Die großen Western 160 - John Gray - E-Book

Die großen Western 160 E-Book

John Gray

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Der Sechs-Gallonen-Hut stand wie ein Eimer auf der Theke. Als sein Besitzer sich umdrehte, warfen sich die beiden Männer neben ihm rasche Blicke zu. Sie warteten, bis der hünenhafte schwarzbärtige Bursche sich vollends abgewandt hatte und handelten dann blitzschnell. Sie hoben ihre gefüllten Whiskygläser und leerten sie in die Hutkrone … Will Hattman war ein Mann, den man nicht übersehen konnte. Wenn er in einen Türrahmen trat, dann füllte er diesen aus. Seine klotzige Gestalt stand mehr als sechs Fuß hoch in den Stiefeln und spannte jeden Teil seiner Kleidung. Sein kantiger Schädel erinnerte an einen unbehauenen Felsblock, und seine stahlgrauen Augen unter den buschigen Brauen an zwei Eiskristalle. Seine Hände waren schwielig. Schwarz wie ein Feuerloch war sein struppiger Bart. Quer über den Schädel zog sich eine feuerrote Narbe hin. Und auf die deutete er, als er sich zu einigen Männern an einem Tisch hinabbeugte. Er begann zu sprechen. Und seine Stimme klang kratzend wie grobkörniger Flugsand. "Hier, seht sie euch an! – Hohoho! Das hättet ihr nicht gedacht, wie? – Das kostet euch einen Whisky. Da beim Schopf haben mich die Rothäute erwischt! Vor drei Jahren! Und einer dieser Burschen hatte meinen halben Skalp zwischen den braunen Fingern. Ich saß dem Sensenmann schon auf der Schaufel. Ein verdammtes Glück habe ich gehabt, kann ich euch sagen!" Die Männer lachten. "All right, Will! Wir haben verloren. Du kriegst deinen Whisky!" Will Hattman drehte sich um und stampfte zur Theke zurück. Seine Augen funkelten triumphierend. Ihm haftete ein strenger Geruch von Ruß, Harz, Maschinenöl und Zigarettenrauch

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Die großen Western – 160 –

Versorgungszug 13

John Gray

Der Sechs-Gallonen-Hut stand wie ein Eimer auf der Theke. Als sein Besitzer sich umdrehte, warfen sich die beiden Männer neben ihm rasche Blicke zu. Sie warteten, bis der hünenhafte schwarzbärtige Bursche sich vollends abgewandt hatte und handelten dann blitzschnell. Sie hoben ihre gefüllten Whiskygläser und leerten sie in die Hutkrone … Will Hattman war ein Mann, den man nicht übersehen konnte. Wenn er in einen Türrahmen trat, dann füllte er diesen aus. Seine klotzige Gestalt stand mehr als sechs Fuß hoch in den Stiefeln und spannte jeden Teil seiner Kleidung. Sein kantiger Schädel erinnerte an einen unbehauenen Felsblock, und seine stahlgrauen Augen unter den buschigen Brauen an zwei Eiskristalle. Seine Hände waren schwielig. Schwarz wie ein Feuerloch war sein struppiger Bart. Quer über den Schädel zog sich eine feuerrote Narbe hin. Und auf die deutete er, als er sich zu einigen Männern an einem Tisch hinabbeugte.

Er begann zu sprechen. Und seine Stimme klang kratzend wie grobkörniger Flugsand.

»Hier, seht sie euch an! – Hohoho! Das hättet ihr nicht gedacht, wie? – Das kostet euch einen Whisky. Da beim Schopf haben mich die Rothäute erwischt! Vor drei Jahren! Und einer dieser Burschen hatte meinen halben Skalp zwischen den braunen Fingern. Ich saß dem Sensenmann schon auf der Schaufel. Ein verdammtes Glück habe ich gehabt, kann ich euch sagen!«

Die Männer lachten.

»All right, Will! Wir haben verloren. Du kriegst deinen Whisky!«

Will Hattman drehte sich um und stampfte zur Theke zurück. Seine Augen funkelten triumphierend. Ihm haftete ein strenger Geruch von Ruß, Harz, Maschinenöl und Zigarettenrauch an, denn Will Hattman war Lokführer bei der Union Pacific Railroad Company in Benton, Wyoming. Er sah ganz so aus, als bestände sein Frühstück aus Maschinenöl mit Eisenbolzen. Und wer ihn kannte, fand das gar nicht so unwahrscheinlich. Will Hattman war ein stahlharter Mann. So hart wie der Schienenstrang, den die Union Pacific nach dem Bürgerkrieg wieder quer durch einen Kontinent trieb, der vom Klirren der Vorschlaghämmer und dem Kreischen der Dampfpfeifen widerhallte, einem Land, dem das Dröhnen von Stahl die Nationalhymne zu ersetzen schien. Amerika lag im Eisenbahnfieber.

