Die Fahrt der Deutschland - Paul König - E-Book

Die Fahrt der Deutschland E-Book

Paul König

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Beschreibung

Ein packender Tatsachenbericht über das erste deutsche Unterwasser-Frachtschiff. Eine Reise nach Amerika, während des 1. Weltkrieges. Die erste Fahrt des Unterseefrachtschiffes "Deutschland" wurde von dessen Kapitän Paul König dokumentiert und aufgezeichnet. "U-Deutschland" gehört neben "U-Bremen" zu den beiden einzigen Handels-U-Booten weltweit. Lebendig und anschaulich beschrieben erlebt der Leser die Geschehnisse während der Fahrt.

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PAUL KÖNIG

Nach einer am 9. Juli 1916 in Baltimore genommenen Fotografie

Die Fahrt der Deutschland

Das erste Untersee-Frachtschiff

von

Kapitän Paul König

______

Erstmals erschienen bei:

Hearst’s International Library Co., New York, 1916

__________

Vollständig überarbeitete Ausgabe.

Ungekürzte Fassung.

© 2017 Klarwelt-Verlag

ISBN: 978-3-96559-071-7

www.klarweltverlag.de

 

 

„Zum Kämpfen und Streiten man rufet Euch nicht,

Zum friedlichen Handel führt Euch die Pflicht,

Glück auf denn! Gott mit Euch, er segne die Fahrt,

Seid wacker und mutig nach echt deutscher Art;

Dass wieder ihr kehrt in die Heimat zurück,

Ganz Deutschland Euch wünschet herzinniglich Glück!“

 

Heinrich, Prinz von Preußen.

 

Herrn Kapitän König

Dem Führer des ersten

Deutschen Handels-U-Bootes

Inhaltsverzeichnis

 

Titel

Vorwort

I. Wie wir zu „U-Deutschland“ kamen und wie „U-Deutschland“ mich bekam

II. Erprobung und Ausfahrt

III. Der erste Tag in See

IV. Die U-Boot-Falle

V. Ein Kopfstand in der Nordsee

VI. Hinaus ins Freie

VII. Im Atlantik

VIII. Die Hölle

IX. Amerika

X. Baltimore

XI. Die Abfahrt von Baltimore

XII. Der Durchbruch

XIII. Die Heimfahrt

XIV. Die Ankunft in der Heimat

XV. Der Empfang von „U-Deutschland“ durch das deutsche Volk

Vorwort

Die Fahrt des Handels-Unterseebootes „Deutschland“ hat lange genug die öffentliche Meinung der Alten und Neuen Welt in Spannung gehalten. Die wildesten Gerüchte über unsere Fahrt und unser Schicksal sind in einer ganzen Reihe von Zeitungen aufgetaucht, der schönen Phantasien gar nicht zu gedenken, in denen die Engländer soundso oft meldeten, dass wir gestrandet oder versenkt oder gar in Frachtkollis verpackt nach Amerika versandt seien. Wie haben wir uns auf See gefreut, wenn unser F.-Telegraphist wieder einmal so eine recht fette englische Ente aus der Luft aufgefangen hatte! Mit desto größerem Vergnügen gehe ich jetzt daran, eine Schilderung von unserer märchenhaften Fahrt und ihren Abenteuern zu geben.

Ach, und sie war ja gar nicht so märchenhaft, diese Fahrt, das durfte sie eigentlich gar nicht sein. Auch den Abenteuern sind wir nach Möglichkeit recht weit aus dem Wege gegangen.

Man erwarte sich darum in diesem kleinen Buch keine Reihe von spannenden Erlebnissen, wie sie in den Schilderungen der Fahrten von Frontbooten stehen. Unsere Aufgabe war ja, möglichst glatt und ohne Zwischenfälle unsere wertvolle Fracht nach Amerika zu bringen, die englische Blockade zum Besten zu haben und mit ebenso wertvoller Ladung wieder sicher zurückzukommen. Das haben wir erreicht, und das soll hier geschildert werden.

Wenn es schließlich dabei doch nicht immer so ganz glatt abgegangen ist, wenn es gelegentlich doch verteufelt „Dicke Luft“ gab und manches gar nicht sehr Programmmäßige passierte, so verdanken meine Leser diese kleinen spannenden Beigaben den liebenswürdigen Bemühungen der Engländer. Unsere Fahrt freilich haben sie trotz alledem nicht zu hindern vermocht, aber sie haben es doch dahin gebracht, dass die Schilderung der Fahrt wesentlich abwechslungsreicher und unterhaltender werden kann. Es wäre undankbar, das nicht anzuerkennen.

