Die ersten 83 Jahre meines Lebens - Klaus-Rainer Martin - E-Book

Die ersten 83 Jahre meines Lebens E-Book

Klaus-Rainer Martin

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Beschreibung

So manche Leserin, mancher Leser mag denken, der Titel des Buches ist sehr vermessen. Doch als Christ glaube ich an das ewige Leben, auch wenn ich nicht weiß, wie sich das gestalten wird, und wie viele Lebensjahre mir hier auf dieser Erde noch geschenkt werden.   Ich tue das nicht, weil ich glaube, dass mein Leben besonders viele berichtenswerte Begebenheiten aufweist, sondern weil ich der Meinung bin, dass jedes Leben berichtenswert ist und nicht in Vergessenheit geraten darf.

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Klaus-Rainer Martin

Die ersten 83 Jahre meines Lebens

eine Autobiographie

Ursula und unseren drei Töchtern Gabriele, Carola und Ulrike und ihren Familien gewidmetBookRix GmbH & Co. KG81371 München

Die ersten 83 Jahre meines Lebens

 

eine Autobiographie

Vorbemerkungen

 So manche Leserin, mancher Leser mag denken, der Titel des Buches ist sehr vermessen. Doch als Christ glaube ich an das ewige Leben, auch wenn ich nicht weiß, wie sich das gestalten wird, und wie viele Lebensjahre mir hier auf dieser Erde noch geschenkt werden. Auch über mein zweites Leben würde ich gerne berichten, doch das ist keinem von uns Menschen möglich.

 

Als junge Menschen in den 1950er Jahren haben wir uns in der Jungen Gemeinde Folgendes erzählt:

 

Zwei Mönche haben sich geschworen, dass der Erste von ihnen, der einmal stirbt, dem anderen im Traum erscheint und ihm berichtet, wie Gott aussieht. Als einer der Mönche auf dem Sterbebett lag, erinnerte ihn der andere an das Versprechen, das sie sich gegenseitig gegeben hatten. Und tatsächlich erschien ihm der gestorbene Mönch im Traum. Aber er sagte zu ihm nur drei Worte und verschwand wieder. Er sagte: „Sie ist schwarz.“

 

Dabei ging es uns damals nicht schon darum, zu artikulieren, was später die Frauenbewegung diskutierte, oder um eine Rassismus-Diskussion, sondern darum, dass wir uns eine völlig falsche Vorstellung von Gott machen.  – Und so, wie wir uns falsche Vorstellungen von Gott machen, mögen auch unsere Vorstellungen vom ewigen Leben nicht zutreffen. Ich glaube nicht naiv daran, dass das ewige Leben eine Fortsetzung unseres Erdendaseins in einer anderen Welt ist, dass man auf einer Wolke sitzt und von dort oben zuschaut, was die Nachkommen so auf der Erde treiben, sondern dass das ewige Leben etwas völlig anderes ist, welches sich unserer Vorstellungskraft entzieht. Viele Menschen, welche nicht an das ewige Leben glauben, argumentieren damit, dass es völlig unvorstellbar sei, dass für die vielen Milliarden Menschen, die seit Beginn der Menschheit verstorben seien, ein Reich Gottes errichtet werden könne. Mein Gegenargument: eine alte Eiche hat bis zu 800.000 Blätter. 125 Bäume haben eine Milliarde Blätter. 400 bis 1000 Bäume stehen je nach Baumarten und Dichte im Wald auf einem Hektar. Man schätzt die Gesamtzahl der Bäume in Deutschland auf etwa 90 Milliarden. So, wie ein riesiger Eichenwald zig Milliarden Blätter oder ein Land zig Milliarden Bäume hat, wird es auch im ewigen Reich Platz für zig Milliarden Seelen geben.

 

Zwar habe ich als jüngerer Mensch oft den Wunsch geäußert, einmal einhundert Jahre alt werden zu wollen, denn ich lebe gerne auf dieser Erde. Doch inzwischen füge ich den Wunsch hinzu, dass ich nicht allein in diesem hohen Alter leben möchte, sondern nur mit Ursula, die dann 92 Jahre alt wäre. Deshalb könnte ich jetzt mit Uĝur Şahin, dem maßgeblichen Entwickler des BioNTech-COVID-19-mRNA-Impfstoffs sagen:

 

Hör auf die Tage zu zählen, sondern sorge dafür, dass die Tage zählen.

 

Zwar hatte der Deutsche Bundestag 1958 ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet, welches der Frau einräumte, ein eigenes Gehaltskonto zu eröffnen. Doch erst 1969 wurde die Frau als geschäftsfähig anerkannt, durfte ihr Vermögen selbst verwalten sowie Kaufverträge und Ratenverträge abschließen. Doch erst seit dem 1. Januar 1977 braucht sie nicht mehr die Genehmigung des Ehemannes, wenn sie einen Arbeitsvertrag abschließt. – Doch mir war das damals alles unbekannt. Ehe und Partnerschaft bedeuteten für mich immer unabhängig von der Gesetzeslage die gleichen Rechte und Pflichten für Mann und Frau. So selbstbewusst habe ich als Kind auch meine Mutter erlebt, die viele Jahre lang alle Entscheidungen allein treffen musste, derweil mein Vater als Soldat und später als Kriegsgefangener nicht bei uns lebte.

 

Politisch bin ich so was wie ein linker Sozialdemokrat, obwohl ich in meinem Leben niemals einer Partei angehört habe, denn ich mache aus dieser Haltung kein Dogma. Mir ist Demokratie wichtig, und dass auch die Meinung Andersdenkender geachtet wird, sofern in deren Meinung nicht die Menschenwürde missachtet wird. Deshalb habe ich immer die Sozialdemokraten gewählt, ohne selbst Parteimitglied zu sein. Nach meiner Auffassung ist es nicht richtig, aus Dingen, welche zur Grundversorgung aller Menschen gehören, wie z.B. Krankenhäuser, privat Gewinn zu erwirtschaften. Deshalb bin ich gegen die Privatisierung vieler Lebensbereiche und rate - spöttisch gemeint - auch dazu, die Bundeswehr zu privatisieren. Dann könnte jeder, der Streit mit seinem Nachbarn hat, sich ein paar Soldaten mieten, welche ihm helfen, den Streit zu schlichten. Konsequenterweise habe ich deshalb auch niemals eine Versicherung abgeschlossen, welche eine Aktiengesellschaft ist und wo Aktionäre aus meinem Beitrag Gewinnanteile bekommen, sondern immer nur mit einem „Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit“.

 

Im Grunde bin ich ein fröhlicher Mensch mit einer optimistischen Grundstimmung. Ich könnte mit Goethe sagen:

 

Vom Vater hab ich die Statur,

des Lebens ernstes Führen,

vom Mütterchen die Frohnatur

und Lust zu fabulieren.

 

Dabei nehme ich mit einer gewissen Traurigkeit wahr, dass meine Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nachlässt, dass ich heute keine einhundert Kilometer mehr laufen kann, sondern bei Strecken, die mehr als fünfhundert Meter betragen, schon auf einen Spazierstock angewiesen bin. Die Fußball-Legende Uwe Seeler sagte nach einem Unfall, Uwe Seeler war aus unerfindlichen Gründen gestürzt, an seinem 85. Geburtstag im Hinblick darauf, dass er seitdem am Stock gehen und mit diesem Handicap künftig leben muss:

 

Altwerden ist nichts für Feiglinge.

 

Die erste Moderatorin der NDR-Talkshow „3 nach 9“ (1974-1982) Dr. Marianne Koch sagte bei ihrem neunzigsten Geburtstag im August 2021:

 

Ich habe noch so viel zu tun, dass ich gar keine Zeit habe, alt zu werden.

 

Von meinen Eltern weiß ich nur die Begebenheiten, die ich mit ihnen direkt erlebt habe, denn sie haben nur sehr wenig von sich erzählt – und schon gar nichts an Schriftlichem für ihre Kinder hinterlassen. Und weil ich auch nicht intensiv nachgefragt habe, ist so manches unbekannt geblieben. Das ist für mich Anlass, einiges aufzuschreiben, damit meine Kinder und Enkelkinder mehr über ihren Vater bzw. Großvater wissen, wenn sie ihm keine Fragen mehr stellen können. Meine Autobiografie in „Soziale Arbeit in Selbstzeugnissen“ Band 2, herausgegeben im November 2002 sowie meine beiden eBooks „Heimerziehung im Wandel der Zeiten“ vom Januar 2016 und „Meine berufspolitischen Aktivitäten“ vom März 2017 beschränken sich lediglich auf den fachlichen Teil meines Daseins. So muss die Beschreibung privater und persönlicher Erlebnisse und Begebenheiten hier einen breiteren Raum einnehmen.

 

Außerdem tue ich nach über 80 Lebensjahren nichts lieber, als über mein Leben zu berichten, welche Menschen mir begegnet sind, wie ich zur Diakonie und zur Sozialen Arbeit gekommen bin, wie meine berufliche Ausbildung, mein Studium und mein beruflicher Weg verlaufen sind, und was mir in meinem beruflichen und persönlichen Leben wichtig war und noch ist. Zugleich ist dieser Bericht der Versuch, Vergangenes noch einmal Revue passieren zu lassen, zu sichten und zu ordnen.

 

In vielem, was ich erlebte, spürte ich Gottes Fügung und Führung. Dennoch wäre es falsch, in fatalistischer Weise nur von Vorherbestimmung zu sprechen. Es gab und gibt in jeder Lebenssituation auch Alternativen, die nach einer eigenen Entscheidung verlangen. Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich mich 1958 als Neunzehnjähriger nicht dazu hätte entschließen müssen, die DDR zu verlassen und in den Westen zu gehen und stattdessen die Konsequenzen in der DDR zu tragen? Schließlich war das meine Entscheidung. Oder was wäre aus meinem Leben geworden, wenn ich mich nicht dazu entschlossen hätte, mein Studium als Bergbau-ingenieur abzubrechen. Welche anderen menschlichen Begegnungen hätten dann mein Leben geprägt? Goethe rief einmal aus:

 

„Es ließe sich alles trefflich schlichten,

könnte man die Dinge zweimal verrichten.“

 

Nein! Alle Entscheidungen, müsste ich sie wieder treffen, würden zum gleichen Ergebnis führen. Nur im Detail gibt es Situationen, in denen ich mich anders verhalten würde. Denn es ist wohl so, wie es der Schweizer Heilpädagoge Emil Kobi in seinem Aufsatz „Zur Unheimlichkeit von Heimen“ ausdrückte:

 

 „Kein Pädagoge verlässt diese Erde schuldlos“.

 

So gibt es in meinem Berufsleben und in meinem Privatleben Situationen und Momente, die ich am liebsten ungeschehen machen möchte, wo ich auf das Verzeihen von Mitmenschen angewiesen war und auf Vergebung meines Schöpfers angewiesen bin. Und Vieles geschah so, wie es der Begründer der SOS-Kinderdorfbewegung Hermann Gmeiner einmal sagte:

 

„Alles Große in unserer Welt geschieht nur,

 weil jemand mehr tut, als er muss.“

 

Und letztlich muss ich noch zugeben, dass das meiste in meinem Leben von mir wie ein besonderes Abenteuer erlebt wurde. So habe ich z.B. als Neunzehnjähriger meine Flucht in den Westen oder 1996 die Schließung des Kinderheimes in Reinfeld nicht vorrangig als etwas Belastendes, sondern als ein besonderes Erlebnis, geradezu als Abenteuer wahrgenommen, gerade so wie einen Einhundert-Kilometer-Lauf, wo man auch bis in den Grenzbereich seiner Leistungsfähigkeit vordringt, das aber als ein besonderes Erlebnis in sich aufnimmt, das einen reicher macht.

 

In diesem Buch will ich meine Kindheit, meine Jugendjahre, die ersten Jahre im Erwachsenenalter, die Jahre meiner beruflichen Tätigkeiten und schließlich meine Tätigkeiten im Rentenalter beschreiben. Dabei macht es mich traurig, dass ich als einziger von uns fünf Jungen noch am Leben bin, und keiner so alt geworden ist wie ich.

 

Ich tue das nicht, weil ich glaube, dass mein Leben besonders viele berichtenswerte Begebenheiten aufweist, sondern weil ich der Meinung bin, dass jedes Leben berichtenswert ist und nicht in Vergessenheit geraten darf.

 

Klein Wesenberg, im Januar 2022

 

 

I. Meine Kindheit und Jugendzeit