Die Glerien Saga II - Angélique Knieps - E-Book

Die Glerien Saga II E-Book

Angélique Knieps

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Beschreibung

Neils Wunsch nach Frieden treibt ihn zusammen mit seinen Freunden in die entlegensten Ecken Gleriens, um eine Allianz gegen den Schwarzmagier zu formieren. Doch der Hass zwischen den Völkern ist tief in der Vergangenheit verwurzelt und die ideologischen Vorstellungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Wird es Neil trotzdem gelingen ein Bündnis zu schmieden, das es mit der Macht des Schwarzmagiers aufnehmen kann oder schafft es Alistor die Zwietracht zwischen den Rassen für seine Zwecke zu missbrauchen?

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Angélique Knieps

Die Glerien Saga II

Die brüchigen Bande

© 2023 Angélique Knieps

Lektorat: Mareen-Soraya Imort

Coverdesign von: Jennifer Schattmaier

(https://schattmaier-design.com)

ISBN Softcover: 978-3-347-89599-7

ISBN E-Book: 978-3-347-89600-0

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Für meinen Vater,

der mich immer unterstützt hat

und ohne den dieses Buch kein Cover hätte.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

Das Recht des Blutes

Die Macht der Magie

Festlichkeiten

Heimat

Der Verräter der Magier

Die Drachenreiter

Der Lehrling des Dämonenmagiers

Das Tal der Lenoren

Die Verlobte des Bruders

Der wahre Erbe des Throns

Lloyd von Glorios

Angriff

Allianz

Der König der Elemente

Rize

Zusammenkunft

Der Plan

Verlust

Das Schlachtfeld

Hoffnung

Ende oder Anfang?

Charaktere

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Autor

Die Glerien Saga

Cover

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Urheberrechte

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Das Recht des Blutes

Autor

Die Glerien Saga

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Das Recht des Blutes

Die Türen zum Thronsaal schlugen auf und gaben den Blick auf Zekra frei, der auf dem Thron seines Vaters saß als hätte dieser ihm schon immer gehört. Neil konnte nicht verleugnen, dass der äußere Schein Zekras dem eines Königs würdig erschien. Doch der Schein trog, das wusste er genau. Ein Mann mit diesem miesen Charakter konnte niemals ein Vorbild für das Volk sein. Je näher Neil an ihn herantrat und ihn betrachtete, desto mulmiger wurde ihm. Sein Gesicht strahlte keine Spur von Trauer, Schmerz oder Leid aus, obwohl seine Eltern erst vor kurzem verstorben waren. Neil war so von Zekra abgelenkt, dass er den groß gewachsenen Skipertio hinter ihm erst recht spät bemerkte. Für Neil wirkte er beinahe so unsympathisch wie der neue König selbst. Ein schmieriger Typ. Er trug die Kleidung der Königsgarde und war mit einer großen Sense ausgestattet, was recht untypisch für die Elitekrieger war, die mehr für ihre klassische Kampfkunst mit Schwert, Lanze oder Axt bekannt waren.

Die Gruppe verbeugte sich vor dem neuen König und Kratos erstattete Bericht. Er unterrichtete Zekra von dem Erfolg des Auftrags. Nachdem er damit fertig war, erhob sich Zekra von seinem Thron.

»Nun denn. Es ist schön zu hören, dass das Königreich nun wieder sicher ist. Kratos, ich will dir für deine treuen Dienste an der Königsfamilie danken. Dennoch werde ich dich aus der Leibgarde des Königs ausschließen und statt deiner Josil Nenali zu meinem Leibgardisten ernennen. «

Mit einer Handbewegung wies er auf den Skipertio mit der Sense. Kratos biss sich auf die Lippe. »Ganz wie Ihr wünscht, Eure Majestät.«

»Überreiche mir bitte dein Diadem, das dich als Anführer der Königsgarde auszeichnet«, bat Zekra gespielt höflich.

Kratos zögerte keinen Moment seinem neuen Herrscher das Zeichen seines Ranges mit einer Verbeugung zu überreichen.

Neil war schockiert über das Schauspiel, was sich ihm darbot. Wie konnte Zekra nur jemand so loyalen wie Kratos aus der Leibgarde absetzen?

Nun trat Keikai vor. Sein Blick war fest auf den neuen König gerichtet. »Nun sagt mir, Eure Majestät, werdet Ihr das Versprechen halten, welches mir Euer Vater gegeben hat?«

Zekra hielt Keikais Blick stand. »Ja, das werde ich. Die Darkonianer dürfen innerhalb Gleriens leben.

Frei und mit allen Rechten, die auch den Elementen zustehen. Ich werde das morgen öffentlich bekannt geben und Boten in die Elementardörfer entsenden. Von den Dörfern werden dann Leute ausgesandt, die zum Königshof aufbrechen, um Euch nach Hause zu geleiten. Am frühen Abend wird ein Festmahl für euch bereitstehen. Anschließend dürft ihr euch in eure Gemächer zurückziehen.«

Keikai verneigte sich erneut vor dem König. »Darf ich Euch, als neuer König der Darkonianer, morgen um ein Gespräch bitten? Es wäre erforderlich, dass alle hier Anwesenden diesem beiwohnen dürfen.«

Zekra nickte. »Aber natürlich dürft Ihr das, Eure Majestät.«

Zekras Wortwahl war geschickt höflich, doch Neil spürte die Verachtung, die jede Silbe in sich trug. Er kannte diesen Unterton genau. Es war der gleiche Ton, in dem seine Mitschüler aus Norken mit ihm sprachen, wenn ein Lehrer in der Nähe war.

Neil hatte gerade genug Zeit auf das Zimmer zu gehen, in dem er bereits vor der Abreise gewohnt hatte, und sich kurz hinzulegen. Er genoss das weiche Bett, doch in seiner Magengegend hatte sich ein fester Knoten gebildet. Glerien stand einem übermächtigen Gegner gegenüber, den es zu schlagen galt. Doch zu seinem Glück lenkte Kiko, der immer wieder von seinem Bauch auf den Boden und wieder zurück sprang, ihn von seinen grüblerischen Gedanken ab. Die Energie, die dieses Wesen hatte, erstaunte Neil ein ums andere Mal. Im Gegensatz zu ihm schlief der kleine Morsil kaum und rannte stattdessen aufgeregt herum oder erkundete neugierig die Umgebung. Etwas beneidete er Kiko um dessen Dynamik. Er selbst fühlte sich die meiste Zeit ausgelaugt, gestresst und vor allem ratlos.

Nachdem er sich ein wenig ausgeruht hatte, betrat Neil den Saal, den er auch von seinem ersten Aufenthalt kannte. Der Tisch war reich gedeckt. Diverse Fleisch- und Brotsorten waren mit einer Früchtevielfalt, die er nur von dem Schloss kannte, aufgetischt worden. Er stopfte sich mit allem voll, was er zwischen die Finger bekam. Glücklich und vollgefressen ging er danach zusammen mit Shax in sein Zimmer. Schon auf der Reise hierhin hatte er mit ihm ausgemacht, dass sie zusammen in das Buch von Neils Vater und ihrer beider Mutter gucken würden. Neil schmiss sich auf das Bett und zog die Tasche unter dem Bett hervor. Dort fischte er das Buch heraus und legte es sich auf den Schoß. Kiko, der das Buch, das seinen Platz auf Neils Schoß eingenommen hatte, missbilligend ansah, rollte sich beleidigt neben ihnen auf dem Bett zusammen. Dabei hielt er ein Auge offen, das weiterhin das dicke, von der Zeit gezeichnete Schriftstück musterte. Auffällig war, dass es keinen Titel auf dem Einband trug. Als Neil die erste Seite aufschlug, las er die Namen seiner Eltern Aedeiro Wemson & Rose Dark. Auf der zweiten Seite stand ein kurzer Text, der in der Handschrift seines Vaters verfasst wurde. Aufgeregt las Neil den Text laut vor:

Neil,

wenn du dieses Buch in den Händen hältst und diese Zeilen lesen kannst, bedeutet das, dass ich nicht mehr am Leben bin. Es stimmt mich traurig, dass ich dich nicht auf deinem langen Weg begleiten kann. Aber dafür hast du deine Brüder an deiner Seite, die du hoffentlich schnell kennenlernen wirst.

