Die gestohlenen Leben Band III - Hiam Mondini - E-Book

Die gestohlenen Leben Band III E-Book

Hiam Mondini

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Beschreibung

Die schmerzhafte Vergangenheit von Linda wird abermals lebendig und verborgene Wahrheiten müssen aufgedeckt werden. Durch besondere Finessen, neue Taktiken und erbarmungslose Methoden funktionieren die bekannten Charaktere wieder als perfektes Team. Auch Bonnies Herkunft, die Wurzeln von Kenneth sowie schottische Hochlandliebe enthüllen sich in diesem Band III der Trilogie. Die Macht von Liebe, Freundschaft und Vergebung erhellt in einem finalen Feuerwerk.

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Inhaltsverzeichnis

Intro

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Kapitel 88

Kapitel 89

Kapitel 90

Kapitel 91

Kapitel 92

Kapitel 93

Kapitel 94

Kapitel 95

Kapitel 96

Kapitel 97

Kapitel 98

Kapitel 99

Kapitel 100

Kapitel 101

Kapitel 102

Kapitel 103

Outro

Intro

Eisig kalter Nordwind schleicht sich hinterhältig durch die engen Gassen des schottischen Dorfes und treibt die Menschen in die warmen Häuser zurück. Jene, die es sich erlauben können, bleiben den ganzen Tag im Schutz der Wärme, geniessen das knisternde Feuer im Kamin, lesen aufregende Geschichten von fernen Ländern, kochen sich Leckereien und träumen von der weiten Welt. Von weissen Sandstränden, vom warmen Sand zwischen den Zehen und gut gemixten Cocktails an den Poolbars. Ferien, die sich die wenigsten hier leisten können, die sie aber alle von den Filmen und den Reisewerbungen kennen. Verführerische Bilder, tagein, tagaus.

Eine Holztür des rustikalen Lagerhauses öffnet sich und ein grosser, stämmiger Mann, wettertauglich und praktisch gekleidet, kämpft mit dem Wind, um die Tür hinter sich wieder zu schliessen. „Verdammter Wind!" Grimmig steckt er beide Hände in seine Jackentaschen und geht mit schweren Schritten auf das frei stehende Steinhaus zu. Neben dem prunkvollen Treppenaufstieg nimmt er zwei grosse Holzstücke von der ordentlichen Beige und öffnet die Tür zur Wärme. Ohne sich seiner Schuhe zu entledigen, schlurft er durch den geräumigen Eingangsbereich bis zum gemütlichen Wohnzimmer. Das fröhlich tanzende Feuer spendet warmes Licht und lässt den Raum noch stilvoller wirken. Während sich der lange Schotte vor dem Kamin hinkniet, hört er auch schon kleine Füsse die Treppe herunter kommen. Er verdreht die Augen und kommt ihr zuvor: „Keine Stiefel im Haus! Wie oft muss ich es denn noch sagen! Ich putze und putze hier drin und dir fällt nichts Besseres ein, als mir den ganzen Dreck vom stinkenden Stall hier reinzutragen! Das braucht mich wieder Tage, diesen Gestank aus dem Haus zu bringen! Was sollen unsere Gäste davon halten!" Er versucht seiner Stimme einen weiblichen, hysterischen und doch liebevollen Touch zu verleihen, während er im Feuer rumstochert.

Als er weder ein Widersprechen noch ein Ausbruch einer Beleidigung vernimmt, dreht er sich wundernd um und blickt in die aufgerissenen Augen der zierlichen Person in der offenen Tür. Langsam steht er auf, geht auf sie zu und bückt sich auf ihre Augenhöhe. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen! Hast du einen Geist gesehen? Hailey?" Die Angesprochene zwinkert aufgeregt und schluckt fast hörbar schwer, bevor sie ihre Stimme wiederfindet. „Er kommt... Sie kommen... alle... beide... alle drei... kommen sie..."

