Boot Hill - William Mark - E-Book

Boot Hill E-Book

William Mark

0,0

Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). heute will ich euch die Geschichte des Totenhügels von Dodge City erzählen. Er heißt Boot Hill, zu deutsch, Stiefelhügel. Ehe ich die Geschichte beginne, möchte ich nicht versäumen, einem Manne zu danken, der mir viel Hilfe bei meiner Arbeit hat zuteil werden lassen. Es ist Mr. H. J. Schmidt aus der Antonia Road in der alten Kansasstadt. Vielleicht ist es eine kleine Freude für ihn, hier auf den nachfolgenden Blättern manches wiederzufinden, was ich durch ihn erfahren habe. Übrigens möchte ich an dieser Stelle wegen verschiedentlich auftauchender, oft reichlich bösartiger Greuelmärchen über Wyatt Earp folgendes erklären: Er hat gelebt! Und er war Marshal! Er verteidigte das Gesetz mit einer Energie, wie kaum ein anderer Sternträger. Er war ein angesehener Bürger seines Landes. Die Hauptstraße der Stadt Dodge City trägt heute seinen Namen – und das sicher nicht, weil er ein schlechter Mensch war. Seine Verdienste um die Stadt waren so groß, daß die Bürger ihn dadurch zu ehren suchten, daß sie die von Westen nach Osten parallel zum Arkansas verlaufende breite Straße Wyatt Earp Boulevard nannten. Jedem vernünftigen Menschen sagte das genug. Daß die Nachkommen seiner Gegner und vor allem die Neider viel Übles über den aufrechten Mann ausgestreut haben, hat mich nie gewundert. Wyatt Earp war ein großartiger Mensch. Ein Mann, der den Bedrängten in selbstloser Weise beistand, der sein Leben in den Dienst des Kampfes für das Gesetz stellte. Deshalb erzähle ich euch seine Geschichte. Kommt mit, Freunde, in die alte Treibherdenstadt Dodge City, an deren nordwestlichem Rand der Totenhügel Boot Hill liegt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 163

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die großen Western – 339 –

Boot Hill

Unveröffentlichter Roman

William Mark

Freunde,

heute will ich euch die Geschichte des Totenhügels von Dodge City erzählen. Er heißt Boot Hill, zu deutsch, Stiefelhügel.

Ehe ich die Geschichte beginne, möchte ich nicht versäumen, einem Manne zu danken, der mir viel Hilfe bei meiner Arbeit hat zuteil werden lassen. Es ist Mr. H. J. Schmidt aus der Antonia Road in der alten Kansasstadt. Vielleicht ist es eine kleine Freude für ihn, hier auf den nachfolgenden Blättern manches wiederzufinden, was ich durch ihn erfahren habe.

Übrigens möchte ich an dieser Stelle wegen verschiedentlich auftauchender, oft reichlich bösartiger Greuelmärchen über Wyatt Earp folgendes erklären: Er hat gelebt! Und er war Marshal! Er verteidigte das Gesetz mit einer Energie, wie kaum ein anderer Sternträger. Er war ein angesehener Bürger seines Landes. Die Hauptstraße der Stadt Dodge City trägt heute seinen Namen – und das sicher nicht, weil er ein schlechter Mensch war. Seine Verdienste um die Stadt waren so groß, daß die Bürger ihn dadurch zu ehren suchten, daß sie die von Westen nach Osten parallel zum Arkansas verlaufende breite Straße Wyatt Earp Boulevard nannten. Jedem vernünftigen Menschen sagte das genug. Daß die Nachkommen seiner Gegner und vor allem die Neider viel Übles über den aufrechten Mann ausgestreut haben, hat mich nie gewundert.

Wyatt Earp war ein großartiger Mensch. Ein Mann, der den Bedrängten in selbstloser Weise beistand, der sein Leben in den Dienst des Kampfes für das Gesetz stellte.

Deshalb erzähle ich euch seine Geschichte.

Kommt mit, Freunde, in die alte Treibherdenstadt Dodge City, an deren nordwestlichem Rand der Totenhügel Boot Hill liegt. Er liegt heute noch da – als Mahnmal jener Zeit. Kommt mit und hört, was sich in den Herbsttagen des Jahres 1879 dort zugetragen hat. Zieht den Stetson tief in die Stirn und setzt euch fest in den Sattel, es weht ein rauher Wind von den Bergen her durch die Frontstreet von Dodge City.

So long! Euer William Mark

Bleigrau und düster hing der Himmel über dem Arkansastal. Von Westen her wehte ein scharfer Wind um den einsamen Totenhügel.

