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Boris Seidl ist Sportlehrer und internationaler Curlingcoach. Sein Fachbuch beschäftigt sich mit dem Thema "Die fünf physiologischen Elemente des Curlings - mit besonderem Augenmerk auf die Nachwuchsförderung". Seit Herbst 2018 lebt er vorwiegend in der Schweiz, wo er an der Curling Academy von Rodger Schmidt studierte und mit mehreren Athleten und Fachleuten aus dem Bereich Curling und Physiologie, Gespräche führte, welche er in seine sportwissenschaftliche Forschungsarbeit einfliessen liess. Als Methodik diente eine Literaturrecherche, explorative Interviews und ein Experiment, ob Pulsfrequenz und Zielgenauigkeit korrelieren. Als Lehrer und Trainer hat er den Schwerpunkt auf die Jugendförderung gelegt. Dabei versuchte er einen Überblick über die aktuelle Situation im Curlingsport zu geben. Es gibt verbesserungswürdige Bereiche, die er anhand dieser Abhandlung unter Berücksichtigung der physiologischen Aspekte thematisierte. Dieses Buch ist für Trainer, Vereine und Athleten geeignet, welche sich im Bereich des Curlings als Leistungssport, verbessern möchten.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 204
Veröffentlichungsjahr: 2022
Abbildung 2: Angela Romei, Julie Hogh, Veronica Zappone, Dänemark versus Italien | Richard Gray – WCF Beobachtung ist Selbsterkenntnis, der Ursprung aller Wissenschaft, der Beginn der Weiterentwicklung.
Abbildung 3: Stefania Constantini - Italien ist eine einzigartige Sportnation und wird die nächsten Olympischen Winterspiele ausrichten, die im Februar 2026 in den italienischen Städten Mailand und Cortina d'Ampezzo stattfinden werden. | Richard Gray - WCF
Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema "Die fünf physiologischen Elemente des Curlings - mit besonderem Augenmerk auf die Nachwuchsförderung". Seit Herbst 2018 lebe ich vorwiegend in der Schweiz, wo ich an der Curling Academy von Rodger Schmidt studierte und mit mehreren Athleten und Fachleuten aus dem Bereich Curling und Physiologie, Gespräche führte, die in meine Forschung eingeflossen sind. Als Methodik diente eine Literaturrecherche, explorative Interviews und ein Experiment, ob Pulsfrequenz und Zielgenauigkeit korrelieren. Als Lehrer und Trainer, habe ich meinen Schwerpunkt auf die Jugendförderung gelegt. Dabei versuchte ich einen Überblick über die aktuelle Situation im Curlingsport zu geben. Es gibt verbesserungswürdige Bereiche, die ich anhand dieser Abhandlung unter Berücksichtigung der physiologischen Aspekte erörtern möchte. Obwohl die Sportart Curling wächst und sich entwickelt, ist meiner Meinung nach, der Bereich der Physiologie und Jugendarbeit noch nicht auf einem optimalen Niveau. In der vorliegenden Arbeit werden daher folgende Fragen gestellt:
Welche physiologischen Elemente sind im Curling essentiell und wie kann man diese fördern?
Wie könnte eine spezifische, physiologische Leistungsdiagnostik für Curling aussehen?
Was könnte einem Nachwuchstrainer bei der Begleitung eines jungen Spielers helfen, die sensiblen Entwicklungsphasen zu berücksichtigen?
Welche Didaktik und welche Methoden könnten im Curling angewandt werden, um die physiologischen Elemente in das Training zu integrieren, insbesondere für Nachwuchsspieler, z.B. im Rahmen eines schulübergreifenden Curlingfachs?
Wie können die praktischen Umsetzungsschritte aussehen und auf welche physiologischen Elemente sollte je nach Alter geachtet werden?
Welchen Stellenwert hat das physiologische Training in der heutigen aktiven Curlingszene und wie sieht es in der Praxis aus?
Allgemeine Information: Die Grafiken wurden in englischer Sprache beschriftet.
