Die großen Western 143 - John Gray - E-Book

Die großen Western 143 E-Book

John Gray

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Der Zug raste nach Westen durch die Nacht. Wellton hieß die nächste Station. Im Norden der Schienen lag die schier endlose, öde Grassteppe, verbrannt von der Sonne Arizonas. Im Süden lag die Sonora-Wüste. Ein höllisches Land. Dicke schwarze Rauchwolken quollen aus dem Schlot der Lok, stiebende Funken tanzten über dem Kessel. Die Dunkelheit deckte fast alles zu. Es war eine Nacht ohne Sterne, und der Mond hielt sich verborgen. Die Luft war schwül. Am Bug der Lokomotive brannte eine Kerosinlaterne. Der Lichtkegel durchschnitt das Dunkel wie eine Messerklinge und ließ die Gleise des endlosen Schienenstranges wie Silber glänzen. Es war bald Mitternacht. Die Menschen im Zug schliefen. Einige aber konnten nicht schlafen, durften nicht schlafen … Ein Mann im dritten Waggon hinter der Lok zog seinen Revolver und erhob sich von seinem Platz. Auf seiner Tuchjacke trug er einen silbrigglänzenden Stern. Das trübe Licht einer schwankenden Petroleumlampe fiel in sein großporiges Gesicht. Massig und bullig war seine Gestalt. Weit hingen die Enden seines Schnurrbartes herab. Die langläufige Waffe lag schwer in der fleischigen Faust des Marshals. Prüfend glitten die Blicke seiner bleigrauen Augen über die beiden Männer, die ihm gegenübersaßen. Sie schienen zu schlafen. Ihre Köpfe waren zur Seite gesunken. Eine Knebelkette fesselte sie aneinander. Sie waren Mörder – Verbrecher auf dem Weg nach Yuma, in das Straflager am Fuß der roten Steinbrücke, die man auch die "Hölle auf Erden" nannte. Die Gesichter der beiden Mörder wirkten rau. Sie waren kantig und hart, wie aus Holz geschnitzt. Der bullige Marshal wandte sich ab. Die Faust mit dem Colt sank

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Die großen Western – 143 –

Nur die Hölle ist heißer

John Gray

Der Zug raste nach Westen durch die Nacht. Wellton hieß die nächste Station. Im Norden der Schienen lag die schier endlose, öde Grassteppe, verbrannt von der Sonne Arizonas. Im Süden lag die Sonora-Wüste. Ein höllisches Land.

Dicke schwarze Rauchwolken quollen aus dem Schlot der Lok, stiebende Funken tanzten über dem Kessel. Die Dunkelheit deckte fast alles zu. Es war eine Nacht ohne Sterne, und der Mond hielt sich verborgen. Die Luft war schwül.

Am Bug der Lokomotive brannte eine Kerosinlaterne. Der Lichtkegel durchschnitt das Dunkel wie eine Messerklinge und ließ die Gleise des endlosen Schienenstranges wie Silber glänzen. Es war bald Mitternacht. Die Menschen im Zug schliefen. Einige aber konnten nicht schlafen, durften nicht schlafen …

Ein Mann im dritten Waggon hinter der Lok zog seinen Revolver und erhob sich von seinem Platz. Auf seiner Tuchjacke trug er einen silbrigglänzenden Stern. Das trübe Licht einer schwankenden Petroleumlampe fiel in sein großporiges Gesicht. Massig und bullig war seine Gestalt. Weit hingen die Enden seines Schnurrbartes herab.

Die langläufige Waffe lag schwer in der fleischigen Faust des Marshals. Prüfend glitten die Blicke seiner bleigrauen Augen über die beiden Männer, die ihm gegenübersaßen.

Sie schienen zu schlafen. Ihre Köpfe waren zur Seite gesunken.

Eine Knebelkette fesselte sie aneinander. Sie waren Mörder – Verbrecher auf dem Weg nach Yuma, in das Straflager am Fuß der roten Steinbrücke, die man auch die »Hölle auf Erden« nannte.