Tag für Tag wuchs der stählerne Trail um einige Meilen, schrumpften Entfernungen zusammen, kamen sich Küsten und ihre Menschen näher. Über himmelhohe Berge, höllentiefe Schluchten, reißende Ströme und durch endlose knochentrockene Wüsten. Will Hattman war immer dabei gewesen …

Hattman hatte die Theke erreicht und griff nach seinem Hut. »Gib mir einen Whisky, Joe!«, rief er dem Keeper zu. Der Mann nickte.

Hattman stülpte sich den Hut wieder auf den Kopf und wollte etwas sagen. Doch er erstarrte plötzlich. Sein Gesichtsausdruck fror ein, und seine Züge waren wie aus Fels gehauen.

Unter dem Hutrand hervor, über seine Stirn und an seinen Haarsträhnen herunter rann der beißend scharfe Alkohol und sickerte in den Stoff des Hemdes von Hattman.

Erst glucksten nur unterdrückt die beiden Männer neben ihm. Dann sahen es auch die anderen. Wenig später schallte donnerndes Gelächter durch den Schankraum.

Will Hattman lief rot an. Er stand steif und starr und rührte sich so lange nicht, bis es aufgehört hatte, zu tropfen. Dann nahm er den Hut ab und stellte ihn wieder auf die Theke zurück.

»Joe! Mach ihn voll, bis oben hin!«, sagte er heiser. Und der Keeper starrte ihn ungläubig an.

»Hörst du nicht, Joe? Mach ihn voll, Joe, sage ich dir! – Nimm den übelsten Hostetter-Fusel, und mach damit den Hut voll!«

»Jawohl, Will!«

Will Hattman grinste die beiden Männer neben sich schmal an. Sie waren stämmig und untersetzt. Doch gegen Hattman wirkten sie beinahe schmächtig.

Sie wurden blass, als sie seine Blicke auf sich spürten. Sie wichen langsam zurück.

»Aber, Will! – Will, du denkst doch nicht etwa … Du glaubst doch nicht …«

Sie stotterten. Ihre Kehlen waren plötzlich wie zugeschnürt. Ihre Hände krampften sich um die blitzende Messingkante der Theke. Schweißperlen erschienen auf ihren Gesichtern.

»Doch«, murmelte Hattman leise und sanft. »Doch, ich denke, dass ihr das gemacht habt!«

»Aber, Will …« Der eine versuchte zu grinsen. Doch es gelang ihm nicht.

»Ich mag keine Lügner!« Will Hattman machte einen raschen Schritt auf ihn zu und ließ seine dicht behaarte Pranke vorschnellen.

Der andere kreischte auf, als er die riesige Faust wie ein Geschoss heranfliegen sah. Dann spürte er den stählernen Griff an seinem Hemd, fühlte sich herumgerissen und nach vorn geschleudert. Seine Arme wirbelten haltsuchend durch die Luft, er rang nach Atem, heulte schrill und schien dann plötzlich zu fliegen.

Die Männer am Tisch sprangen auf und wichen rasch aus. Stühle fielen polternd um. Ein Whiskyglas zerbrach am Boden. Dann donnerte der Bursche schon gegen den Tisch und riss ihn um.

Berstend und splitternd brach der Tisch zusammen. Der Mann überschlug sich, stürzte krachend auf die sägemehlbestreuten Dielen des Fußbodens, rollte noch ein Stück weiter und streckte dann mit leisem Seufzer die Glieder.

Der Bärtige an der Theke wirbelte herum und setzte mit einem Sprung dem zweiten Mann nach, der sich gerade davonstehlen wollte.

