2,99 €
Kurz vor seinem Tod - im Jahre 1864 - gab König Wilhelm I. von Württemberg den königlichen Forstdirektionen im Land einen außergewöhnlichen Pflanzauftrag, dessen Vorbereitung, Umsetzung und Ergebnisvielfalt seinesgleichen in der Geschichte sucht.
Mitte des 19. Jahrhunderts war die Entdeckung der riesigen Mammutbäume in Nordamerika eine große Sensation, die König Wilhelm I. als ausgewiesener Naturliebhaber zum Anlass nahm, sich Samen dieser Giganten direkt aus Kalifornien liefern und Tausende Jungpflanzen der exotischen Baumart im Kalthaus der heutigen Wilhelma in Stuttgart aufziehen zu lassen. Zu dieser Zeit wurden diese Baumriesen in Württemberg als Wellingtonie bezeichnet. Die Jungpflanzen wurden anschließend systematisch an exponierten Standorten in den königlichen Wäldern und in zahlreichen Schlossgärten und Parkanlagen Württembergs angepflanzt.
Dieses Buch beschreibt die interessante Geschichte der Entdeckung der Mammutbäume in Kalifornien in den 1850’er Jahren, erklärt die vielseitige Namensgebung der Big Trees, zeigt Zusammenhänge mit Anpflanzungen in Europa und dokumentiert in Wort und Bild die eindrucksvolle Initiative des Königs Wilhelm I. von Württemberg, insbesondere die Vielfalt und Schönheit der 134 verbliebenen Standorte mit insgesamt 325 Mammutbäumen dieser „Wilhelma-Saat”, verteilt von Nord-Württemberg bis zum Bodensee.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2019
Die Giganten des Königs
Historische Mammutbäume in Württemberg
Lutz Krüger
Kurz vor seinem Tod - im Jahre 1864 - gab König Wilhelm I. von Württemberg den königlichen Forstdirektionen im Land einen außergewöhnlichen Pflanzauftrag, dessen Vorbereitung, Umsetzung und Ergebnisvielfalt seinesgleichen in der Geschichte sucht.
Mitte des 19. Jahrhunderts war die Entdeckung der riesigen Mammutbäume in Nordamerika eine große Sensation, die König Wilhelm I. als ausgewiesener Naturliebhaber zum Anlass nahm, sich Samen dieser Giganten direkt aus Kalifornien liefern und Tausende Jungpflanzen der exotischen Baumart im Kalthaus der heutigen Wilhelma in Stuttgart aufziehen zu lassen. Zu dieser Zeit wurden diese Baumriesen in Württemberg als Wellingtonie bezeichnet.
Die Jungpflanzen wurden anschließend systematisch an exponierten Standorten in den königlichen Wäldern und in zahlreichen Schlossgärten und Parkanlagen Württembergs angepflanzt.
Dieses Buch beschreibt die interessante Geschichte der Entdeckung der Mammutbäume in Kalifornien in den 1850’er Jahren, erklärt die vielseitige Namensgebung der Big Trees, zeigt Zusammenhänge mit Anpflanzungen in Europa und dokumentiert in Wort und Bild die eindrucksvolle Initiative des Königs Wilhelm I. von Württemberg, insbesondere die Vielfalt und Schönheit der 134 verbliebenen Standorte mit insgesamt 325 Mammutbäumen dieser „Wilhelma-Saat”, verteilt von Nord-Württemberg bis zum Bodensee.
„Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiß, der erfährt die Wahrheit. Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie predigen, um das Einzelne unbekümmert, das Urgesetz des Lebens.“
Hermann Hesse
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung der Mammutbäume
Mammutbaumarten
Langlebigkeit und Reproduktion durch Feuer
Entdeckung im 19. Jahrhundert
Erste Anpflanzungen in Europa
Bezeichnungsvielfalt
Einzug der Giganten in Europas Gärten
König Wilhelm I. und die exotischen Riesen
Geschäftsbericht der Königlichen Bau- und Gartendirektion
Dekret der Königlichen Forstdirektion
Wilhelma-Saat-Inventuren im 20. Jahrhundert
Standorte der Wilhelma-Saat in Württemberg
Übersichtskarte
Einzelnachweise
Index
Bildnachweis
Literaturverzeichnis
Kontakt
In der Geschichte der Erdneuzeit entwickelten sich bereits in der Periode der Kreide (Oberkreide, vor ca. 100 bis 66 Mio. Jahren) verschiedene Arten der Mammutbäume. Durch den Fund von ca. 15 Millionen Jahre alten Fossilien konnte bestätigt werden, dass die Gattung Sequoiadendron (also der Bergmammutbaum bzw. die Wellingtonie) bereits in den Perioden Paläogen bzw. Neogen (vor ca. 66 bis 2,5 Mill. Jahren, ehemals als Tertiär bezeichnet) existierte. Funde in verschiedenen Braunkohlevorkommen in Deutschland zeigen, dass Mammutbäume einer ähnlichen Art in dieser Periode auch in unseren Breitengraden zur heimischen Flora gehörten.
Aufgrund extremer Klimaschwankungen im Eiszeitalter wurden Tiere und Pflanzen zu einer Verlagerung ihrer Lebensräume gezwungen. Während diese „Naturwanderungen“ in unserem europäischen Raum, bedingt durch hohe Gebirgszüge (Alpen) nur eingeschränkt möglich waren und zum Aussterben vieler Pflanzenarten führte, war die Situation für die Lebensfähigkeit der Mammutbäume in Teilen Nordamerikas günstiger.
Die Mammutbäume sind Nadelgehölze und gehören zur Familie der Zypressengewächse (Cupressaceae). In dieser bilden sie eine Unterfamilie (Sequoioideae), die drei Gattungen mit je einer lebenden Mammutbaumart enthält.
Für jede dieser Arten sind die botanische Bezeichnung und (in Klammern) weitere bekannte Benennungen aus dem deutsch- bzw. englischsprachigen Raum angegeben.
Sequoiadendron giganteum (Berg- oder Riesenmammutbaum, Riesensequoie, Wellingtonie, Wellingtonia, Washingtonia, Mammoth Tree, Giant Sequoia, Big Tree, Sierra Redwood)
Sequoia sempervirens (Küstenmammutbaum, Coastal Redwood, California Redwood)
Metasequoia glyptostroboides (Urweltmammutbaum, Chinesische Wassertanne, Dawn Redwood)
Die Mammutbäume der Wilhelma-Saat gehören zur Art Sequoiadendron giganteum. Der Name Wellingtonie wird seit der Entdeckung dieses Mammutbaumes im 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum genutzt und findet neben der Bezeichnung als Berg- oder Riesenmammutbaum noch Anwendung.
Das sehr hohe Alter der Mammutbäume in Nordamerika (bis zu über 3 000 Jahre) ist darauf zurückzuführen, dass diese Baumart in der Lage ist, sich selbst vor verschiedensten Bedrohungen der Natur zu schützen. Die Rinde dieser Bäume ist sehr dick (bis zu 60 cm wurden bei 2 000 bis 3 000 Jahre alten Bäumen gemessen) und reich an pflanzlichen Gerbstoffen (Tannine), welche einen besonders guten Schutz gegen Feuerschäden, Insekten- und Pilzbefall bilden.
Für ein erfolgreiches Wachstum benötigen die Mammutbaum-Sämlinge einen sehr nährstoffreichen Boden, viel Sonnenlicht und genügend freien Lebensraum zur Entwicklung der Jungpflanzen.
Aus diesem Grund sind periodische Waldbrände für die natürliche Reproduktion der Mammutbäume in Nordamerika erforderlich. Konkurrierende Pflanzen werden dabei vernichtet, und fruchtbarer Boden für die Sämlinge entsteht. Durch die aufsteigende Hitze des Feuers öffnen sich die hängenden Zapfen und geben so den Samen für die zukünftigen Giganten frei.
Die Geschichte der Entdeckung der Big Trees kann nicht von der leidensvollen Geschichte der Ureinwohner des Gebietes westlich von San Francisco, dem Volk der Miwok-Indianer getrennt betrachtet werden. Dieses Volk ist ohne Zweifel als “Erstentdecker” der Big Trees zu erklären. Funde von Einkerbungen der Ureinwohner im Fels wurden in diesem Gebiet nachgewiesen.