Die Gesichter der beiden Mörder wirkten rau. Sie waren kantig und hart, wie aus Holz geschnitzt.

Der bullige Marshal wandte sich ab. Die Faust mit dem Colt sank herab. Schwerfällig bewegte er sich durch den Gang des kleinen Abteils zu einem der Fenster.

Cole Porter, der eine der beiden Mörder, öffnete die Augen und beobachtete den Marshal. Seine Blicke waren kalt und grausam. Sekundenlang hingen sie an dem breiten Rücken des US Marshals, dann stieß der Mann seinen Partner Scott Hatfield leicht an.

Sie nickten sich zu. Schweigend blickten sie sich an. Sie dachten beide dasselbe, und sie richteten sich auf. Aber ihre Glieder waren steif vom langen Sitzen. Leise klirrte die Kette, die sie aneinanderfesselte.

Der bullige Marshal wirbelte augenblicklich herum und riss seinen Colt wieder hoch. Sein Deputy, der gegenüber von den Banditen auf seinem Platz eingeschlafen war, fuhr auf und griff zum Revolver.

Da stand der Marshal schon vor den Banditen und stieß Cole Porter den Revolverlauf in den Leib.

Der Mann stöhnte und krümmte sich mit verzerrtem Gesicht zusammen. Seine Lippen waren ein dünner Strich. Er ertrug die Schmerzen in verbissenem Schweigen.

Der Marshal stieß Scott Hatfield gegen die Brust. Der stämmige Mann verlor das Gleichgewicht. Er fiel rücklings auf die Sitzbank zurück. Die Kette zwischen den Handgelenken der Männer straffte sich. Porter wurde mitgerissen. Hass glitzerte in seinen Augen.

Breitbeinig stand der bullige US Marshal vor ihnen. Er wippte leicht auf den Absätzen.

»Noch eine Bewegung, und ihr seid tot!« Er hob den Colt in seiner Faust noch ein Stück an. Die Mündung wanderte zwischen den Banditen hin und her und richtete sich schließlich auf Cole Porters Stirn. »Rührt euch nur nicht. Bleibt ja sitzen!«

Die Banditen schwiegen. Ihre Sehnen und Muskeln waren gespannt. Wilde Entschlossenheit lag in ihren Blicken.

Der bärtige US Marshal ließ sich langsam neben seinem Deputy nieder.

»So einfach ist das nicht, mich zu überrumpeln«, sagte er kalt. »Ihr habt keine Chance, versteht ihr? Nicht den Hauch einer Chance habt ihr gegen mich. Und je schneller ihr das begreift, desto einfacher ist alles. Und ihr werdet es begreifen, das schwöre ich euch. Ihr werdet in Yuma begreifen, dass es für euch keine Chance mehr gibt. Entweder ihr gehorcht, oder ihr werdet verrecken. Die Steinbrüche von Yuma werden euch zerbrechen. Und ich werde euch nach Yuma bringen. Das verspreche ich euch.«

»Noch sind wir nicht in Yuma.« Cole Porters Stimme klang gepresst. Brennender Hass flammte dem bulligen Marshal aus den dunklen Augen des Mörders entgegen.

Der Marshal musterte den Banditen verächtlich. Er spannte langsam den Hammer des Colts und legte den Zeigefinger um den Abzug. Für einen Augenblick wirkte sein großporiges Gesicht wie eine steinerne Maske. Dann ließ er die Waffe sinken.

Die Banditen starrten wortlos auf die staubigen Bodendielen. Das flackernde Licht der trüben Lampe fiel auf ihre kantigen Gesichter und erhellte die reglosen Züge.

Es gelang dem Marshal und dem Deputy nur mit Mühe, wach zu bleiben. Seit mehr als zwölf Stunden waren sie unterwegs. Das monotone Geräusch der ratternden Wagenräder wirkte einschläfernd, und die trübe Helligkeit im Abteil trug nicht dazu bei, die Männer wachzuhalten.