For the following work on the physical elements of curling with a special focus on youth development, I chose literature review and exploratory interviews as a research methodology. Also, a small experiment was conducted to study a possible correlation between heartbeat and delivery accuracy. Since autumn 2018, I have been living in Switzerland, where I studied at Rodger Schmidt's Curling Academy and interacted with many curling athletes and also specialists in the field of physiology. Since my topic is broad and complex and I have a professional background as a teacher and coach, I placed a focus on youth development. I have tried to survey the current situation of curling and noncurling nations and discuss problem areas, fields that need improvement, and especially physiological aspects. Although the sport of curling is growing and developing, the areas of physiology and youth development have not yet received the amount of attention they deserve. Thus, the present work poses the following questions:
Which physiological elements are essential in curling and how to promote them?
How could specific, physiological performance diagnostics for Curling look like?
What could help a youth coach when accompanying a curling athlete to take into account the sensitive development phases of a young player?
Which didactics and which methods could there be in curling to integrate the physiological elements into the training, especially for junior players, for example in a cross-school curling subject?
How can the practical implementation steps look like and to which physiological elements do you have to pay attention to depending on age?
What is the importance of physiological training in today's active curling scene and what does it look like in practice?
Abbildung 5: Günther Hummelt
Dieses Buch ist
Günther Hummelt
gewidmet
Zu Ehren des Präsidenten des Weltcurlingverbandes von 1990 bis 2000
Lerne von einem der besten Coaches der Welt und der ersten internationalen Curling Academy
0. Vorwort/Einleitung
1. Erstes Element: Gesundheit
1.1. Geist, Körper, Gesundheit
1.2. Gesundheitsdiagnostik
1.3. Gesunde Ernährung
1.4. Ernährungsprotokoll
1.5. Gesundheitsfördernde Basisübungen
1.6. Fitness-App
1.7. Fitness-Protokoll
1.8. Schlaf und Regeneration
2. Zweites Element: Muskeln
2.1. Etymologie
2.2. Funktion der Muskeln
2.3. Konstitution und Typus
2.4. Relevante Muskeln für Curling
2.5. Beispiel Fitness-Session
3. Drittes Element: Koordination
3.1. Koordinative Fähigkeiten
3.2. Gleichgewicht
3.3. Orientierungsvermögen
3.4. Rhythmusfähigkeit
3.5. Antizipations- und Anpassungsfähigkeit
3.6. Bilaterale Fähigkeiten
3.7. Sensorik und Feingefühl
4. Viertes Element: Flexibilität und Beweglichkeit
4.1. Flexibilität, Beweglichkeit, Gewandtheit
4.2. Mobilisierung und Aufwärmen
4.3. Flexibilität und
Sliding
4.4. Flexibilität,
Sliding
und Visualisierung
4.5. Statisches und dynamisches Dehnen
4.6. Positive Effekte des Dehnens
5. Fünftes Element: Kondition und Herz-Kreislauf Training
5.1. Positive Faktoren des kardiovaskulären Trainings
5.2. Puls
5.3. Herzfrequenz eines Curlingspielers
5.4. Skala für Intervalltraining beim Wischen
5.5. Zielgenauigkeit und Pulsfrequenz
5.6. Experiment
5.7. Das Prinzip der Überkompensation
6. Leistungsdiagnostik
7. Umsetzung und praktische Durchführung
8. Interviews
8.1. Silvana Tirinzoni
8.2. Rainer Kobler
8.3. Anna Sidorowa
8.4. Felix Eberhard
8.5. Tina Rickenbacher
8.6. Curdin Albertini
8.7. Beat Heer
9. Fazit und besonderer Dank
10. Nachwort von Rodger Schmidt
11. Literaturvorschläge für Trainingseinheiten
12. Quellen: Literatur und Bilder
In diesem Buch erfährt man, dass Curling nicht nur ein großartiges Spiel ist, bei dem es um Technik, Taktik und Psychologie geht, sondern auch darum, körperliche Fitness und Wettkampftauglichkeit zu verbessern. Als Rodger mir erzählte, dass er einen Studenten an der Curling Academy hat, der eine Arbeit über die physiologischen Aspekte des Curlings schreibt, war ich erfreut zu erfahren, dass es neue Literatur zu diesem Thema für unsere Curling- Community gibt. Als ich hörte, dass dieses Buch auch auf Russisch erscheinen würde, war ich umso begeisterter, daran mitzuwirken, da es bis heute kaum Curling-Bücher in unserer Sprache gibt.