Wenn du einen Rat benötigst, wende dich an Keikai. Ich hatte die Ehre diesen weisen Mann kennenzulernen. Er wird dir stets das Richtige raten.

Dieses Buch enthält alle Zaubersprüche, die Rose und ich beherrscht haben.

Neil, ich bin stolz auf dich.

In Liebe dein Vater

Neil konnte die Tränen nicht mehr unterdrücken. Sie kullerten einfach über seine Wangen und landeten auf dem Papier. Er dachte, er würde mittlerweile damit zurechtkommen, dass er seinen Vater nie kennenlernen durfte. Für ihn war er bisher nur ein Unbekannter gewesen, den man nicht vermisst. Doch je mehr er über ihn erfuhr desto mehr schmerzte es, dass er nicht bei ihm sein konnte. Neil merkte, wie sein Körper zitterte und seine Brust sich krampfartig zusammenzog.

Plötzlich legte Shax einen Arm um ihn. »Es hört sich an, als sei dein Vater ein großer Mann gewesen.«

Neil fasste das Hemd seines Bruders und vergrub sein Gesicht. Shax konnte ein leises Schluchzen wahrnehmen. Er weinte, als hätte er gerade erst erfahren, dass sein Vater gestorben war. Er weinte über den Verlust und aus Verzweiflung. Shax wartete geduldig, bis Neil sich ein wenig beruhigt hatte. Dieser hatte ihn jetzt wieder losgelassen und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Shax hatte recht: Sein Vater war ein großer Mann.

»Glaubst du, dass Lavah noch lebt?«, wechselte Neil das Thema, nachdem er einige Zeit gedankenverloren aus dem Fenster geblickt hatte.

Shax ballte die Hände zu Fäusten und biss die Zähne aufeinander. Er hasste Lavah aus tiefstem Herzen, doch er musste seine Rolle spielen. So wie sein Meister es von ihm verlangte.

»Lavah ist ein starker Mann. Er wird irgendwo da draußen sein«, antwortete Shax überzeugend.

»Allerdings«, fuhr er fort, »haben ihn die Belange Gleriens und unseres Volkes nie wirklich interessiert. Er wird das Chaos genutzt haben, um seine Freiheit zu finden.«

»Was meinst du mit seiner Freiheit?«, fragte Neil, der zum Fenster hinüberging und es öffnete. Er brauchte die frische Luft, um einen klaren Kopf zu bekommen.

»Ich meine damit, dass er sich möglichst aus unseren Problemen raushalten wird. Ihm ist seine Freiheit wichtiger als seine Familie und sein Volk«, erklärte Shax, während er im Buch umherblätterte.

Schockiert bemerkte er einen Text, der an ihn gerichtet war. Bedacht darauf möglichst leise zu sein, riss er behutsam die nächsten Seiten aus dem Buch, faltete sie und ließ sie schnell in seiner Tasche verschwinden. Danach stand er vom Bett auf und legte Neil eine Hand auf die Schulter. »Ich lass dir mal etwas Zeit zum Nachdenken.«

Neil nickte. Es war ihm sehr recht, dass sie nicht noch weiter in dem Buch stöberten, da seine Augenlider drohten jeden Moment zuzufallen. Er steckte das Buch zurück in die Tasche und kuschelte sich unter die Decke. Auch der kleine Morsil schien ihm verziehen zu haben, da er sich direkt neben seinem Kopf zusammenrollte. Nachdem Neil das Licht gelöscht hatte, dauerte es nicht lange und er schlief tief und fest.

Shax hingegen kramte noch im Gang die Zettel hervor und blickte auf die geschwungene Schrift seiner Mutter, mit der sie zwei Briefe verfasst hatte. Einen an ihn und einen an seinen Halbbruder Lavah Myronel. In Darkonia war es kein Geheimnis gewesen, dass die Darkonianermagierin und Nachfahrin des Helden Rero Dark der ehrwürdigen Familie Myronel einen Sohn geschenkt hatte. Für die Familien Juz und Zerko war das ein schwerer Schlag gewesen. Immerhin kämpften diese Familien seit Jahren um die Herrschaft über die Darkonianer. Nun hatten die Frauen der Familien alle einen Sohn zur Welt gebracht, aber einer aus den Genen des großen Lark Myronel und Rose Dark war für keine der Familien zu verkraften. Sein Vater beschloss damals dagegen vorzugehen, doch alle Versuche das Kind umbringen zu lassen scheiterten. Deswegen griff sein Vater zu drastischen Mitteln und vergewaltigte Rose, um ein Kind mit ihr zu zeugen. Das Resultat dieser Nacht war er: Shax Juz. Jeder in Darkonia wusste wessen Kind er war. Er selbst hatte seine Mutter nur sehen können, durfte jedoch nie mit ihr sprechen. Auch jetzt hatte er nicht vor die Worte seiner Mutter in dem Brief zu lesen. In seinem Zimmer angekommen, ließ er die rausgerissenen Seiten im Feuer des Kamins zu Asche werden.

Die Macht der Magie

Am nächsten Morgen fanden sich alle am Frühstückstisch ein. Jeder trug wieder seine Kleidung, die er bei der Anreise getragen hatte. So steckte auch Neil wieder in seinen Lumpen, mit denen er aus Norken aufgebrochen war. Er merkte sofort, dass auch die anderen nach einer ordentlichen Nacht und Dusche wieder neue Kraft tanken konnten. Nach dem ordentlichen Frühstück stand die Audienz beim König auf der Agenda. Neil wusste, dass Keikai beabsichtigte Zekra in alles einzuweihen, was Eaden ihnen erzählt hatte. Während Keikai Zekra von der Rückkehr Alistors und von der Erneuerung des Bündnisses mit den anderen Völkern berichtete, konnte Neil beim besten Willen nicht von Zekras Gesicht ablesen, was er davon hielt.

»Ich verstehe«, begann der König, nachdem er aufmerksam zugehört hatte. »Aber ich halte es für unrealistisch, dass Alistor noch am Leben sein soll. Die Schriften besagen, dass er damals im Krieg der Befreiung fiel. Der Wald der verlorenen Seelen hat euch in die Irre geführt.«

Sofort preschte Neil vor. »Ich habe ihn gesehen! Er war dort, als wir das Siegel erneuerten.«

»Warum hat er euch dann nicht aufgehalten?«, konterte Zekra. »Deine Augen haben dich getäuscht. Das passiert im Eifer des Gefechts.«

»Bei allem Respekt«, mischte sich der degradierte Elitekrieger ein. »Wenn Alistor doch noch am Leben ist, ist die Erneuerung des Bündnisses unsere einzige Chance den Krieg zu gewinnen.«

»Er ist aber nicht wieder da!«, raunzte Zekra den Halbdämon an. »Außerdem kann ich mich nicht daran erinnern, dich nach deiner Meinung gefragt zu haben. Mir ist klar, dass jemand in dessen Adern das schmutzige Blut einer ausgestoßenen Spezies fließt, sich ein Bündnis mit den Völkern herbeisehnt. Dadurch, dass wir jemanden wie dich hier am Hofe dulden, sind wir den anderen Völkern schon nah genug gekommen.«

»Meine Meinung …«, setzte Kratos an, dem es sichtlich schwer fiel nicht seine Beherrschung zu verlieren, »war eurem Vater stets wichtig.«

»Ich bin nicht mein Vater! Ich habe nie verstanden, was er in dir gesehen hat. Du bist nur ein wertloser Dämon«, beendete Zekra die Diskussion.