*

Seitlich der Schienen wuchsen Felsen in den Nachthimmel. Gewaltige Gesteinsblöcke hatte die Natur zu einem bizarren, seltsamen Monument aufgetürmt. Zwei Tage zuvor war ein Sturm über das Land gerast. Ein Steinschlag hatte sich gelöst und eine Geröllhalde in Bewegung gesetzt. Ein Steinquader war in die Tiefe gestürzt, auf die Schienen der Eisenbahn. Felsgeröll hatte den Quader verschüttet.

Der Zug raste heran. Der Lichtkegel der Laterne am Bug glitt über die schroffkantigen Felsen und erfasste in einer Biegung jäh die Gesteinsmassen auf den Gleisen.

Etwas mehr als dreißig Yards trennten den Zug noch von dem Hindernis. Und unaufhaltsam raste er dem Verderben entgegen …

Der Heizer stand auf dem Tender, er sah den Steinwall zuerst. Er schrie auf. Sein rußgeschwärztes schwitzendes Gesicht verzerrte sich. Die Kohlenschaufel entfiel seinen Händen und polterte in den Führerstand. Verwirrt wandte sich der Lokomotivführer um.

»Da!«, schrie der Heizer mit überschnappender Stimme. »Da vorn! Sieh nur …«

Er sprang vom Tender in den Führerstand. Gehetzt blickte er den Lokführer an, dem der Anblick des Hindernisses die Angst eisig durch die Adern trieb.

Die rechte Faust des Lokführers flog zum Dampfhebel und riss ihn auf Null zurück. Die Männer packten die Bremskurbel und drehten sie wie verrückt. Doch was sie auch taten, sie konnten das Unglück nicht mehr verhindern.

Nebelartiger Dampf umgab die Lok. Grell kreischten die Bremsbacken. Der Lokführer ließ die Dampfpfeife schrillen, um die Bremser auf den Waggons zu warnen.

Doch das Hindernis rückte immer näher. Immer schneller. Es gab kein Ausweichen. Grell erhellte der Lichtstrahl der Buglaterne das Gestein.

Heizer und Lokführer stürmten zum Ausstieg des Führerstandes.

»Raus!«, brüllte der muskulöse Heizer verzweifelt. »Wir müssen abspringen!«

Der Lokführer warf einen Blick aus dem Führerstand. Tief unter ihm raste der grobe Schotter des Bahndamms vorbei. Ein Sprung in diese Tiefe schien unmöglich.

Der Mann riss den Kopf herum. Aus geweiteten Augen starrte er auf das Hindernis auf den Schienen, dem die Lok entgegenflog. Er hörte das Kreischen der Bremsen, spürte das wilde, kraftvolle Vibrieren der Maschine unter seinen Füßen und schätzte die Entfernung: Noch fünfzehn Yards, dachte er. Noch zehn Yards, noch fünf, noch vier – alles spielte sich in Bruchteilen von Sekunden ab. Nackte Angst spiegelte sich in den Augen des Mannes.

Der Heizer stieß einen unartikulierten Schrei aus und gab dem Lokführer einen heftigen Stoß. Der Mann warf brüllend und haltsuchend die Arme hoch und stürzte aus dem Führerstand. Mit einem gewaltigen Sprung setzte der Heizer nach. Er schloss die Augen und dachte an den Tod …

Die Männer wirbelten durch die Luft. Knallhart schlugen sie auf und wurden vom Schwung des Sturzes über den Bahndamm geschleudert. Ihre Kleidung zerfetzte, ihre Haut schrammte auf. Der Lokführer brach sich die Schulter. Der harte Aufprall raubte beiden Männern das Bewusstsein.

Im selben Augenblick fuhr die Lokomotive auf den Steinwall. Die Buglampe zerplatzte beim Aufprall. Und dann erschütterte eine gewaltige Explosion die Stille der Nacht und ließ den Boden vibrieren.

Für einen Sekundenbruchteil erhellte in geisterhafter Grelle eine Stichflamme die Szene. Ein Regen von Eisenteilen und Steinen wirbelte durch die Luft.