Abbildung 6: Anna Sidorowa | Richard Gray – WCF
Als Jugendliche war ich Eiskunstläuferin und durch diesen Sport habe ich mein Grundverständnis für physiologische und koordinative Fähigkeiten erlernt. Wir freuen uns, dass der Curling-Sport in den letzten zehn Jahren in Russland so stark gewachsen ist und nun einen festen Stellenwert in unserem Land hat. In den Jahren, in denen Rodger Schmidt mein Trainer beim Team Russland war, lernte ich das Five-Elements-Konzept der Curling Academy kennen. Wir haben oft in der Schweiz trainiert und ich finde es lobenswert, dass die Curling Academy mit ihrem Wissen und ihrer langjährigen Erfahrung den Sport weiter entwickelt. Es ist mir eine Ehre, meine Erfahrungen als eine der besten Spielerinnen der Welt, hier in dieser Publikation zu teilen. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie beim Durchblättern dieser Seiten viele hilfreiche Tipps erhalten werden. Viel Erfolg und ‚Gut Stein'.
Abbildung 7: Anna qualifizierte sich für die Olympiade 2010 in Vancouver, nachdem sie erst ein paar Jahre Erfahrung im Curling gesammelt hatte. Ihre grundlegenden motorischen Fähigkeiten erwarb sie bereits als junge Eiskunstläuferin.
Anna Wladimirowna Sidorowa
2010, 2014 Olympiateilnehmerin | 2012, 2015 Curling-Europameisterin | Nationalspielerin Team Russland
Die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver, Kanada, war ein wahr gewordener Traum. Ich blicke gerne auf meine Spielerkarriere zurück, in der ich viele wunderbare Erinnerungen als Olympiateilnehmer erleben durfte. Damals war ich selbst Curlingspieler und unterstützte das Team Shuster als Lead. Rodger Schmidt war unser Trainer, der uns als junge Spieler mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung, seinem Wissen und seiner Kreativität als Athlet und Coach geformt hat. Wir trainierten in der Curling Academy in Luzern/Küssnacht am Rigi und bereiteten uns optimal auf unsere Wettkämpfe vor. Rodger bildete mich parallel dazu als Trainer aus. Heute bin ich selbst ein erfolgreicher Curlingcoach und hätte nicht gedacht, dass ein paar Jahre später mein ehemaliger Teamkollege John Shuster bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang Gold gewinnen würde. Ein Großteil meines eigenen Erfolgs als Trainer in den Vereinigten Staaten, ist das direkte Ergebnis des einzigartigen Wissens, das Rodger Schmidt und seine Curling Academy mir weitergeben haben.
Abbildung 8: John Benton
Abbildung 9: Teamkollege und Olympiasieger 2018 John Shuster gegen Peter De Cruz (Schweiz) bei der Weltmeisterschaft 2017 | Richard Gray – WCF
Zusammen mit der United States Curling Association war ich an der Entwicklung und Veröffentlichung von Rodgers erstem Trainingshandbuch „The Five Elements of Curling Technique" beteiligt. Ich bin sehr froh, dass es eine Fortsetzung von „The Five Elements of Curling" gibt. Als Curlingtrainer weiß ich, dass physiologische Faktoren in allen Sportarten immer mehr an Bedeutung gewinnen. Im Curling wird der Bereich der Fitness nun sicherlich stärker berücksichtigt als in der Vergangenheit. Unser Sport besteht aus vielen Elementen, von denen die wichtigsten eine perfekte Technik und Taktik sind, wobei eine gute Technik einem physiologischen Prozess unterliegt. An der Verknüpfung von Physiologie, Physik und Technik (Biomechanik) sieht man, dass es im Curling zur Überschneidung einzelner wissenschaftlicher Disziplinen kommt.