In Kratos wuchs die Wut auf den für ihn kleinen Jungen, der König spielte. Seit seinem Amtsantritt in die königliche Garde wurde er nicht mehr so sehr gedemütigt. Am liebsten würde er dieses arrogante Balg in der Luft zerfetzen. Doch sein Treueeid, den er Glerien und der Königsfamilie geschworen hatte, verbot ihm jegliche Handlung, die dem König Schaden zufügen würde. Kratos fiel es sichtlich schwer das Dämonenblut, das nach Rache und Vergeltung lechzte, zu unterdrücken. Immer wieder geriet sein Dämonenblut in Wallung und er bemühte sich nicht in einen Blutrausch zu verfallen. Er hasste diese unkontrollierte Seite an sich selbst, doch noch mehr hasste er die schwächliche Elementarseite seiner Mutter, der er bisher keine positive Eigenschaft zuordnen konnte.

Keikai, der seinen inneren Konflikt bemerkt hatte, beschloss eine andere Taktik anzuwenden. »Eure Majestät, selbst wenn kein Krieg bevorstünde, wäre es nur von Vorteil die Bündnisse zu erneuern.«

»Auf keinen Fall werde ich vor Dämonen, Lenoren, Magiern oder Drachenreitern zu Kreuze kriechen! Das ist mein letztes Wort. Ich verbiete jegliche Vorhaben mit den anderen Völkern Kontakt aufzunehmen. Zuwiderhandeln wird als Hochverrat geahndet und mit dem Tode bestraft.«

Zekra stand auf und verließ strammen Schrittes den Raum, gefolgt von seiner königlichen Leibgarde. Seinen Stiefbruder und den Rest der Gruppe ließ er zurück. Kratos ballte die Fäuste und wollte gerade den Raum in die andere Richtung verlassen, als Helio zu ihm sprach: »Mir ist deine Meinung sehr wohl wichtig. Und ich würde dich bitten, statt des Königs mein persönlicher Leibgardist zu werden.«

Kratos drehte sich zu ihm um, setzte ein Knie auf den Boden und führte die rechte Faust zum Herzen. »Es wäre mir eine Ehre, mein Prinz.«

Direkt danach gab Helio den anderen Wachen den Befehl den Raum zu verlassen. Nach kürzester Zeit war die Truppe mit Helio allein.

»Verzeiht meinem Bruder. Es ist momentan sehr viel für ihn. Er muss sich erst an seine neuen Aufgaben gewöhnen.«

»Dafür bleibt leider keine Zeit. Wir wissen nicht wann der Feind stark genug sein wird, um uns anzugreifen«, stellte Keikai abermals klar.

»So ganz steige ich noch nicht durch«, mischte sich Keylim ein. »Der Magierkönig hat euch erzählt, dass Alistor, der Bruder des Dämons Rize, der damals Drahtzieher im schlimmsten Krieg zwischen Menschen und Dämonen war, seine Kräfte sammelt, um genau was zu tun?«

»Genau kann man nicht sagen, was Alistor vorhat«, erklärte Keikai. »Ich kenne die Geschichten auch nur aus Erzählungen. Und da muss ich gestehen, dass diese sich sehr unterscheiden.«

»Das sieht wohl so aus«, erklang Seras kalte Stimme. »In den Akademien wird uns gelehrt, dass der Krieg vor sechstausend Jahren lediglich zwischen Elementen und Dämonen stattgefunden hat. Der damalige König, Minto Kjiro, war so mächtig, dass er es schaffte den Anführer der Dämonen, Rize, zu vernichten. Die Dämonen waren ohne jemanden, der sie geführt hat, so kopflos, dass es für die königliche Armee, unter Führung der Elementarhelden, ein Leichtes war, sie zu vernichten.« Sera ließ seine Worte erst ein wenig wirken, bevor er weitersprach: »Aber wenn ihr mich fragt, ist es eindeutig eine Glorifizierung unserer Regierung. Was besagen die anderen Variationen der Erzählung, Keikai?«

Keikai räusperte sich. »Die anderen Erzählungen von Eaden und Vassago beschreiben, dass es vor sechstausend Jahren noch ein Bündnis der Völker gegeben hat. Minto Kjiro bestand auch darauf, dass es fortbestand. Viermal im Jahr trafen die Könige der Völker in einer Ratssitzung zusammen. Innerhalb der Dämonen gab es zu diesem Zeitpunkt Unruhen. Rize forderte mehr Rechte für die Dämonen ein, da sie das älteste und stärkste Volk seien. Er war der Überzeugung, dass die Dämonen, im Gegensatz zu den anderen, eine erhabene Rasse wären. Zur Not würde er das Recht des Stärkeren in einem Krieg durchsetzen. So kam es dann auch. Doch Rize war nicht so töricht zu glauben, dass die Dämonen gegen das Bündnis bestehen könnten. Elemente, die nach Macht strebten, schlossen sich Rize an, da er ihnen im Falle eines Sieges, der außer Frage stand, Führungspositionen im Reich der Dämonen versprach, während die anderen Elemente im Dreck kriechen würden. Andererseits verlor er Dämonen, die unter dem Dämonenkönig Leskan auf der Seite der Elemente kämpften. Rize war ein hervorragender Kämpfer und Redner. Das Aushängeschild eines Krieges. Jedoch war es Alistor, der im Hintergrund die Fäden gesponnen hatte. Er soll großes taktisches Verständnis bei der Kriegsführung besessen haben. Er erschuf durch schwarze Magie eine Armee aus Lehm. Rero Dark, Halbbruder des Elementarkönigs und König der Darkonianer, schaffte es zum Gegner vorzudringen. Zusammen mit den treusten seiner Krieger gelang es ihm einen Bannzauber zu sprechen, der mächtiger war als alles, was man vorher kannte. Rize wurde gebannt, doch A-listor hat es geschafft zu entkommen. Keiner weiß wie, aber er muss irgendwie noch die Kraft aufgebracht haben vom Schlachtfeld zu fliehen. Die lange Zeitspanne bis zu seiner Rückkehr bedeutet, dass der Kampf ihm viel abverlangt hat. Es ist zu vermuten, dass Alistor seine Fehler von damals nicht noch einmal wiederholen wird. Egal, was er plant, es wird schrecklicher werden als der Krieg vor sechstausend Jahren.«

»Wir müssen etwas unternehmen!«, rief Neil den anderen zu. »Wir können das nicht geschehen lassen.«

»Da hast du recht«, stimmte ihm Keylim zu. »Dennoch hat der König jegliches Handeln unter Hochverrat gestellt. Das wäre eine öffentliche Exekution nach langer Folter.«

»Ihr und eure dämliche Unterwürfigkeit!«, fauchte Shax Keylim an. »Wollt ihr diesem Schwachmaten auch noch die Füße lecken?«

Nun preschte Sera vor. »Was bildest du Drecksblut dir eigentlich ein?«

»Drecksblut«, wiederholte Shax, der seine Hand schon am Griff seines Schwertes hatte.