Krachend barst zolldicker Stahl. Der Dampfkessel platzte auseinander, und der kochende Inhalt der Wassertanks ergoss sich auf den Bahndamm.

Die Lok sprang aus den Schienen und riss die Waggons mit. Als die gewaltige Zugmaschine umkippte, klang das Knirschen des brechenden Metalls wie das Ächzen und Stöhnen eines lebenden Wesens.

Der Tender überschlug sich. Sein Inhalt überschüttete den Führerstand der liegenden Lok. Die Waggons des Zuges stürzten den Bahndamm hinunter, als wären sie leicht wie Pappkartons. Sie prallten hart aufeinander und überschlugen sich zum Teil. Holzwände zersplitterten, Stahl zersprang klirrend in tausend Stücke.

Der brüllende Donner der Explosion und das Krachen der entgleisenden Waggons verklang. Jetzt ertönten die Stimmen von Menschen: Frauen kreischten, Verletzte brüllten durchdringend. Todesschreie klangen durch den Lärm. Aus den Viehwaggons am Ende des Zuges klang das klagende Wiehern von verletzten Pferden.

Einige Waggons brannten. Die Petroleumlampen in den Abteilen waren zersplittert. Die Füllungen waren ausgelaufen, in Brand geraten und hatten das spröde, zersplitterte Holz der Wagen angezündet.

Der schwarze Himmel färbte sich rot, als die Flammen höher schlugen. Geisterhafte Schatten tanzten im Feuerschein über der Unglücksstelle.

Nur langsam senkte sich die Staubwolke, die bei der Explosion aufgewallt war. Prasselnd fraß sich das Feuer der brennenden Waggons weiter. Immer lauter erklangen die Schreie der Eingeklemmten und verletzten Fahrgäste.

Männer und Frauen, die unverletzt geblieben waren, hasteten verstört an den umgestürzten Waggons entlang und suchten nach ihren Angehörigen. Andere knieten neben den Verletzten, die beim Umstürzen der Waggons aus den Fenstern geschleudert worden waren. Blut sickerte in den Schotter des Bahndamms. Ein Mann mit einem schweren Koffer, selbst aus einer klaffenden Stirnwunde blutend, rannte am Bahndamm entlang und schrie immer wieder mit heiserer Stimme, dass er Arzt sei.

In einem fast völlig zerstörten Abteil des dritten Waggons rafften sich jetzt zwei Männer auf.

Ihre Kleidung war zerfetzt, Schrammen zeichneten ihre Gesichter, Prellungen schmerzten sie. Silbern klirrte eine Knebelkette.

Sie erhoben sich benommen. Der Waggon war umgestürzt. Die beiden Häftlinge lehnten sich keuchend an die hochstehenden Sitzbänke. Wie durch ein Wunder waren sie schweren Verletzungen entgangen.

Neben ihnen befand sich das Dach des Waggons. Es war aufgebrochen. Durch eine breite Lücke fiel der flackernde Schein der Flammen und verlieh den harten Gesichtern die Farbe gebrannten Tons.

Porter warf einen Blick hinaus und sah einige Fahrgäste schreiend vorbeihasten.

»Der Zug ist entgleist.«

Hatfield nickte und wischte sich mit der Linken einen Blutfaden von der Stirn.

»Das ist unsere Chance, Cole. Das ist die letzte Chance, sage ich dir. Weiß der Teufel, warum der Zug entgleist ist, aber er ist genau im richtigen Augenblick entgleist.«

»Die Sternschlepper …« Cole Porter blickte sich um.

Die beiden US Marshals lagen flach unter ihrer Sitzbank. Sie hatten mit dem Rücken an der Abteilwand gesessen, die während des Unglücks mit großer Wucht auf sie heruntergeschlagen war.

Cole Porter bückte sich. Ein hässliches Grinsen überzog sein Gesicht.

Ein fremder Mann tauchte plötzlich zwischen den Trümmern des Waggondaches auf. Er blutete aus einer Wunde am Hals, strähnig hing ihm sein Haar ins Gesicht. Schweiß rann in dichten Strömen über seine Wangen, und wilde Verzweiflung lag in seinen Augen.