Dennoch ist eine Klassifizierung der einzelnen Elemente sinnvoll, um einen besseren Überblick über das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Bereiche zu erhalten. Ich bin sicher, dass die fünf physiologischen Elemente des Curlings eine wesentliche Bereicherung für die Weiterentwicklung unseres Sports und für viele Athleten und Trainer auf der ganzen Welt sein werden.
John Benton
Olympiateilnehmer 2010 | Internationaler Trainer | Entwickler der Release Point-Methode für Curling
Ich möchte gleich zu Beginn darauf hinweisen, dass ich aus Gründen der besseren Lesbarkeit bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Buch die männliche Form verwendet habe. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Gerade im Curlingsport ist kaum ein geschlechterspezifischer Unterschied zu erkennen. Besonders bei gemischten Teams wird erkennbar, dass die unterschiedlichen Geschlechter nicht trennend wirken sollten, sondern einander gut ergänzen können. Dazu später noch mehr.
Curling ist ein Sport der sich weiterentwickelt. Es gehört zu den am schnellsten wachsenden Wintersportarten. Dies wird im Allgemeinen als positiv für den Curling-Sport angesehen. Die weltweite Entwicklung ist enorm, da kleine Nationen an den Olympischen Spielen teilnehmen wollen und so werden die Teams von Jahr zu Jahr professioneller. Es reicht schon lange nicht mehr aus, ein paar Mal auf dem Eis zu trainieren und einige Turniere zu spielen. Um im Curling-Wettkampf erfolgreich zu sein, muss man multidimensional arbeiten und einen ganzheitlichen Ansatz für diesen Sport finden. Mit anderen Worten, eine gute Technik und ein Gefühl für Richtung und Länge allein reichen bei weitem nicht aus. Als Team oder Trainer muss man mit dem steigenden Niveau Schritt halten und immer wieder neue Maßstäbe setzen, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Wenn man gewinnen will, sollte man einen Schritt oder mehrere Schritte voraus sein. Aber welche Schritte sind dafür wesentlich? An welchen Schrauben muss man im Curling drehen, um erfolgreich zu werden?
Die Rodger Schmidt Curling Academy arbeitet seit vielen Jahren daran, herauszufinden was eine exzellente Curlingtechnik und ein optimales Training ausmacht. Dieses Buch zeichnet sich durch die einzigartige Erfahrung vom fünffachen Olympiacoach Rodger Schmidt aus. Er hat den Curlingsport maßgeblich weiterentwickelt. Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung gilt er für viele als der beste Curlingtrainer der Welt. Es gibt derzeit keinen Curlingcoach, der mehr Spiele auf der Trainerbank erlebt hat und keinen, der an mehr Olympischen Spielen teilgenommen hat, als er. Mein Ziel im Herbst 2018 als Junioren-Nationaltrainer war es, vom weltbesten Curlingtrainer zu lernen. Ich würde das Training mit Rodger gerne so vergleichen, wie wenn ein Lehrling zum Meister ginge, um zu lernen, wie die Sportart Curling als Gesamtheit funktioniert. Ich wollte erfahren, wie ein professionelles Curlingtraining aussieht. Ebenso lernte ich viel über den Umgang mit Athleten, die psychologische und soziale Betreuung (Coaching), sowie die Planung und die Organisation im Detail. Als der weltberühmte, kanadische Curlingtrainer Rodger Schmidt zum österreichischen Nationaltrainer ernannt wurde, hatte ich das besondere Glück davon profitieren zu dürfen. Damals betreute er parallel zum österreichischen Team auch das US-Team Shuster, welches einige Jahre später Olympiasieger wurde. Es war kein Zufall, dass wir einen so begehrten Curlingcoach bekommen haben. Es war das Verdienst von Günther Hummelt. Er leistete auch einen wesentlichen Beitrag, dass Curling zur olympischen Disziplin wurde. Er hatte als ‚Weltcurling-Präsident' und gleichzeitig als unser damaliger Verbandschef die besten internationalen Kontake. Günther Hummelt bestellte mit Rodger einen der erfahrensten und professionellsten Trainer, der uns als Team wachsen ließ und uns auf ein internationales Niveau führte. Im Jahr 2007 qualifizierte ich mich für das Nationalteam und nahm an den Europameisterschaften in Füssen (Deutschland) teil. In meiner Mannschaft und in unserem Curlingclub herrschte eine regelrechte Euphorie. Es hat mich damals sehr gefreut an einer Curling-Europameisterschaft teilzunehmen und dadurch auch die Möglichkeit zu bekommen, von Rodgers ‚Know-how' als Spieler zu lernen. Außerdem erhielt der Curlingclub Traun viel Unterstützung von unseren Nachbarn aus der Schweiz. Einige Mitglieder des Curlingclubs St. Gallen, besonders Heidy Wallner, halfen uns dabei, als Team zu wachsen um erfolgreicher zu werden. Sie trainierten uns und stellten dafür Eis, Ausrüstung und ausgebildete Coaches zur Verfügung.