»Schluss jetzt!«, unterbrach der Prinz die Streitereien. »Ich kann das Dilemma nachvollziehen. Ich bin jedoch der Meinung, dass eine solche Gefahr nicht ignoriert werden darf. Ich gebe den Befehl das Bündnis wieder zu erneuern. Ich brauche Freiwillige dafür. Es wird niemandem Schaden, wenn er oder sie aussteigt. Wer den Weg nicht mitgehen möchte, soll jetzt den Raum verlassen.«

Neils Augen strahlten vor Glück. Helio war der König, den Glerien brauchte und nicht sein dämlicher Stiefbruder Zekra. Niemand sprach oder wagte es sich zu bewegen. Neil hoffte inständig, dass die anderen nicht einknickten. Sie konnten jeden für dieses Unterfangen gebrauchen. Doch Neil war sich sicher, dass weder Keylim noch Sera sich darauf einlassen würden. Die beiden hatten einen hohen Status, den sie jetzt mit Sicherheit nicht aufs Spiel setzen wollten. Plötzlich fing Sera an zu lachen. »Unglaublich. Da gibt der Prinz des Königreiches den Befehl zum Hochverrat.«

Fest schaute Sera dem Prinzen in die Augen, dann wanderte sein Blick zu Keikai und zu Neil. Doch was dann geschah, konnte Neil nicht glauben. Sera legte die Faust auf sein Herz und setzte ein Knie auf den Boden. Anschließend senkte er sein Haupt. »Ich, Serafin Nurling, werde mit allen mir zu Verfügung stehenden Mitteln kämpfen, um Glerien zu verteidigen.«

Keylim und Zoe taten es ihm gleich. Sie gingen auf die Knie und neigten ihr Haupt als Zeichen der Treue zu ihrem Prinzen. Leyla zitterte am ganzen Körper. Sie war schon mit dem ersten Auftrag nicht zurechtgekommen. Wie sollte sie es jetzt schaffen Hochverrat zu begehen? »Ich kann nicht versprechen, dass ich eine große Hilfe sein werde, aber ich möchte euch zur Seite stehen«, erklärte sie mit zittriger Stimme.

»Ich bin raus«, resignierte Ilay. »Ich werde mein Land nicht verraten. Aber ihr habt mein Wort, dass ich Stillschweigen über dieses Gespräch bewahre.«

Ilay machte auf dem Absatz kehrt und verschwand ohne einen Blick zurückzuwerfen durch die Tür. Neil biss sich auf die die Lippe. Er konnte Ilays Bedenken verstehen. Ihr Vorhaben war notwendig und barg dennoch ein enormes Risiko für sie. Hilfesuchend wanderte sein Blick zu Cloude, der für seine Verhältnisse sehr still geworden war. Doch der Magier zuckte nur die Achseln. »Mir ist der König sowas von egal. Ich bin selbstverständlich dabei.«

Auch Sarina ging auf die Knie. »Meiner Loyalität könnt Ihr euch auch gewiss sein.«

»Gut«, gab Helio zurück.

Morax deutete eine Verbeugung an. »Ich werde versuchen Ihnen die Loyalität von Helix zu sichern. Damit werde ich alle Hände voll zu tun haben.«

Erneut nickte Helio. »Einen haben wir verloren. Dafür steht der Rest mit voller Überzeugung hinter unserem Plan. Wir versuchen das Bündnis zu erneuern.«

»In Ordnung«, stimmte Neil zu. »Wir sollten keine Zeit verlieren.«

»Holzkopf«, raunzte Sera. »Wir können nicht einfach losrennen. Es darf keiner etwas von unserem Vorhaben mitbekommen.«

»Deswegen werden alle hier Anwesenden auch vorerst in ihre Dörfer zurückkehren. Es ist wichtig, dass niemand Verdacht schöpft. Ich werde dann Neil, Shax und Damen von Darkonia aus, mit einem ausgedachten Auftrag, losschicken. Cloude wird sie von dort begleiten«, erklärte Keikai, der sich anschließend an die anderen Elemente richtete. »Ihr müsst einen Weg finden eure Dörfer zu verlassen, ohne, dass jemand Verdacht schöpft. Es dürfen höchstens Personen, denen ihr euer Leben anvertrauen würdet, davon erfahren. Wenn ihr scheitert, werdet ihr nicht nur als Verräter hingerichtet, sondern ebnet Alistor auch den Weg zur Vernichtung Gleriens.«

Cloude trat einen Schritt vor und streckte seine Arme zur Seite aus. »Ich kann uns miteinander verbinden. So können wir mental zueinander Kontakt aufnehmen. Es ist eine alte Methode der Magier, um in Kämpfen auch über weite Strecken Anweisungen erteilen zu können. Meine Macht ist jedoch begrenzt. Ich kann den Zauber für maximal sechs Personen wirken. Also Sera, Keylim, Zoe, Leyla und Neil, kommt bitte zu mir.«

Zögerlich bildeten die sechs einen Kreis. Neil merkte, wie Wärme durch seinen Körper floss, als Cloude den Zauber sprach. Als die Wärme wieder verschwand, konnte Neil keine Veränderung feststellen bis Sera beschloss einen Test zu wagen. Der Mann aus Aberin konzentrierte sich auf Neil und dachte: »Du bist echt ein Versager!«

Neil drehte sich wütend zu Sera um, welcher aber nur verschmitzt lächelte. »Anscheinend funktioniert es.«

»Gut«, unterbrach Keikai die Neckerei, bevor sie sich zu einem Streit entwickeln konnte, »dann kehren alle in ihre Dörfer zurück. Ich schicke die Darkonianer los und ihr trefft euch dann mit den Elementen.« Anschließend verließ Keikai zusammen mit Helio und den beiden Elitekriegern den Thronsaal, um einen Schlachtplan zu schmieden.

»Warum werden wir bei solchen Entscheidungen immer außen vorgelassen?«, meckerte Neil, während er mit den anderen in den Gängen umherwanderte.

»Es ist sinnvoller so. Keikai und Helio gehen die Karten durch und suchen uns die beste Route heraus. Dafür brauchen sie uns nicht. Alles, was sie herausfinden, teilt Keikai uns mit. Und jetzt höre auf darüber zu reden, Neil. Die Wände hier haben Ohren«, erklärte Keylim.

»Wirklich?!«, entfuhr es Neil, der sofort stehen blieb und die Wände begutachtete.

»Wie beschränkt bist du eigentlich?«, fragte Sera genervt.

Keylim kratzte sich am Kopf. »Das ist doch nur eine Redewendung.«

»Oh«, gab Neil zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, »das wusste ich! Ich wollte nur die Stimmung auflockern.«

Zoe fing an zu lachen und Shax murmelte leise vor sich hin, dass es sich bei Neil nicht um seinen Bruder handeln könne. Als sie weiter in Richtung der Zimmer gingen, fasste Cloude Sera am Umhang. Langsam beugte er sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Seras Augen weiteten sich. »Dein Ernst?«

»Ich kann es versuchen«, entgegnete Cloude achselzuckend. »Aber ich habe so etwas noch nie gemacht.«

Auch der Rest der Truppe war stehengeblieben. Sie bekamen zwar mit, dass Cloude und Sera irgendetwas planten, doch sprachen sie so leise, dass niemand sonst sie verstand. Entschlossen nickte Sera Cloude zu, der daraufhin auf eine Tür wies, die in eine kleine Kammer führte. Sofort huschte der Magier, dicht gefolgt von Sera und den anderen, in den Raum. Cloude legte seine Hände auf den Stumpf von Seras linken Arm und sprach einen Zauber. Ein leuchtender Schleier legte sich um den Stumpf und noch bevor die anderen begriffen, was geschah, schrie Sera plötzlich vor Schmerz laut auf. Solche Schmerzen hatte er nicht einmal empfunden, als Kratos ihm seinen Arm mit dem Schwert abgeschlagen hatte. Um ihn herum fing der Raum an sich zu drehen und er drohte das Bewusstsein zu verlieren. Doch Cloude hatte ihn gewarnt, dass er, wenn er das Bewusstsein verlieren würde, auch sein Leben verlor. Es war ein riskanter