Ab den frühen 1840’er Jahren änderte der Fund von Goldminen und der damit verbundene Goldrausch in diesem Gebiet Kaliforniens auch das Leben der Miwok-Indianer dramatisch. Die Heimat der Ureinwohner wurde durch die Invasion der Goldgräber zerstört, Jagd- und Wasserressourcen der Miwok-Indianer wurden übernommen, Krankheiten wurden eingeführt. Nach einer Erhebung von 1910 haben weniger als 10 % der Miwok-Indianer diese Zeit überlebt.
Im Jahr 1852 wurde erstmalig ein Bericht von der Entdeckung riesiger Bäume durch A. T. Dowd veröffentlicht. Aber bereits im Jahr 1833 hatten Mitglieder der Joseph Reddeford Walker party diese Giganten auf ihrer Expedition durch die Sierra Nevada entdeckt. In den 1839 veröffentlichten Aufzeichnungen des Chronisten Zenas Leonard ist die Rede vom Fund unheimlich großer Bäume in der Sierra Nevada, die einen Umfang von 16 bis 18 Faden (entspricht etwa 29 m bis 33 m) in Kopfhöhe eines ausgewachsenen Mannes aufwiesen. Von diesem ersten Bericht über die Entdeckung der Mammutbäume, der zu dieser Zeit die öffentliche Presse nicht erreichte, fand man zufällig 65 Jahre später (1904) eine Kopie, die sogleich eine neue Diskussion über die Erstentdeckung dieser Giganten entfachte.
In dem Erstbericht im Sonora Herald vom Juni 1852 wird eine Jagd auf einen verwundeten Bär durch den Jäger A. T. Dowd beschrieben, während deren Verlauf Dowd zufällig einen unfassbar riesigen Baum1 im Calaveras grove entdeckte. Diese sensationelle Neuigkeit verbreitete sich sehr schnell. Verstärkt durch die darauffolgende Veröffentlichung des Berichts im überregionalen Echo du Pacific in San Francisco erreichte sie innerhalb von wenigen Monaten jede Region der Welt und so auch Europa.
Es ist nur eine kleine Geschichte am Rande dieser so besonderen Entdeckung der Big Trees, aber sie bezeugt die Besonderheit und den Sensationscharakter dieses Fundes. Dowd erwartete, dass ihm nach seiner Rückkehr von der Bärenjagd in das Camp der Goldgräber keiner die sensationelle Entdeckung dieser Big Trees glauben würde. Es ist die Rede davon, dass zudem seine Rückkehr “unglücklicherweise” auf den 1. April (Fools’ day) fiel und seine Beschreibung der Big Trees nur mit grossem Gelächter aufgenommen wurde. Einige Tage später erzählte er den anderen Jägern, dass er einen riesigen Bären erlegt hat, der so mächtig war, dass ein Mann allein ihn nicht bewegen konnte. Das Interesse der anderen Jäger war nun geweckt, so dass Dowd zusammen mit einer Gruppe Jäger am nächsten Tag aufbrach. Anstelle des riesigen Bären standen nun Big Trees vor ihnen. Somit ging Dowd’s Plan auf, genügend Zeugen an den Ort der riesigen Bäume zu führen, die anschliessend seinen Fund bestätigen konnten.
Leonards Bericht aus dem Jahr 1833
Zu erwähnen sei, dass in den folgenden Jahren weitere Personen die Erstentdeckung der Mammutbäume in der Sierra Nevada für sich beanspruchten. Einer der bekanntesten ist John Bidwell2, der Jahre später erwähnte, dass er bereits 1841 während einer Jagd zufällig auf diese Riesen in einem Grove in der Sierra Nevada stieß.
The Mammoth Trees (Calaveras County), 1860
Einige Jahre nach der Veröffentlichung der Entdeckungsgeschichte der Giganten wurde eine persönliche Aufzeichnung von John Barrington gefunden, in der von einer Sendung Samen der Big Trees im Jahre 1844 an seinen Vater in Irland die Rede ist. Weitere Details sind dazu nicht bekannt.