Nach meinem Studium begann ich als Sportlehrer am Gymnasium St. Johann und an der Handelsakademie Kitzbühel. Neben meiner Tätigkeit als Sportlehrer wurde ich als Junioren-Nationaltrainer bestellt. Zusammen mit meinem Bruder Manuel, der bereits einige Erfahrungen im Bereich des Nachwuchssports hatte, haben wir hierbei ein bundesweites Projekt für unseren Curlingverband auf die Beine gestellt. Mein Hauptaugenmerk lag auf der Verbindung Schule und Curling-Sport. Mein Vater, der auch Sportlehrer und Radsporttrainer ist, trug dazu bei, dass ich mich vermehrt mit diesem Thema auseinander setzte. Er stellte mir über mehrere Jahre die gleiche Frage, warum es dem Curling an Professionalität mangelt und warum es kein gezieltes Jugendtraining gäbe. Er betonte die Wichtigkeit einer speziellen Trainerausbildung und wollte wissen, wie es in Puncto physiologisches Training für Curling aussehen könnte.
Nach einigen intensiven, aber erfolgreichen Jahren wollte ich mich als Jugendtrainer weiterentwickeln. 2017 absolvierte ich eine Ausbildung im Bereich Jugend und Sport beim Schweizer Curlingverband, bevor ich mich 2018 für ein Berufspraktikum als Trainer und Eismeister an der Rodger Schmidt Curling Academy in der Zentralschweiz entschied. Es war eine sehr spezielle und lehrreiche Zeit und ich konnte viel von Rodger lernen. Ich habe erkannt, dass es außer den Trainingsgrundlagen im Curling viel mehr braucht, um ein optimaler Curlingcoach zu werden.
Abbildung 10: Changchun Universität
Eines Tages kam Rodger zu mir und fragte mich, ob ich nach China reisen wolle. Natürlich nahm ich dieses Angebot gern an. Rodger hatte eine Einladung erhalten, sein Konzept der fünf Elemente des Curlings an der Universität Changchun bei der olympischen Konferenz für Peking 2022 zu präsentieren. Er war zu dem Zeitpunkt zu beschäftigt, um die lange Reise anzutreten und fragte mich, ob ich die Präsentation für ihn in Vertretung der Curling Academy abhalten könnte. Ich fühlte mich geehrt und sagte spontan zu. Es blieb mir also nichts anderes übrig als mich intensiv mit Rodgers Konzept der fünf Elemente des Curlings auseinanderzusetzen. Die Vorbereitungszeit war kurz, trotzdem versuchte ich alle Inhalte so gut wie möglich zu verstehen, damit ich das Wissen möglichst korrekt transferieren würde. Natürlich hatte ich durch meine Ausbildung als Sportlehrer bereits Erfahrung im Bereich Trainingslehre, Anatomie oder Biomechanik. Ein fachspezifisches Referat über die physiologischen Elemente zu halten, stellte eine große Herausforderung für mich dar. Primär war es mir wichtig das Lernkonzept von Rodger im Allgemeinen zu verstehen.