Zauber, den der Magier vollzog. Riskant für Sera und riskant für ihn selbst. Doch Cloude liebte es seine Grenzen auszutesten. Er hatte schon oft Zauber gewirkt, die über seinem Grad als Lehrling hinausgingen. Eaden hatte ihm diesbezüglich schon des Öfteren eine Rüge erteilt. »Zauberei ist kein Spielzeug. Sie ist eine Macht, die es weise einzusetzen gilt«, hatte er ihm immer wieder gepredigt. Und genau das wollte er umsetzen. Auch wenn es einer der Zauber war, die lediglich in den Büchern zu finden waren, die Alistor ihm gegeben hatte. Sera war ein Verbündeter, der sie mit zwei Armen besser unterstützen konnte als nur mit einem.

Ein heller Blitz durchzuckte den Raum. Neil und die anderen schlossen die Augen, da sie befürchteten zu erblinden. Als das Licht erloschen war, saßen Cloude und Sera voreinander auf dem Boden. Beide atmeten schwer. Schweißperlen rannen über ihre Gesichter und fielen von dort auf den kalten Steinboden. Neil und Zoe rannten sofort zu ihnen. Neil stützte Cloude, während Zoe Sera zur Hilfe eilte. Als sie ihm ebenfalls aufhelfen wollte, fasste sie ihm unter den linken Arm. Schockiert ließ sie sofort wieder los. »Dein Arm …«, stotterte sie.

Sera blieb überwältigt sitzen. Cloude hatte es geschafft. Er hatte ihm seine Kampfkraft zurückgegeben. Ungläubig starrte er auf seine linke Hand, die er immer wieder zur Faust ballte und wieder öffnete. Keylim kniete sich vor seinem Freund. »Du weißt, wen es zu beschützen gilt.«

Seras Blick wanderte zu Neil, der sich um Cloude kümmerte. »Natürlich weiß ich das. Er ist der Einzige, auf den die Könige hören könnten. Ich werde ihn nicht mögen und nicht als Krieger akzeptieren, aber ich werde ihn mit meinem Leben verteidigen.«

Keylim nickte seinem Kameraden zu und zog ihn am Arm auf die Beine. »Wir sollten wieder auf die Zimmer gehen. Morgen werden Abgeordnete aus unseren Dörfern kommen, um die Erneuerung des Siegels zu feiern. Da sollten wir ausgeruht sein.«

Mit diesen Worten teilte sich die Gruppe auf. Jeder ging in sein Zimmer. Sera legte sich rücklings aufs Bett. Seine linke Hand streckte er von sich. Er drehte sie im Licht des Mondes hin und her. Es war beeindruckend, welche Macht die Magie barg. Jetzt, da er sie so hautnah gespürt hatte, konnte er sich ungefähr vorstellen, welche zerstörerischen Ausmaße sie annehmen konnte.

Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Sera setzte sich langsam wieder auf.

»Herein.«

Die Tür öffnete sich und Zoe betrat das Zimmer. »Darf ich mich ein wenig zu dir setzen?«

Sera wollte Zoe eigentlich abweisen, doch da saß sie bereits neben ihm. »Darf ich dich etwas fragen?«

»Hab ich irgendeine Möglichkeit, dass du es lässt?«

»Warum gehst du mit?«, fragte Zoe mit ernster Stimme. »Du hast einiges zu verlieren. Dein Vater wird toben.«

»Nur, wenn er es erfährt«, entgegnete Sera. »Ich habe ihm immer treu gedient. Ich wollte ein Krieger werden, um Aberin und meine Familie zu schützen. Das kann ich aber nicht, wenn ein Krieg ausbricht, den wir nicht gewinnen können. Ich werde meine Brüder beschützen, auch wenn ich dafür zum Verräter werde.«

»Ehrenvolle Motive«, hauchte Zoe und lehnte sich leicht an Sera an. »Ich will niemanden sterben sehen. Es gibt so viele Ungerechtigkeiten auf dieser Welt. Es ist mir jetzt erst bewusst geworden. Jeder erfindet sich seine eigene Wahrheit. Das ist schrecklich!«

Sera sah, wie Tränen über Zoes Gesicht liefen, als sie sich zu ihm wandte. Wortlos wischte der Aberinkrieger ihr die Tränen von der Wange. Eine ganze Zeit saßen sie so da und blickten sich tief in die Augen. Zoe wusste nicht, warum sie solch ein Zuneigung für einen Mann empfand, den sie kaum kannte. Oder wusste sie es doch? Es war das Mysteriöse gepaart mit ehrenhaftem Verhalten, das sie so an ihm faszinierte. Langsam bewegte Zoe sich auf Sera zu. Ihre Lippen berührten die seinen. Ihr Herz schlug immer schneller und ihr schoss das Blut in den Kopf.

Sera konnte nicht verstehen, warum Zoe so für ihn empfand. Er hatte sie nie besonders gut behandelt. Dennoch konnte er nicht leugnen, dass sie eine attraktive Frau war. Sie war eine besondere Schönheit. Stark und gleichzeitig verletzlich. Er liebte Frauen, die selbstbewusst, aber zugleich schutzbedürftig waren. Er konnte mit den ganzen Mädchen aus hohem Rang, die ihm stets nach dem Mund redeten, nichts anfangen. Sera presste seine Lippen auf Zoes. Eine ganze Zeit ließen sie die sanften Berührungen auf sich wirken. Sera öffnete den Mund ein kleines Stück und drang mit seiner Zunge geschickt in sie ein. Er umspielte zunächst ihre Zähne, bis er sich anschließend ihrer Zunge zuwandte. Aus den sanften Berührungen wurden leidenschaftliche Küsse. Seras Hände umschlossen Zoes Taille und zogen sie näher zu seinem Körper. Sie schlang die Arme um seinen Hals. Sie wollte sich in diesem Kuss verlieren. Rücklinks landete sie auf dem Bett. Sera presste seinen Körper mit all seinem Gewicht auf den ihren. Langsam schob er ihr eine Hand unter die Bluse. Zoe verlor den Verstand. Sie wollte ihn. Hier und Jetzt.

Festlichkeiten

Zekra hatte sich zusammen mit seinem Leibgardisten zurückgezogen.

»Verschwinde, Josil«, befahl der König, kurz nachdem sie das Schlafgemach betreten hatten.

»Du gibst hier keine Befehle«, erwiderte Josil, der sich gemütlich in einen Sessel gefläzt hatte, während er seine Sense direkt neben ihm an die Wand lehnte.

Zekra funkelte den Mann auf dem Sessel böse an. »Du bist mir als Leibgardist zur Seite gestellt worden.«

»Falsch«, entgegnete Josil, während er in aller Ruhe Weintrauben von einer Staude pflückte und sie genüsslich verspeiste. »Ich bin nur hier, damit du keinen Mist baust.«

»Ich baue keinen Mist!«, empörte sich Zekra.