Kapitel 1

„Bonnie, das war wie immer einfach nur köstlich! Du bist mit Abstand die beste Köchin, die es auf diesem Planeten gibt!" Frank lehnt sich gemütlich im Stuhl zurück, nimmt sich die Serviette vom Schoss und schlägt sich mit der flachen Hand auf den trainierten Bauch. „Also heute früh habe ich zum Glück zwei Einheiten eingelegt, sonst bekomme ich keine Aufträge mehr in den spannenden Filmen. Ich gehöre jetzt definitiv zum alten Hollywoodeisen! Aber jede Mahlzeit von dir ist das harte Training wert, meine Perle!" Er greift nach Bonnies Hand, die gerade seinen Teller vom Tisch nehmen will und gibt der alten Dame einen anerkennenden Handkuss darauf. Sie zieht diese beschämt weg und erwidert: „Jetzt hör aber auf damit! Du übertreibst wie immer! Aber ich sage nicht, dass es mir nicht schmeichelt. Danke dir Frank!" Sie nimmt seinen Teller und geht um den grossen Mahagoni Tisch herum, um auch Kens Teller abzuräumen.

„Nein Bonnie, er übertreibt nicht! Das war wirklich ein fantastisches Essen! Ich würde gar behaupten, ein Gourmet Bewerter würde dies als eine "Gaumen Explosion" bezeichnen und mit 5 Sternen bewerten!" Er tut es seinem Vater gleich und legt sich im Stuhl zurück. Er klopft sich ebenfalls auf seinen Bauch und schmunzelt: „Nur sahen meine Fitnesseinheiten heute Morgen nicht ganz so athletisch aus, wie deine, Dad. Ich habe unsere Wohnung auf Vordermann gebracht, bin in den Supermarkt gerannt und habe anstelle des Lifts die Treppe genommen. Das war’s! Dafür ist jetzt alles bereit für den grossen Empfang."

Frank erhebt sich aus dem Stuhl und geht auf seine Bar zu. „Nimmst du auch etwas zum Verdauen? Ich platze sonst in der Luft!" Er lacht freudig und nimmt eine Flasche Single Malt aus dem fahrbaren Globus. Ken legt die Serviette auf den Tisch und erhebt sich aus seiner gemütlichen Lage. „Dad, ich wollte dir noch etwas sagen, bevor wir zum Flughafen fahren." Er geht langsam auf seinen Vater zu, welcher ihm erwartungsvoll ein Kristallglas mit etwas goldenem Inhalt hinstreckt.

„Fahren?"

Kapitel 2

Sie hätte es ihm nicht sagen sollen. Noch nicht, zumindest. Aber wie um alles in der Welt könnte sie solche Neuigkeiten nur für sich behalten? Kraftvoll zerstampft Hailey die noch dampfenden Kartoffeln in der Pfanne. Der erdige Geruch verbreitet sich in der grossen Küche und gibt der erfahrenen Köchin von neuem Antrieb. Doch, sie musste es ihm sagen und nicht hinauszögern. Es wäre viel schlimmer für ihn gewesen, hätte er es im Dorf erfahren. Solche Neuigkeiten verbreiten sich rasend schnell und stimmen dann so oder so nur zur Hälfte. Nicht daran zu denken, wenn es Crissa vor ihm gewusst hätte. „Heilige Mutter Gottes!" Hailey bekreuzigt sich mit erschrecktem Blick aus dem Fenster. Sie bleibt für den Bruchteil einer Sekunde an diesem Gedanken hängen und zerstampft dann eifrig die Kartoffeln weiter. Crissa darf das auf keinen Fall erfahren, das gäbe ein Desaster! Wenn es erst einmal diese Klatschtante weiss, verbreiten sich lauter Lügen im Dorf. Das wäre schlimmer als die Pest! Wieder bekreuzigt sich die kleine Schottin und beginnt flüsternd, das Vaterunser vor sich herzubeten.