»Mary! Ist hier Mary? Melde dich doch, Mary! Mein Gott …«

Seine Stimme klang schrill und schnappte über. Der Mann schluchzte. Er zitterte am ganzen Körper.

Die Banditen wandten sich um, eisig durchfuhr sie der Schreck.

»Nein«, keuchte Scott Hatfield. »Nein, nein, Mister. Sie sind hier falsch. Hier gibt es keine Frau, hier ist niemand, den Sie suchen.«

»Aber …«

»Geh schon!«, brüllte Porter mit rotem Gesicht. Der Mann schluchzte noch immer. Er wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung über das Gesicht und trottete mit hängenden Schultern davon.

»Noch eine Sekunde, und ich hätte ihn umgebracht …«

Die beiden Banditen atmeten pfeifend aus. Sie beugten sich nun über die beiden US Marshals.

Der Deputy war tot. Seine weit aufgerissenen, glasigen Augen starrten ins Leere. Der Marshal lebte noch, er bewegte sich jetzt schwach.

»Wir müssen weg, Cole.« Hatfield blickte sich gehetzt um. Er schob den Kopf aus dem Loch im Waggondach. Der leichte Wind trieb ihm ätzende Rauchschwaden entgegen. Der Bandit hustete. Er sah, wie die Flammen des brennenden Nachbarwaggons übergriffen.

»Schnell!«, keuchte der Mann. »Der Waggon brennt. Wir müssen raus, sonst werden wir geröstet! Und wer weiß, wer hier noch auftaucht.«

»Die Waffen!«, zischte Cole Porter. »Wir brauchen Waffen! Nimm dir einen Revolver, Scott.«

Die Banditen zerrten den beiden US Marshals die Revolver aus den Halftern. Da hob der bullige Marshal schwerfällig den Kopf und schlug die Augen auf. Er stöhnte dumpf. Eingeklemmt lag er unter der Bank. Er musste gewaltige Schmerzen haben und konnte sich kaum rühren. Sein Gesicht verzerrte sich, er wimmerte leise und schien die Banditen im ersten Augenblick nicht zu erkennen.

»Dreckschwein!«, ächzte Cole Porter. Zorn spiegelte sich in seinen Augen. Er packte den Revolver, den er dem toten Deputy abgenommen hatte, fester und hob die schwere Waffe langsam hoch.

Der Marshal erkannte jetzt, wen er vor sich hatte. Seine Augen weiteten sich, sein Mund öffnete sich. Ein Schrei rang sich über seine Lippen. Als Porter zuschlug und der wehrlose Mann von dem Hieb getroffen wurde, verlor er wieder das Bewusstsein.

»Weg jetzt!«, rief Hatfield ungeduldig.

Sie zwängten sich durch das Loch im Dach. Das Feuer hatte sich bereits weit vorgefressen. Metallteile bogen sich vor Hitze. Flammen schlugen den beiden Mördern entgegen, glühende Holzteile wurden vom Wind hochgewirbelt.

Porter und Hatfield sprangen auf den Bahndamm. Sie blickten sich um. Niemand achtete auf sie. Und selbst die Kette, die Cole Porters linkes Handgelenk mit dem rechten Gelenk Hatfields verband und die im Flammenschein silbern glitzerte, fiel niemandem auf.

»Schnell weg! Das sieht gut aus, Scott«, murmelte Porter. Sie rannten los. Sie drängten sich durch die aufgeregt hin und her eilenden Menschen und stürmten blindlings in die Nacht hinaus.

Der Flammenschein des brennenden Zuges reichte nicht weit. Die Männer tauchten nach wenigen Yards in die Finsternis. Und obwohl sie nicht sehen konnten, wohin sie liefen, rannten sie weiter. Sie wollten nur weg vom Schienenstrang, möglichst weit weg von dem entgleisten Zug und den vielen Menschen.

Ihre Kleidung war zerrissen und angesengt, sie hatten Schrammen und Prellungen, und die Knebelkette, die sie aneinanderfesselte, klirrte bei jedem Schritt. Aber nichts hielt sie auf.

Kühl umstrich der sanfte Nachtwind ihre heißen Gesichter. Sie waren frei, das begriffen sie.

Die Schreie der Verletzten, die Klagerufe der Eingeschlossenen in den brennenden Waggons, das qualvolle Stöhnen der Sterbenden und die hysterischen Stimmen der unverletzten, hin und her hetzenden Menschen versanken hinter Porter und Hatfield. Es interessierte sie nicht, was mit dem entgleisten Zug geschah. Das schwere Unglück hatte ihnen die Freiheit geschenkt, deshalb war ihnen alles andere gleichgültig. Mochten andere sterben, mochten zehn, zwanzig, fünfzig, hundert oder mehr bei dem Unfall ihr Leben gelassen haben – für Porter und Hatfield zählte ein Menschenleben nicht viel.

Die Nacht hüllte sie ein, und sie liefen davon. Zwei Verbrecher, die zu zwanzig Jahren Straflager im Zuchthaus Yuma verurteilt waren. Niemand hielt sie auf, niemand dachte an sie. Sie flohen, aneinandergekettet, gefesselt. Sie hatten ihr nacktes Leben gerettet, und der heiße Wille, der Hölle von Yuma zu entgehen, trieb sie vorwärts.

*

Sie taumelten durch den Sand. Bleischwer waren ihre Füße. Sie waren übermüdet, erschöpft, am Ende ihrer Kraft. Aber sie hielten nicht an. Die Angst vor Verfolgern trieb sie weiter.

Sie sanken mit ihren hochhackigen Stiefeln fast bis zu den Knöcheln in den Sand. Aber über ihre Lippen kam kein Laut.

Über dem Land stand die Zeit still. Die Ewigkeit schien näher gerückt. Vom Himmel fielen lodernde Flammen.

Vorhof der Hölle, Sonora-Wüste, Arizona – ein Land aus Hitze und Staub, in dem nichts existieren konnte, was nicht dazugehörte.

Ein neuer Tag brach an. Mit leisem Singen strich der Südwind über das Land und schliff die Sandkristalle glatt, bis sie glänzten, sodass im grellen Licht der Sonne ein seltsamer Schimmer über dem Land lag. Der Wind war glühend wie ein Atemhauch der Hölle. Er trieb feine Kristallschleier aus Staub wie eine sanft schäumende Gischt über die starre Sandfläche.

Der farblose Himmel spie Feuer auf das öde Land, und das Atmen wurde schwer. Die Blätter der hohen Yucca­stauden vibrierten wie Stahlfedern, leise knisterte zwischen ihnen feiner Sand.

Vor den beiden Männern buckelten sich zahllose Dünenrücken wie zu Staub gewordene Meereswogen. Die Banditen merkten es kaum.

Hager und eingefallen waren ihre Gesichter. Ihre Augen lagen in tiefen Höhlen, schmerzten und wurden geblendet von der stechenden Helligkeit der Sonne. Zwischen den Bartstoppeln auf Kinn und Wangen bildeten sich feste Krusten aus Staub und Schweiß, die die harten, rauen Gesichter der beiden Mörder wie Masken überzog.

Sie trotteten dahin, dem Zusammenbruch nahe, und noch immer klirrte bei jeder Bewegung die Kette, die sie fesselte. Die Stahlreifen, die ihre Handgelenke umspannten, schienen enger zu werden. Sand setzte sich unter ihnen fest und scheuerte die Haut auf. Die Gelenke schwollen an.

Jetzt peitschte der glühende Wind ihre Gesichter, und die feinen Sandkristalle, die er mit sich trug, wehten wie ein Regen von glühenden Nadelspitzen gegen ihre Haut.

»Ich – kann nicht mehr …«

Scott Hatfield fiel auf die Knie nieder. Cole Porter stolperte und wurde fast mitgerissen. Schwankend blieb er stehen. Aus schmalen Augen starrte er nach Süden.