»Du hast bisher keinen Mist gebaut«, korrigierte ihn Josil, der keinen Moment von seinen Weintrauben abließ. »Bisher läuft alles nach Plan. Du wurdest zum König gekrönt und hast die Erneuerung des Bündnisses als Hochverrat deklariert. Mal schauen wie viele von ihnen bereit dazu sind Glerien zu verraten.«

Zekra setzte sich Josil gegenüber und goss sich und ihm einen der besten Rotweine Gleriens ein. »Du gehst also davon aus, dass sie sich meinem Befehl widersetzen?«

»Natürlich werden sie das. Zumindest der Teil von ihnen, der Neil Glauben schenkt.«

»Ich verstehe immer noch nicht, warum Alistor sich Neil gezeigt hat. Wäre es nicht leichter gewesen aus dem Verborgenen zu agieren?«

»Du hast immer noch nicht verstanden, was unser Ziel ist«, erklang eine kalte Stimme aus dem Teil des Raumes, den die Fackeln nicht mehr erreichen konnten. Als der Mann aus dem Schatten ins Mondlicht trat, funkelten seine goldenen Augen wie kleine Kristalle. Er schlenderte zu dem zur Salzsäule erstarrten Zekra hinüber und nahm ihm sein prallgefülltes Glas aus der Hand. Er drehte es im schimmernden Mondlicht hin und her und betrachtete das strahlende Rot des Weins. Nachdem er es noch einige Zeit eindringlich gemustert hatte, nippte er lustvoll an dem guten Tropfen. Anschließend ließ er sich in den letzten noch freien Sessel am Tisch fallen.

»Es ist ein genialer Plan, mein Lord«, wandte sich Josil an Alistor.

»Ich verstehe den ganzen Aufwand nicht«, sagte Zekra. »Warum vernichtest du sie nicht einfach?«

»Weil ich meine Kräfte noch brauche«, erwiderte Alistor. »Eigentlich ist der Plan so einfach, dass sogar ein Mensch wie du ihn verstehen sollte. Eine Gruppe wird, gegen den Befehl des Elementarkönigs, aufbrechen, um dem Bündnis, welches vor Jahrtausenden zerbrach, wieder neues Leben einzuhauchen. Desir Bane wird sich um sie kümmern. Du fragtest vorhin, warum ich mich ihnen gezeigt habe, richtig? Aber ist das nicht selbstverständlich?«

Zekra schüttelte den Kopf.

»Ich habe mich ihnen gezeigt, damit sie agieren müssen. Sie sind jetzt am Zug. Und sie haben das getan, womit ich gerechnet habe. Sie klammern sich an den letzten Funken Hoffnung, der ihnen noch bleibt. Sie wollen die Flamme der Alliierten wieder entfachen.«

»Was haben wir denn davon, wenn sie jetzt aufbrechen?«, fragte Zekra, der ein Messer in seiner Hand jonglierte.

Josil beugte sich über den Tisch. Seine funkelnden Augen fixierten Zekra eindringlich. »Wir benötigen die erwachten Elementarsteine. Wenn sie die schützenden Mauern des Königshofes und der Elementardörfer verlassen, wird es für uns ein Kinderspiel sein ihnen ihre ach so wertvollen Steine abzunehmen.«

»Wozu braucht Ihr die?«, hakte Zekra neugierig nach.

»Manche Sachen gehen dich nichts an«, erwiderte

Alistor ruhig, während er das Messer, mit dem Zekra immer noch jonglierte, allein mit der Kraft eines Blickes in eine Wand surren ließ.

»Du bist so gut, dass du nicht einmal mehr Zaubersprüche aufsagen musst?«, entfuhr es Zekra verblüfft.

»Nicht für einen so leichten Zauber«, entgegnete A-listor, der gelangweilt sein Pendel schwingen ließ. »Ich habe mehr als ein Ass im Ärmel. Meinen Fehler von damals werde ich nicht wiederholen.«

Am nächsten Morgen versammelten sich alle Elemente erneut zum Frühstück. Sera konnte nicht glauben, was gestern Nacht geschehen war. Zoe war nicht die erste Frau, auf die er sich eingelassen hatte, jedoch war sie die erste Frau, die ihm am Ende einer Nacht ihre Liebe gestand. Sera fühlte sich davon so sehr überrumpelt, dass ihm die Worte fehlten. Er hatte sich noch nie großartig mit Frauen beschäftigt, doch jetzt drehten sich all seine Gedanken um eine Einzige. Doch stammte Zoe nicht aus Aberin, weswegen schon die letzte Nacht für Sera eine Sünde gewesen war, die es zu vergessen galt.

Als Josil den Raum betrat, verstummte das Geraune der Anwesenden schlagartig, sodass er verkünden konnte: »Ich, Josil Nenali, die erste Leibgarde des Königs, habe folgendes zu verheißen: Heute Abend wird eine Feier zu Ehren der Elementarkrieger gegeben. Dieser Feier werden die höchsten Vertreter der Elementardörfer beiwohnen. Die Zimmermädchen werden euch zu gegebener Zeit auf euren Gemächern aufsuchen, um euch einzukleiden. Nach einer Rede an das Volk folgen die Feierlichkeiten in einem auserwählten Kreis. Am nächsten Morgen werdet ihr in eure Dörfer zurückreisen.«

Kaum hatte Josil seinen Text heruntergerattert, war er auch bereits wieder mit einem Fuß aus dem Raum herausgetreten.

»Niemand am Königshof scheint zu wissen wer du bist?«

Josil verzog das Gesicht zu einem Lächeln und drehte sich zu Kratos um. »Am Königshof werden viele Krieger ausgebildet.«

»Das ist mir bewusst. Aber es ist so, als hättest du bis vor kurzem nicht existiert«, konterte Kratos.

»Und das von jemanden, mit einer so erbärmlichen Vorgeschichte wie die deiner.«

»Was sagst du da?!«

Kratos wollte sich am liebsten auf ihn stürzen. Sein Dämonenblut lechzte nach dem Leben dieses Mistkerls. Doch eine sanfte Berührung Sarinas, die beruhigend über seinen Arm strich, besänftigte seine dämonische Seite.

»Suche in den Ausbildungsschriften nach mir. Ich verspreche dir, dass du fündig werden wirst«, erklärte Josil mit ruhiger Überheblichkeit, bevor er endgültig durch die Tür verschwand.

Kratos՚ biss sich auf die Lippen und verließ wutentbrannt den Raum.

Bedrückende Stille legte sich über die Gruppe, die keiner leugnen konnte. Neil versuchte sich abzulenken, indem er mit Kiko um das Essen auf seinem Teller stritt. Allerdings war der kleine Morsil deutlich geschickter als er. Kiko schaffte es immer wieder ihm das beste Stück Fleisch vor der Nase wegzuschnappen.

Neil war froh als er fertig gegessen hatte und der unbehaglichen Atmosphäre entkommen konnte. Zusammen mit Cloude, seinem Bruder und Damen machten sie sich auf den Weg zum Innenhof des Schlosses. Neil wollte einfach nur unter dem blauen Himmel liegen. Doch noch bevor sie ihn erreichten, passte Keikai sie ab. Er teilte ihnen mit, dass sie die Zeit nutzen sollten, um sich dem Zauberbuch zu widmen und die Grundzüge der Magie zu erlernen. Widerwillig begaben sie sich auf Neils Zimmer. Während Damen sich seitlich auf den Boden legte, um mit Kiko zu spielen, setzten die anderen sich auf das Bett und schlugen das Buch auf. Neil blätterte auf die Seite, die direkt nach der Widmung seines Vaters stand. Irritiert fuhr er mit dem Finger über die Bindung des Buches. Es sah beinahe so aus, als wären dort Seiten rausgerissen worden. Neil grübelte zunächst, zwang sich dann aber nicht weiter darüber nachzudenken. Vielleicht hatte sein Vater die Seiten zu seinen Lebzeiten entfernt, weil er sich schlicht und ergreifend verschrieben hatte. Vassago hatte ihn schon mit seiner Aussage, dass man auf jede Kleinigkeit achten müsse, paranoid gemacht.