„Wen hast du umgebracht?" Wie auf frischer Tat ertappt, lässt Hailey ihr Kochwerkzeug in die Pfanne fallen, schlägt sich die Hand auf die Brust und dreht sich auf ihren Absätzen um. „Sag nicht solche schrecklichen Dinge, Angus Cunningham MacKay! Und was fällt dir ein, mit deinen schmutzigen Stiefeln in meine saubere Küche zu kommen!?" Sie dreht sich wütend um, nimmt ein Messer zur Hand und hebt es bedrohlich in die Luft, ohne ihren Erschrecker eines Blickes zu würdigen. „Mach, dass du rauskommst und bring mir ein Huhn!" Als sie hinter sich kein Geräusch wahrnimmt, dreht sie sich langsam wieder um und blickt direkt in die düster dreinblickenden Augen. Seine Arme vor der Brust verschränkt, lehnt der Hausherr am Türrahmen und kaut stumm auf einem Grashalm, der aus seinem Mund lugt. „Ich bin nicht IN der Küche... Ich stehe im Türrahmen..." Lässig hebt er eine Augenbraue, zieht geräuschvoll Luft durch seine Nase und stampft mit einem Stiefel auf den Boden.

„Du bist ein Scheusal, Angus Cunnigham MacKay! Ein schreckliches, ungezogenes und gottloses Scheusal!" Sie legt das Messer zur Seite, putzt sich ihre Hände an ihrer mit Spitzen besetzten Kochschürze und geht zum grossen Holztisch inmitten der Küche. Sie nimmt die darauf liegende Schere, schneidet vereinzelt Kräuter von den frischen Sträuchern in den Töpfen und legt sie behutsam in eine kleine Schale. Diese stellt sie neben die heisse Pfanne und geht auf den Kühlschrank zu. Sie öffnet die verchromte Tür, entnimmt dieser eine Glasflasche und geht mit der weissen Flüssigkeit wieder zur dampfenden Pfanne zurück. Während sie langsam den Deckel der Milchflasche abschraubt, atmet sie tief und hörbar ein und aus. Sie giesst die nahrhafte Flüssigkeit zum Kartoffelbrei und stellt laut fest: „Na dann, eben kein gebratenes Hühnchen heute!"

Kapitel 3

„Aber sie wird sich hoffentlich schon mal an diese Situation gewöhnen, oder nicht?" Frank blickt etwas gelangweilt aus dem Limousinen Fenster und lässt seine Finger einen Rhythmus auf das Bein klopfen. Ken schmunzelt schelmisch und dreht sich zu seinem Vater um: „Wirst du denn etwa bequem auf deine alten Tage? Hey, Dad, ein Grossvater sollte flexibel und spontan sein! Ich dachte, Mirjam hält dich hierbei schon gut in Form!" Der heitere Professor und Anwalt setzt sich auf die seitlichen Sitze im langen Fahrzeug, sodass er seinen Vater besser ansehen kann. Dieser öffnet seinen Hemdkragen etwas und sieht auf die Uhr an seinem Handgelenk. „Hm… Mirjam... Wann genau landen sie denn eigentlich? Ich könnte sonst die Kleine überraschen und wir treffen uns alle zuhause. Dass sie ins Gästehaus kommen, bleibt doch schon noch, oder?" Fragend blickt er in die aufgeregten Augen ihm gegenüber.

„Weisst du was? Das ist eine grossartige Idee! Warum überraschst du nicht Mirjam, entführst sie und fliegst mit ihr zurück. Wir nehmen den Wagen und fahren in die Praxis, um Roberto mitzunehmen. Dann treffen wir uns alle zuhause. Und ja, das Gästehaus würden wir gerne nutzen für ein paar Tage. Dann gehen wir wieder in die Stadt. Ok, Dad?"

Die gehobenen Augenbrauen und der verzogene Mund verraten Ken, dass nur ein Teil seiner Idee gut beim ehemaligen Actionhelden der Nation ankommt. Und er versucht erneut diese Mimik zu ändern: „Komm schon, Dad, bald geniessen wir gemeinsame Ferien! Und glaub mir, du wirst spätestens danach froh sein, etwas Ruhe von uns zu haben!"

