Die Gerichtsbarkeit im ehemals woellwarthschen Essingen - Heinz Bohn - E-Book

Die Gerichtsbarkeit im ehemals woellwarthschen Essingen E-Book

Heinz Bohn

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Beschreibung

Die jüngere Linie der Herren von Woellwarth konnte im 15. und 16. Jahrhundert am Nordrand des Albuchs zwischen den Reichsstädten Gmünd und Aalen, der Fürstpropstei Ellwangen und der württembergischen Herrschaft Heidenheim ein Kleinstterritorium ausbilden, dessen Mittelpunkt und Verwaltungssitz die Marktgemeinde Essingen war. In diesem dem Ritterkanton Kocher inkorporierten Herrschaftsbereich übten die Freiherren von Woellwarth, vom Reich ausgestattet mit dem Blutbann, Galgen und Stock, die hohe und niedere Gerichtsbarkeit aus; seit der Reformation hatten sie auch die Kirchenhoheit inne. 1547 erhielten die Herren von Woellwarth von Kaiser Karl V. das Recht der Freiheit vor fremden Gerichten verliehen; sie selbst konnten also nur vor dem Reichskammergericht angeklagt werden. Dem Rechtswesen lag ab Mitte des 15. Jahrhunderts das römische Recht Corpus iuris civilis zugrunde, welches vor allem die Rechtsfakultäten der Universitäten stärkte; das Landesrecht auf woellwarthschem Territorium galt aber in aller Regel vor dem Reichsrecht. Das Gemeindeleben wurde vor allem durch Dorfordnungen geregelt.

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Arrestturm vor dem Wohnhaus des Amtsdieners Zeichnung: Emeli Gebhardt, Essingen, um 1930

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

Das Gerichtswesen in Essingen

Der Galgen

Selbstmörder wurden beim Galgen verscharrt

Der Richtplatz

Die letzte Hinrichtung auf dem Essinger Richtplatz

Gebühren für den Scharfrichter

Die Arrestzellen

Die Arrestzellen im Turm

Arrestturm nach dem Umbau 1983

Strafe im Turm - einige Beispiele

Strafe am Pranger und Bock - einige Beispiele

Weitere vom Essinger Gericht verhängte Strafen

Urfehde

Zuchthaus und Verbannung

Hausarrest

Erziehungsmaßnahmen

Kriegsdienst

Geldstrafen, Schmerzensgeld und Übernahme der Heilungskosten

Besondere Strafverfolgung von Bettlern, Dieben, Betrügern und Vaganten

1824 erfolgt die Verlegung der Arrestzelle in das Schul- und Rathaus, ehemals Grünbaumwirtshaus

Türe zur Arrestzelle

Ofen in der Arrestzelle

Polizeidiener

Nachbemerkung

Quellenhinweise

Die Gerichtsbarkeit im ehemals woellwarthschen Essingen

Vorbemerkung

Die jüngere Linie der Herren von Woellwarth konnte im 15. und 16. Jahrhundert am Nordrand des Albuchs zwischen den Reichsstädten Gmünd und Aalen, der Fürstpropstei Ellwangen und der württembergischen Herrschaft Heidenheim ein Kleinstterritorium ausbilden, dessen Mittelpunkt und Verwaltungssitz die Marktgemeinde Essingen war. In diesem dem Ritterkanton Kocher inkorporierten Herrschaftsbereich übten die Freiherren von Woellwarth-Lauterburg, vom Reich ausgestattet mit dem Blutbann, Galgen und Stock, die hohe und niedere Gerichtsbarkeit aus; seit der Reformation hatten sie auch die Kirchenhoheit inne. 1547 erhielten die Herren von Woellwarth von Kaiser Karl V. das Recht der Freiheit vor fremden Gerichten verliehen; sie selbst konnten also nur vor dem Reichskammergericht angeklagt werden.