Der Mann schrie vor Schreck. Nackte Angst lag in seinem Blick. Hattman schleifte ihn zur Theke und wischte ihm mit einem Hieb der flachen Hand den Hut vom Kopf. Einige Haarsträhnen fielen dem anderen in die Stirn. Hattmans Linke packte ihn wie eine Eisenzwinge beim Genick und schüttelte ihn wie eine nasse Katze. Seine Stimme dröhnte zornig durch den Saloon: »Hast du den Hut gefüllt, Joe?«

Der Keeper nickte. »Sicher, Will. Nur bitte keine Prügelei, Will, bitte nicht! Nicht wie beim letzten Mal. Die Einrichtung, Will …« Er zog sich hastig zurück. »Die Einrichtung!«

»Ich bezahle alles!« Hattman schob den Mann an die Theke. »Setz ihn auf!«, befahl er mit bösem Grunzen. »Setz ihn auf, sage ich dir, Bruder! – Ho! Du wirst stinken wie ein altes Schnapsfass. Ein Skunk wird ein müdes Lüftchen gegen dich sein!«

Der Mann hatte ein puterrotes Gesicht und schnappte nach Luft. »Nein!«, keuchte er und schüttelte wild den Kopf. »Nein, verdammt, nein! Das werde ich nicht tun, verstehst du? Ich mache das nicht!«

»Hör zu!« Will Hattman schaute ihn freundlich an. »Du darfst wählen, Fellow: Entweder, du setzt den Hut auf, oder ich schlage dich so zusammen, dass du dich entschuldigen wirst, geboren worden zu sein und dich deine eigene Mutter nicht mehr wiedererkennt!«

Der Mann blickte zögernd auf seinen bewusstlosen Kumpan, dann auf die riesigen Fäuste des Lokführers und schließlich auf den whiskygefüllten Hut. Er zitterte plötzlich am ganzen Körper. Hass stand in seinem Blick. Er holte tief Atem. Dann kniff er die Augen zu, presste die Lippen zusammen und griff nach dem Hut. Er setzte ihn sich blitzschnell auf und schüttete sich damit fast zwei Flaschen Whisky über den Schädel.

Er spuckte, prustete, schleuderte den Hut zu Boden, rang nach Atem. Seine Kleidung war getränkt mit Alkohol, und von seinem Kopf troff der übel riechende Fusel, der den Mann nun mit einer penetranten Dunstwolke umgab, die ihn beinahe betäubte und ihm die Luft raubte.

Er wollte sich herumwerfen, davoneilen, nur weg von hier, nur fort … Doch die Faust Will Hattmans war schneller.

»Bleib hier, mein Junge, bleib hier! Wohin willst du so eilig?« Er grinste breit. »Du willst uns doch nicht allein lassen!«

»Lass mich los, Hattman, verdammt, lass mich los!«, keuchte der Mann. Doch der Lokführer lachte nur.

»Du hast gedacht, du könntest dir mit mir einen Spaß erlauben, wie? Ich bin humorlos, Bursche, völlig humorlos!«

Damit holte Will Hattman aus. Seine gewaltige Hand klatschte dem Mann ins Gesicht, und dieser meinte, ihm würde der Kopf von den Schultern gerissen. Er torkelte wie ein Betrunkener hin und her. Und wenn Hattman ihn nicht gehalten hätte, wäre er gefallen. Seine Wange schwoll rot an.

»Ho, Bruder. Und jetzt verschwinde! Das nächste Mal ersäufe ich dich im Whisky, wie eine Ratte!« Dann stieß er ihn durch die Pendeltür auf die Straße.

Will Hattman schrie nach Whisky und begann grölend ein altes Südstaatenlied zu singen. Einige Männer fielen ein und hoben ihre Gläser.

Als ein schlanker junger Mann in der Tür erschien, bemerkte Hattman ihn erst, als er ihm auf die Schulter tippte. »Will!«

Der riesige Mann wandte sich um und stutzte. »Barry? – Was ist los? Wie hast du mich gefunden?«

Der andere grinste. »Es war nicht sehr schwer, Will. Ich sah den Burschen durch die Tür fliegen.«

Hattman grinste breit. Er trank sein Glas leer. Der junge Mann runzelte die Stirn. »Du hörst jetzt besser auf zu trinken und kommst mit, Will. – Vorhin kam eine Nachricht über den Draht. Das Camp bei Green River braucht Lebensmittel. Die Cheyennes lauern mal wieder um die Strecke. Sie scheinen es diesmal ernst zu meinen. – Der Zug steht unter Dampf in der Station. Du brauchst nur einzusteigen!«