Einen besonderen Dank aber will ich hier noch meinen beiden Wachoffizieren, Krapohl und Eyring, aussprechen. Die Aufzeichnungen dieser beiden Herren ergänzten meine Darstellung in vielen Punkten. Man kann nicht immer auf dem Turm — fast hätte ich in alter Gewohnheit „Brücke“ gesagt — stehen, und sechs Augen sehen mehr als zwei. Sehen muss man aber auf dem U-Boot vor allem. Eine ganze Reihe der hier erzählten Vorfälle entstammt den Beobachtungen meiner Offiziere. Wie sie auf der Fahrt meine getreuen, nie ermüdenden Gefährten waren, so sind sie auch für die Schilderung der Fahrt meine Mitarbeiter geworden. Darum danke ich. ihnen noch mehr als den Engländern. Und meine Leser wohl auch.

 

Der Verfasser

 

I. Wie wir zu „U-Deutschland“ kamen und wie „U-Deutschland“ mich bekam

Wie wir zu „U-Deutschland“ kamen? Das wäre eine lange Geschichte. Die muss ich Berufeneren zu erzählen überlassen. Das Wichtigste davon ist in den Reden gesagt, die nach der Rückkehr der „Deutschland“ im Bremer Rathaus das welthistorische Geschehnis feierten, und die man bei der Schilderung unseres Empfangs am Ende dieses Buches lesen wird.

Für mich ist der Gedanke, Unterwasser-Frachtschiffe für lange Fahrt zu bauen, der Ausdruck des Willens im deutschen Volke, die englische Blockade unserer und Amerikas Küsten sowie die völlige Absperrung unserer rechtmäßigen Handelszufuhr zu vereiteln. Hanseatischer Unternehmungsgeist, das technische Ingenium des deutschen Schiffbaues und die Leistungsfähigkeit einer unserer größten Werften haben sich vereint, um der englischen Willkür zur See den größten Schlag zu versetzen, seit der Union Jack über den Wogen flattert.

Es lässt sich heute noch gar nicht übersehen, welche Veränderungen und Umwälzungen der Bau und Betrieb von Unterwasser-Frachtschiffen zur Folge haben wird. Es ist möglich, dass das ganze Seekriegswesen sich umgestaltet, dass neue völkerrechtliche Begriffe und Bestimmungen geschaffen werden, und dass damit Verschiebungen in den Marktverhältnissen der Welt entstehen werden, die das Leben der Völker einschneidender beeinflussen können, als selbst der gegenwärtige Weltkrieg es vermag. Es sieht aus, als stünde die Menschheit vor einer neuen Epoche ihrer Geschichte.

Wir können stolz darauf sein, dass es ein deutsches Boot war, das diese Epoche eingeleitet hat. Was will es dagegen besagen, dass kanadische Kriegsboote schon vor uns den Atlantik gekreuzt haben! Sie fuhren in Gesellschaft, fuhren stets ausgetaucht und in Begleitung von Torpedobooten, Kreuzern und Hilfsschiffen; sie fuhren auch insofern unter anderen, günstigeren Bedingungen als ein Handels-Unterseeboot, da sie nur Proviant und Munition und außer ihrer Bewaffnung keine tote Last hatten; vor allem aber konnten sie sich im Notfall verteidigen. Die einzige Verteidigung des Unterwasser-Frachtschiffes aber besteht im Wegtauchen. Und auch das kann man mit solch einem großen, fast zweitausend Tonnen fassenden Schiff nicht überall.

Ich sah mich also mit dem Auftrag, „U-Deutschland“ nach Amerika zu bringen, vor eine ganz neue und eigenartige Aufgabe gestellt, die mir auch neu gewesen wäre, wenn ich nicht ein alter Lloyd-Kapitän und „Dicker Dampfer“-Führer, sondern ein junger Frontboot-Kommandant gewesen wäre.

Aber dafür muss ich noch erzählen, wie „U-Deutschland“ mich bekam.

Es ging recht schnell und überraschend dabei zu.

Ich war Mitte September 1915 in Berlin, in irgendwelchen Geschäften. Meine brave „Schleswig“ hatte ich ja schon lange verlassen müssen, aber der Norddeutsche Lloyd wusste wohl um meinen Aufenthaltsort. Da finde ich eines Abends im Hotel eine Nachricht vor, die mich, sobald ich könne, zu einem Besuch im Adlon bei Herrn Lohmann aus Bremen aufforderte.