Neil las laut vor:

Bei Magie gibt es zwei wichtige Unterscheidungen. Zum einen die zwischen Angriffs- und Schutzmagie und zum anderen zwischen dunkler und lichter Magie. Kommen wir zunächst zu der Unterscheidung zwischen dunkler und lichter Magie. Zu der dunklen Magie zählen Zauber, die:

1. für ihren Anwender zu gefährlich sind, da sie seine Magieressourcen zu sehr beanspruchen

2. als bösartig erachtet wurden (z.B. Quälzauber, Sinnesbeeinflussungen)

Lichte Zauber sind grob gesprochen alle anderen Zauber. Jeder Magier hat seine eigenen Magieressourcen und jeder Zauber beansprucht einen Teil dieser Ressourcen, um eingesetzt werden zu können. Verbraucht ein Magier seine gesamten Magieressourcen, ereilt ihn der Tod. Jeder Magier besitzt unterschiedlich große Magieressourcen, diejedoch mit Training erhöht werden können. Auch die Erholung der Magieressourcen variiert stark von Magier zu Magier. Auch hier ist zu beobachten, dass sich die Ressourcen bei einigen Magiern deutlich schneller regenerieren als bei anderen.

Zauber werden durch das Aufsagen von Sprüchen und der Konzentration der Magieenergie gewirkt.

Die Unterscheidung zwischen Angriffs- und Schutzmagie liegt in der Art der beanspruchten Magiekräfte. Vor langer Zeit teilten sich die Magier in zwei Stämme auf. Auf der einen Seite die, die sich bis heute Magier nennen und die Magiergilde formten und auf der anderen Seite die Lenoren. Die Magier bedienen sich der Angriffsmagie, die viel Energie benötigt. Schutzmagie, unter der sich auch die Magie der Heilung versteht, kann nur von jemandem mit reinem Herzen ausgeübt werden. Jede Person mit Begabung für Magie muss sich entscheiden, welchen Weg sie beschreiten will. Man sagt, wenn ein Magier je einen Angriffszauber gewirkt hat, wäre sein Herz nicht mehr rein genug, um die Schutzmagie ausüben zu können.

In diesem Buch sind einige Zauber zusammengetragen worden. Wendet sie weise und mit Bedacht an.

»Verstanden?«, fragte Cloude, nachdem Neil geendet hatte.

»Ne, nicht so ganz«, gab der Darkonianer zu. »Du bist in der Magiergilde und hast bei Sera dennoch einen Heilzauber der Lenoren angewandt, obwohl das nicht möglich sein sollte.«

Cloude nickte. »Es kommt wohl nur sehr selten vor, dass ein Magier sowohl Angriffs – als auch Schutzmagie beherrscht. Eaden erklärte mir einmal, dass in alten Schriften von solchen Phänomenen berichtet wurde und er es bei mir zum ersten Mal erlebt habe.«

»Für mich klingt das gar nicht so abwegig«, mischte sich Damen in das Gespräch ein. »Nach dem Geschriebenen zu urteilen haben beide Magiearten denselben Ursprung. Schutzmagie kann nur angewandt werden, wenn der Anwender ein reines Herz hat. Was immer das auch heißen mag. Warum sollte man denn kein reines Herz haben, wenn man Angriffszauber wirkt? Ich sehe da keinen Widerspruch.«

»Wie dem auch sei«, schloss Cloude die Unterhaltung, dem bewusst war, dass der Zauber, den er angewandt hatte, den Rahmen der Lenorenmagie sprengte. Sie konnten Verletzungen heilen, jedoch keine Körperteile aus dem Nichts erschaffen. Dies ging nur durch die schwarze Magie, die Cloude immer wieder reizte.

Er blätterte kurzerhand in dem Buch umher, bis er etwas Passendes gefunden hatte. Mit dem Finger zeigte er auf die Seite. »Das ist ein Transportzauber. Damit könnt ihr Gegenstände von einem Ort zum nächsten transportieren. Ich zeig es euch.«

Cloude erhob sich vom Bett, streckte den rechten Arm aus und murmelte einen Zauberspruch. Plötzlich flog ein Kissen vom Bett und landete direkt in seiner ausgestreckten Hand. Mit einer Handbewegung forderte der Magier die beiden Brüder auf es zu versuchen. Neil war sehr gerne bereit Shax den Vortritt zu lassen.

Gespielt entschlossen und konzentriert las dieser die Wörter aus dem Buch ab. Immerhin hatte Alistor ihm schon weitaus kompliziertere Zauber beigebracht. Dennoch entschied Shax sich dazu, den ersten Versuch missglücken zu lassen, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Neil prustete sofort los. Es sah echt bescheuert aus, wie Shax mitten im Raum stand, irgendwelche nicht verständlichen Worte murmelte und einfach nichts geschah. Shax verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sich wieder aufs Bett. »Dann mach du es doch besser!«

Das ließ Neil sich nicht zweimal sagen. Schwungvoll sprang er vom Bett auf und streckte seine Hand aus. Kurz nachdem er den Zauberspruch vorgelesen hatte, flog das Schwert, das Neil in die Ecke gestellt hatte, quer durch den Raum. Damen schaffte es gerade noch sich flach auf den Rücken zu rollen, sodass das Schwert knapp über ihn hinweg sauste. Ohne große Mühe bohrte es sich in einen Schrank aus massivem Holz. Schockiert rappelte Damen sich auf. »Geht՚s noch!«, brüllte er.

Shax grinste mies vor sich hin. »Das ist ganz mein Humor.«

Neil setzte eine Unschuldsmiene auf, während Cloude sich vor Lachen kaum noch halten konnte. Selbst Damen konnte sich nach dem ersten Schock ein Lachen nicht verkneifen. »Ernsthaft, Neil? Versuch es doch nächstes Mal bitte mit einem Kissen und nicht gleich mit einem Schwert.«

Einige Stunden alberten sie herum und übten verschiedenste Zauber. Erst das Klopfen eines Dienstmädchens unterbrach ihre Männerrunde. Das Mädchen verbeugte sich höflich, als sie Neil ein grünes Gewand entgegenstreckte. »Meister Wemson. Das hier ist Ihr Gewand für die Feierlichkeiten des Königs. Er erwartet Sie bald im Thronsaal, damit Sie mit ihm vor das Volk treten können.« Danach wandte sie sich an Cloude. »Meister Menos. Ich muss Sie bitten sich in Ihr Zimmer zu begeben und sich ebenfalls fertig zu machen. Ihr Gewand liegt gleichfalls bereit.«

Cloude folgte dem Mädchen ohne Widerworte. Als sie die Tür gerade geschlossen hatten, polterte Neil los: »Wir sollen die Retter der Welt spielen, obwohl der Kampf nicht mal begonnen hat!«

»Reg dich ab«, entgegnete Damen gelassen, der es sich jetzt in Neils Bett bequem gemacht hatte. »Spiel es ihnen einfach vor. Wir wissen es besser und das ist es was zählt.«

Shax nickte zustimmend. Auch Neil wusste, dass es so sein musste, dennoch war es für ihn kaum erträglich, dass sich jeder immer wieder maskierte, um die Wahrheit zu verstecken.

Als Neil das Gewand angezogen hatte und sein Spiegelbild betrachtete, kam er sich vor wie ein Fremder. Dieser Mann im Spiegel, der in die teuerste Seide, die Glerien zu bieten hatte, gehüllt dastand, war nicht er. Jetzt war er verkleidet für ein Schauspiel, das er der Insel bieten würde.