Dem Rechtswesen lag ab Mitte des 15. Jahrhunderts das römische Recht Corpus iuris civilis zugrunde, welches vor allem die Rechtsfakultäten der Universitäten stärkte; das Landesrecht auf woellwarthschem Territorium galt aber in aller Regel vor dem Reichsrecht. So regelte eine Dorfordnung das Gemeindeleben, dieerstmals am 11. März 1512 durch die Grundherrschaften erlassen wurde. 1532 wurde durch Kaiser Karl V. die Peinliche Halsgerichtsordnung eingeführt. Sie galt dem jeweiligen Landesrecht ebenfalls als nachrangig, führte aber zu einer Vereinheitlichung der Prozesse im durch zahlreiche Kleinstaaten zersplitterten Reich. Hans Konrad von Woellwarth zu Lauterburg (#154)1 erließ daher 1554 eine neue Dorfordnung2, welche 1649 erneuert, die Gerichtsbarkeit in Essingen bis zum Ende des 17. Jahrhunderts regulierte. Auffällig ist dabei, dass Vergehen und Verfehlungen gegen die weltliche und geistliche Herrschaft, die ja bei der Herrschaft von Woellwarth in einer Hand lagen, besonders streng bestraft wurden: „Hernach vorliegende Artikel hat der edel und vest Hans Konrad von Woellwarth zu Lauterburg und Dorfherr zu Essingen aus notwendiger Ursach und von wegen gemelts Flecken Nutz und Wohlfahrt im Beisein eines Gerichts und der Vierleut daselbst jetzigen und allen nachkommenden Schultheißen befohlen, einer Gemeinde jährlich auf Sonntag nach Pfingsten, genannt Trinitatis (Dreifaltigkeitssonntag), auch alle und jede Übertreter nach Gestalt ihres Verbrechens, in allen Artikeln einverleibt, jedes Mals unnachlässlich zu strafen und niemanden zu verschonen, doch mit dem Vorbehalt, solchiges zu mindern, mehren oder gar abzutun. Actum den 22. Tag Julius Anno 1554:

Keiner darf ohne herrschaftliche Erlaubnis in den Krieg bei der Herrschaft höchster Straf.

Mit Juden zu handeln, tauschen, entleihen ist bei der Herrschaft höchster Straf verboten.

Jeder Bauer soll Feuerleitern und Hacken haben bei einem Gulden Strafe.

Bezahlung des Bürgerrechts an die Herrschaft und Gemeinde je ein Pfund Heller.

Ohne Wissen und Willen der Herrschaft keine Hausgenossen haben bei Strafe.

Keinen Bettler über Nacht behalten bei Strafe von zwei Gulden.

Zechen in Wirtshäuser nach 9 Uhr verboten bei Strafe von zwei Gulden.

Welcher Ausschank betreiben will, soll es ein Jahr treiben bei zwei Gulden Straf.

Mühlen-, Korn- und Schankwein- Maße sollen jährlich geprüft werden.

Von fremden Bäckern kein Brot kaufen bei einem Gulden Strafe.

Beim Gemeindläuten nicht erscheinen bei Straf der Herrschaft und der Gemeinde.

Freventlich schwören und Gott lästern bei einem Gulden Strafe.

Zum Feuer holen einen Hafen nehmen bei Straf der Herrschaft ein Gulden.

Hanf und Flachs brechen und hechlen vor und nach dem Ave-Maria verboten.

Abfall und Kehricht auf die Gassen schütten bei Strafe der Herrschaft verboten.

Wäsche waschen in den Brunnentrögen bei Strafe der Herrschaft ein Gulden verboten.

Güterverkauf ohne der Herrschaft Wissen und Willen bei höchster Strafe verboten.

Verkauf von Dung bei Strafe von zwei Gulden verboten.

Verleihung von Äckern und Wiesen ohne der Herrschaft Wissen verboten.

Weg durch fremde Gärten verboten bei Strafe der Herrschaft.

Holz einführen ohne Wissen der Vierleut bei Strafe der Herrschaft verboten.“

Um die vielen Gebote, Verbote und Strafandrohungen zu überwachen, waren natürlich zahlreiche Amtsleute erforderlich. Sie hielten dabei auch das Gemeinwesen vor allem in unsicheren Zeiten in rechter Ordnung. Die meisten der Amtsbezeichnungen sind längst weggefallen und auch dem Namen nach nicht mehr bekannt. Es gab Schultheißen, Richter, Untergänger, Kastenknechte, Steuereinbringer, Zehntscheuermeister, Fronmeister, Schafmeister, Wiesenmeister, Fleisch- und Brotbeschauer, Bierschätzer, Ziegel- und Kalkschauer, Kleemeister, Tag- und Nachtwächter, Feuerbeschauer oder den Amts- und Polizeidiener, nur um einige davon zu nennen. Eine besonders wichtige Aufgabe kam dabei dem Dorfaufseher zu, dem 1784 auf Anordnung des woellwarthschen Vogtamtes eine Uniform vorgeschrieben wurde, um seinem Auftreten im Namen der Herrschaft besonderes Gewicht zu verleihen. Schneider Johannes Barth rechnete am 19. Dezember 1784 die „auf Befehl des Bürgermeisters Hittelmaier für den Dorfaufseher gemachte Livree aus grauem Tuch mit gelben Aufschlägen und Kragen“ ab.3 Das Material zu dieser Uniform lieferte Melchior Bäurle mit Rechnung vom 11. Oktober 1784. Die Kosten für seine von der Herrschaft vorgeschriebene Uniform wurden dem jeweiligen Dorfaufseher nach und nach vom Lohn abgezogen!