Ich war überrascht. Ich wusste wohl, wer der Chef des bekannten Bremer Hauses war, kannte Herrn Lohmann auch persönlich von früher her aus Sydney, wo das Haus die Agentur des Lloyd hatte.

Was wollte Herr Lohmann aber jetzt von mir, jetzt im Weltkriege, während die „Deutsche Schifffahrt von allen Meeren gefegt“ war, wie man täglich in englischen Zeitungen lesen konnte. Eine deutsche Linie nach den Straits und Australien ließ sich zurzeit nicht gut in Betrieb nehmen. Und in der Ostsee hatte die Firma doch keine Handelsbeziehungen! Was will man jetzt von einem alten Ostasien-, Amerika- und Mittelmeerfahrer?

So überlegte ich hin und her, während ich mich nach dem Adlon auf den Weg machte.

Herr Lohmann, begrüßte mich sehr freundlich. Er machte nicht viel Umschweife; er erwähnte die schönen Tage in Sydney, fragte mich, ob mir das stille Herumsitzen an Land wohl behage und ob ich nicht wieder auf „Große Fahrt“ gehen wolle.

Was soll ein alter Handelskapitän da viel sagen, der sein Schiff im halben Feindesland hat verlassen müssen und an Land wie ein Wrack herumliegt, während vor dem Kanal und an den Shetlands die verdammten englischen Kreuzer lauern und vier Meilen von New York selbst die amerikanische Post von den neutralen Schiffen heruntergeholt wird . . . ? Ich zuckte die Achseln und schwieg. Da kam es heraus. Herr Lohmann sagte mir geradezu, dass er sich mit dem Gedanken trüge, eine Linie mit Unterwasser-Handelsschiffen nach Amerika einzurichten, und fragte mich, ob ich gewillt wäre, das erste Boot zu führen. Die erste Fahrt sollte nach Newport-News gehen. Ich hatte doch von meinen Fahrten auf den Schiffen der Baltimore-Linie des Norddeutschen Lloyd her Kenntnis von den Gewässern und Tiefenverhältnissen vor der Chesapeake-Bay; ob ich mich imstande glaubte, solch ein Fracht-Unterseeboot sicher über den Atlantik zu bringen, wenn die Sache wirklich abkäme.

Das gab mir einen Riss.

Ich bin niemals ein Freund von langem Hinundherreden gewesen, und so sagte ich sofort „ja.“ Das war doch mal etwas, wo sich ein Kerl, der über fünfundvierzig Jahre alt war, in diesem Krieg der „Schwarzen Listen“ und des täglichen Postraubs noch betätigen konnte.

„Herr Lohmann“, sagte ich, „Wenn die Sache wirklich abkommt, dann haben Sie mich.“

Und die „Sache kam wirklich ab.“

Es waren noch keine zwei Monate vergangen, als mich ein Telegramm nach Bremen zu einer wichtigen Unterredung rief. Da sah ich denn auch Risse, Pläne, Skizzen und Konstruktionszeichnungen, dass mir fast die Augen übergingen. Und als ich dann nach weiteren vier Monaten, die ich wahrhaftig nicht ungenützt verstreichen ließ, nach Kiel fuhr, da baute sich drüben in Gaarden auf einer Helling ein seltsames Stahlgebilde vor mir auf. Rundlich, behäbig und ganz harmlos lag es da und barg doch in seinem Innern all das Vielfältige, Überwältigende, Komplizierte jener Zeichnungen und Risse; ich kann nicht sagen, dass die ausgeführte Wirklichkeit zunächst etwas leichter verständlich und fassbar gemacht hätte, was auf dem blauen Papier mit dem unendlichen Netz von Strichen und Linien Sinn und Auge bedrückt und verwirrt hatte. Meine Leser, die einmal in illustrierten Blättern Aufnahmen vom Innern der „Zentrale“ oder des „Turms“ eines U-Bootes gesehen haben, werden das verstehen; und wenn sie sich angesichts dieses wilden Durcheinanders, Nebeneinanders, und Übereinanders von Rädern, Ventilen, Schrauben, Hähnen, Rohren und Röhrchen, angesichts dieser verwirrenden Anhäufung von Hebeln und Apparaten, deren jeder doch seinen höchst wichtigen Zweck und seine unerlässliche Bedeutung haben muss, wie vor den Kopf geschlagen vorkamen, so mögen sie sich trösten: mir ist es zunächst nicht anders ergangen.

Aber als dies Röhrenungetüm dann getauft worden und mit seinem graugrünen Riesenleib in majestätischer Ruhe ins Wasser geglitten war, da wurde es zum Wasserfahrzeug, zu einem Schiff, das regelrecht in seinem Element schwamm, als wäre das immer schon so gewesen.