Will Hattman ließ sein Glas sinken. »Was sagst du da? Mitkommen? Einsteigen, abfahren? Heute? – Ich bin nicht im Dienst, Barry! Ich bin hier, um mich zu besaufen und dann in den ›Grünen Engel‹ rüberzugehen. Dort wartet meine Jeany, ein Weib mit Haaren, so rot wie ein Kesselfeuer und einem Temperament wie eine Baldwin-Lokomotive. Sie hat ein echtes französisches Bett! Hoho! Ist das nichts, in diesem lausigen Drecknest? Echt französisch …«

»Jeany wird warten, Will. – Ab sofort bist du wieder im Dienst. Patterson ist ausgefallen. Ihm ist ein Eisenträger auf den rechten Fuß gefallen. Jetzt trägt er sechs Nummern größere Stiefel, geht auf Krücken und verspricht, jeden zu vierteilen, der es wagt, darüber zu lachen. Und wenn er nicht bald wieder gesund ist, wird die Union Pacific völlig ruiniert sein. Er hat schon drei Krücken kaputt geschlagen. Ein Streckenarbeiter liegt noch beim Doc, weil er nach dem dritten Whisky meinte, dass Patterson auf zu großem Fuß lebe!«

»Prächtig! Und das erfahre ich jetzt, nach fast einer Flasche bestem Kentucky-Bourbon. Das ist der schnelle Dienst der Union Pacific, Fellows!«

»Komm, Will!«

Der Lokführer nickte grimmig. »Ich komme, verdammt noch mal, ich komme. – Und Jeany hat ein so weiches Bett. – Schreib alles auf, Joe. Ich bezahl beim nächsten Mal. Und wenn ich nicht mehr kommen sollte, schick deine Rechnung der Union. Ich verzichte dafür auf einen Grabstein. Zum Teufel mit der Bahn!«

»Aber – es sind schon dreihundert Dollar, Mr Hattman, dreihundert Dollar!« Der Keeper stotterte.

»Ich sagte ja, ich verzichte auf meinen Grabstein!«, brummte Will Hattman zornig. »Oder ist dir ein Grabstein von Will Hattman nicht gut genug? Die Union Pacific ist mir einen verdammt guten Grabstein schuldig!«

»Sicher, Mr Hattman. Natürlich!«

»Na also!« Er verließ hinter dem Clerk des Union Pacific Offices den Saloon. Der Keeper stieß einen heiseren Fluch aus.

*

Durch die kleine Stadt rollten polternd hochbeladene Wagen zu den Eisenbahndepots – mit Schwellenholz, Werkzeugen und Lebensmitteln.

Auf den Wagenböcken saßen hartgesichtige Männer mit schweren Revolvern. Hammerschläge hallten klirrend aus den Werkstätten der Union durch die Stadt. Von der Station stiegen die nebliggrauen Dampfwolken eines wartenden Zuges in den wolkenlosen Himmel.

Will Hattman und der Clerk erreichten wenig später die Station und traten auf den Bahnsteig. Lang gestreckte, flache Frachtschuppen lagen links und rechts der Gleise. Hohe Wassertürme reckten sich dicht neben den Schienen in den Himmel.

Die riesige Mogul-Lokomotive schnaufte dumpf. Am Tender blinkten die großen Messingbuchstaben »Union Pacific Railroad Company«.

In einer gewaltigen schmutzig grauen Dampfwolke stampfte in diesem Augenblick ein anderer Zug auf einem Nebengleis in die Station. Der Lokführer riss am Dampfhebel. Schrill kreischte die Pfeife auf dem riesigen, fauchenden, rußigen Ungetüm aus Eisen und Stahl. Vorn auf dem Kuhfänger war ein Mann festgebunden. Er war rußgeschwärzt und schrie wie am Spieß.

Als der Zug hielt, quoll aus den beiden Packwagen eine Horde Schwellenleger heraus. Es waren breitschultrige grauäugige Männer. Unrasiert, ungepflegt, verdreckt. Sie grölten wie die Teufel und sahen auch so aus. Ihre speckigen Haare hingen ihnen weit über den Nacken, ihre sichelförmigen Schnauzbärte reichten bis weit unter die Kinnwinkel. An ihren Gürteln baumelten schwere Navy-Colts in handgeschnittenen Armee-Halftern.