Abbildung 11: Skip des chinesischen Frauenteams und Curling-Weltmeisterin Bingyu Wang | Richard Gray - WCF
Dazu erklärte er mir im Detail die fünf physiologischen Elemente, die er in der Akademie verwendete. Somit begann ich mit meiner sportwissenschaftlichen Forschung. Meinerseits betrachte ich heute dieses Buch als Abschlussarbeit der mehrjährigen Ausbildung an der Curling Academy. Als Rodger meine PowerPoint-Präsentation für meinen Vortrag in China sah, war er sehr beeindruckt. In China angekommen, wurde ich auf das herzlichste begrüßt und empfangen. Es ging von Peking nach Changchun, der Hauptstadt der Provinz Jilin. Dort lernte ich die Universität kennen und hatte sehr interessante Gespräche mit den Professoren. Zu Beginn meiner Präsentation wurde mir ein Dolmetscher zur Seite gestelllt, welcher sich im Vorfeld mit meinem Vortrag genau auseinandersetzte. Somit wurden die Inhalte vom Publikum gut verstanden. Die Organisation des Kongresses und die vorherrschende Atmosphäre waren einzigartig und sehr beeindruckend. Ich konnte viele Gespräche mit Spitzenathleten aus anderen Sportarten führen. Es war eine große Bereicherung für mich und meine Vorfreude auf die kommenden Winterspiele 2022 in China war groß.
Abbildung 12: Günther Hummelt, Traun 2004 | Curling-Athlet, Sportfunktionär und WCF Präsident
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um dem Organisationsteam, den vielen Helfern und vor allem den chinesischen Athleten alles Gute und viel Erfolg für die kommenden Winterspiele zu wünschen.
Es sei noch einmal erwähnt, dass mein Buch Günther Hummelt gewidmet ist. Ihm ist es zu verdanken, dass sich zahlreiche Curlingspieler als Olympioniken bezeichnen können. Auch war es ihm immer ein Anliegen, den Nachwuchs zu fördern und Kinder und Jugendliche für den Sport zu motivieren, vor allem für Curling zu begeistern. Die meisten Mitglieder unseres Curlingvereins Traun waren damals noch sehr jung und gingen zum Teil noch zur Schule. Daher war die großzügige Unterstützung von Günther Hummelt für uns von großem Wert. Unser Curlingclub und mein Curlingteam Traun haben viel von Günther profitiert und ich möchte mich hiermit posthum für seine einzigartige Hilfestellung bedanken.
Nach meiner nun zwanzigjährigen Curlingerfahrung bin ich stolz darauf, ein Gesamtwerk der fünf physiologischen Elemente des Curlings präsentieren zu dürfen.
Auch bin ich für die damalige Einladung der Universität Changchun und dem olympischen Komitee Chinas dankbar, die das fünf Elemente Konzept des Curlings kennenlernen wollten. Meine Vorbereitungen für die Präsentation und meine Erfahrungen als Jugendcurlingtrainer, möchte ich nicht ungenutzt lassen, sondern mit diesem Buch zur Förderung des Curlingsports beitragen. Ein besonderer Dank gilt Richard Gray und dem Curling Weltverband, die mir professionelle Curlingfotos der internationalen Curlingszene für dieses Buch zur Verfügung gestellt haben.
Boris Seidl
Curlingcoach | Diplom Sportlehrer | MA Psychologie, Philosophie | Buchautor
Die fünf Elemente des Curlings sind einfach zu erlernen und machen Spaß. Während es ein ganzes Leben lang dauern kann eine Abgabetechnik zu perfektionieren, sind die Konzepte der fünf Elemente des Curlings leicht zu verstehen und können auf jeden Athleten angewandt werden, unabhängig von Alter, Können, Stil oder Spielposition. Jedes Element ist ein wichtiger Teil, das einen Weltklassesportler ausmacht. Unser Ziel ist es, zu zeigen, wie man die einzelnen Elemente erlernen und anwenden kann. Mit diesem Buch soll neben dem physiologischen Aspekt auch ein besseres Verständnis für das Gesamtkonzept vermittelt werden.