Frank Conley schnalzt mit der Zunge und drückt lässig auf den Knopf neben sich. Kenneth verdreht seine Augen, lehnt seinen Kopf in den Nacken zurück und schiebt seinen Hintern an den Sitzrand, so dass er wie ein Kartoffelsack im Sitz hängt. „Jetzt geht's los..."

Das verdunkelte Fenster zwischen dem Fahrerabteil und dem hinteren Teil der Stretch-Limo versinkt langsam und der Blick auf die Strasse vor ihnen sowie der Nacken und die rechte Schulter des Fahrers Max werden sichtbar. „Hey, mein Freund! Sag mal, wie geht’s deinen Jungs? Alle gesund und munter? Ist deine Melissa noch immer die glücklichste Frau der Welt?" Frank spricht diese Worte ins eingebaute Mikrophon neben seinem Sitz. Sein langjähriger Fahrer und Begleiter auf den Strassen von New York blickt erfreut in den Rückspiegel und antwortet: „Natürlich, Sir! Alle glücklich und gesund! Melissa wird von Tag zu Tag schöner und meine Jungs machen uns zu stolzen College Eltern, Sir! Sie wissen, alles nur, weil wir nicht in dieser stinkenden Stadt wohnen. Frische Luft und Meeresbriese brauchen Kinder, um gesund gedeihen zu können! Wie Sie, Sir Conley Junior!" Er zwinkert abschliessend in den Rückspiegel und lässt die Trennscheibe lautlos wieder hochfahren.

Kapitel 4

„Guter Junge! Lass uns Frieden suchen, Frauengeschnatter ist mir noch nie gut bekommen." Angus zieht den Sattelgurt an seinem Hengst noch etwas fester und streift mit seiner Hand sanft über das glänzend schwarze Fell. Er nimmt die Zügel in die Hand und schwingt sich gekonnt und lässig auf den Rücken des starken Tiers. Sein Zungenschnalzen und ein leichter Kick mit dem Fuss verraten dem trainierten Pferd des Weges zu gehen. Die Beiden reiten gemütlich vom Hof, durch den Waldweg am plätschernden Bach entlang, hinaus auf die hügelige, weite Landschaft der schottischen Highlands. Sie setzen erst zum Trab an, bis auch der Hengst seinen Beinen mehr Kraft verleihen will und galoppieren dann bis zu den hochgelegenen Klippen. Eine unbeschreibliche Weitsicht auf den Ozean präsentiert sich und Angus bringt sein folgsames Pferd zum Stehen.

„Was würde ich bloss ohne dich machen, mein guter Junge?" Angus klopft mit seiner flachen Hand auf den kräftigen Hals seines treuen Begleiters und lässt den Blick übers Meer gleiten. „Was hältst du denn davon, dass wir Besuch bekommen?" Das angesprochene Tier schüttelt seine glänzende Mähne und schnaubt laut hörbar. „Hm, ja... Geht mir auch so! Ich mag es nicht besonders, das Haus voller Leute zu haben. Schon gar nicht, wenn stets die alten Geschichten aufgetaut werden. Hailey wird wieder an alles erinnert und kann nicht mehr schlafen. Hm, das kann sie schon jetzt nicht mehr, seit sie weiss, dass sie herkommen. Sie würde es natürlich nie zugeben, weisst du, aber ich bin nicht so introvertiert, wie sie mich ständig hinstellt. Du weisst das, nicht wahr? Und soll ich dir verraten, weshalb ich weiss, dass sie nicht gut schlafen kann? Ihre Rühreier sind verkocht, zuwenig oder zuviel gewürzt, ihr Tee zu lange gezogen, der Kaffee viel zu stark, das Fleisch schuhsohlenhart gebraten und der Salat schwimmt förmlich in der Sauce!"