Ich betrat zum ersten Mal das schmale Deck und stieg auf den Turm, auf seine Navigationsplattform; von dort sah ich herab und war überrascht: unter mir erstreckte sich ein langes, schlankes Fahrzeug mit graziösen Linien und fast zierlicher Form; nur an den Seiten, wo sich der grüne Leib so massig aus dem Wasser wölbte, konnte man ahnen, wie gewaltig der ganze Rumpf sein musste.

Mit stolzem Entzücken umfasste mein Blick das ganze Gebilde, das sich unter mir leise wiegte, Feinheit und Wucht sinnvoll vereinend.

Nun wusste ich: was mir zuvor wie eine Ausgeburt ausschweifender Technikerfantasie erschienen war, das war ein Schiff, mit dem es sich über See fahren ließ, ein Schiff an das ein alter Seemann schon sein Herz hängen konnte.

Da legte ich meine Hand auf die Brüstung des Turmes von „U-Deutschland“ und gelobte ihr Treue.

So bekam mich „U-Deutschland“, so wurde ich Kommandant des ersten Unterwasser-Frachtschiffes.

II. Erprobung und Ausfahrt

Nun kam eine seltsame und wunderbare Zeit, Tag für Tag ging es hinaus in die Buchten, hinab in die Tiefe. Wir übten bei jedem Wetter und bei jeder Gelegenheit. Jeder Mann der auserwählten Besatzung war sich bewusst, welche Aufgabe wir hatten.

Es galt, die Fähigkeit zu erwerben, das feinste und komplizierteste Fahrzeug zu lenken, das letzte Erzeugnis raffinierter und kühner Berechnungen; es galt, das ausgeklügeltste Wunderwerk moderner Schiffbaukunst, ein Unterseeboot, kennen und beherrschen zu lernen. Wir mussten imstande sein, der schweren Masse von nahezu zweitausend Tonnen unseren Willen aufzuzwingen, dass sie dem geringsten Druck der Ruder gehorchte, dass sie drehte und manövrierte wie ein Torpedoboot, dass sie im Wasser stieg und sank wie ein Lenkballon in der Luft.

Es galt, die Zuverlässigkeit des ungefügen Stahlkörpers zu erforschen, die Wucht und die Lenksamkeit seiner gewaltigen Maschinen zu erproben, seinen Unvollkommenheiten oder Tücken auf die Spur zu kommen, ihm die Geheimnisse seiner Beweglichkeit und seiner fantastischen Fischnatur zu entlocken.

Ein Unterseeboot ist launisch wie eine Frau und verletzlich wie ein Rennpferd; es ist bieder wie ein Trampdampfer und zuverlässig wie ein Schlepper; es kann gute Eigenschaften haben und —— nicht gute; es kann lenkbar sein wie eine Rennyacht und bocken wie ein Karrengaul, und es gehorcht nur dem, der es bis in seine letzten technischen Einzelheiten kennt.

So trieben wir uns wochenlang draußen auf dem und unter dem Wasser herum, studierten unser Boot, suchten uns mit all seinen Möglichkeiten vertraut zu machen und in die Eigenart dieses nautischen Amphibiums einzudringen.

Und wenn wir dann aus der Stille der Buchten zurückgekehrt waren in den schmetternden Lärm der Niethämmer und in das rastlose Dröhnen der Werft, dann saßen wir stundenlang mit den Konstrukteuren zusammen und tauschten Erfahrungen aus. Aus der erprobten Wirklichkeit ergab sich so manche Anregung und Unterlage für neue Pläne und neues Schaffen.

Ich kann kaum hoch genug schätzen, wie viel ich dem Zusammenarbeiten mit den Herren der Werft verdanke. Unermüdlich waren sie uns behilflich, das wunderbare Erzeugnis ihrer geistigen Arbeit auf all seine Eigenheiten zu erproben, und noch am Tage unserer Abfahrt war der geniale Konstrukteur des Bootes, Oberingenieur Erbach, nach unserem Ankerplatz hinausgefahren, um einen letzten Tauchversuch mitzumachen.

So war der Tag der Abfahrt herangekommen.

„U-Deutschland“ war beladen worden, die wertvolle Ladung lag wohlverstaut in den Räumen, das ganze Boot war noch einmal überholt und in sorgfältigsten Trimm gebracht worden. Wir fassten Proviant für die lange Reise, und zuletzt kamen noch Zigarren und — Grammophonplatten an Bord.

Damit waren für uns alle möglichen Genüsse sicher gestellt, und „U-Deutschland“ war fahrbereit.

Auch wir waren bereit. Das Abschiednehmen von allen Lieben in der Heimat lag Gott sei Dank hinter uns; es ist bei solch einer Fahrt ins Ungewisse immer ein böser Augenblick, der am besten rasch überwunden wird. Als letzte schütteln uns die Männer der Germania-Werft die Hand. Dann wird der Laufsteg eingezogen, ich lasse die Mannschaft auf ihre Stationen treten und steige auf den Turm. Der Schlepper liegt schon neben uns und nimmt die Trosse über; ich rufe in die Zentrale „Achtung!“ und hebe die Hand:

Der große Augenblick ist da.

„Los die Achterleinen!“—

„Sind los!“

„‚Charlotte’ abschleppen!“—

Der Maschinentelegraph auf dem dicken kleinen Schlepper klingelt, das stämmige Fahrzeug strammt die Trosse und zieht langsam das Heck unserer „Deutschland“ von ihrem Liegeplatz an der Werft.

„Los die Bugleinen!“—

„Sind los!“

Und klatschend sausen die letzten Haltetaue von der Piermauer in das schmutzige aufgewühlte Hafenwasser.

Jetzt kommen wir dran. Ich nehme den Sprachschlauch nach der Zentrale: „Backbordmaschine halbe Kraft zurück!“

„Steuerbordmaschine langsam voraus!“

„Ruder zwanzig steuerbord!“—

„Ruder liegt zwanzig steuerbord!“

Auch die Antworten aus dem Maschinenraum kommen prompt herauf.

Auf dem Turm, wo ich neben dem Rudergänger vor seinem kleinen Handrad stehe, merkt man kaum das Angehen der E.-Motoren.

 

 

PAUL KÖNIG

Nach einer vor dem Krieg in Bremen hergestellten Fotografie

 

Die „Deutschland” in der Chesapeake Bai auf der Fahrt nach Baltimore

Nur an dem Schraubenwasser, das wirbelnd und schmutzig an Backbord um den runden Leib der „Deutschland“ aufquillt, an Steuerbord schnell achteraus getrieben wird, erkenne ich, dass die Maschinen in Gang sind. Langsam dreht sich der große grüne Walfischrücken, liegt erst quer zum Fahrwasser, geht nach Backbord etwas vorwärts, bleibt liegen und schiebt sich mit Schlepperhilfe noch einmal über Steuerbord nach achtern.

„Beide Maschinen Stopp!“

Langsam geht das Boot noch etwas rückwärts, in der Wucht des Zurückgleitens an der Schlepptrosse zerrend, wie ein schweres Urweltungeheuer. Ein rascher Blick vom Turm auf Fahrwasser und Piermauer: Wir haben genug Manövrieraum. Ich lasse die Schlepptrosse loswerfen und beide Maschinen zunächst halbe Fahrt mit Backbordruder vorausgehen; wir drehen noch, kommen von der Werftmauer, wo ein großes graues Frontboot seine letzte Ausrüstung erhält, gut klar, dann lasse ich das Ruder mittschiffs legen und befehle, beide Maschinen „äußerste Kraft voraus.“ Das Achterschiff beginnt in rhythmischen Vibrationen unter dem vermehrten Maschinendruck zu erzittern, schaumig flutet das Schraubenwasser ab, wir kommen in Fahrt, und immer schneller schiebt sich die „Deutschland“ durch das schmutzige Hafenwasser hin aus der Bucht. Die Fahrt geht zunächst durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal zur Weser, wo die Ladung komplettiert wird. Die Schiffspapiere und Kurierpost bringen die Herren der Reederei mit einem besonderen Schlepper an Bord, und ohne jedes Aufheben, still und ohne der Welt bekannt zu werden, tritt die „Deutschland,“ das erste Handels-Tauchschiff der Welt, für das es keine Blockade gibt, seine denkwürdige Heise an nach Amerika zu, hinaus auf die hohe See, der Freiheit der Meere zu.

III. Der erste Tag in See

In langer Dünung rollt uns die Nordsee entgegen; das Wetter ist klar, und der Wind weht steif aus NNW. Ich stehe allein mit meinem ersten Wachoffizier auf dem Turm, in der „Badewanne.“ So haben wir die feste Schutzwand getauft, die sich oben auf der Navigationsplattform in fein geschwungener Linie rings um das Turmluk herumzieht und wie eine Art Fliegergondel aussieht. Vor ihr befindet sich der obere Steuerstand, der aber nur bei gutem Wetter benutzt werden kann.