Gesamtkonzept: 20 Elemente
Grundarten: 4 Basis-Kategorien
Einzelbereiche: 5 Elemente
Abbildung 13: Das Gesamtkonzept von Rodger Schmidt umfasst insgesamt zwanzig Elemente. Es gibt vier Grundkategorien des Curlings, mit jeweils fünf Einzelelementen.
1. TECHNIK (5 Einzelelemente)
2. TAKTIK (5 Einzelelemente)
3. PHYSIO (5 Einzelelemente)
4. MENTAL (5 Einzelelemente)
In diesem Buch wird die Nummer drei der vier Basis-Kategorien behandelt. Wir freuen uns, die fünf physiologischen Elemente des Curlings zu präsentieren.
Abbildung 14: Fünf physiologische Elemente des Curlings
1. Gesundheit
2. Muskeln
3. Koordination
4. Flexibilität und Beweglichkeit
5. Kondition und Herz-Kreislauf Training
Mithilfe dieser vereinfachten Grafik kann man sich die fünf physiologischen Elemente des Curlings leicht merken. Bevor die fünf Elemente im Detail erklärt werden, gibt es einige Grundsatzfragen zu klären:
Welches körperliche Training macht einen Curler zu einem Spitzensportler?
Welche allgemeine Körperausbildung ist geeignet für Frauen, Männer, Junioren, Senioren oder Behinderte?
Wie kann ein langfristiges körperliches Training aussehen?
Ist die Physiologie für den Curlingsport generell von Bedeutung?
Welchen Einfluss haben Alter und Geschlecht beim Curling?
Gibt es durch den Körperbau bedingte Vor- oder Nachteile beim Curling?
Ist ein physiologisches Training im Curling notwendig, wenn man nicht unbedingt die Figur eines Bodybuilders braucht, um Olympiasieger zu werden? Wie sieht ein Curling-Spitzensportler aus? Gibt es überhaupt den perfekten Körperbau für einen Curler? Ist es beispielsweise möglich, übergewichtig zu sein und trotzdem Olympiasieger zu werden? Spielt das Alter eine Rolle?
Abbildung 15: Rodger Schmidt
Eine bekannte Methode, zur Ermittlung des optimalen Körpergewichtes, ist der Body-Mass-Index (BMI). Der BMI berechnet das am besten geeignete Körpergewicht eines Sportlers im Verhältnis zu seiner Körpergröße. Nach dieser Methode ist der geeignete Körper für einen Athleten individuell berechenbar.1
Es gibt also einige Fragen und mit diesem Buch kann ich vielleicht Antworten geben. Grundsätzlich gilt: Eine allgemeine Antwort auf eine Frage wird nie ausreichen. „Es gibt keine Regel oder Zauberformel, die zum Erfolg führt. Wenn es eine gäbe, würde man sie einfach in eine Flasche abfüllen und könnte sie teuer verkaufen." Das waren die Worte von Jimmy Page, als ich ihn vor ein paar Jahren in einem persönlichen Gespräch fragte, was der Schlüssel zum Erfolg sei. Ich denke daher, dass diese Antwort auch im Curling Gültigkeit hat. Dazu möchte ich gerne einen Vergleich zwischen Musik und Curling herstellen. Damals haben wir auch darüber gesprochen, wie eine Band perfekt harmonieren kann. Led Zeppelin bestand aus vier außergewöhlichen Musikern, die alle ihre Instrumente perfekt beherrschten. Aber sie brauchten einander, um diese einzigartigen Rocksongs zu komponieren. Ähnlich sehe ich das bei einer Curling-Mannschaft. Auch hier gibt es vier einzelne Spieler, welche unterschiedliche Stärken haben. Eine Mannschaft muss harmonieren, wenn sie Spitzenleistungen vollbringen möchte.
Abbildung 16: Boris Seidl
Für gute Musik braucht man eine perfekte Technik, Gefühl und eine optimale Abstimmung. Um einen platzierten Stein zu spielen, braucht man ebenso die zuvor angeführten Attribute. Das Gefühl ist im Curling genauso wichtig, wie in der Musik. Jeder gespielte Stein und jeder Moment ist einzigartig, jede Situation anders, jede Abgabe individuell.