Er nimmt die Zügel wieder auf und gibt seinem verschwiegenen Zuhörer sanfte Tritte in die Seite. Sie galoppieren an der traumhaft schönen Kulisse entlang und zurück nach Hause. Ein atemberaubendes Zuhause, welches in Generationenhänden gepflegt und gehegt wurde, soweit Angus in seinem schottischen Stammbaum an der Wand im grossen Treppenaufgang sehen kann. Und niemand wird das je ändern, wenn nur die Sache mit den Nachkommen nicht so schwierig wäre.

Kapitel 5

Nachdem das lange Fahrzeug vor dem Flughafen einen Passagier ausgeladen hat, fährt es wieder in Richtung Brooklyn. Frank Conley drückt eine Wahltaste auf seinem BlackBerry und hält ihn an sein Ohr. „Hey Tom, wie geht es dir? Hättest du Zeit für einen ehemaligen Kunden?" Er lacht auf und streckt seine langen Beine durch. „Grossartig!... Nein, danke! Ich will keine Studioluft schnuppern... lieber etwas an deinen frischen Ledersitzen!... Haha... Genau! Ich brauche einen Fahrer für die kleine Wilde und mich. Ich bin gerade auf dem Weg zur Schule mit Max. Der muss dann aber Ken wieder vom Flughafen abholen... ja genau... Heute kommen sie... Kaum zu fassen, nicht?" Er blickt aus dem Fenster und bemerkt, dass sie schon bald am Ziel sind. „Na gut, dann, vor der Schule? Und dann ab zu Mike auf den Flugplatz! Du bist noch immer der Grösste für mich! Bis gleich!"

Der grosse, noch immer sehr gut gebaute Schauspieler bedankt sich bei seinem Fahrer und steigt aus der Limousine. „Na dann, auf in die Kicherrunde!" Er macht die oberen beiden Knöpfe seines Jacketts zu und geht mit eleganten Schritten, eine Hand lässig in der Hosentasche, auf den Schuleingang zu. Er öffnet erst die grosse Tür, dann sogleich die nächste zu den Empfangsdamen der Privatschule.

„Guten Tag die Damen", spricht er die bereits aufblickenden Frauen hinter den Tresen an. Beide stehen sofort auf, als wäre der Kommandant einer Polizeiakademie eingetreten.

„Guten Tag Herr Conley! Wie schön, Sie zu sehen! Da wird sich aber jemand freuen über diese Überraschung!" Die ältere der beiden hat die Sprache zuerst wiedergefunden und schiebt ihm ein Blatt mit Schreiber hin. „Darf ich Sie bitten, hier zu unterschreiben? Ich trage dann alles andere nach. Sozusagen ein blindes Autogramm!" Während sie das mit einem entzückenden Lächeln sagt, kichert die Jüngere in ihre Hand und setzt sich verlegen wieder auf ihren Stuhl zurück. Frank unterzeichnet auf dem ihm zugewiesenen Feld und freut sich insgeheim über die Wirkung, die er noch immer hat, obschon seine Filmtage weit zurückliegen.

„Donna, begleitest du Herrn Conley bitte zur Klasse?" Die erste Sekretärin nimmt das Blatt vom Tresen und weist der Kichererbse mit dem Stift den Weg.

„Natürlich, sehr gerne! Darf ich bitten, Herr Conley?" Sie steht auf, geht um den Tresen und öffnet die zweite Tür des Büros hinter Glasscheiben.

„Bitte, nennen Sie mich Frank. Herr Conley, klingt so alt." Der selbstsichere, grosse Mann, hält die Tür nun weit oben, sodass die kleine Sekretärin durchhuschen kann und dabei einen tiefen Atemzug von seinem verführerischen Aftershave einatmet. Sie kichert erneut und antwortet: „Sehr gerne, Sir!... Oh... ich meine natürlich Frank."

Kapitel 6

„Da bist du ja endlich! Brauchst du noch lange mit den Pferden?" Hailey steht, beide Hände in die Hüften gestützt, in der offenen Stalltür. Angus bleibt ruhig auf einem Knie gestützt und kümmert sich fürsorglich um den Huf eines Pferdes. „Ja, hier bin ich, Hailey. Was brauchst du denn?" Langsam stellt er das Bein des Pferdes wieder auf den Boden, lässt seine Hand über das Bein hinaufgleiten und klatscht dem Tier sachte auf den Hintern. „Braves Mädchen!" Er nimmt den Lappen neben sich von der halboffenen Holztür und wischt sich damit die Hände ab.