Shax war bereits gegangen, als Keikai die Tür zu Neils Zimmer öffnete. Damen lag mit verschränkten Armen auf dem Bett, während Kiko zusammengerollt auf seinem Bauch schlummerte. Neil, der sich immer wieder skeptisch im Spiegel betrachtet hatte, klappte die Kinnlade herunter als er Keikai in den königlichen Gewändern sah. Der Krieger, der mit ihnen aufgebrochen war, hüllte sich in ein Gewand eines Königs, das seinem neuen Stand angemessen war. Es musste extra für ihn auf die Schnelle angefertigt worden sein. Doch sein warmes Lächeln, das er stets auf seinen Lippen trug, hatte sich kein bisschen verändert.

»Bist du bereit? Ich werde die ganze Zeit an deiner Seite stehen«, wandte sich der Darkonianerkönig an ihn.

Nach einem kurzen Nicken von Seiten Neils wandte er sich Damen zu, der immer noch auf dem Bett lag. »Tu mir bitte den Gefallen und schau dir das Zauberbuch näher an. Du kannst es dir in der königlichen Bücherei bequem machen. Zusätzlich hast du dort Zugriff auf diverse Bücher, die Landkarten enthalten. Schau dir alles an, was du für wichtig erachtest. Helio wartet dort auf dich, um dir den Schlüssel zu übergeben.«

Vom Thronsaal aus ging ein Balkon ab, der in den Königshof hineinragte. Dort hatten sich die Menschenmassen versammelt, um den Worten des neuen Königs zu lauschen und die Rückkehr der Elementarkrieger zu feiern. In einer Reihe standen sie da und warteten auf das Zeichen, dass sie auf die Empore hinaustreten durften. Neil blickte die Reihe entlang. Links außen standen Morax, Gela, Zoe, Keylim und Leyla. Dann folgte eine Lücke, die später vom König und seinem Stiefbruder gefüllt werden würde. Auf der anderen Seite standen Keikai, Neil, Sera, Ilay und Cloude. Neil konnte die Menschen draußen Zekras Namen grölen hören. Kurz darauf tauchte auch der König auf, nach dem sein Volk so sehr verlangte. Als er sich Richtung Empore bewegte, durften auch die Elemente, mit einem halben Schritt Abstand, folgen. Natürlich! Wie sollte es auch sonst sein? Neil hasste es, wie immer wieder demonstriert wurde, welchen Platz man aufgrund seiner Herkunft und seines Blutes hatte. Nicht das, was jemand selbst erreichte, sondern das, was die Vorfahren vollbracht hatten, war wichtig und relevant in dieser Welt. Als Neil auf den Balkon hinaustrat, überwältigte ihn die Masse an Elementen, die aus allen Dörfern Gleriens herbeigeströmt waren. Tausende waren gekommen. Kaum hatte Zekra die Hand ausstreckt, verstummte die Menge schlagartig. Mit fester Stimme verkündete er:

»Ganz Glerien versinkt in Trauer. In Trauer um ihren König, einen ehrenwerten Mann und einen liebenden Vater und um ihre Königin, eine wunderschöne Frau und eine fürsorgliche Mutter. Mein Stiefbruder und ich sind in Gedanken bei unseren Eltern, die uns gelehrt haben, unsere Heimat zu lieben und zu verteidigen. Nach dem Verlust meiner Eltern wird einem die Tragweite der Tragödie von vor einigen Jahren bewusst. Der Tod meines älteren Bruders und ersten Thronfolgers, Lloyd von Glorios. Er wäre ein würdiger Nachfolger unseres Vaters gewesen. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um die Ehre meiner Familie aufrecht zu erhalten. Ich, als einziger Überlebender der Königsfamilie, schwöre Glerien mit meinem Leben zu verteidigen. Ich freue mich dem Volk von Glerien mitteilen zu können, dass der letzte Auftrag, den mein Vater gegeben hat, von Erfolg gekrönt war. Die Elemente konnten das Siegel bannen und die Dämonen in die Hölle zurückschicken.«

Die Menge brach in Getöse aus. Zekra ließ es ein paar Sekunden geschehen, bevor er das Volk mit einer Handbewegung wieder zur Ruhe bewegte. »Des Weiteren verkünde ich, Kraft meines Amtes, dass sowohl Helix als auch Darkonia von nun an wieder in das Bündnis integriert werden. Ohne die Hilfe der Darkonianer und des Sandelements wäre die Aufgabe nicht geglückt. Die Bewohner aus Helix und die Bewohner aus Darkonia erhalten dieselben Rechte und Pflichten wie das bereits existierende Volk Gleriens. Voraussetzung ist, dass sie den Bündnisvertrag unterzeichnen. Der König der Darkonianer, Keikai Hagane, hat dies bereits erledigt. Helix wird das Schreiben durch den Botschafter, Morax Sabukio, erhalten. Es lebe Glerien!«

»Es lebe der König!«, rief das Volk wie aus einem Mund.

Zekra machte auf dem Absatz kehrt und begab sich in den Thronsaal zurück. Neil schlich sich an Keikais Seite. »Ich hatte ganz vergessen, dass der König eigentlich zwei leibliche Söhne hatte. Ich bin nicht ganz im Bilde, was damals geschehen ist.«

»Ich werde es dir auf dem Weg erklären.«

»So …«, begann Keikai. »Erst einmal zu dem weiteren Vorgehen. Im Ballsaal werden hohe Vertreter der Elementardörfer anwesend sein. Beantworte ihnen einfach die Fragen, die sie haben, lass dich nicht provozieren und sei höflich.«

Neil verzog das Gesicht. »Klingt ja richtig spannend.«

Keikai legte ihm eine Hand auf den Kopf. »Spannend ist das alles nicht. Es geht darum Kontakte zu knüpfen. Heute dreht sich alles um euch. Beantworte einfach brav alle Fragen, dann ist es schnell vorbei.«

»Bekomme ich meine Frage auch noch beantwortet«, drängelte der Darkonianer, dessen Ungeduld wohl einer seiner größten schwächen war.

»Lloyd war der ältere Sohn des Königs und somit der eigentliche Thronerbe«, erklärte Keikai, der im Gegensatz zu seinem Schützling mit einer nahezu unendlichen Geduld gesegnet war. »Er wurde im Alter von fünfzehn Jahren von einer Gruppe Jeruden ermordet. Zumindest haben sich das die Wachen in dem Kerker erzählt.«

»Er war damals unter dem Schutz seines persönlichen Leibgardisten, Yilan Lex, unterwegs«, erklang Kratos Stimme hinter ihnen, der dank seines Dämonengehörs das ganze Gespräch mithören konnte.

»Weißt du mehr darüber?«, wollte Sera wissen. »Viel ist immerhin nicht bekannt gegeben worden. Ich weiß lediglich, dass es ein heimtückischer Angriff der Jeruden gewesen sein soll.«

»Lloyd war damals zwar erst fünfzehn Jahre alt, jedoch war zu erkennen, dass er ein würdiger König geworden wäre. Warum er aufbrach und wohin er wollte, wusste niemand. Zudem wurde die Leiche des Thronerbens nie gefunden. Um das geheim zu halten, wurde ein leerer Sarg beerdigt. Yilan Lex kehrte schwer verwundet zum Königshof zurück und berichtete von dem Überfall. Mehr weiß niemand«, erklärte Kratos.

»Ist Yilan Lex nicht der Anführer der Jeruden, die wir in den Bergen angetroffen haben?«, fragte Zoe.