»Was hat der Bursche gemacht?« Will Hattman blickte hinüber zu der anderen Lok, wo jetzt der Mann auf dem Kuhfänger losgebunden wurde, mit einem Wutschrei aufsprang, als wolle er den Lokführer in Grund und Boden schlagen, und dann jammernd auf die Schienen stürzte, weil seine Beine ihm den Dienst versagten. Für einen Moment hüllten ihn die weißen Dampfschleier fast völlig ein. Dann hatte der Lokführer ihn auf den Bahnsteig gezerrt. Verächtlich lachend und spottend stampften die anderen Männer vorbei in die Stadt.

»Vielleicht hat er Lebensmittel gestohlen, vielleicht war er betrunken bei der Arbeit, oder er hat Streit gesucht! Was weiß ich!« Der Clerk zuckte mit den Schultern. »Wir sind jetzt wieder im Indianergebiet. Die Burschen müssen Disziplin halten. Wo kämen wir sonst hin? Wir könnten einpacken!«

»Sicher, Barry!« Hattman folgte dem Clerk zu seinem Zug. Der Postschaffner Glenn Warner stand neben dem ersten Packwagen und nickte Hattman grinsend zu.

»Hallo, du Sohn einer Kanone! Wir wollten wetten, Will. Gut, dass ich es nicht getan habe. – Ich habe nicht geglaubt, dass du noch nüchtern bist!«

»Es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre es nicht mehr gewesen, Glenn!« Die Männer schüttelten sich die Hände.

»Wir sind Nummer dreizehn, Will. Versorgungszug Nummer dreizehn. Wir haben drei Materialwagen, den Postwagen und einen Waggon mit Lebensmitteln und Munition!«

»Dreizehn!« Hattman fluchte. Dann ließ er seine riesige Faust dreimal gegen das rissige Holz des Postwagens fallen. »Teufel auch!«, knurrte er.

»Abergläubisch, Will?« Der Clerk lachte und sprang in den Wagen.

»Abergläubisch …« Hattman schnaufte verächtlich. »Was weißt du Greenhorn schon? – Erfahrung ist das, nichts als Erfahrung. Ein Zug Nummer dreizehn … Das kann nicht gut gehen!«

Der riesige Mann kletterte auf die Plattform des Postwagens und trat ein. Seine Blicke glitten argwöhnisch über die Gesichter der Männer, und dann sah er eine Frau. Doch der Clerk begann schon zu reden.

»Diese drei Höhlenmenschen sind Ken Steen, Bret Shoffner und Jim Holden. Das blonde Baby nennt sich Billy Randel.«

»Ich bin kein Baby!«, fuhr der schlaksige Bursche hoch. »Wieso sagt ihr alle, ich wäre ein Baby. Ich schieße genauso gut wie ihr!«

»Da siehst du es!« Der Schaffner lachte. »Uns kann also gar nichts passieren. – Setz dich, du Feuerfresser!«

»Sie sind neue Arbeiter«, fuhr der Clerk fort. Dann zeigte er auf einen breitschultrigen, lederhäutigen Mann mit zwei schweren Walker-Colts am Gürtel und einer Sharps-Rifle, Kaliber 54 in der rechten Pranke.

»Matt Murphy kennst du! – Die Lady ist Mrs Tracy!«

Will Hattman hatte dem Eisenbahnscout zugenickt und nahm nun den Hut ab. »Eine Frau …«

»Sie lässt sich nicht abhalten, Will – Lester Tracy ist ihr Mann. Er ist Vorarbeiter draußen im Camp. Sie will zu ihm!«

»Und die Indianer?« Hattman trat langsam näher. »Madam, diese Fahrt ist nicht ungefährlich. Es geht quer durch Indianergebiet!«

»Das weiß ich alles, Mister. Ich muss zu meinem Mann!« Die Stimme der Frau klang unnachgiebig. »Ich bekomme ein Kind, Mister. Ich will nicht mehr, dass mein Mann noch dort draußen ist. Aber er wird nicht hören, wenn ich ihm schreibe. Ich muss zu ihm, verstehen Sie? Ich will nicht, dass er dort draußen eines Tages umgebracht wird und unser Kind ohne Vater ist!«

»Und dafür riskieren Sie es, dass Ihr Mann Frau und Kind verliert? – Ja, glauben Sie denn, die Indianer nehmen auf Sie Rücksicht? – Madam, ich will Ihrem Mann gern sagen, was Sie wünschen. Aber ich kann es nicht verantworten, dass …«

»Ich glaube, ich bin alt genug, um für mich allein Verantwortung zu tragen!«, antwortete sie scharf. Sie war noch jung und sehr hübsch. Und in ihren dunkelblauen Augen lagen Trotz und energische Härte. »Ich fahre mit, Mister. Jede Diskussion ist überflüssig!«

Will Hattman zuckte hilflos mit den Schultern. Der Postwagenschaffner grinste.

»Als wir ihr gesagt haben, dass das Camp von Indianern eingeschlossen ist und niemand heraus kann, war sie erst recht nicht mehr zu halten. – Die Cheyennes scheinen das Lager aushungern zu wollen. Aber bis jetzt sind noch alle Züge durchgekommen. Vielleicht ist es wirklich nicht so gefährlich.«

Hattman nickte grimmig. »Cheyennes sind immer gefährlich. Und was tut die Armee?«

»Nichts. Es hat keinen Sinn, nach Fort Steel zu reiten. Die Armee hat ein paarmal versucht, die Indianer zu stellen. Aber die verdammten Rothäute sind jedes Mal spurlos verschwunden, wenn eine blaue Uniform auftauchte. Die Armee kann nichts tun. – Vielleicht will sie es auch gar nicht!«

Hattman drehte sich wortlos um und stampfte aus dem Wagen. Zornig spuckte er auf das rußige Metall der Plattform.

»Immer bin ich der Dumme. Eine Frau im Zug, Indianer, und dann Nummer dreizehn! – Es passt mir nicht, Barry. Weiß Gott, es passt mir überhaupt nicht!«

»Du schaffst es schon, Will, du schon! – Übrigens: Der Heizer heißt John Atkins, er ist neu. Man hat ihn aus Omaha runtergeschickt! Der Mann ist in Ordnung, Will!«

»Es passt mir trotzdem nicht, Barry. Es stinkt, verstehst du?«

Der riesige Lokführer griff nach einer Eisenverstrebung der Lok und kletterte fluchend in den Führerstand.

Vor der weit geöffneten Luke des Kessels, in dem prasselnd die Flammen loderten wie in einem Höllenschlund, richtete sich ein untersetzter Mann mit bloßem rußgeschwärztem Oberkörper auf und streckte Hattman die Hand entgegen.

»Wir können sofort los, Hattman. Ich bin John Atkins!«

»Ich weiß, Atkins. – Ich denke, wir kommen miteinander aus!«

»Das denke ich auch. – Man hat mir gesagt, du wärst ein Eisenfresser!«

»Dann brauchst du keine Angst zu haben, dass ich dich fresse! – Wir können los!«

Atkins grinste breit und wischte sich mit dem linken Unterarm den Schweiß von der Stirn. Hattman knirschte grimmig mit den Zähnen. Seine Blicke glitten rasch über die Druckmesser. Dann lehnte er sich nach draußen. Seine Augen funkelten gereizt. »Wir fahren, Barry!«

Der Clerk nickte. Er trat zurück. »Ich telegrafiere ins Camp, dass ihr kommt. Falls die Leitung noch in Ordnung ist!«

Die zweite Hälfte des Satzes ging im dumpf dröhnenden Stampfen und Schnauben der Lok unter, die wie ein stählerner Drache Kraft in sich aufzusaugen schien. Funken sprühend und fauchend setzte sich der Zug in Bewegung, als Will Hattman mit seiner riesigen Faust den Dampfhebel herunterzog. Der Stahlgigant unter seinen Füßen vibrierte kraftvoll, wie ein lebendes Tier, und rollte an. Unter dem schrillen Heulen der Dampfpfeife stampfte der Zug aus der Station …

*

Der Mann auf den Hügeln westlich von Benton war schlank, sehnig wie ein Puma und hochgewachsen. Seine Schritte waren geschmeidig, seine Haltung kraftvoll.

Er trug weichgegerbtes Hirschleder. Um seine Hüfte wand sich ein breiter, handgeflochtener Gürtel mit einem schweren Jagdmesser in der Scheide. An den Füßen trug er mit Stachelschweinsborsten bestickte Mokassins. Der Mann hatte lange blauschwarze Haare, die glatt bis auf seine breiten Schultern flossen und nur von einem schmalen Stirnband gehalten wurden. Seine Haut war bronzefarben. Seine Augen hatten einen dunklen Glanz, wie geschliffenes Obsidian, und sein Gesicht war asketisch und edel geschnitten. Der Mann war ein Indianer.