Abbildung 17: Jimmy und Boris, London 2013
Jimmy Page antwortete mir bei unserem Gespräch in London auf die Frage, warum die Band nicht weitergemacht hatte: „Led Zeppelin ohne John Bonham, war nicht mehr Led Zeppelin." Diese Aussage zeigt den Spirit und die Genialität der Band. Led Zeppelin war viel mehr als nur vier einzelne Spitzenmusiker. Dies ist bei einer Top Curling-Mannschaft ebenso. Erfolg ist wie eine Schwingung, ähnlich wie der Klang von guter Musik. Um die Illustration mit Led Zeppelin abzuschließen, könnte man den Manager Peter Grant als Coach bezeichnen.
„Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen." Die Formel ‚panta rhei' (altgriechisch πάντα ῥεῖ ’alles fließt') ist eine Anspielung auf den griechischen Philosophen Heraklit und beschreibt den Moment unseres Seins und dass alles in Bewegung ist und ineinander fließt. Als guter Trainer muss man darauf hinarbeiten, dass alles ineinander fließt, um eine harmonische Dynamik zu erreichen, damit wir die Partitur des Erfolgs finden. Meine Veranschaulichung des Curlings mit Jimmy Page beruht nicht nur auf meiner persönlichen Erfahrung. Tatsächlich gibt es eine direkte Verbindung zwischen Jimmy Page und den Olympischen Spielen in Peking. Jimmy Page trat bei der Abschlusszeremonie der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking auf. Es wäre schön, wenn er auch bei der Abschlussfeier der Winterspiele 2022 in China wieder auftreten würde.
Der Vergleich mit der Band Led Zeppelin lässt sich insbesondere auf Männer anwenden. Was ist mit einem Damenteam? Falls sich die eine oder andere Leserin dieses Buches in diesem Vergleich mit einer ausschließlich aus Männern bestehenden Band wie Led Zeppelin nicht wiederfinden kann, könnte man hier, als Entsprechung, die Spice Girls heranziehen. Diese waren zu fünft auf der Bühne, das würde die Ersatzspielerin miteinschließen.
Aber gibt es beim Curling überhaupt einen Unterschied zwischen Mann und Frau?
Abbildung 18: Victoria Moiseeva, Team Russland | Richard Gray - WCF
Wie in jeder anderen Sportart stellt sich natürlich auch beim Curling die Frage, wie groß der physiologische Unterschied zwischen Frauen und Männern ist. Geschlechtsspezifische Unterschiede im Sport sind Unterschiede, die auf die Zugehörigkeit zum männlichen oder weiblichen Geschlecht zurückzuführen sind und sich auf die sportliche Leistung auswirken. Im Curling ist dieser Unterschied sehr gering. Vor allem im Vereinscurling wird dieser Sport seit Jahren gemischt (nicht nach Geschlechtern getrennt) gespielt. Bei den Olympischen Winterspielen 2018 stand neben dem Wettbewerb der Damen und Herren erstmals auch das Mixed Doubles Turnier auf dem Programm.
Abbildung 19: Illustration der positiven Auswirkungen eines physiologischen Trainings. Dies ist eine Folie meiner Präsentation, die ich 2018 auf der Olympischen Konferenz Peking 2022 präsentiert habe.
Es ist klar, dass ein gesunder und gut trainierter Körper für einen Sportler unerlässlich ist. Manche Leute, die nicht Curling spielen, beziehungsweise die wenig Ahnung von diesem Sport haben, fragen oft, ob für Curling überhaupt ein spezielles körperliches Training notwendig ist? Natürlich kann man die physiologische Komponente beim Curling nicht mit der eines Marathonläufers oder eines Radrennfahrers vergleichen, aber es ist unbestritten, dass beim Curling neben der technischen und taktischen Komponente auch die körperliche Fitness eine wichtige Rolle spielt.
Uli Kapp, mit dem ich einige Jahre zusammengearbeitet habe, schreibt in seinem Buch "Curling" Folgendes über den Aspekt der Fitness im Curling: