Schlaglichter aus dem Leben (Band 3) - Klaus-Rainer Martin - E-Book

Schlaglichter aus dem Leben (Band 3) E-Book

Klaus-Rainer Martin

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In der Zeit von November 2015 bis November 2023 habe ich insgesamt 75 Kurzgeschichten als eBook geschrieben. Doch davon wurden von den Online-Buchshops nur 29 gelistet und erhielten eine ISBN, denn 46 Kurzgeschichten hatten weniger als 2.000 Worte. Doch die Buchshops listen solche Kurzgeschichten nicht. Und Amazon hat alle 75 Kurzgeschichten nicht ins Programm aufgenommen, da ich sie alle kostenlos ins Netz gestellt hatte. Amazon nimmt nur Produkte ins Programm auf, wo eine Gewinnbeteiligung möglich ist. So konnten nur die User des eBook-Verlages BookRix, München, auch diese Kurzgeschichten lesen, da ich sie dort veröffentlicht habe. Um alle Kurzgeschichten aber auch denen zugänglich zu machen, die keine eBooks bei BookRix lesen, sondern lieber ein Buch in der Hand halten, habe ich mich im April 2021 dazu entschlossen, 25 Kurzgeschichten in einem ersten Sammelband, im Juni 2021 weitere 25 Kurzgeschichten in einem zweiten Sammelband und im Dezember 2023 weitere 25 Kurzgeschichten in einem dritten Sammelband zu veröffentlichen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 134

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Klaus-Rainer Martin

Schlaglichter

aus dem Leben

(Band 3)

25 Kurzgeschichten

von November 2021

bis November 2023

Impressum

veröffentlicht im Dezember 2023

Text: © Copyright by Klaus-Rainer Martin

Umschlaggestaltung: © Copyright by Klaus-Rainer Martin

Verlag:

Klaus-Rainer Martin

Barkhorst 3

23860 Klein Wesenberg

[email protected]

www.epubli.com/autoren/klaus-rainer-martin

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Inhaltsangabe

Vorbemerkungen

1. Herrn Rühlkes grauer Rohrstock

2. Bestrafung

3. Knatsch um das Gedicht

von den schlesischen Webern

4. Erlebnis am Feldrand

5. Die vermeintliche „Grüne Minna“

6. Infiziert mit dem Corona-Virus

7. Klinovec

8. Der Alb-Donau-Walking-Marathon

9. Pädagoge / Pädagogik

10. Als RAF-Terrorist verdächtigt

11. Pilze sammeln mit Opa

12. Mein verändertes Weltbild

13. Wandern mit Kindern und Jugendlichen

14. Zugeständnisse

15. Die Standhaftigkeit meiner Mutter

16. Mein Onkel Emil

17. Mein Cousin Franz

18. Meine beiden älteren Brüder

19. Meine Großeltern mütterlicherseits

20. Ursula

21. Mein erstes Auto

22. Geht „Die Mundorgel“ mit der Zeit?

23. Die Geburtstage unserer Enkelkinder

24. Laufen: Hobby oder Sucht?

25. Günter

Über den Autor

Weitere Veröffentlichungen des Autors

Vorbemerkungen

In der Zeit von November 2015 bis November 2023 habe ich insgesamt 75 Kurzgeschichten als eBook geschrieben. Doch davon wurden von den Online-Buchshops nur 29 gelistet und erhielten eine ISBN, denn 46 Kurzgeschichten hatten weniger als 2.000 Worte. Doch die Buchshops listen solche Kurzgeschichten nicht. Und Amazon hat alle 75 Kurzgeschichten nicht ins Programm aufgenommen, da ich sie alle kostenlos ins Netz gestellt hatte. Amazon nimmt nur Produkte ins Programm auf, wo eine Gewinnbeteiligung möglich ist. So konnten nur die User des eBook-Verlages BookRix München, auch diese Kurzgeschichten lesen, da ich sie dort veröffentlicht habe. Um alle Kurzgeschichten aber auch denen zugänglich zu machen, die keine eBooks bei BookRix lesen, sondern lieber ein Buch in der Hand halten, habe ich mich im April 2021 dazu entschlossen, 25 Kurzgeschichten in einem ersten Sammelband, im Juni 2021 weitere 25 Kurzgeschichten in einem zweiten Sammelband und im Dezember 2023 weitere 25 Kurzgeschichten in einem dritten Sammelband zu veröffentlichen.

Diese insgesamt 75 Kurzgeschichten sind sowohl in ihrem Inhalt als auch in ihrer Länge und im Schreibstil sehr unterschiedlich. Für die meisten von ihnen kam die Anregung dazu von Schreibwettbewerben der Gruppe „Biografisches“ des BookRix-Verlages München, andere entstammen meiner Phantasie oder meinem Erleben.

Klein Wesenberg, im Dezember 2023

1. Herrn Rühlkes grauer Rohrstock

veröffentlicht im November 2021

als kostenloses eBook nur über www.bookrix.de erhältlich

2. Platz beim 126. Dear Diary Schreibwettbewerb des BookRix-Verlages München im November 2021 zum Thema „Farben des Lebens – grau“

Als ich 1944 zur Schule kam, war das Schlagen mit einem Rohrstock als Erziehungsmaßnahme noch erlaubt. Und unser Klassenlehrer Herr Rühlke machte davon regen Gebrauch. Er war mit seinem Schicksal sehr unzufrieden und ließ seinen Seelenzustand an uns Kindern aus. Als Soldat an der Ostfront hatte er seinen rechten Arm verloren, „für den Führer geopfert“, wie er dazu sagte, und musste deshalb wieder in seinem Ursprungsberuf als Lehrer arbeiten, obwohl er viel lieber Soldat an der Front geblieben wäre.

Wenn er bei seinen langen Vorträgen durch die Bankreihen im Klassenzimmer schritt, tat er das stets mit seinem Rohrstock in seiner linken Hand. Offenbar hatte er ihn schon viele Jahre in Gebrauch, denn er sah grau aus. Damit schlug er häufig völlig grundlos auf die Schultische, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Und bei jeder Kleinigkeit, die ihm nicht passte, mussten wir eine oder beide Hände vorhalten, und er schlug mit dem Rohrstock auf die ausgestreckten Finger. Nach jeder „Missetat“, wie z.B. etwas dem Nachbarn zuflüstern, verkündete er, mit wie vielen Schlägen sie geahndet wird. Der „Missetäter“ musste dann laut mitzählen, wie oft der Rohrstock auf die ausgestreckten Finger niederprasselte. Stöhnen oder gar Weinen war untersagt, denn „ein deutscher Mann weint nicht“, war seine Redensart.

Noch schlimmer war es, wenn die „Missetat“ in seinen Augen so gravierend war, wie etwa Abschreiben beim Nachbarn, dass Schläge auf das Hinterteil als Urteil verkündet wurden. Dann musste sich der kindliche Missetäter über einen Schultisch beugen, und Herr Rühlke schlug auf den so gebeugten Rücken und das Hinterteil.

Um die Schmerzen etwas abzumildern, trugen viele von uns zu Beginn des Schuljahres Lederhosen. Aber Herrn Rühlke veranlasste das dazu, den armen Teufel, der eine Tracht mit dem Rohrstock bekommen sollte, zu befehlen, seine Hose runterzulassen und sich nur mit der Unterhose bekleidet über den Schultisch zu beugen. Dann spürte man die Schläge noch heftiger als mit einer Stoffhose. Und es war zudem peinlich, vor der ganzen Klasse seine Hose runterzulassen und in Unterhose dazustehen.

Als Herr Rühlke einmal seinen Rohrstock beim Klingeln zum Ende der Stunde auf dem Lehrerpult liegenließ, als er ins Lehrerzimmer ging, schnappte sich Kurt den Rohrstock und rieb diesen mit Zwiebelsaft ein, welchen er immer in einem kleinen Fläschlein bei sich trug, da er auf diese Gelegenheit viele Tage gewartet hatte. Das Ergebnis war in der darauffolgenden Stunde sichtbar: Als Herr Rühlke bei seinem Vortrag wieder durch die Bankreihen schritt und dabei mit seinem Rohrstock auf einen Schultisch schlug, zersplitterte der Rohrstock. Sein Ende bestand nur noch aus Fasern, welche jeden Zusammenhalt untereinander verloren hatten. – Von da an achtete Herr Rühlke sehr darauf, seinen neuen Rohrstock, den er schon tags darauf mitbrachte, er hatte offenbar immer einige zu Hause als Reserve, nie mehr im Klassenzimmer liegen zu lassen. – Was uns wunderte: er hat nie danach geforscht, wer ihm diesen Streich gespielt hatte, - und wir schwiegen eisern.

Herr Rühlke trug an seinem rechten, kurz unterhalb des Armgelenks amputierten Arm eine Prothese mit einer nachgebildeten und mit einem Lederhandschuh bezogenen Hand. Einmal führte er uns seine zweite Prothese vor. Diese hatte am Ende keine künstliche Hand, sondern einen großen runden Haken. Die Rundung war so groß, dass er dort den Stil eines Besens oder einer Harke durchschieben konnte, welche er dann mit der anderen Hand betätigen konnte. So konnte er leichtere Arbeiten verrichten. Er nannte diese Prothese seine „Arbeitsprothese“. Das regte den malerisch begabten Klaus dazu an, in der Pause an die Tafel vorn im Klassenzimmer eine Prothese zu malen, an deren Ende ein Rohrstock befestigt war. Darunter schrieb er in Druckbuchstaben „Lehrerprothese“. – Herr Rühlke befahl zu Beginn der nächsten Stunde dem Klassensprecher, die Tafel abzuwischen und machte keinen Versuch, den Zeichner ausfindig zu machen, um ihn zu bestrafen.

Einmal kam Werner auf eine sehr originelle Idee. Er gehörte zu den Kindern, die sich am häufigsten über einen Tisch beugen mussten, um Schläge aufs Hinterteil entgegenzunehmen. Werner war der Sohn eines Schlachtermeisters. Die Schlachterei wurde während des Krieges von seiner Mutter und einem noch minderjährigen Lehrling weitergeführt. Eines Tages brachte Werner eine Blase, gefüllt mit Schweineblut, mit in die Klasse. Diese band er sich ins Hinterteil seiner Hose. Natürlich musste er sich auch an diesem Tag, ohne dass sich Werner besonders bemühen musste, wie an den meisten Tagen zuvor seine Schläge mit dem Rohrstock, gebeugt über einen Schultisch, abholen. Doch diesmal verlief alles ganz anders. Als Herr Rühlke zum vierten oder fünften Mal mit dem Rohrstock auf Werners Hinterteil einschlug, zerplatzte die Blase und das Blut rann in Strömen an Werners Beinen herunter. Herr Rühlke bekam einen furchtbaren Schrecken und alle Jungen der Klasse brüllten vor Entsetzen. Herr Rühlke hielt sofort inne, auf Werner mit dem Rohrstock einzuschlagen. Sein Angebot an Werner, die Wunde zu versorgen, wurde von Werner vehement abgelehnt, - wäre doch dann der ganze Schwindel aufgeflogen. Aber Herr Rühlke ließ Werner nach Hause gehen. Schon nach einiger Zeit kam Werner frisch gewaschen und umgezogen zurück in die Klasse und meinte zu Herrn Rühlke, er habe seine Mutter überzeugt, keine Anzeige zu erstatten und Stillschweigen über diesen Vorfall zu wahren.

Von diesem Tag an schlug Herr Rühlke mit seinem Rohrstock nicht mehr auf die über Schultische gebeugten Hinterteile seiner Schüler, sondern nur noch auf ausgestreckte Finger.

2. Bestrafung

- eingesperrt im Keller

veröffentlicht im Januar 2022

als kostenloses eBook nur über www.bookrix.de erhältlich

3. Platz beim 128. Dear Diary Schreibwettbewerb des BookRix-Verlages München im Januar 2022 zum Thema „Orte von A – Z (A oder B)“

Das Häuschen meiner Großeltern mütterlicherseits, in welchem auch wir wohnten, stand in einem kleinen Erzgebirgsstädtchen an einem Berg. Das Haus hatte sogar einen Keller. Dieser war aber nicht als die unterste Etage des Hauses angelegt, sondern wie eine Höhle in den Fels, auf dem das Haus stand, hineingehauen worden. Um in den Keller zu gelangen, musste man im Flur des Hauses eine schwere Falltür hochklappen. Dann führte eine steile Steintreppe hinab in den Keller. Auf halber Höhe der Treppe waren links und rechts kleine Abseiten in den Fels gehauen, in welche immer die Sachen hineingestellt wurden, welche kurzzeitig kühl lagern sollten, da man sie schon bald wieder benötigte, wie beispielsweise ein Krug Milch oder soeben gekaufter Fisch. Die beiden Abseiten waren so was, wie der heutige Kühlschrank.

Unten im Keller befanden sich links und rechts Boxen, wo im Herbst die Kartoffeln „eingekellert“ wurden, damit sie über den Winter bis zur nächsten Ernte im kommenden Herbst im essbaren Zustand blieben. Außerdem befanden sich links und rechts über den Kartoffelboxen Regale. Dort wurden die Einweckgläser mit eingekochtem Obst und Gemüse gelagert, welche im Laufe eines Jahres nach und nach verzehrt wurden.

Der Keller hatte kein Fenster, sondern nur ein kleines Luftloch nach draußen, welches im Winter mit alten Lappen verstopft wurde, um die Kartoffeln vor dem eindringenden Frost des strengen erzgebirgischen Winters zu schützen. So hatte der Keller im Sommer wie im Winter die gleiche kühle, aber nie frostige Temperatur. – Und es war im Keller nicht nur dunkel, sondern finster.

Erst im Herbst 1944 wurde das kleine Luftloch zu einem Kellerfenster vergrößert. Damit wurde möglich, den Keller bei Fliegeralarm auch als „Luftschutzraum“ zu nutzen, und falls die Falltür durch die Trümmer des bombardierten Hauses nicht mehr zu öffnen war, durch das Kellerfenster nach draußen zu kriechen. Und damit sich auch andere Menschen, die gerade bei Fliegeralarm auf der Straße waren, in den Luftschutzraum flüchten konnten, musste draußen am Haus mit weißer Farbe groß und gut sichtbar „LSR“ an die Hauswand gemalt werden. Das war damals Vorschrift.

Als der Keller noch kein Fenster hatte und ganz finster war, ich muss damals etwa fünf Jahre alt gewesen sein, hatte ich folgendes Erlebnis:

Mein Großvater hatte als Schuster immer Leim, von uns als „Kleister“ bezeichnet, in seiner Werkstatt. Ich war dabei, mir aus Pappe etwas zu bauen. Dabei ging mir der Kleister aus. Deshalb schlich ich mich am Abend, als Opa schon Feierabend gemacht hatte, in seine Werkstatt, um ein wenig von seinem Kleister zu stibitzen. Dabei wurde ich von unserer Mutter erwischt. Diebstahl galt in unserer Familie als ein sehr schlimmes Verbrechen. So musste auch die Strafe entsprechend drastisch sein. Meine Mutter packte mich, zog mich aus der Werkstatt in den Flur, öffnete dort die schwere Falltür zum Keller, schob mich die Kellertreppe hinab und klappte die Falltür über mir wieder zu. Dabei sagte sie, obwohl sie sonst nie Bibelsprüche zitierte: „Wen Gott liebhat, den züchtigt er.“ Ich dachte: Dann möchte ich lieber nicht von Gott geliebt werden. Und was hat Gott eigentlich damit zu tun, dass man ein wenig Kleister stibitzt?

Nun war ich in dem stockfinsteren Keller. Ein Entkommen wäre nur möglich gewesen, wenn ich stark genug gewesen wäre, die schwere Falltür von innen nach oben zu drücken.

Einige Zeit blieb ich auf der Kellertreppe sitzen und lauschte in der Hoffnung, dass meine Mutter schon nach kurzer Zeit die schwere Falltür wieder öffnen würde, um mich herauszuholen. Doch als nichts geschah, fügte ich mich meinem Schicksal und tastete mich hinab in den Keller. Dort ertastete ich ein paar leere Kartoffelsäcke. Aus diesen bereitete ich mir ein Lager und legte mich, da es schon auf die Schlafenszeit zuging, zum Schlafen nieder. Und um in dem kühlen und finsteren Keller nicht zu frieren, deckte ich mich mit einem Kartoffelsack zu. Schon bald schlief ich fest ein.

Als meine Mutter nach etwa einer Stunde in den Keller kam, war sie enttäuscht, dass sie mich im Keller nicht schreien hörte. Diesen Triumpf wollte ich ihr nicht gönnen. Es war ganz still. Das ließ ihr keine Ruhe. Deshalb öffnete sie die Falltür. Da sie mich nicht auf der Treppe antraf, stieg sie mit einer Laterne hinab in den Keller, um nach mir zu suchen. Sie befürchtete Schlimmes. Doch ich schlief so fest, dass ich sie gar nicht kommen hörte. Als sie mich schlafen sah und ich offenbar unversehrt war, war sie erleichtert. Sie weckte mich, ich durfte den Keller wieder verlassen und gemeinsam mit meinen Geschwistern zu Abend essen.

Zwar hat die drastische „Erziehungsmaßnahme“ bei mir keinen bleibenden seelischen Schaden hinterlassen und auch die Beziehung zu meiner Mutter nicht beeinträchtigt, doch wenn irgendwo Kleister, Klebstoff, gebraucht wird, fällt mir meine „Dunkelhaft“ wieder ein, und als Pädagoge gehörte Einsperren nie zum Repertoire meiner Erziehungsmaßnahmen.

3. Knatsch um das Gedicht

von den schlesischen Webern

veröffentlicht im Februar 2022

als kostenloses eBook nur über www.bookrix.de erhältlich

Das Christentum im Erzgebirge ist sehr stark vom Pietismus geprägt. Der Pietismus ist nach Wikipedia eine „theologisch und sozial konservative Bewegung“, ist eine „evangelikale Bewegung“ mit eigenen Gruppierungen innerhalb der evangelischen Kirche, wie beispielsweise die „Landeskirchliche Gemeinschaft“, da ihnen die Landeskirchen nicht fromm genug sind. Diese konservative Haltung wird sichtbar in Ablehnung des vorehelichen Geschlechtsverkehrs, der Ablehnung von Abtreibungen, die Frauen dürfen keine Frisuren mit kurzen Haaren haben und sie dürfen keine langen Hosen anziehen. Das Wichtigste aber: Jeder Zweifel am Wort Gottes ist verpönt. Die Sätze in der Bibel sind wörtlich zu nehmen. Jedes Mitglied muss den Tag und die Umstände seiner „Bekehrung“ benennen können. Und in vielen Fragen des täglichen Lebens ist man intolerant, denn man ist ja der alleinige Besitzer der Wahrheit.

In dieser Atmosphäre wuchs ich auf. Und weil ich damals nichts anderes kannte, war das für mich normal. Heute weiß ich, dass das die Grundlagen dafür sind, beispielsweise als Christ bei Pegida mitzumarschieren oder AfD zu wählen.

Im Schulunterricht behandelten wir den Dichter jüdischer Abstammung Heinrich Heine. Er lebte von 1797 bis 1856. Das von ihm gedichtete sehr bekannte Volkslied von der Loreley („Ich weiß nicht, was soll das bedeuten, …“) wurde in der Nazizeit in den Lesebüchern mit „Dichter unbekannt“ abgedruckt, da man es nicht aus ihnen verbannen konnte. Wir behandelten im Unterricht sehr intensiv sein Gedicht über den Aufstand der schlesischen Weber und mussten es auch auswendig lernen:

Im düsteren Auge keine Träne.

Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne.

Deutschland, wir weben dein Leichentuch.

Wir weben hinein den dreifachen Fluch.

Wir weben, wir weben.

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten

in Winterkälte und Hungersnöten.

Wir haben vergebens gehofft und geharrt,

er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt.

Wir weben, wir weben.

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,

den unser Elend nicht konnte erweichen,

der den letzten Groschen von uns erpresst

und uns wie Hunde erschießen lässt.

Wir weben, wir weben.

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,

wo nur gedeihen Schmach und Schande,

wo jede Blume früh geknickt,

wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt.

Wir weben, wir weben.

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht.

Wir weben emsig Tag und Nacht.

Altdeutschland wir weben dein Leichentuch.

Wir weben hinein den dreifachen Fluch.

Wir weben, wir weben.

Vier Kinder unserer Klasse weigerten sich, die Strophe „Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten …“ aufzusagen, weil unsere Eltern das so wollten. Der Konflikt in der Klasse eskalierte derart, dass der Lehrer nur die Möglichkeit sah, diesen Konflikt auf einem Elternabend zu lösen. Das Ergebnis am Tag nach dem Elternabend: Wir brauchten die Strophe nicht aufzusagen und erhielten auch keinen Eintrag ins Klassenbuch. Die pietistisch gesinnten Eltern hatten sich im kommunistisch-atheistischen Schulsystem der DDR mit ihrer Auffassung durchgesetzt.

Aber eigenartigerweise kann ich heute, über siebzig Jahre nach dieser Begebenheit ausgerechnet die Strophe „Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten …“ noch auswendig, die ich damals nicht aufsagen durfte, während ich den Text der anderen Strophen nachlesen muss.

4. Erlebnis am Feldrand

- Tunkei und Brockei

veröffentlicht im März 2022

als kostenloses eBook nur über www.bookrix.de erhältlich

3. Platz beim 130. Dear Diary Schreibwettbewerb des BookRix-Verlages München im März 2022 zum Thema „Orte von A – Z (E oder F)“