich.

Hier gibt es Höhlen voller Leben, Städte, die oft so groß sind wie die an der Oberfläche. Hinter jeder der unzähligen Biegungen und Windungen im grauen Stein könnte ein Reisender plötzlich in das Umfeld einer solchen Stadt geraten, die einen starken Kontrast zu der Leere der Gänge bildet. Aber diese Orte sind keine Zufluchtsorte. Nur der törichte Reisende würde das vermuten. Sie sind vielmehr die Heimstätten der übelsten Völker im ganzen Reich, insbesondere der Duergar, der Kuo-Toa und der Drow. In einer dieser Höhlen, die zwei Meilen breit und tausend Fuß hoch ist, ragt Menzoberranzan drohend auf, ein Monument für die Anderweltlichen und – nicht zuletzt – für die tödliche Anmut, die die Rasse der Drowelfen kennzeichnet. Nach Drowmaßstäben ist Menzoberranzan keine große Stadt. Es leben dort nur zwanzigtausend Dunkelelfen. Wo sich in vergangenen Zeiten eine leere Höhle mit grob gestalteten Stalaktiten und Stalagmiten befand, stehen nun kunstvolle Bauwerke, aneinandergereihte gemeißelte Schlösser, die im stillen Licht der Magie verschwimmen. Die Stadt ist eine Perfektion der Formen, in der kein Stein in seiner natürlichen Form verblieben ist. Dieser Eindruck von Ordnung und Kontrolle ist jedoch nur eine grausame Fassade, eine Illusion, die das Chaos und die Schlechtigkeit, die in den Herzen der Dunkelelfen regieren, verbirgt. Wie ihre Städte sind sie ein wundervolles, schwaches und empfindliches Volk mit strengen und immer wiederkehrenden Grundzügen.

TEIL 1

RANGORDNUNG

Rangordnung.

In der gesamten Welt der Drow gibt es kein wichtigeres Wort. Es ist die Visitenkarte ihrer – unserer – Religion, das unaufhörliche Sehnen tiefster Gefühle. Ehrgeiz unterdrückt den gesunden Menschenverstand, und das Mitleid wird ihm vor die Füße geworfen. Und das alles im Namen von Lloth, der Spinnenkönigin.

Der Aufstieg zur Macht basiert in der Gesellschaft der Drow auf Meuchelmord. Die Spinnenkönigin ist eine Gottheit des Chaos, und sie und ihre Priesterinnen, die wahren Herrscher der Welt der Drow, betrachten ehrgeizige Individuen, die vergiftete Dolche verwenden, nicht mit Missgunst.

Natürlich gibt es Verhaltensregeln. Jede Gesellschaft muss sie aufweisen. Öffentlich einen Mord zu begehen oder einen Krieg anzuzetteln zieht eine Gerichtsverhandlung nach sich, und die Strafen, die im Namen der Gerechtigkeit der Drow verhängt werden, sind gnadenlos. Einem Rivalen im Tumult einer größeren Schlacht oder in den lautlosen Schatten einer Gasse einen Dolch in den Rücken zu stoßen wird hingegen meistens akzeptiert – wenn nicht sogar gebilligt. Untersuchungen sind nicht die Stärke der Gerichtsbarkeit der Drow. Niemanden kümmert es genug, um sich Gedanken darüber zu machen.

Rangordnungen sind das Mittel der Lloth, der Ehrgeiz, den sie dareinsetzt, das Chaos zu fördern, um ihre Drow»kinder« auf ihrem vereinbarten Kurs der Selbstbegrenzung zu halten. Kinder? Eher Schachfiguren, für die Spinnenkönigin tanzende Puppen, Marionetten auf den kaum wahrnehmbaren, aber undurchlässigen Fäden ihres Netzes. Alle klettern die Leitern der Spinnenkönigin hinauf, alle jagen ihrer Gunst hinterher, und alle fallen den Jägern ihrer Gunst zum Opfer.

Rangordnungen sind der Widersinn der Welt meines Volkes, die Begrenzung unserer Macht innerhalb des Strebens nach Macht. Sie werden durch Verrat gewonnen und bewirken Verrat gegen jene, die sie gewinnen. Diese Mächtigsten in Menzoberranzan verbringen ihre Zeit damit, über ihre Schultern zu sehen, um sich gegen Dolche zu wappnen, die sie in den Rücken treffen könnten.

Ihr Tod kommt üblicherweise von vorn.

 

MENZOBERRANZAN

AN EINEM OBERFLÄCHENBEWOHNER hätte er in nur einem Fuß Entfernung unbemerkt vorbeikommen können. Die gedämpften Schritte seiner Eidechse waren zu leicht, um gehört werden zu können, und die geschmeidige und gut ausbalancierte Rüstung, die sowohl Reiter als auch Reittier trugen, passte sich ihren Bewegungen perfekt an.

Dinins Eidechse trabte in leichter, aber rascher Gangart dahin, glitt über den aufgebrochenen Boden, die Wände hinauf und sogar an der Decke des langen Tunnels entlang. Eidechsen des Unterreichs mit ihren klebrigen und weichen dreizehigen Füßen wurden gerade wegen dieser Fähigkeit, Stein so leicht wie eine Spinne erklettern zu können, als Reittiere bevorzugt. Das Überqueren harten Untergrundes hinterließ in der hellen Welt der Oberfläche keine verräterischen Spuren. Aber fast alle Lebewesen des Unterreichs besaßen Infravision, die Fähigkeit, im infraroten Spektrum sehen zu können. Schritte hinterließen Hitzerückstände, die leicht verfolgt werden konnten, wenn sie einen vorhersehbaren Verlauf auf dem Boden eines Ganges markierten.

Dinin klammerte sich am Sattel fest, als sich die Eidechse eine Strecke an der Decke entlangmühte und dann einen wirbelnden Abstieg zu einem weiter entfernten Punkt vollführte. Dinin wollte nicht verfolgt werden.

Es gab kein Licht, an dem er sich hätte orientieren können, aber er brauchte auch keines. Er war ein Dunkelelf, ein Drow mit ebenholzfarbener Haut, ein Stammesverwandter jener Waldbewohner, die an der Oberfläche der Welt unter den Sternen tanzten. Für Dinins außergewöhnliche Augen, die subtile Wärmeabweichungen in lebhafte und farbenfrohe Bilder übertrugen, war das Unterreich alles andere als ein lichtloser Ort. Alle Farben des Spektrums wirbelten vor ihm in dem Gestein der Wände und des Bodens umher, erhitzt durch irgendeinen entfernten Erdspalt oder einen heißen Strom. Die Wärme von Lebewesen war sehr spezifisch und erlaubte es dem Blick des Dunkelelfs, seinen Feind so deutlich und in allen Einzelheiten zu sehen, wie es für einen Oberflächenbewohner nur in hellem Tageslicht möglich war.

Normalerweise hätte Dinin die Stadt nicht allein verlassen. Die Welt des Unterreichs war zu gefährlich für Alleingänge, sogar für einen Drowelf. Aber an diesem Tag war es anders. Dinin musste sichergehen, dass kein unfreundlich gesinnter Drow sein Vorübergehen bemerkte.

Ein sanfter blauer magischer Glanz hinter einem in Stein gemeißelten Bogengang zeigte dem Drow an, dass er sich dem Eingang der Stadt näherte, und er verlangsamte den Schritt der Eidechse entsprechend. Nur wenige benutzten diesen engen Tunnel, der sich zum Tier Breche hin öffnete, dem nördlichen Abschnitt Menzoberranzans, der der Akademie vorbehalten war. Und niemand außer den Herrinnen und Herren, den Instruktoren der Akademie, konnte hier hindurchgehen, ohne Verdacht zu erregen.

Dinin wurde stets unruhig, wenn er an diese Stelle kam. Von den hundert Tunneln, die sich in die Haupthöhle Menzoberranzans öffneten, war dies der am besten bewachte. Über dem Bogengang stand ein Paar gigantischer Spinnenstatuen in stummer Abwehr. Wenn ein Feind hindurchkam, wurden die Spinnen mit Leben erfüllt und griffen an, und in der gesamten Akademie wurden Alarmanlagen in Gang gesetzt.

Dinin stieg ab und ließ die Eidechse einfach an einer Wand in Brusthöhe haften. Er fasste unter den Kragen seines Piwafwi, seines magischen Schutzumhangs, und nahm seine Halsbörse heraus. Ihr entnahm er die Insignien des Hauses Do’Urden, eine Spinne, die mit jedem ihrer acht Beine verschiedene Waffen führte und mit den Initialen »DN« für Daermon N’a’shezbaernon, dem uralten formellen Namen des Hauses Do’Urden, verziert war.

»Warte auf meine Rückkehr«, flüsterte Dinin der Eidechse zu, während er die Insignien vor ihr umherschwenkte. Wie bei allen Häusern der Drow enthielten auch die Insignien des Hauses Do’Urden mehrere magische Dweomer, von denen eines den Familienmitgliedern absolute Kontrolle über Haustiere verlieh. Die Eidechse würde unfehlbar gehorchen und selbst dann an ihrem Platz verharren, als wäre sie im Stein verwurzelt, wenn sich eine vorüberhastende Ratte – ihr liebster Happen – nur ein paar Fuß von ihrem Maul entfernt zu einem Nickerchen entschließen sollte.

Dinin atmete tief ein und betrat vorsichtig den Bogengang. Er konnte die Spinnen aus ihrer Höhe von fünfzehn Fuß auf ihn hinabblicken sehen. Er war ein Drow der Stadt, kein Feind und konnte ungehindert durch jeden anderen Tunnel gehen, aber die Akademie war ein nicht einschätzbarer Ort. Dinin hatte gehört, dass die Spinnen den Eintritt oft tückisch verweigerten – auch einem nicht eingeladenen Drow.

Schrecken und Möglichkeiten sollten ihn nicht aufhalten können, erinnerte sich Dinin. Sein Auftrag war von größter Bedeutung für die Kampfpläne seiner Familie. Den Blick streng nach vorn gerichtet, fort von den turmhohen Spinnen, schritt er zwischen ihnen hindurch und betrat den Boden des Tier Breche.

Er trat zur Seite und legte eine Pause ein, zum einen, um sicherzugehen, dass niemand in der Nähe im Hinterhalt lag, und zum anderen auch, um den überwältigenden Blick auf Menzoberranzan zu bewundern. Niemand anderer, weder Drow noch sonst jemand, hatte jemals von diesem Platz aus auf die Stadt der Drow hinabgesehen, ohne ein wundersames Gefühl zu verspüren. Tier Breche war der höchste Punkt auf dem Boden der zwei Meilen großen Höhle, wodurch ein Panoramablick auf den Rest von Menzoberranzan ermöglicht wurde. Das anheimelnde Gelände der Akademie war schmal und umfasste die drei Gebäude, aus der die Schule der Drow bestand: Arach-Tinilith, die spinnenförmige Schule der Lloth; Sorcere, der anmutig geschwungene, stark gewundene Turm der Magie; und Melee-Magthere, ein eher flaches pyramidenförmiges Gebäude, in dem männliche Kämpfer ihre Kunst erlernten.

Jenseits des Tier Breche, durch die verzierten Stalagmitensäulen hindurch, die den Eingang zur Akademie markierten, fiel die Höhle schnell ab und verbreiterte sich zu beiden Seiten bis hinter Dinins Sichtgrenze zu einer weiten Ebene. Die Farben Menzoberranzans stellten sich für die empfindsamen Augen eines Drow dreifach dar. Hitzemuster von verschiedenen Spalten und heißen Quellen wirbelten durch die gesamte Höhle. Purpurfarben und Karminrot, helles Gelb und subtile Blautöne kreuzten sich und gingen ineinander über, zogen sich über die Wände und Stalagmitenwälle hin oder liefen einzeln in sich überschneidenden Linien vor dem Hintergrund des stumpfen grauen Steins entlang. Sehr viel begrenzter als diese allgemeinen und natürlichen Farbeinteilungen im infraroten Spektrum waren die Bereiche intensiver Magie wie bei den Spinnen, an denen Dinin vorbeigegangen war und die tatsächliche Energie ausstrahlten. Und schließlich waren da die wirklichen Lichter der Stadt, die Feenfeuer und angestrahlten Skulpturen an den Häusern. Die Drow waren stolz auf die Schönheit ihrer Entwürfe, und besonders verzierte Säulen oder mit Künstlerhand perfekt gestaltete Wasserspeier waren fast immer in beständiges magisches Licht getaucht.

Sogar aus dieser Entfernung konnte Dinin Haus Baenre, das Erste Haus von Menzoberranzan, ausmachen. Es umfasste zwanzig Stalagmitensäulen und noch einmal halb so viele gigantische Stalaktiten. Haus Baenre existierte seit fünftausend Jahren, seit der Gründung Menzoberranzans, und in dieser Zeit hatten die Bemühungen um die Perfektionierung seiner Kunst niemals aufgehört. Praktisch jeder Zentimeter des überwältigenden Gebäudes erglühte im Feenfeuer, blau um die äußeren Türme und strahlend purpurfarben um die hohe Mittelkuppel.

Das deutlich abgegrenzte Licht von Kerzen, fremd im Unterreich, leuchtete durch einige der Fenster der weiter entfernten Häuser. Dinin wusste, dass nur Priesterinnen oder Zauberer die Feuer als notwendige Bemühung in ihrer Welt der Schriftrollen und Pergamente entzündeten.

Das war Menzoberranzan, die Stadt der Drow. Zwanzigtausend Dunkelelfen lebten dort, zwanzigtausend Krieger in der Armee des Bösen.

Ein verschlagenes Lächeln breitete sich auf Dinins dünnen Lippen aus, als er daran dachte, dass einige jener Krieger heute Nacht fallen würden.

Dinin betrachtete Narbondel, die große Mittelsäule, die Menzoberranzan als Zeitmesser diente. Der Narbondel war die einzige Möglichkeit für die Drow, das Verstreichen der Zeit in einer Welt festzuhalten, die ansonsten keine Tage und keine Jahreszeiten kannte. Am Ende jeden Tages brachte der bevollmächtigte Erzmagier der Stadt seine magischen Feuer in das Fundament der Säule. Dort verblieb der Zauber einen Zyklus lang – an der Oberfläche ein ganzer Tag – und sandte seine Wärme nach und nach in die Narbondel genannte Säule hinauf, bis sie im infraroten Spektrum gänzlich rot erglühte. Die Säule war jetzt völlig dunkel und abgekühlt, seit die Feuer des Dweomer erloschen waren. Der Zauber musste sich auch jetzt im Fundament befinden, überlegte Dinin, bereit, den Zyklus erneut zu beginnen.

Es war Mitternacht, die vereinbarte Stunde.

Dinin entfernte sich von den Spinnen und dem Tunneleingang und schlich am Rande des Tier Breche entlang, wobei er die »Schatten« der Hitzemuster an der Wand aufsuchte, die die andersartige Kontur seiner eigenen Körpertemperatur wirksam verbergen würden. Schließlich erreichte er Sorcere, die Schule der Zauberei, und schlüpfte in die enge Gasse zwischen dem geschwungenen Sockel des Turmes und der Außenmauer von Tier Breche.

»Schüler oder Meister?«, ertönte das erwartete Flüstern.

»Nur ein Meister darf in Tier Breche im Schwarzen Tod des Narbondel sein Haus verlassen«, antwortete Dinin.

Eine düster gekleidete Gestalt kam um die Biegung des Gebäudes herum und blieb vor Dinin stehen. Der Fremde verharrte in der üblichen Haltung eines Meisters der Akademie der Drow, die Arme vorgestreckt und an den Ellenbogen gebeugt, die Hände eine über der anderen, fest vor der Brust zusammengepresst.

Diese Pose war das Einzige an der ganzen Situation, das Dinin normal erschien. »Ich grüße Euch, Gesichtsloser«, signalisierte er in der stummen Zeichensprache der Drow, einer ebenso detaillierten Sprache wie der gesprochenen. Das Zittern seiner Hände strafte sein ruhiges Gesicht jedoch Lügen, denn der Anblick dieses Zauberers brachte ihn so nah an den Rand seiner Nervenkraft wie niemals zuvor.

»Zweitgeborener des Hauses Do’Urden«, antwortete der Zauberer in der Zeichensprache. »Bringt Ihr meinen Lohn?«

»Ihr werdet entschädigt werden«, signalisierte Dinin deutlich, der seine Gelassenheit im ersten aufschäumenden Ansturm seiner Gereiztheit zurückgewann. »Wagt Ihr es, das Versprechen der Malice Do’Urden, der Mutter Oberin von Daermon N’a’shezbaernon, vom Zehnten Haus von Menzoberranzan anzuzweifeln?«

Der Gesichtslose sank zurück, denn er wusste, dass er im Irrtum war. »Ich bitte Euch, meine Entschuldigung anzunehmen, Zweitgeborener des Hauses Do’Urden«, antwortete er und sank in einer Geste der Unterwerfung auf die Knie. Da er sich auf diese Verschwörung eingelassen hatte, befürchtete der Zauberer, seine Ungeduld könnte ihn das Leben kosten. Er war in den heftigen Kämpfen eines seiner eigenen magischen Experimente gefangen gewesen, und diese Tragödie hatte seine gesamten Gesichtszüge zerfließen lassen und nur einen leeren heißen Fleck weißer und grüner Masse zurückgelassen. Die Oberin Malice Do’Urden, die angeblich genauso geschickt wie jeder andere in der ganzen weiten Stadt im Mischen von Tränken und Salben war, hatte ihm einen Funken Hoffnung dargeboten, an dem er nicht achtlos hatte vorübergehen können. Kein Mitleid fand den Weg zu Dinins gefühllosem Herzen, aber das Haus Do’Urden brauchte den Zauberer. »Ihr werdet Euren Lohn bekommen«, versprach Dinin ruhig, »wenn Alton DeVir tot ist.«

»Natürlich«, stimmte der Zauberer zu. »Heute Nacht?« Dinin verschränkte die Arme und dachte über die Frage nach. Die Oberin Malice hatte ihn angewiesen, Alton DeVir zu töten, wenn der Kampf zwischen den Familien begann. Dieses Szenarium erschien Dinin jetzt zu glatt, zu leicht. Der Gesichtslose übersah das Funkeln nicht, das die Glut der hitzeempfindlichen Augen des jungen Do’Urden plötzlich erhellte.

»Wartet, bis das Licht Narbondels seinen Zenit erreicht«, antwortete Dinin, und seine Hände formten nervös die Signale, während sein Gesichtsausdruck mehr wie ein schiefes Grinsen erschien. »Sollte der zum Tode Verdammte vom Schicksal seines Hauses wissen, bevor er stirbt?«, fragte der Zauberer, der die bösen Absichten hinter Dinins Anweisungen erahnte.

»Wenn seine Todesstunde naht«, antwortete Dinin. »Lasst Alton DeVir ohne Hoffnung sterben.«

 

Dinin gelangte wieder zu seinem Reittier und preschte den leeren Gang hinunter davon. Er fand einen Nebengang, der ihn durch einen anderen Eingang genau in die Stadt führen würde. Er kam am östlichen Ende der großen Höhle herein, wo sich Menzoberranzans Produktionsbereich befand und keine Familie der Drow sehen konnte, dass er außerhalb der Stadtgrenzen gewesen war, und wo sich nur ein paar unbedeutende Stalagmitensäulen aus dem flachen Fels erhoben. Dinin trieb sein Reittier am Ufer des Donigarten entlang, des kleinen Teichs der Stadt mit seiner moosbedeckten Insel, die eine Herde rinderähnlicher Lebewesen beherbergte, die Rothe genannt wurden. Hunderte von Goblins und Orks sahen von ihren Aufgaben des Hütens und Fischens auf, um das Passieren des Kriegers der Drow mit ihren Blicken zu verfolgen. Da sie um ihre Beschränkungen als Sklaven wussten, achteten sie darauf, Dinin nicht direkt anzusehen.

Dinin hätte sowieso nicht auf sie geachtet. Er war zu sehr von der Dringlichkeit des Augenblicks in Anspruch genommen. Als er sich wieder auf den flachen und gewundenen Hauptstraßen zwischen den leuchtenden Schlössern der Drow befand, trieb er seine Eidechse zu noch größerer Eile an. Er näherte sich der südlich-zentralen Region der Stadt, dem Wäldchen aus riesigen Pilzen, das das Gebiet der feinsten Häuser Menzoberranzans markierte. Als er um eine unübersichtliche Biegung kam, ritt er fast eine Gruppe von vier Grottenschraten um. Die riesigen haarigen Goblinwesen hielten einen Moment an, um den Drow zu betrachten, und traten dann betont langsam zur Seite.

Die Grottenschrate erkannten in ihm ein Mitglied des Hauses Do’Urden, wie Dinin wusste. Er war ein Adliger, der Sohn einer Hohepriesterin, und sein Nachname, Do’Urden, war der Name seines Hauses. Von den zwanzigtausend Dunkelelfen in Menzoberranzan waren nur ungefähr tausend Adlige, die Kinder der siebenundsechzig anerkannten Familien der Stadt. Die anderen waren gewöhnliche Krieger.

Grottenschrate waren keine dummen Lebewesen. Sie konnten einen Adligen sehr wohl von einem Bürgerlichen unterscheiden, und obwohl Elfen der Drow ihre Familieninsignien nicht sichtbar trugen, zeigten ihnen der auffällige Schnitt seines steifen weißen Haares mit dem Zopf und das charakteristische Muster der purpurfarbenen und roten Linien auf seinem schwarzen Piwafwi deutlich genug, wer er war.

Die Dringlichkeit seiner Mission lastete auf Dinin, aber er konnte die Missachtung durch die Grottenschrate nicht ignorieren. Wie schnell wären sie wohl aus dem Weg gesprungen, wenn er ein Mitglied des Hauses Baenre oder eines der anderen sieben herrschenden Häuser gewesen wäre, fragte er sich.

»Ihr werdet sehr bald Respekt vor dem Hause Do’Urden lernen!«, flüsterte der Dunkelelf leise. Dann wandte er sich um und rempelte die Gruppe mit seiner Eidechse an. Die Grottenschrate flüchteten, wobei sie in eine mit Steinen und Schutt bedeckte Straße einbogen.

Dinin fand seine Befriedigung, indem er die angeborenen Kräfte seines Volkes anrief. Er ließ eine – sowohl für Infravision als auch für normale Sehkraft undurchdringliche – Kugel der Dunkelheit in den Weg der fliehenden Wesen rollen. Er wusste, dass es unklug war, solche Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen, aber einen Moment später, als er laute Flüche hörte, während die Grottenschrate blind über die Steine stolperten, dachte er, dass es das Risiko wert gewesen war.

Da sein Rachedurst nun vollauf befriedigt war, ritt er weiter, wobei er sich einen sichereren Weg durch die Hitzeschatten suchte. Als Mitglied des Zehnten Hauses der Stadt konnte Dinin ungehindert innerhalb der riesigen Höhle umhergehen. Aber die Oberin Malice hatte deutlich erklärt, dass sich niemand, der mit dem Hause Do’Urden in Verbindung stand, in der Nähe des Pilzwäldchens sehen lassen sollte.

Man sollte die Oberin Malice, Dinins Mutter, zwar nicht reizen, aber es war immerhin keine Regel. In Menzoberranzan dominierte nur eine Regel über all die unbedeutenden anderen: Lass dich nicht erwischen.

Am südlichen Ende des Pilzwäldchens fand der ungestüme Drow, was er gesucht hatte: eine Gruppe von fünf riesigen, vom Boden bis zur Decke reichenden Säulen, die in ein Netzwerk aus Kammern eingelassen waren und mit Metall- und Steingeländern und Brücken verbunden waren. Rot leuchtende Wasserspeier, das Wahrzeichen des Hauses, starrten wie stumme Wachposten von hundert festen Stellungen herab. Dies war das Haus DeVir, das Vierte Haus von Menzoberranzan.

Eine Palisade aus hohen Pilzen schloss den Platz ein, von denen jeder Fünfte ein Schreier war, ein empfindendes Schwammgewächs, das nach den grellen Alarmschreien benannt (und als Wächter bevorzugt) wurde, die es ausstieß, wann immer ein lebendes Wesen an ihm vorbeiging. Dinin blieb in sicherer Entfernung, weil er keinen der Schreier animieren wollte und weil er außerdem wusste, dass andere, tödlichere Wächter die Festung beschützten. Die Oberin Malice würde sich ihrer bedienen.

Erwartungsvolle Stille durchdrang die Luft dieses Stadtgebietes. In ganz Menzoberranzan war allgemein bekannt, dass die Oberin Ginafae des Hauses DeVir die Gunst von Lloth, der Spinnenkönigin, Göttin aller Drow und wahre Quelle der Stärke jeden Hauses, verloren hatte. Solche Umstände wurden unter den Drow niemals offen besprochen, aber jeder, der davon wusste, erwartete unbedingt, dass irgendeine Familie, die in der Hierarchie der Stadt weiter unten angesiedelt war, bald gegen das geschwächte Haus DeVir vorgehen würde.

Die Oberin Ginafae und ihre Familie hatten als Letzte von der Verstimmung der Spinnenkönigin erfahren – dies war schon immer Lloths unaufrichtige Art gewesen –, und Dinin konnte bereits bei der Betrachtung der Fassade des Hauses DeVir feststellen, dass die zum Tode verurteilte Familie nicht genügend Zeit gefunden hatte, geeignete Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen. DeVir besaß fast vierhundert Soldaten, viele davon Frauen, aber jene, die Dinin jetzt auf ihren Posten entlang der Palisade sehen konnte, erschienen ihm nervös und unsicher.

Dinins Lächeln wurde zunehmend breiter, als er an sein eigenes Haus dachte, das täglich unter der geschickten Führung der Oberin Malice an Macht gewann. Da alle seine drei Schwestern bald den Status von Hohepriesterinnen einnehmen würden, sein Bruder ein fertig ausgebildeter Zauberer und sein Onkel Zaknafein der beste Waffenmeister in ganz Menzoberranzan war, der die dreihundert Krieger hervorragend ausbildete, hatte das Haus Do’Urden vollkommene Macht. Und die Oberin Malice besaß, anders als Ginafae, die volle Gunst der Spinnenkönigin.

»Daermon N’a’shezbaernon«, murmelte Dinin leise, womit er die formelle und angestammte Bezeichnung des Hauses Do’Urden gebrauchte. »Das Neunte Haus von Menzoberranzan !« Er mochte den Klang dieser Worte.

 

Auf halbem Wege durch die Stadt, hinter der silbern leuchtenden Galerie und dem gebogenen Torgang zwanzig Fuß die Westwand der Höhle hinauf saßen die Oberhäupter des Hauses Do’Urden zusammen, um sich einen Überblick über die endgültigen Pläne dieser Nacht zu verschaffen. Auf dem erhöhten Podium am Ende des kleinen Verhandlungsraumes saß die verehrungswürdige Oberin Malice, deren Leib die letzten Stunden der Schwangerschaft anzeigte. Neben ihr saßen ihre drei Töchter, Maya, Vierna und die älteste, Briza, eine neu geweihte Hohepriesterin der Lloth, auf ihren Ehrenplätzen. Maya und Vierna schienen die jüngeren Ausgaben ihrer Mutter zu sein, schlank und täuschend klein, obwohl von enormer Stärke. Briza aber zeigte kaum Familienähnlichkeit. Sie war groß – nach den Maßstäben der Drow riesig – und zeigte Ansätze zur Rundlichkeit an Schultern und Hüften. Diejenigen, die Briza kannten, sahen sehr wohl, dass ihre Größe durch das Verhältnis zu ihrem Temperament bedingt war. Ein kleinerer Körper hätte nicht den Zorn und den Hang zur Grausamkeit der neuesten Hohepriesterin des Hauses Do’Urden beherbergen können.

»Dinin sollte bald zurückkommen«, bemerkte Rizzen, das gegenwärtige Oberhaupt der Familie, »damit wir wissen, ob die Zeit für den Anschlag günstig ist.«

»Wir werden aufbrechen, bevor Narbondel das Morgenleuchten erreicht! «, erwiderte Briza mit ihrer rauen, aber messerscharfen Stimme. Sie sah mit einem schiefen Lächeln zu ihrer Mutter, in Erwartung ihrer Zustimmung, weil sie einen Mann auf seinen Platz verwiesen hatte.

»Das Kind kommt heute Nacht«, erklärte die Oberin Malice ihrem besorgten Ehemann. »Unabhängig davon, was Dinin bringt, werden wir auf brechen.«

»Es wird ein Junge werden«, murrte Briza, wobei sie keinerlei Versuch machte, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Der dritte lebende Sohn des Hauses Do’Urden.«

»Lloth geweiht«, warf Zaknafein, ein früheres Oberhaupt des Hauses, ein, der jetzt die bedeutende Position des Waffenmeisters innehatte. Der erfahrene Kämpfer der Drow schien über den Gedanken an ein Opfer sehr erfreut zu sein, was auch für Nalfein galt, den ältesten Sohn der Familie, der Zak zur Seite stand. Er war der Älteste und hatte es nicht mehr nötig, Dinin innerhalb der Rangordnung des Hauses Do’Urden im Wettstreit zu übertreffen. »In Einklang mit den Gebräuchen.« Briza starrte finster drein, und das Rot in ihren Augen glühte. »Als Beistand für unseren Sieg!«

Rizzen fühlte sich unbehaglich. »Oberin Malice«, wagte er zu sagen, »Ihr kennt die Schwierigkeiten bei einer Geburt sehr genau. Sollten Euch die Schmerzen verwirren …«

»Ihr wagt es, eine Frage an die Mutter Oberin zu richten?«, begann Briza scharf und griff nach der schlangenköpfigen Peitsche, die bequem erreichbar – und sich windend – an ihrem Gürtel befestigt war. Oberin Malice gebot ihr mit ausgestreckter Hand Einhalt. »Kümmert Euch um die Kampfhandlungen«, sagte die Oberin zu Rizzen. »Macht den weiblichen Mitgliedern dieses Hauses die Wichtigkeit dieses Kampfes klar.«

Rizzen fühlte sich nach wie vor unbehaglich und senkte den Blick.

 

Dinin kam zu dem magisch verzauberten Zaun, der den Festungsturm an der Westmauer der Stadt mit den beiden kleinen Stalagmitentürmen des Hauses Do’Urden verband und gleichzeitig den Hof des Anwesens umschloss. Der Zaun war aus Diamantspat, dem härtesten Material der Welt, und geschmückt mit hundert waffentragenden Spinnenskulpturen, deren jede mit tödlichen Furchen und Aussparungen versehen war. Das mächtige Tor des Hauses Do’Urden war ein Objekt des Neides für so manches andere Haus der Drow, aber so kurz nachdem er die fantastischen Häuser in dem Pilzwäldchen gesehen hatte, empfand Dinin beim Anblick seines eigenen Wohnsitzes Enttäuschung. Die Anlage war flach und irgendwie karg, was auch für den Abschnitt der Mauer galt, mit der bemerkenswerten Ausnahme einer Galerie aus Mithridat und Diamantspat, die in der Nähe des den Adligen der Familie vorbehaltenen gebogenen Torweges um das zweite Stockwerk verlief. Jede Geländerstütze war mit tausend Schnitzereien versehen, die alle zusammen ein einzigartiges Kunstwerk bildeten.

Das Haus Do’Urden stand, anders als die große Mehrheit der Häuser in Menzoberranzan, nicht frei innerhalb der Höhlen aus Stalagmiten und Stalaktiten. Der Hauptteil des Gebäudes befand sich in einer Höhle, und obwohl diese Anordnung unzweifelhaft gut zu verteidigen war, entdeckte Dinin bei sich selbst den Wunsch, seine Familie möge ein wenig mehr Pracht zeigen.

Ein aufgeregter Krieger eilte herbei, um das Tor für den zurückgekehrten Zweitgeborenen zu öffnen. Dinin rauschte ohne ein Wort der Begrüßung an ihm vorbei und ritt über den Hof, wobei er sich der hundert und mehr neugierigen Blicke, die auf ihn gerichtet waren, sehr wohl bewusst war. Die Krieger und Sklaven wussten, dass Dinins Mission in dieser Nacht etwas mit dem erwarteten Kampf zu tun hatte.

Es führte keine Treppe zu der silbernen Galerie im zweiten Stockwerk des Hauses Do’Urden. Auch das war eine Vorsichtsmaßnahme, durch die die Führer des Hauses vom Pöbel und von den Sklaven abgesondert werden sollten. Die Adligen der Drow brauchten keine Treppen. Eine weitere Demonstration ihrer angeborenen magischen Fähigkeiten wurde ihnen durch die Macht des Schwebens ermöglicht. Ohne auch nur den kleinsten Gedanken an diesen Vorgang zu verschwenden, schwebte Dinin durch die Luft und setzte auf der Galerie auf.

Er eilte durch den Bogengang und den Hauptgang hinunter, der durch die sanfte Färbung des Feenfeuers schwach beleuchtet wurde, wodurch etwas Sicht im normalen Spektrum ermöglicht wurde, aber nicht genug, um auf den Gebrauch von Infravision verzichten zu können. Die überladene Messingtür am Ende des Ganges war das Ziel des Zweitgeborenen, und er legte davor eine Pause ein, um seine Augen wieder an das infrarote Spektrum zu gewöhnen. Anders als der Gang war der hinter der Tür liegende Raum nicht mit einer Lichtquelle ausgestattet. Es war der Verhandlungsraum der Hohepriesterinnen, der Vorraum der großen Kapelle des Hauses Do’Urden. Die geistlichen Räume der Drow waren, in Abstimmung mit den dunklen Bräuchen der Spinnenkönigin, keine Orte des Lichts. Als er das Gefühl hatte, bereit zu sein, trat Dinin forsch durch die Tür, wobei er sich ohne Zögern an zwei erschrockenen weiblichen Wachen vorbeidrängte und kühn vor seine Mutter trat. Alle drei Töchter der Familie betrachteten ihren draufgängerischen und anmaßenden Bruder aus zusammengekniffenen Augen. Ohne Erlaubnis einzutreten, dachten sie, wie er wusste. Sie wünschten sich, dass er es wäre, der diese Nacht geopfert würde!

So sehr er es auch genoss, die Grenzen seiner untergeordneten Stellung als Mann auszuprobieren, so konnte Dinin doch nicht die drohenden Blicke von Vierna, Maya und Briza übersehen. Als Frauen waren sie größer und stärker als Dinin und hatten sich ihr ganzes Leben lang im Gebrauch der gefährlichen geistlichen Mächte und Waffen der Drow geübt. Dinin beobachtete, wie verhexte Auswüchse der gefürchteten schlangenköpfigen Peitschen der Priesterinnen an den Gürteln seiner Schwestern sich in Erwartung der Bestrafung, die sie vollstrecken würden, zu winden begannen. Die Griffe waren aus Diamantspat und entsprechend schlicht, aber die Verlängerungen waren lebendige Schlangen mit mannigfaltigen Köpfen. Besonders Brizas Peitsche, ein übles sechsköpfiges Gerät, tanzte und wand sich und bildete Knoten um den Gürtel, an dem sie befestigt war. Briza war immer die Schnellste, wenn es ans Bestrafen ging.

Die Oberin Malice schien jedoch von Dinins forschem Auftreten angetan zu sein. Der Zweitgeborene kannte seinen Platz aus ihrer Sicht gut genug und befolgte ihre Befehle furchtlos und ohne Fragen zu stellen.

Dinin fühlte sich durch die Ruhe auf dem Gesicht seiner Mutter, die in starkem Gegensatz zu den leuchtend weißen und heißen Gesichtern seiner drei Schwestern stand, beruhigt. »Es ist alles bereit«, teilte er ihr mit. »Das Haus DeVir duckt sich hinter seine Schutzwehr – ausgenommen Alton natürlich, der unklugerweise seine Studien in Sorcere fortsetzt. «

»Ihr habt Euch mit dem Gesichtslosen getroffen?«, fragte die Oberin Malice.

»In der Akademie war es heute Abend ruhig«, antwortete Dinin. »Unser Treffen lief reibungslos ab.«

»Hat er unserer Übereinkunft zugestimmt?«

»Alton DeVir wird entsprechende Behandlung erfahren.« Dinin lachte. Dann erinnerte er sich der geringfügigen Änderung, der er die Pläne der Oberin Malice unterzogen hatte, indem er Altons Hinrichtung zugunsten seiner eigenen Gier nach zusätzlicher Grausamkeit hinauszögerte. Dinins Überlegung beschwor auch noch eine andere Erinnerung herauf: Hohepriesterinnen der Lloth hatten die enervierende Begabung, Gedanken lesen zu können.

»Alton wird heute Nacht sterben«, beendete Dinin seine Antwort schnell und wiegte die anderen damit in Sicherheit, bevor sie ihn nach genaueren Einzelheiten fragen würden.

»Ausgezeichnet«, murrte Briza. Dinins Atem beruhigte sich ein wenig.

»Stimmt Euch aufeinander ein«, befahl die Oberin Malice.

Die vier männlichen Mitglieder der Drow knieten vor der Oberin und ihren Töchtern nieder: Rizzen vor Malice, Zaknafein vor Briza, Nalfein vor Maya und Dinin vor Vierna. Die Priesterinnen sangen im Gleichklang, wobei sie eine Hand sacht auf die Stirn des jeweiligen Kriegers legten, um sich auf seine Gemütsbewegung einzustellen.

»Ihr kennt Eure Plätze«, sagte die Oberin Malice, als die Zeremonie beendet war. Ihr Gesicht verzerrte sich unter den Schmerzen einer Wehe. »Unser Werk soll beginnen.«

 

Weniger als eine Stunde später standen Zaknafein und Briza zusammen auf der Galerie vor dem oberen Eingang des Hauses Do’Urden. Unter ihnen, auf dem Boden der Höhle, waren die zweite und dritte Brigade der Streitmacht der Familie, die von Rizzen und Nalfein befehligt wurden, sehr geschäftig. Sie passten angewärmte Lederriemen und Metallbesätze an, die helfen sollten, die hitzewahrnehmenden Drow-Augen zu täuschen. Dinins Gruppe, die ursprüngliche Streitmacht, die aus hundert Elfensklaven bestand, war schon längst aufgebrochen.

»Nach dieser Nacht werden wir berühmt sein«, sagte Briza. »Niemand würde vermuten, dass ein Zehntes Haus gegen jemanden angehen würde, der so mächtig ist wie DeVir. Wenn sich die Gerüchte nach dem blutigen Werk dieser Nacht verbreiten, wird sogar Baenre von Daermon N’a’shezbaernon Notiz nehmen!« Sie lehnte sich über die Galerie, um zuzusehen, wie sich die beiden Brigaden formierten und auf getrennten Wegen leise aufbrachen, die sie durch die gewundene Stadt zu dem Pilzwäldchen und dem fünfsäuligen Gebäude des Hauses DeVir führen würden.

Zaknafein sah auf den Rücken der ältesten Tochter der Oberin Malice und wünschte sich nichts sehnlicher, als ihr einen Dolch hineinzustoßen. Aber wie immer hielt Zaks gutes Urteilsvermögen seine geübte Hand an ihrem Platz.

»Habt Ihr die Gegenstände?«, fragte Briza, wobei sie Zak jetzt bedeutend mehr Respekt zollte als in Momenten, in denen ihr die Oberin Malice beschützend zur Seite saß. Zak war nur ein Mann, ein Bürgerlicher, dem es erlaubt war, den Familiennamen als seinen eigenen zu tragen, weil er der Oberin Malice manchmal in einer einem Ehemann ähnlichen Rolle diente und einmal das Oberhaupt des Hauses gewesen war. Noch immer fürchtete Briza, ihn zu erzürnen. Zak war der Waffenmeister des Hauses Do’Urden, ein großer und muskulöser Mann, stärker als die meisten Frauen, und jene, die seinen Zorn im Kampf erlebt hatten, hielten ihn für den besten Kämpfer beider Geschlechter in ganz Menzoberranzan. Neben Briza und ihrer Mutter, die beide Hohepriesterinnen der Spinnenkönigin waren, war Zaknafein mit seiner unbestrittenen Fechtkunst der Trumpf des Hauses Do’Urden.

Zak hielt den schwarzen Überwurf hoch, öffnete den kleinen Beutel an seinem Gürtel und entnahm ihm mehrere kleine Keramikkugeln. Briza lächelte böse und rieb ihre schlanken Hände gegeneinander. »Die Oberin Ginafae wird nicht sehr erfreut sein«, flüsterte sie. Zak erwiderte das Lächeln und wandte sich um, damit er die aufbrechenden Krieger beobachten konnte. Nichts erfreute den Waffenmeister mehr, als Elfen der Drow zu töten, besonders Priesterinnen der Lloth.

»Haltet Euch bereit«, sagte Briza nach ein paar Minuten.

Zak strich sich das dichte Haar aus dem Gesicht und stand unbeweglich da, die Augen fest geschlossen. Briza zog langsam ihren Zauberstab heraus und begann den Gesang, der den Vorgang einleitete. Sie berührte Zak an einer Schulter, dann an der anderen und hielt den Zauberstab schließlich bewegungslos über seinen Kopf. Zak spürte den kalten Sprühregen auf sich herniedergehen, seine Kleidung, die Rüstung und auch seine Haut durchdringen, bis er und all seine Besitztümer auf eine einheitliche Temperatur und Färbung abgekühlt waren. Zak hasste den magischen Frost – er fühlte sich so an, wie er glaubte, dass sich der Tod anfühlen musste –, aber er wusste, dass er unter dem Einfluss des Sprühregens des Zauberstabes für die hitzewahrnehmenden Augen der Lebewesen des Unterreichs so grau wirkte wie gewöhnlicher Stein, unbemerkbar und unentdeckbar.

Zak öffnete seine Augen und erschauerte. Er bewegte seine Finger, um sich zu versichern, dass er noch immer die scharfe Klinge seiner Geschicklichkeit führen konnte. Während der zweiten Zauberformel, dem Herbeirufen der Kräfte, blickte er zurück zu Briza. Dies würde eine Weile dauern, also lehnte sich Zak gegen die Wand und überdachte erneut die erfreuliche, wenn auch gefährliche Aufgabe, die vor ihm lag. Wie umsichtig von der Oberin Malice, ihm alle Priesterinnen des Hauses DeVir zu überlassen!

»Es ist vollbracht«, verkündete Briza nach ein paar Minuten. Sie lenkte Zaks Blick aufwärts in die Dunkelheit unter der nicht sichtbaren Decke der riesigen Höhle. Zak bemerkte Brizas Werk zuerst, einen sich nähernden Luftstrom, gelblich gefärbt und wärmer als die übrige Luft der Höhle. Ein lebendiger Luftstrom. Das Lebewesen, die Geisterbeschwörung einer elementaren Entwicklungsstufe, wirbelte heran, schwebte direkt über dem Rand der Galerie und wartete gehorsam auf die Befehle seines Gebieters. Zak zögerte nicht. Er sprang in den Mittelpunkt dieses Wesens, und es schwebte mit ihm über den Boden dahin.

Briza grüßte ihn zum Abschied und entließ ihren Diener. »Einen guten Kampf! «, rief sie Zak zu, obwohl er bereits in der Luft über ihr entschwunden war.

DER UNTERGANG DES HAUSES DEVIR

DININ STELLTE MIT Befriedigung fest, dass jeder der umherstreifenden Grottenschrate und jedes andere Mitglied der zahlreichen Völker, die Menzoberranzan ausmachten, einschließlich der Drow, es nun sehr eilig hatten, ihm aus dem Weg zu gehen. Dieses Mal war der Zweitgeborene des Hauses Do’Urden nicht allein. Fast sechzig Krieger des Hauses marschierten in dichten Reihen hinter ihm. Ihnen folgten, in ähnlicher Anordnung, aber mit sehr viel weniger Begeisterung für dieses Abenteuer, hundert bewaffnete Sklaven der niederen Rassen – Goblins, Orks und Grottenschrate. Für den Beobachter konnte kein Zweifel bestehen – ein Haus der Drow zog in den Kampf. Dies war kein alltägliches Ereignis in Menzoberranzan, aber es kam auch nicht unerwartet. Mindestens einmal in jeder Dekade entschied ein Haus, dass seine Stellung innerhalb der Hierarchie der Stadt durch die Auslöschung eines anderen Hauses verbessert werden könnte. Es war ein gefährliches Vorhaben, denn alle Adligen des »schuldigen« Hauses mussten schnell und leise beseitigt werden. Wenn nur einer überlebte, um den Täter anzuklagen, wurde das angreifende Haus von Menzoberranzans gnadenlosem »Rechts«system ausgerottet.

Wurde der Angriff jedoch mit außergewöhnlicher Perfektion ausgeführt, hatte die Tat keine Konsequenzen. Alle Einwohner der Stadt, auch das Konzil der acht höchsten Oberinnen, lobten die Angreifer insgeheim für ihren Mut, und der Vorfall wurde mit keinem Wort mehr erwähnt.

Dinin umrundete den Ort, weil er keine direkte Spur zwischen den Häusern Do’Urden und DeVir hinterlassen wollte. Eine halbe Stunde später schlich er zum zweiten Mal in dieser Nacht zum südlichen Ende des Pilzwäldchens, zu der Gruppe von Stalagmiten, die das Haus DeVir stützten. Seine Krieger schwärmten eifrig hinter ihm aus, wobei sie ihre Waffen bereithielten und das Gebäude vor ihnen sehr genau taxierten.

Die Sklaven bewegten sich langsamer. Viele von ihnen sahen sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, weil sie in ihren Herzen wussten, dass sie in diesem Kampf zu Tode kommen würden. Jedoch fürchteten sie den Zorn der Dunkelelfen mehr als den Tod selbst und würden daher nicht zu fliehen versuchen. Da jeder Ausgang Menzoberranzans durch die außergewöhnliche Magie der Drow geschützt wurde – wohin sollten sie sich da wenden? Jeder von ihnen war Zeuge der brutalen Bestrafungen gewesen, die die Drowelfen an wiedereingefangenen Sklaven vollzogen hatten. Auf Dinins Befehl hin nahmen sie ihre Plätze rund um den Pilzzaun ein.

Dinin griff in seinen großen Beutel und zog eine erhitzte Metallfolie heraus. Er ließ die Folie, die im infraroten Spektrum erglühte, dreimal hinter sich aufleuchten, als Zeichen für die herannahenden Brigaden Nalfeins und Rizzens. Dann wirbelte Dinin sie, mit seiner gewohnten Keckheit, schnell durch die Luft, fing sie auf und versenkte sie wieder in die Geborgenheit seines hitzeabweisenden Beutels. Auf das wirbelnde Zeichen hin legte Dinins Drowbrigade verzauberte Pfeile in ihre kleinen handlichen Armbrüste ein und visierte die befohlenen Ziele an.

Jeder fünfte Pilz war ein Schreier, und jeder Pfeil enthielt ein magisches Dweomer, das das Gebrüll eines Drachen hätte zum Schweigen bringen können.

»…zwei… drei«, zählte Dinin, wobei er mit der Hand das Tempo anzeigte, da im Bereich der magischen Stille, die über seinen Truppen lag, keine Worte gehört werden konnten. Als sich das gedrehte Seil an seiner kleinen Waffe lockerte und damit den Pfeil in den am nächsten stehenden Schreier entließ, stellte er sich das »Klicken« vor. Das Gleiche geschah um die gesamte Einfriedung des Hauses DeVir herum. Die erste Welle des Alarms erstarb durch drei Dutzend verzauberter Pfeile.

 

Auf halbem Weg durch Menzoberranzan saßen die Oberin Malice, ihre Töchter und vier der Stadtgeistlichen des Hauses in Lloths unheiligem Kreis zusammen. Sie umringten das Götzenbild ihrer bösen Göttin, eine Edelsteinschnitzerei in Form einer Spinne mit dem Gesicht eines Drow, und baten Lloth um Hilfe bei ihren Kämpfen. Malice saß vornübergebeugt, gestützt auf einen Gebärstuhl. Briza und Vierna standen ihr zur Seite, und Briza hielt ihre Hand. Die ausgewählte Gruppe sang im Gleichklang, wobei sie ihre Energien zu einem einzigen Zauber vereinte. Einen Augenblick später, als Vierna, die geistig mit Dinin verbunden war, spürte, dass die erste Gruppe auf ihrem Platz war, sandte der Kreis der acht die ersten unbemerkt eindringenden Wellen geistiger Energie in das Haus der Rivalen.

 

Die Oberin Ginafae, ihre beiden Töchter und die fünf wichtigsten Geistlichen der allgemeinen Truppen des Hauses DeVir drängten sich im Vorraum der Hauptkapelle des fünfsäuligen Hauses zusammen. Seit die Oberin Ginafae erfahren hatte, dass sie in Ungnade gefallen war, hatten sie sich dort jeden Tag in feierlichem Gebet versammelt. Ginafae wusste, wie verwundbar ihr Haus blieb, bis sie einen Weg fanden, die Spinnenkönigin zu besänftigen. Es gab sechsundsechzig andere Häuser in Menzoberranzan, von denen mindestens zwanzig es wagen könnten, das Haus DeVir anzugreifen. Die acht Geistlichen waren jetzt unruhig – sie erwarteten, dass diese Nacht große Bedeutung haben würde.

Ginafae fühlte es zuerst, einen eisigen Wind verwirrender Wahrnehmungen, der sie bei ihrem Versöhnungsgebet zum Stottern brachte. Die anderen Geistlichen des Hauses DeVir vernahmen beunruhigt das uncharakteristische Stammeln der Oberin und suchten nach Unterstützung.

»Wir werden angegriffen«, hauchte Ginafae, deren Kopf unter der zunehmenden Bedrohung durch die mächtigen Geistlichen des Hauses Do’Urden bereits unerträglich schmerzte.

 

Ein zweites Zeichen Dinins setzte die Truppen der Sklaven in Bewegung. Noch immer auf heimlichen Pfaden eilten sie leise zu dem Pilzzaun und schlugen sich mit breitklingigen Schwertern durch. Der Zweitgeborene des Hauses Do’Urden beobachtete die Aktion und erfreute sich an der Tatsache, dass der Hof des Hauses DeVir leicht eingenommen worden war. »Keine sehr gut vorbereitete Abwehr«, flüsterte er den rot glühenden Wasserspeiern auf den hohen Mauern mit gedämpftem Sarkasmus zu. Früher in dieser Nacht waren ihm die Statuen als drohende Wächter erschienen. Jetzt sahen sie einfach hilflos aus.

Dinin bemerkte die gedämpfte, sich aber steigernde Erwartung der Krieger um ihn herum. Ihre drowtypische Kampfeslust blieb kaum verborgen. Immer wieder blitzte ein tödlicher Lichtstrahl auf, wenn einer der Sklaven über eine Alarmvorrichtung stolperte, aber der Zweitgeborene und die anderen Drow lachten nur über solche Zwischenfälle. Die geringeren Rassen waren das zum Verbrauch bestimmte »Futter« der Streitmacht des Hauses Do’Urden. Der einzige Grund, warum die goblinoiden Wesen mit zum Hause DeVir genommen worden waren, war, die tödlichen Fallen und Verteidigungen entlang der äußeren Begrenzungslinie auszulösen, den Weg freizumachen für die Drowelfen, die wahren Krieger.

Die Einfriedung war nun durchgängig, und Heimlichkeit wurde unnötig. Die Krieger des Hauses DeVir traten den eindringenden Sklaven im Lager frontal entgegen. Dinin hatte kaum seine Hand erhoben, um den Befehl zum Angriff zu geben, als seine sechzig unruhigen Drowkrieger schon aufsprangen und vorwärtsstürmten, wobei ihre Gesichter boshafte Heiterkeit zeigten und sie ihre Waffen drohend schwangen.

Sie hielten jedoch wie auf ein Stichwort hin inne, denn sie erinnerten sich daran, dass ihnen eine letzte Aufgabe bevorstand. Jeder Drow, ob Adliger oder Bürgerlicher, besaß bestimmte magische Fähigkeiten. Die Kugel der Dunkelheit herbeizurufen, wie Dinin es früher in der Nacht bei den Grottenschraten getan hatte, war selbst für die geringsten der dunklen Elfen leicht. So wurde es auch jetzt getan. Die sechzig Krieger des Hauses Do’Urden verdunkelten die Begrenzungslinie über den Pilzzaun hinweg, ließen eine Kugel der Dunkelheit der anderen folgen.

Trotz all seiner Heimlichkeit und Vorsicht wusste das Haus Do’Urden, dass der Angriff von vielen Augen beobachtet wurde. Aber Zeugen waren kein allzu großes Problem. Sie würden sich nicht genügend Gedanken machen, um das angreifende Haus wiederzuerkennen. Aber die Gebräuche und Regeln forderten, dass bestimmte Angriffe heimlich erfolgen mussten. Es war das Merkmal der Kriegsführung der Drow. Im Handumdrehen wurde das Haus DeVir für den Rest der Stadt zu einem dunklen Fleck auf der Karte Menzoberranzans.

Rizzen tauchte hinter seinem jüngsten Sohn auf. »Gut gemacht«, signalisierte er in der komplizierten Fingersprache der Drow. »Nalfein ist von der Rückseite her durchgebrochen. «

»Ein leichter Sieg«, signalisierte der kecke Dinin zurück, »wenn die Oberin Ginafae und ihre Geistlichen weiterhin in Schach gehalten werden.«

»Vertraut der Oberin Malice«, war Rizzens Antwort. Er tätschelte seinem Sohn die Schulter und folgte seinen Truppen durch den zerbrochenen Pilzzaun.

 

Hoch über der Einfriedung des Hauses DeVir ruhte Zaknafein bequem in den allumfassenden Armen von Brizas aus Luft bestehendem Diener und sah zu, wie sich das Drama entwickelte. Von seinem Platz aus konnte Zak in den Ring der Dunkelheit sehen und in den Ring der magischen Stille hineinhören. Dinins Truppen, die als erste Drowkrieger hineingelangten, waren an jeder Tür auf Widerstand gestoßen und schwer geschlagen worden.

Nalfein und seine Brigade, die Truppen des Hauses Do’Urden, die die Zauberei am besten beherrschten, stießen auf der Rückseite des Komplexes durch. Blitzstrahlen und magische Säurekugeln donnerten am Fundament des DeVir-Gebäudes auf den Hof und vernichteten dabei Do’Urden-Futter und DeVir-Verteidiger zu gleichen Teilen.

Im vorderen Hof befehligten Rizzen und Dinin die besten Kämpfer des Hauses Do’Urden. Die Segnungen der Lloth begleiteten sein Haus, wie Zak erkennen konnte, als sich die Schlacht zu ihren Gunsten entschied, weil die Angriffe der Krieger des Hauses Do’Urden schneller erfolgten als die ihrer Feinde und sie ihr Ziel häufiger tödlich trafen. Innerhalb weniger Minuten hatte sich die Schlacht in den Innenraum der fünf Säulen verlagert. Zak strich sich das unauf hörliche Kältegefühl aus seinem Arm und befahl dem aus Luft bestehenden Diener zu handeln. Er sank auf seinem luftigen Bett hinab und fiel dann die letzte Strecke zur Galerie rund um die Räume der Mittelsäule frei hinunter. Sofort eilten zwei Wächter, einer davon eine Frau, herbei, um ihn zu begrüßen.

In dem Versuch, die wahre Form dieses bemerkenswerten grauen nebelhaften Eindrucks ausfindig zu machen, zögerten sie verwirrt – ein wenig zu lange.

Sie hatten niemals von Zaknafein Do’Urden gehört. Sie wussten nicht, dass ihnen der Tod nahe war.

Zaks Peitsche schnellte vor, traf und zerschnitt die Kehle der Frau, während seine andere Hand eine Reihe meisterhafter Stöße und Paraden ausführte, die den Mann zu Fall brachten. Zak erledigte beide mit einer einzigen schemenhaften Bewegung, indem er die in der Peitsche verfangene Frau mit einer Drehung seines Handgelenks von der Terrasse warf und dem Mann einen Tritt ins Gesicht verpasste, der ihn ebenfalls auf den Boden der Höhle beförderte.

Dann war Zak im Gebäude, wo sich ihm ein weiterer Wächter entgegenstellte … aber dann zu Boden sank.

Zak schlich die gewundene Mauer des Stalaktitenturmes entlang, wobei sein unterkühlter Körper vollständig mit dem Stein verschmolz. Krieger des Hauses DeVir eilten von allen Seiten an ihm vorbei in dem Versuch, irgendeine Art Verteidigung gegen die Masse der Eindringlinge zu formieren, die bereits das untere Stockwerk jeden Gebäudes eingenommen und zwei der Säulen vollständig in ihrer Hand hatten.

Zak kümmerte sich nicht um sie. Er ignorierte den klingenden Ring der Waffen aus Diamantspat, die Befehlskommandos und die Todesschreie, um sich stattdessen auf einen einzigen Klang zu konzentrieren, der ihn zu seiner Bestimmung führen würde: ein einheitlicher wilder Gesang.

Er kam zu einem leeren Gang mit Spinnenschnitzereien, der in die Mitte der Säule führte. Wie in Haus Do’Urden endete der Gang an einer Gruppe reichverzierter Doppeltüren, bei deren Verzierungen spinnenartige Formen überwogen. »Das muss der Ort sein«, murmelte Zak leise und stülpte sich die Kapuze über den Kopf.

Eine riesige Spinne schoss aus ihrem Versteck neben ihm hervor. Zak tauchte unter ihrem Bauch hindurch und vernichtete sie, indem er in einer Rolle herumwirbelte und dabei sein Schwert tief in den knolligen Körper des Ungeheuers stieß. Klebrige Säfte ergossen sich über den Waffenmeister, und die Spinne erschauerte in schnellem Tod.

»Ja«, flüsterte Zak und wischte sich die Säfte der Spinne aus dem Gesicht, »das muss der Ort sein.« Er zog das tote Ungeheuer zurück in sein Versteck, schlüpfte mit hinein und hoffte, dass niemand den kurzen Kampf bemerkt hatte.

Dem Geräusch klingender Waffen entnahm Zak, dass die Kampfhandlungen fast schon dieses Stockwerk erreicht hatten. Das Haus DeVir schien jetzt jedoch seine Verteidigungen formiert zu haben und hielt letztendlich stand.

»Jetzt, Malice«, flüsterte Zak und hoffte, dass Briza, die mit ihm verbunden war, seine Angst spüren würde. »Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!«

 

Im Vorraum der Geistlichen des Hauses Do’Urden fuhren Malice und ihre Untergebenen mit ihrem brutalen geistigen Angriff auf die Priesterinnen des Hauses DeVir fort. Lloth hörte ihre Gebete deutlicher als die der Gegner und verlieh ihrem geistigen Kampf die größere Zauberkraft. Und sie hatten ihren Gegner bereits auf leichte Art in die Defensive gedrängt. Eine der geringeren Priesterinnen aus DeVirs Kreis der Acht war durch Brizas geistige Einflüsterungen vernichtet worden und lag nun, nur wenige Zentimeter von den Füßen der Oberin Ginafae entfernt, tot auf dem Boden.

Aber der Impuls hatte schnell nachgelassen, und der Kampf schien zur Ausgeglichenheit zurückzufinden. Die Oberin Malice, die mit der unmittelbar bevorstehenden Geburt zu kämpfen hatte, konnte ihre Konzentration nicht aufrechterhalten, und ohne ihre Stimme war die Zauberkraft ihres unheiligen Kreises geschwächt.

An der Seite ihrer Mutter drückte die kräftige Briza ihre Hand so fest, dass alles Blut daraus entwich und sie kalt wurde, in den Augen der anderen die einzige kalte Stelle am Körper der sich abmühenden Frau. Briza beobachtete die Kontraktionen und die Krone weißen Haares des erwarteten Kindes und berechnete die Zeit bis zur Geburt. Diese Technik der Umwandlung der Geburtsschmerzen in einen förderlichen Zauber war niemals zuvor versucht worden, ausgenommen in Legenden, und Briza wusste, dass die Zeit der kritische Faktor sein würde.

Sie flüsterte ihrer Mutter einschmeichelnde Worte einer schrecklichen Zauberformel ins Ohr.

Die Oberin Malice wiederholte den Beginn der Zauberformel, setzte ihre Atemzüge in geistige Betätigung und ihre Wut, die aus den heftigen Schmerzen resultierte, in offensive Kraft um.

»Dinnen douward ma brechen tol«, beschwor Briza.

»Dinnen douward … maaa … brechen toll !«, grollte Malice, die so fest entschlossen war, die Schmerzen zu überstehen, dass sie sich ihre dünnen Lippen zerbiss.

Der Kopf des Kindes erschien, war dieses Mal besser zu sehen und blieb auch sichtbar.

Briza zitterte und konnte sich kaum selbst an die Zauberformel erinnern. Sie flüsterte leise die letzten Worte in das Ohr der Oberin und fürchtete fast die Konsequenzen.

Malice sammelte ihren Atem und ihren Mut. Sie konnte das Prickeln des Zaubers ebenso deutlich spüren wie die Geburtsschmerzen.

Ihren Töchtern, die sie umstanden und ungläubig anstarrten, erschien sie als roter Nebel erhitzter Raserei, der Schweißbäche hervorschießen ließ, die so hell waren wie der Hitzedampf kochenden Wassers.

»Abec«, begann die Oberin, die den Druck zu einem Crescendo anwachsen fühlte. »Abec.« Sie spürte die heißen Tränen ihrer Haut, die gleitende Erleichterung, als der Kopf des Kindes austrat, die plötzliche Ekstase der Geburt. »Abec di’n’a’ BREG DOUWARD.« Malice schrie und stieß alle Pein in einer letzten Explosion magischer Kraft von sich, die sogar die Priesterinnen ihres eigenen Hauses zu Fall brachte.

Von der Schubkraft des Triumphes der Oberin Malice getragen, donnerte der Dweomer in die Kapelle des Hauses DeVir, zerschmetterte das aus Edelstein gefertigte Götzenbild der Lloth, verwandelte die Doppeltüren in Berge verkeilten Metalls und warf die Oberin Ginafae und ihre geschlagenen Untergebenen zu Boden. Zak schüttelte ungläubig den Kopf, als die Türen der Kapelle an ihm vorbeiflogen. »Saubere Arbeit, Malice.« Er kicherte und wirbelte über den Zugang in die Kapelle. Unter Mithilfe seiner Infravision verschaffte er sich einen schnellen Überblick und zählte im Geiste die sieben lebenden Bewohner der lichtlosen Räume, die sich mit zerrissener Kleidung alle mühsam aufrichteten. Unter erneutem Kopfschütteln über die unverhüllte Macht der Oberin Malice zog Zak seine Kapuze über das Gesicht. Ein Knallen seiner Peitsche war die einzige Erklärung, die er abgab, als er eine Keramikkugel zu seinen Füßen zerschmetterte. Die Kugel zersprang und gab eine kleinere Kugel frei, die Briza für genau eine solche Gelegenheit verzaubert hatte – eine kleine Kugel, die in hellem Tageslicht erglühte.

Für an Dunkelheit gewöhnte und auf Hitzeausstrahlungen eingestimmte Augen kam die Einwirkung eines solch strahlenden Glanzes einem blendenden, höchst schmerzhaften Blitz gleich. Die Schmerzensschreie der Priesterinnen leiteten Zak bei seinem systematischen Rundgang durch den Raum, und er lächelte jedes Mal zufrieden unter seiner Kapuze, wenn sich sein Schwert in Drowfleisch bohrte.

Auf seinem Weg hörte er den Anfang eines Zauberspruches und wusste, dass sich einer der Krieger des Hauses DeVir gut genug von dem Angriff erholt hatte, um gefährlich werden zu können. Der Waffenmeister benötigte seine Augen jedoch nicht, um sein Ziel zu erkennen, und mit dem Knallen seiner Peitsche wurde der Oberin Ginafae die Zunge aus dem Mund herausgerissen.

 

Briza legte das Neugeborene auf die Rückseite des Spinnengötzenbildes, erhob das Zeremonienschwert und hielt dann inne, um dessen grausame Beschaffenheit zu bewundern. Das Heft war wie ein Spinnenkörper geformt, aus dem acht Beine hervorstanden, und es war so gearbeitet, dass es wie mit einem Belag überzogen wirkte. Gleichzeitig war es aber auch so geformt, dass es als Klinge dienen konnte. Briza erhob die Waffe über die Brust des Kindes. »Gebt dem Kind einen Namen«, beschwor sie ihre Mutter. »Die Spinnenkönigin wird das Opfer erst annehmen, wenn das Kind einen Namen hat.«

Die Oberin Malice wandte den Kopf und versuchte, die Absicht ihrer Tochter zu ergründen. Die Mutter Oberin hatte in dem Moment des Zaubers und der Geburt alles gegeben und war nun beinahe nachgiebig.

»Gebt dem Kind einen Namen!«, befahl Briza in dem eifrigen Bemühen, ihrer hungrigen Göttin Nahrung zu geben.

 

»Es geht dem Ende zu«, sagte Dinin zu seinem Bruder, als sie sich in einem dunklen Vorraum unter einer der kleineren Säulen des Hauses DeVir trafen. »Rizzen erobert das ganze Gebäude, und angeblich ist Zaknafeins finstere Arbeit beendet. «

»Zwei Streiche genügten, um die Krieger des Hauses DeVir zur Aufgabe zu bewegen«, antwortete Nalfein.

»Sie sehen das Ende voraus«, lachte Dinin. »Ein Haus dient ihnen so gut wie ein anderes, und in den Augen der Bürgerlichen ist es kein Haus wert, dafür zu sterben. Unsere Aufgabe wird bald beendet sein.«

»Zu schnell, als dass es jemand bemerken könnte«, sagte Nalfein. »Nun, wo DeVir vernichtet ist, wird Do’Urden Daermon N’a’shezbaernon das Neunte Haus von Menzoberranzan sein.«

»Alarm! «, schrie Dinin plötzlich, und seine Augen weiteten sich in vorgetäuschtem Schrecken, als er seinem Bruder über die Schulter sah.

Nalfein reagierte sofort und wirbelte herum, um der Gefahr entgegenzutreten, und wandte damit der wahren Gefahr den Rücken zu. In dem Moment, als Nalfein die Täuschung bemerkte, bohrte sich Dinins Schwert in sein Rückgrat. Dinin beugte seinen Kopf zu seines Bruders Schulter, presste seine Wange gegen die von Nalfein und beobachtete, wie das rote Funkeln der Hitze aus den Augen seines Bruders entwich.

»Zu schnell, als dass es jemand bemerken könnte«, witzelte Dinin, indem er die vorherigen Worte seines Bruders wiederholte.

Er ließ die leblose Gestalt zu seinen Füßen sinken. »Nun ist Dinin der Älteste des Hauses Do’Urden, und Nalfein ist vernichtet.«

 

»Drizzt«, hauchte die Oberin Malice. »Der Name des Kindes ist Drizzt.«

Briza festigte ihren Griff um das Schwert und begann mit dem Ritual. »Königin der Spinnen, nimm dieses Baby«, begann sie. Sie hob das Schwert zum Schlag. »Drizzt Do’Urden, wir opfern Euch als Entschädigung für unseren glorreichen S…«

»Wartet! «, rief Maya von der Seite des Raums. Ihre Verbindung zu ihrem Bruder Nalfein war plötzlich abgebrochen. Das konnte nur eines bedeuten. »Nalfein ist tot«, verkündete sie. »Das Baby ist nicht mehr der dritte lebende Sohn.«

Vierna sah ihre Schwester neugierig an. Im selben Augenblick, in dem Maya den Tod Nalfeins gespürt hatte, fühlte Vierna, die mit Dinin in Verbindung stand, eine starke gefühlsmäßige Spannung. Freudige Erregung? Vierna legte einen schlanken Finger auf ihre gespitzten Lippen und fragte sich, ob Dinin den Meuchelmord erfolgreich zuwege gebracht hatte.

Briza hielt das spinnenförmige Schwert noch immer über die Brust des Babys in dem Wunsch, es Lloth zu opfern.

»Wir haben der Spinnenkönigin den dritten lebenden Sohn versprochen«, warnte Maya. »Und er wurde ihr gegeben.«

»Aber nicht als Opfer«, argumentierte Briza.

Vierna zuckte unsicher mit den Achseln. »Wenn Lloth Nalfein akzeptiert hat, dann wurde er geopfert. Einen anderen zu opfern könnte den Zorn der Spinnenkönigin erregen.«

»Aber ihr nicht zu geben, was wir ihr versprochen haben, wäre noch schlimmer! «, bekräftigte Briza.

»Dann vollendet die Tat«, sagte Maya.

Briza umklammerte das Schwert fest und begann erneut mit dem Ritual.

»Haltet ein«, befahl die Oberin Malice und stützte sich im Stuhl auf. »Lloth ist zufriedengestellt, unser Sieg ist errungen. Also heißt Euren Bruder, das jüngste Mitglied des Hauses Do’Urden, willkommen.«

»Nur ein Mann«, kommentierte Briza mit offensichtlichem Abscheu und wandte sich von dem Götzenbild und dem Kind ab.