Mammoth Tree (Beauty of the Forest), 1857
Bereits in den folgenden Jahren entwickelte sich ein starker Tourismus in diesem, bis dahin kaum erschlossenen Gebiet. Es entstanden kleine Hotels, wie z.B. das “Mammoth Grove Hotel”, nahe des Mammoth Tree Grove in Calaveras. Der Beschreibung des Hotels aus den 1870’er Jahren ist zu entnehmen, dass 10 der insgesamt 92 Big Trees in diesem Gebiet einen Durchmesser von mindestens 9 m (30 feet) aufweisen.
Briefkopf des Mammoth Grove Hotels in den 1870’er Jahren
Im Mai/Juni 1853 haben 5 Männer in 25 Tagen einen der bekanntesten und grössten Big Trees, den sogenannten “Discovery Tree” gefällt, der durch Dowd’s Bericht von 1852 Berühmtheit erlangte. Er hatte einen Umfang von 29 m (96 feet) an der Basis und eine Höhe von 92 m (302 feet). Die Zählung der Baumringe ergab ein Alter von 1244 Jahren. Zurück geblieben ist ein riesiger Baumstupf, der seit 1853 als “Big Stump” bezeichnet wird. Im Jahr 1856 wurde ein Pavillion auf diesem verbliebenen Baumstupf errichtet.
Ein weiterer, im Jahr 1854 zerstörter Baum, die “Mother of the Forest”, wurde mit einem Umfang von 28 m (93 feet) und einer Höhe von 98 m (321 feet) angegeben. Um für Ausstellungszwecke einen Transport nach New York und später nach London3 zu ermöglichen, wurde die Borke des Baumes, bis in eine Höhe von 35 m (116 feet) entfernt, verpackt, verschifft und in der Ausstellung in originaler Form und Grösse installiert. Die massive Verletzung führte in den folgenden Jahren zu einem Absterben des Baumes.
Für den bereits vor Jahrhunderten gefallenen und teilweise zerstörten bzw. verbrannten Torso des “Father of the Forest” wurde eine Länge von 132 m (435 feet) und ein Umfang von 33 m (110 feet) an der Basis4 geschätzt. Der erste Ast befand sich in einer Höhe von 61 m (200 feet).
1 Dieser wurde später als Discovery Tree bezeichnet.
2 John Bidwell (1819 - 1900) kandidierte 1890 für das Amt des Gouverneurs von Kalifornien und 1892 für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten.
3 Die “Installation” war von 1857 -1866 in einer Ausstellung im Chrystal Palace in London zu sehen, bis sie am 30. Dezember 1866 durch ein Feuer vollständig zerstört wurde.
4 Im Originaltext ist die Rede von “must have been”, man konnte die ehemalige Höhe - wegen des Zustandes des gefallenen Baumes - nicht exakt bestimmen. Die Experten haben keinen eindeutigen Nachweis für diese Messung erbringen können. Die grösste, verifizierte und bestätigte Höhe eines Big Trees wird mit 99 m (325 feet) angegeben.
Die Samen- und Pflanzensendung, die Lobb im Dezember 1853 aus dem Calaveras grove in Kalifornien mitbrachte, wurde lange Zeit als Ersteinführung des Bergmammutbaumes in Europa betrachtet. Auftraggeber war die renommierte Handelsgärtnerei Veitch Nurseries zu Exeter im Südwesten Englands, die bereits ab dem Jahr 1854 erste Sämlinge zum Preise von zwei Guineen1 pro Stück anbot. Verschiedene Veröffentlichungen und Recherchen erbrachten aber letztendlich den Nachweis, dass bereits vor Lobb’s Rückkehr nach England Samen dieser “Big Trees” auf dem Postweg nach Europa gelangt war.
Nachweislich hat der schottische Bergbauingenieur und Landvermesser John D. Matthew bereits im Juli 1853, während seines Aufenthaltes in Kalifornien, Samen und Zweige der “Big Trees” an seinen Vater Patrick Matthew nach Schottland gesendet. Dieser hat die Sendung aus Kalifornien Ende August 1853 erhalten und die daraus gezogenen Jungbäume an verschieden Orten, in der Nähe von Kenmore (Perthshire),gepflanzt2.