Die Empathie-Tests - Leslie Jamison - E-Book

Die Empathie-Tests E-Book

Leslie Jamison

4,8

Beschreibung

Ist Empathie eine innere Qualität oder etwas, was man sagt und tut, eine Praxis? Hilft sie anderen oder steht sie uns nur gut zu Gesicht? Leslie Jamison schreibt über das Verhältnis von Ärzten und Patienten, über Elendstourismus, über weiblichen Schmerz, und sie stellt dabei die Frage nach den Möglichkeiten und den Grenzen der Einfühlung. Ihre radikal aufrichtigen Texte kombinieren Reportage, Kulturkritik und persönliches Erzählen in der Tradition von Autoren wie Susan Sontag, Joan Didion oder zuletzt David Foster Wallace und John Jeremiah Sullivan. Und während sie Antworten nur provisorisch akzeptiert, als Anlass für immer neue Fragen, führt sie buchstäblich ihren eigenen Körper ins Feld.

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Ist Empathie eine innere Qualität oder etwas, das man sagt und tut, eine Praxis? Eine Zeitlang jobbte Leslie Jamison als Darstellerin von Krankheiten: Medizinstudenten mussten erkennen, woran sie litt, und wurden nach ihren diagnostischen Fähigkeiten beurteilt – unddanach, wie gut sie ihre Einfühlung zum Ausdruck bringen konnten. Doch hilft Empathie wirklich oder steht sie uns nur gut zu Gesicht? Respektiert, wer sich einfühlt, die Grenzen anderer oder missachtet er sie? Leslie Jamison stellt diese Fragen, indem sie über so verschiedene Themen wie den mexikanischen Drogenkrieg oder weiblichen Schmerz schreibt. In der Tradition von Susan Sontag, Joan Didion oder zuletzt David Foster Wallace kombiniert sie Reportage, Kulturkritik und persönliches Erzählen. Und während sie Antworten nur provisorisch akzeptiert, als Anlass für neue Fragen, führt sie buchstäblich ihren eigenen Körper ins Feld.

Hanser Berlin E-Book

LESLIE JAMISON

Die Empathie-Tests

ÜBER EINFÜHLUNG

UND DAS LEIDEN ANDERER

Aus dem Englischen

von Kirsten Riesselmann

Hanser Berlin

Die Originalausgabe erschien 2014

bei Graywolf Press, Minneapolis.

ISBN 978-3-446-25021-5

© 2014 Leslie Jamison

Alle Rechte der deutschen Ausgabe

© Hanser Berlin im Carl Hanser Verlag München 2015

Umschlag: Peter-Andreas Hassiepen, München

Alle Rechte vorbehalten

Satz: Greiner & Reichel, Köln

Unser gesamtes lieferbares Programm

und viele andere Informationen finden Sie unter:

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Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

Für meine Mutter,

Joanne Leslie

Homo sum, humani nil a me alienum puto

Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches,

denke ich, ist mir fremd.

TERENZ, DER SELBSTQUÄLER

INHALT

Die Empathie-Tests

Teufelsköder

La Frontera

Morphologie des Überfalls

Reisen in den Schmerz (I)

     La plata perdida

     Das Erhabene, revidiert

     South Central Sightseeing

Der ewige Horizont

Verteidigung des Süßlichen

Nebelzählung

Reisen in den Schmerz (II)

     Votivbilder

     Servicio supercompleto

     Das gebrochene Herz des James Agee

Lost Boys

Große Universaltheorie über den weiblichen Schmerz

Quellenverzeichnis

Danksagung

Die Empathie-Tests

Ich jobbe als Patienten-Darstellerin. Das heißt: Ich spiele Kranke. Ich bekomme einen Stundenlohn. Medizinstudenten müssen erraten, was ich habe. Ich werde als Normpatientin eingesetzt. Das bedeutet, dass ich mich den Regeln meiner Krankheitsbilder entsprechend verhalte. Im Fachjargon nennt man mich »SP«, Abkürzung für standardized patient. Die Symptome von Schwangerschaftsgestose, Asthma und Blinddarmentzündung kann ich aus dem Effeff. Ich spiele auch eine Mutter, die ein Baby mit blauen Lippen hat.

Konkret funktioniert das so: Man bekommt einen Krankenhauskittel aus Papier, ein Skript und dreizehn Dollar fünfzig die Stunde. Das Skript ist zehn bis zwölf Seiten lang. Darin steht, was mit einem nicht stimmt – und zwar nicht nur, was einem weh tut, sondern auch, wie man diesem Schmerz Ausdruck zu verleihen hat. Es schreibt einem vor, wie viel man wann preisgeben darf. Man soll immer nur nach einem ganz bestimmten Muster antworten. Die fiktiven Leben von uns Simulationspatienten sind detailliert beschrieben: wie alt unsere Kinder sind, welche Krankheiten unsere Eltern haben, wie die Immobilien- und Grafikdesign-Firmen unserer Ehemänner heißen, wie viel wir im vergangenen Jahr abgenommen haben und wie viel Alkohol wir pro Woche trinken.

Meine Spezialität ist der Fall von Stephanie Phillips, einer Dreiundzwanzigjährigen, die an einer sogenannten Konversionsstörung leidet. Die Trauer über den Tod ihres Bruders äußert sich bei ihr in Krampfanfällen. Diese Art von Störung kannte ich vorher nicht. Ich wusste nicht, dass man aus Trauer Zuckungen bekommen kann. Stephanie selbst soll das laut Skript auch nicht wissen. Sie soll noch nicht auf den Gedanken gekommen sein, dass die Anfälle irgendwas mit ihrem Verlust zu tun haben könnten.

STEPHANIE PHILLIPS

Psychiatrie // Materialien für Patienten-Darstellerin

Der Fall: Sie sind dreiundzwanzig Jahre alt und haben ohne erkennbare neurologische Ursache Krampfanfälle. An die Anfälle selbst können Sie sich nicht erinnern, man hat Ihnen aber gesagt, dass Sie währenddessen Schaum vor dem Mund haben und laut Obszönitäten von sich geben. Im Normalfall merken Sie, wenn ein Krampf sich ankündigt. Die Anfälle haben vor zwei Jahren begonnen, kurz nachdem Ihr älterer Bruder unterhalb der Bennington Avenue Bridge ertrunken ist. Er war nach einer Parkplatzparty mit seinen Footballkumpels betrunken schwimmen gegangen. Sie haben beide auf demselben Minigolfplatz gearbeitet. Zurzeit arbeiten Sie gar nicht mehr. Sie haben Angst davor, in aller Öffentlichkeit einen Anfall zu erleiden. Bislang hat Ihnen kein Arzt helfen können. Ihr Bruder hieß Will.

Behandlungsgeschichte: Sie nehmen keinerlei Medikamente. Sie haben noch nie Antidepressiva genommen. Bislang sind Sie nicht davon ausgegangen, dass Sie welche brauchen.

Krankheitsgeschichte: Probleme mit Ihrer Gesundheit sind Ihnen so gut wie unbekannt. Sie hatten noch nie etwas Schlimmeres als einen gebrochenen Arm. Will war dabei, als Sie sich diesen Arm gebrochen haben. Er war derjenige, der den Notarzt gerufen und Sie beruhigt hat, bis die Sanitäter da waren.

Unsere simulierten Sprechstunden finden in drei nebeneinanderliegenden, extra zu diesem Zweck eingerichteten Räumen statt. Jeder Raum ist mit einer Untersuchungsliege und einer Überwachungskamera ausgestattet. Wir prüfen Medizinstudentinnen und -studenten im zweiten und dritten Studienjahr in thematisch wechselnder Folge: in Kinderheilkunde, Chirurgie und Psychiatrie. An einem normalen Testtag müssen die Studierenden drei oder vier »Begegnungen« absolvieren, jede mit einem anderen Schauspieler und einem anders gelagerten Fall.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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