„Ich möchte gerne ins Dorf. Begleitest du mich? Bitte?" Die Hände wie zum Gebet gefaltet, steht sie nun schon fast schüchtern da.

„Und was brauchst du vom Dorf? Kann das nicht Sam besorgen?" Er nimmt den Sattel neben sich vom Balken und geht wieder auf die stattliche weisse Stute zu. Er hängt den eleganten Rückensitz vor die Stute an einen dafür bestimmten Haken und das Jungtier beginnt sogleich unruhig zu werden. Beschützend steht er dicht neben sie, streicht ihr unter der wilden Mähne über den Hals und besänftigt sie: „Das wird schon werden..."

„Nein, Angus, du verstehst mich nicht. Ich möchte gerne mit DIR ins Dorf fahren. Ich brauche anständige Kleider und möchte gerne bei Bynnies zu Mittag essen." Kaum hat sie fertig gesprochen, vernimmt sie tiefe, murmelnde Geräusche aus der Pferdebox mit der neuen jungen Stute. „Bitte Angus... ich kann sie doch nicht so empfangen, in diesen alten Kleidern. Was sollen sie bloss denken!" Sie putzt sich die Nase mit dem Küchentuch, welches aus ihrer Kochschürze ragt und geht mit langsamen Schritten vom Stall weg.

„Was möchtest du denn, dass ich anziehe, fürs Bynnies?" Angus steht an der Stalltür gelehnt und putzt seine Hände, den Blick ebenso darauf gerichtet. Hailey bleibt zwar stehen, dreht sich jedoch nicht zu ihm um, damit er auf keinen Fall ihr freudig strahlendes Gesicht sehen kann. Sie versucht ein stummes Lachen zu verkneifen, damit er es nicht bemerkt und antwortet: „Den blauen Rollkragenpullover, den ich dir zu Weihnachten gestrickt habe und die beige Cordhose. Keine Stiefel! Die Kirchenschuhe." Wieder mit erhelltem Gesicht geht sie triumphierend auf das Haus zu und hört die tiefe Männerstimme hinter sich fragen: „Auch frische Unterhosen?"

Kapitel 7

Frank bleibt vor der Klassentür stehen und bedankt sich bei seiner Begleiterin: „Vielen Dank, Donna. Ich warte noch etwas hier und beobachte die Kinder durchs Fenster. Ich sehe jungen und eifrigen Schülern so gerne zu. Ist das ok?" Er blickt sie fragend an. „Tut mir leid, Herr Conley. Frank! Ich darf Sie nicht alleine hier im Flur stehen lassen. Vorschrift, Sie verstehen hoffentlich. Aber ich kann gerne mit Ihnen warten, wenn Sie möchten, ich habe Zeit." Sie blinzelt etwas verlegen erst zu Boden, dann blickt sie durchs Fenster neben der Tür, in den Klassenraum. „Oh sehen Sie, Mirjam ist an der Reihe! Sie untersuchen heute ihre Blutgruppen, ist das nicht aufregend? Zu meiner Zeit, haben wir in den Physik- und Biologiestunden noch nicht solche coolen Sachen gemacht. Da hiess es vorallemvor allem die Blätter der Bäume studieren, Fische sezieren und irgendwelche Tabellen auswendig lernen."

„Wie meinen Sie, sie untersuchen ihre Blutgruppen?" Mit gerunzelter Stirn blickt Conley ebenfalls in den Experimentierraum, in welchem eine Gruppe von Schülern sich um einen grossen Tisch gesammelt hat. „Was macht sie denn da? Ist das Blut? Etwa IHR Blut?!" Erschreckt bewegt er sein Gesicht näher ans Fenster und bevor Donna etwas erwidern kann, öffnet Frank ruckartig die Tür. „Hey! Was macht ihr denn Spannendes da?!", ruft er laut in die wissenschaftliche Runde und alle Köpfe drehen sich zu ihm herum.

„Skipper! Was machst DU denn hier?!" Freudig lässt das kleinste Mädchen, mit den dunklen langen Locken, ihre sterilen Instrumente fallen und hüpft auf den Besucher zu. Sie umarmt ihn und wird umgehend gedrückt. Frank küsst sie auf ihren Kopf und atmet den Duft ihrer Haare ein. „Hmm, wie ich dich vermisst habe, Lassie!" Er kneift ihr in die Seite, was sie zum Kichern bringt.

„Herr Conley, welche Ehre, Sie in unserer Experimentierrunde begrüssen zu dürfen!" Der lange, dünne Lehrer mit einem orangefarbenen T-Shirt und verwaschenen Jeans tritt auf die beiden Umarmenden zu. Er reicht Frank die Hand zum Gruss und drückt sie fest zu. „Ein starker Druck, Sir! Würde man Ihnen gar nicht zutrauen." Frank blinzelt ihm zu und fährt gleich fort: „Ich hoffe doch, ich störe nicht!" Während er das sagt, sieht er neugierig auf den Tisch und die darauf liegenden Sachen.

„Nein, ganz und gar nicht, Sir! Bitte, treten Sie doch näher! Mirjam war gerade dabei ihr Blut für eine Probe vorzubereiten. Das muss nun halt warten bis zur nächsten Stunde. Aber das ist ja kein Problem, nicht wahr?" Der Wissenschaftler blickt erst Conley, dann Mirjam an. Diese schüttelt eifrig den Kopf: „Nein, nein, schon gut!" Sie geht zum Tisch und nimmt das flache Plättchen mit dem roten Fleck darauf in die Hand. „Ich hab ja noch genug davon." Sie lacht fröhlich und wirft das Plättchen in den verschliessbaren Eimer unter dem Tisch.

Der verwunderte Besucher geht an den Tisch und fragt: „Weshalb wirfst du es denn jetzt weg?"

„Weil das Blut jetzt eingetrocknet ist!", beantwortet ein blondes Mädchen neben Frank seine Frage. „Dafür bin ich jetzt an der Reihe!" Eifrig greift sie nach dem Mikroskop und öffnet behutsam ein kleines Röhrchen mit etwas roter Flüssigkeit darin.

Kapitel 8

Schweigend sitzen sie nebeneinander im alten Cadillac und fahren durch die unberührte Landschaft der Highlands. Glücklich und auch etwas nervös sitzt Hailey kerzengerade im weissen Leder. Ihre zierlichen Hände in cremefarbenen Handschuhen liegen auf ihrer Handtasche, welche dieselbe Farbe hat. Nachdem sie über einen Stein gefahren sind, der den Wagen kurz zum Rütteln gebracht hat, richtet sie ihren Hut, der einen Teil ihrer weissen Locken bedeckt. Vorwurfsvoll blickt sie Angus von der Seite her an. Dieser hebt lässig seine Schultern und murmelt: „Ich hab ihn nicht auf die Strasse gelegt." Er stützt seinen Kopf mit der rechten Faust, deren Arm am Fenster lehnt.

„Solltest du nicht beide Hände am Lenkrad haben?" Die aufgeregte Mitfahrerin schielt ihn demonstrativ an.

„Wer nicht einmal fahren kann, hat nichts zu meckern!" Er würdigt sie keines Blickes, sondern blickt weiter auf die Strasse vor sich.

„Wie kann man nur so ein Brummbär sein! So warst du nie zu…" Sie schüttelt kaum merklich den Kopf und blickt wieder hinaus in die Umgebung. „Weisst du Angus, das ist alles auch nicht einfach für mich! Ich hätte es mir auch anders gewünscht. Aber du bist doch jetzt ein reifer Mann und eine sehr gute Partie dazu! Du kannst nicht immer alleine da draussen bleiben. Mich wird es auch nicht bis in alle Ewigkeiten geben und und ..." Sie kann ihren Redeschwall nicht zu Ende bringen, da wird sie vom Fahrer unterbrochen: „Und Windelscheisser muss ich auch noch hinkriegen!"

„Angus Cunnigham MacKay! Sprich nicht so über deine Nachkommen! Wie stellst du dir das alles denn eigentlich vor? Was habe ich bloss falsch gemacht in deiner Erziehung?" Empört dreht sich die kleine Schottin so auf dem Sitz, dass sie Angus den Rücken zudreht.

Nach einer langen Schweige- und Schmollzeit setzt sie sich wieder gerade hin, streicht ihren Mantel glatt und räuspert sich: „Nun gut, alles habe ich nicht falsch gemacht! Du wirst schon sehen, sie wird dir gefallen." Kaum hat sie den Satz fertig ausgesprochen, lenkt der stille Zuhörer den Wagen an den Strassenrand und stellt den Motor ab.

„Angus?! Was machst du da?! Stimmt etwas mit dem Wagen nicht? Warum halten wir hier an?" Verwirrt blickt sie erst aus dem Fenster und dann ihren Begleiter wieder an. Dieser sitzt ruhig hinter dem Steuer, den Blick noch immer auf den Weg vor ihnen und lässt langsam seine Zunge über die Oberlippe gleiten, bevor er einen spitzen Mund formt, als wolle er pfeifen. Er zieht geräuschvoll Luft hindurch und schnalzt mit der Zunge. „Angus! Was geht hier vor?" Hailey setzt sich zu ihm gewandt hin.

„Sag du es mir! Weshalb habe ich wirklich frische Unterwäsche an?"

Kapitel 9

„Das war ja eine klasse Stunde! Der Lehrer scheint sehr nett zu sein! Magst du ihn, Lassie?" Frank tritt nervös von einem Fuss auf den anderen. „Ja, ich mag ihn sehr gut! Er ist super nett und macht immer so tolle Sachen mit uns!" Mirjam stellt sich direkt vor den grossen Mann, den sie, seit sie sprechen kann, mit Skipper anspricht und blinzelt zu ihm hoch: „Was ist los da oben? Warum bist du so aufgeregt?"

Frank bleibt auf beiden Füssen stehen und legt ihr seine grossen Hände auf die zierlichen Schultern und blickt in ihre dunklen Augen. „Weil wir heute wichtigen Besuch bekommen! Grossen und kleinen, wilden und ruhigen, jungen und alten! Sag nicht, dass du es vergessen hast, Lassie! Nicht du! Du bist schliesslich die Klügste in der Familie! In diesem hübschen Köpfchen hat‘s doch noch was, oder?" Er tippt belustigt mit seinem Finger auf ihre Stirn. Blitzschnell packt sie den Finger und öffnet lautlos den Mund. Sie verharrt einige Sekunden so und erwidert dann: „Heute? Sie kommen heute? Sind sie schon hier? Wo sind sie?!" Sie hält noch immer den Finger fest und blickt auf die Strasse, den Parkplatz und zur Einfahrt der Schule. Just in diesem Moment fährt ein roter Porsche vor und die verdunkelte Scheibe vom Beifahrersitz wird runtergefahren. Sie kann die Person hinter dem Steuer nicht erkennen, vernimmt jedoch eine ihr vertraute Stimme: „Wer muss dringend zum Flugplatz?"

Freudig hüpft das Teenagermädchen auf und springt zum roten Luxuswagen. „Ich, ich, nimm mich mit, Tom!" Sie öffnet die Beifahrertür und steckt ihren Kopf hinein. „Hi Tom! Wow, ist der neu? Ist das deiner?" Sie blickt sich im Wagen um. „Ja, das ist meiner. Gefällt er dir? Steig hinten ein, dann nehmen wir den alten, verlorenen Mann hinter dir auch noch mit!" Er lacht herzhaft und klopft auf den Sitz neben sich. „Brauchst du Hilfe, Actionheld?!"