Owen Scott stand am Rand des Friedhofes und blickte zur Straße hinüber. Er wischte sich mit seiner faltigen, erdbraunen Hand über die Stirn und schob den mißfarbenen Hut zurück, als er den Reiter erkannte, der da auf die Stadt zuritt.

»Heavens!« knurrte der alte Totengräber und zog seine eisgrauen Brauen zusammen. Dann wandte er sich um, nahm seine Schaufel auf und hob am Rand des Gottesackers eine Grube aus.

Erst als er das weiche Erdreich so weit ausgeschaufelt hatte, daß nebenan ein kleiner rotbrauner Hügel entstanden war, hielt er inne und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Dan Buster wird die Grube brauchen…«, keuchte der Alte vor sich hin und schaufelte wie wild weiter.

Der Reiter war indes in der Front-
street angekommen. Vor Rath und Co’s General Store hielt er an und stieg von seinem Rappen.

Er war ein mittelgroßer Mann mit breitflächigem Gesicht und schräggestellten gelben Augen. Er hatte zweifellos etwas Asiatisches an sich. Die Stirn war breit und kantig, weit vorspringend die Jochbeinknochen, die die Augen weit eingruben. Die Nase war kurz und breit. Aufgeworfen und mit herabgezogenen Winkeln der Mund. Hart, sehr weit vorspringend und direkt spitz war das Kinn.

Dan Buster trug eine kurze, verfärbte Lederjacke, ein blaues Kattunhemd und eine schwarzgrau gestreifte Levishose, die unten über die hochhackigen Stiefel lief.

Eine volle Handbreit unter seinem Gürtel saß der Waffengurt, der an der linken Seite in auffallend tiefhängendem Halfter einen schweren Starcolt mit Hirschhornknauf trug.

Vor drei Jahren hatte er drüben in Vettys Bar alles zertrümmert und den Keeper so schwer verletzt, daß der Mann im Krankenhaus von Kansas City nach einem Monat verstarb.

Buster war von Wyatt Earp gestellt worden, und Richter Clayton hatte ihm neun Jahre Zwangsarbeit auferlegt.

Jetzt hatten sie ihn oben in Sescattewa entlassen; nicht etwa wegen guter Führung, sondern im Verlaufe einer staatlichen Amnestie.

Wyatt Earp hatte ihn damals nach einem heißen Revolverkampf drüben vor dem Saloon festgenommen. Und nun war der Verbrecher zurückgekommen.

Doch die Menschen kannten ihn hier. Buster war vor sechs Jahren mit einem Viehtreibertroß hier heraufgekommen und war dann hier hängengeblieben. Eines der Tanzmädchen hatte ihn angeblich festgehalten. Die schwarze Lizzy.

Aber Buster war kein Mann für die Stadt. Er hatte sich an die Ordnung, die in Dodge City herrschte und für die der eiserne Marshal Earp gesorgt hatte, nicht gewöhnen können. Immer wieder mußte er betrunken, randalierend und um sich schießend aus einem der Saloons geschleppt werden. Er trug Waffen, obgleich das streng verboten war in Dodge City. Wyatt Earp hatte ihn eingesperrt, tagelang, aber immer wieder war der einstige texanische Kuhtreiber Dan Buster »rückfällig« geworden. Bis zu jenem Tage, da er den Keeper Vetty niederschoß. Da wurde es bitterernst für ihn. Er rannte nach dem Schuß auf die Straße und feuerte drei Kugeln quer über die Frontstreet auf Hoovers Store ab. Scheiben zersprangen, Menschen schrien auf.

Dann kam der Marshal.

Er hatte dem Rowdy mit einem schnellen Schuß den Revolver aus der Hand gerissen und Buster dann festgenommen, ehe er noch recht wußte, wie ihm geschehen war.

Neun Jahre hätte der Bandit im Straflager bleiben sollen. Statt dessen kreuzte er jetzt schon wieder auf. Jeder andere Mensch hätte sich inzwischen besonnen und wäre in ein anderes Land gegangen, hinauf nach Wyoming beispielsweise, wo Cowboys gebraucht wurden. Nicht so Dan Buster. Er kam zurück.

Ah, Vettys Bar gab es nicht mehr. Da war heute eine Schneiderei.

Der Gedanke, daß der Mann, den er damals in wildem Übermut niedergeschossen hat, längst unter der Erde lag, beeindruckte ihn nicht im geringsten.

Mit einer lässigen Geste warf er die Zügelleinen um den Querholm und ging auf den Generalstore zu. Ehe er jedoch eintrat, ging er an die große Scheibe des nebenanliegenden Saloons und blickte zwischen den großen weißen Buchstaben, die die Scheibe zierten, hindurch in den Schankraum.

Dann erst ging er in den Store.

Jeff Rath zuckte zusammen, als er den Mann erkannte, der da durch seine Tür kam.

»Buster!« entfuhr es dem Händler.

Der Bandit verzog das Gesicht zu einem breiten, bösartigen Lächeln. »Yeah, Dan Buster! Er ist zurückgekommen«, schnarrte der heimgekehrte Kuhtreiber. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, alte Nebelkrähe!«

Der Händler wich bis an die Portiere zurück, die den Verkaufsraum mit der Küche verband.

»Halt!«

Buster hatte den Revolver in der Linken.

Jefferson Rath hielt den Atem an. Er dachte an Vetty. Ganz deutlich sah er den kleinen, ewig blaßgesichtigen Keeper auf den Dielen vor sich liegen, so wie sie ihn damals gefunden hatten.

»Machen Sie doch keinen Unsinn, Buster!« stammelte der Händler. Der Schweiß rann ihm in kleinen Bächen von der Stirn, grub sich durch die tiefen Furchen seines Gesichts einen Weg auf das weiße Hemd und die schwarzseidene Schleife.

Dan Buster genoß die Angst des anderen ausgiebig. »Jetzt wimmerst du, armselige Wanze! Aber damals, vor drei Jahren, als der Marshal mich fertigmachte, da hast du geschrien: ›Aufhängen!‹ – Stimmt’s?«

Rath griff sich an die Kehle. Er sah die drohend auf ihn gerichtete Revolvermündung und hatte plötzlich die irrsinnige Idee, daß es bis zum Grab für ihn nur noch Sekunden sein könnten.

Buster wirbelte herum.

Eine Frau stand da und blickte tödlich erschrocken in den Revolverlauf.

Rath nahm diese Gelegenheit sofort wahr. Mit einem raschen Sprung hatte er sich in die Küche gerettet. Von da rannte er durch den Hof in die Nebengasse.

Buster schob den Colt ins Halfter zurück, und nahm aus der gläsernen Vase eine jener langen Virginias heraus, riß ein Zündholz an und zündete sich die Zigarre an. Dann stampfte er an der Frau vorbei hinaus.

Die breite Frontstreet war leer.

Sie hatten ihn wohl schon erkannt. Schließlich waren drei Jahre keine Ewigkeit. Für die Leute in der Stadt nicht. Im Straflager, oben in Sescattewa, ja, da waren drei Jahre eine Ewigkeit.

Während der siebzehn Tage, die er für den Ritt von den Steinbrüchen bis an den Arkansas benötigt hatte, hatte er lange und gründlich nachgedacht. Über alles, was er tun wollte.

Daß er wieder nach Dodge City zurückreiten würde, stand für ihn von dem Augenblick an fest, da er wußte, daß Wyatt Earp nicht mehr in der Stadt war.

Gintry Helmerson hatte es erzählt, als er eingeliefert worden war.

Gintry war ein Mörder. Er hatte unten ins Austin einen Mann erschossen. Statt zum Strick hatte der Richter ihn zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt. Für einen Lebenslänglichen gab es in
Sescattewa kein Erbarmen.

Wyatt Earp war nicht mehr in der Stadt. Das war die entscheidende Nachricht, die ihn erreicht hatte. Er hatte Gintry unten in Dallas im Staate Texas gestellt. Gintry hatte berichtet, daß er jetzt dort Marshal sei.

Und nun hatte der Verbrecher seinen Plan aufgebaut. Er war zurückgekommen, um sich zu rächen.

Nein, diesmal würde er nicht wild und blindwütig um sich schießen. Diesmal sollte alles der Reihe nach gehen.

Der erste sollte der Händler Rath sein. Der Mann, der damals einer der lautesten Schreier war, die nach einem Strick riefen.

Dann war Jim Curly, der zwerghafte Barbier, an der Reihe. Dieser Bursche hatte nach dem Schuß sofort den Marshal geholt.

Anschließend würde Chalk Beeson, der Part-Owner des Long Branch Sa-
loons, an der Reihe sein. Der hatte ihn mehrmals aus dem Saloon gewiesen, hatte ihn beschimpft und den Marshal gegen ihn aufgehetzt.

Und am Schluß, wenn sie alle ihre Strafe hatten, würde er wegreiten.

Vielleicht fand er ja eines Tages den Mut, hinunter nach Texas zu reiten und den Marshal Earp aufzusuchen. Gintry hatte erzählt, daß Doc Holliday auch unten in Dallas war. Auf den Spieler hatte der Bandit einen ganz besonders glühenden Zorn. Holliday hatte ihn in den drei Spielen, die er mit ihm gemacht hatte, jedesmal geschlagen. Und als Buster dann beim drittenmal zum Messer greifen wollte, hatte der scharfgesichtige Gamb-ler selbst schon ein Messer wurfbereit in der Hand.

Aber Doc Holliday war ja nicht da.

Dan Buster mochte sich nicht eingestehen, daß er todsicher nicht nach
Dodge gekommen wäre, wenn der gefährliche Schütze Holliday noch hiergewesen wäre…

Er hatte sich alles genau ausgemalt. In zahllosen Nächten hatte er alles genau durchdacht. Nach vielen Jahren wollte er hierher zurückkommen, nach neun Jahren. So hatte das Urteil gelautet. Aber nach drei Jahren war er schon frei.

Kurz vor seiner Entlassung war Gintry mit der Botschaft gekommen.

Es war für den Verbrecher Buster eine Freudenbotschaft.

Wyatt Earp war unten im Süden Marshal…

Den letzten Besuch würde er dem Richter machen.

Richter Clayton hatte ihn damals zu neun Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Dafür sollte er jetzt bezahlen.

Wenn Dan Buster die Stadt verlassen würde, dann sollte Dodge City den schwärzesten Tag seine Geschichte haben…

Aber schon die nächsten Minuten zeigten dem Kuhtreiber, daß alles ganz anders kommen sollte.

Jim Curly sah Buster durch die große Scheibe seines Friseurladens. Dem kleinen, kahlköpfigen Mann fiel das scharfe Messer aus der Hand, mit dem er gerade den Rancher Hal Pleyers rasierte.

Pleyers sprang hoch.

»He, Curly, was ist mit Ihnen los?«

Er starrte verblüfft in das verstörte wachsbleiche Gesicht des Friseurs.

»Dan Buster!« hauchte der Barbier tonlos.

Der Rancher blickte auf die Straße. »Zounds, das ist er wirklich! Der Kerl ist ausgebrochen…«

Curly starrte auf die breite Gestalt des einstigen Sträflings, der mit harten, sporenklirrenden Schritten die breite Straße überquerte und auf den Barber-Shop zuhielt.

»Er kommt hierher!« stieß Curly hervor. »Er will mich fertigmachen. Sich rächen…«

Curly wich zurück.

»Buster!« tönte in diesem Augenblick eine metallene Stimme über die Straße. Eine Stimme, die Zauberwirkung auszuüben schien.

Curly brachte sie Erleichterung – und dem Banditen jagte sie einen Höllenschreck in die Glieder.

Buster fuhr herum.

Drüben in der offenen Tür des Marshals-Office stand ein Mann.

Sehr groß, breitschultrig und schwarzhaarig. Er trug keinen Hut. Sein Gesicht war wettergebräunt und sehr ernst. Seine blauen Augen hafteten auf dem heimgekehrten Verbrecher. Der Mann hatte ein gutes, hartes eckiges Männergesicht. Und wer es einmal gesehen und einen Blick in diese Augen geworfen hatte, würde beides nie wieder vergessen.

Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Samtschleife. Die ärmellose Weste war aus schwarzem Wildleder und trug auf der linken Seite den großen, umrandeten Dodger Marshalstern, den der ganze Westen kannte.

Um die Hüften trug der Mann einen breiten schwarzen Waffengurt aus Büffelleder; an jeder Seite steckte in den Halftern je ein Revolver.

Der rechte war ein normaler fünfundvierziger Colt.

Der linke aber, der sehr tief und sehr weit auf dem Oberschenkel hing, war übergroß und hatte einen schwarzen Knauf. Es war ein Buntline Special, eine Sonderanfertigung, die nur sehr wenige Männer im Westen besaßen.

Die enge schwarze Hose lief unten über die blanken mit Steppeisen versehenen Texasstiefel.

Es gab keinen Menschen im Westen Amerikas, der nicht wenigstens den Namen dieses eindrucksvollen Mannes gekannt hätte.

»Wyatt Earp!« entfuhr es ihm. »Hell and Devils, Wyatt Earp –!«

Der Marshal kam langsam auf die Straße und ging auf den Banditen zu.

Ganz dicht kam der Missourier heran. Dann streckte er seine Hand nach dem Revolver des Banditen aus.

Jetzt erst wich Buster zurück. »Nein, Earp!« fauchte er, während er geduckt vor dem Marshal stand.

Die schwarzen Brauen des Missourier zogen sich zusammen. »Geben Sie mir Ihren Revolver, Buster!«

Im Gesicht des Verbrechers zuckte es. Es dauerte Sekunden, bis er sich besonnen hatte und endlich den Colt aus dem Halfter nahm und ihn dem Marshal hinreichte.

»Well, Earp, Sie sind hier der Marshal!«

Und Wyatt hörte deutlich aus diesen Worten heraus, daß der Bandit noch irgend etwas im Schilde führte.

Trotzdem schob er den Revolver seitlich in seinen Gurt, wandte sich um und ging auf das Office zu.

Als er sechs Yards zurückgelegt hatte, gellte Busters Stimme hinter ihm her: »Earp!«

Wyatt wandte sich langsam um und sah in der Rechten des Banditen einen kurzläufigen Derringer.

»Wie gefällt dir das, Earp?« rief der Bandit höhnisch. »Hahaha! Das macht Spaß, was, Marshal! Jetzt kannst du ziehen wie der Teufel. Ich habe die Bleispritze in der Hand. Es sind zwei Schuß darin. Und du weißt, daß das Ding noch auf zehn Yards genau trifft. Ich habe dich gesucht, Earp! Und jetzt bin ich da!« Er stieß den Kopf vor wie ein wütender Hund. Mit hochgerecktem Kinn bellte er: »Los, sag, wie dir die kleine Kanone gefällt, Earp! Sag es, ehe du stirbst!«

»Also, mir gefällt sie gar nicht«, kam es da klirrend über die Straße.

Der Klang dieser Stimme ließ den Banditen zusammenfahren. Ganz langsam wandte er sich um und blickte auf den Mann, der drüben vor dem Long Branch Saloon an einem Vorbaupfeiler lehnte. Es war ein großer Mann, der einen dunkelgrauen Anzug trug, ein blütenweißes Hemd und eine weinrote Seidenkrawatte. Der dunkle Hut saß etwas schräg auf seinem Kopf und warf einen harten Schatten in sein ebenmäßig geschnittenes blaßbraunes Gesicht, das von zwei hellen, intensiv blickenden Augen beherrscht wurde. Auf der Oberlippe trug der Mann einen sauber getrimmten Schnurrbart. Um seine Mundwinkel lag ein scharfes Lachen, das im Gegensatz zu seinem gepflegten Äußeren zu seiner eisigen Stimme paßte.

In der rechten Hand hielt der Mann eine große silberne Sixgun, die einen elfenbeinfarbenen Knauf hatte. Die Mündung des schimmernden Laufes zeigte haargenau auf Dan Buster.

Der Bandit starrte den grauen Gentleman an und stieß einen lästerlichen Fluch aus.

»Doc Holliday! Fahr in die Hölle –!«

Er riß den Derringer herum – und ein Schuß brüllte auf.

Aber der Mann mit der silbernen Sixgun hatte ihn abgegeben.

Ein weißgraues Pulverwölkchen flog auf den entlassenen Sträfling zu.

Sein Derringer war ihm aus der Hand geschleudert worden.

Wyatt Earp kam langsam zurück und hob den Derringer auf. Dann blickte er Buster an. »Noch irgendwelche Späße auf Lager?«

Buster sah ihn aus rotunterlaufenen Augen an. »Well, ihr seid noch hier. Und ihr habt mich wieder geschafft. Aber wir haben das letzte Wort noch nicht miteinander gesprochen.«

Holliday lehnte lässig an dem mit Schnitzereien bedeckten Pfeiler des Saloon-Vorbaues. Jetzt stieß er sich ab und kam langsam auf den Marshal zu, nahm seinen Revolver, faßte ihn am Lauf und hielt ihn dem Marshal entgegen. »Ach ja, Marshal, ich hatte heute morgen einen alten Anzug angezogen. Da steckte zufällig noch ein Colt drin –.«

Wyatt warf ihm einen unergründlichen Blick zu und ging zurück zum Marshal Office.

Dan Buster blickte mit engen Augen hinter ihm her.

Heavens! Was war denn das? Der Marshal nahm ihn nicht mit, schleppte ihn nicht hinüber ins Jail, wo er ihn damals hinverfrachtet hatte, nach der Schießerei…

Nein, der Missourier dachte nicht daran, den entlassenen Sträfling festzunehmen, obgleich er nach dessen Auftritt hier einen Grund dazu gehabt hätte.

Buster sah, wie sich die Tür des Offices hinter dem breiten Rücken des Marshals schloß. Da wandte er sich langsam um und sah, daß auch Holliday verschwunden war.

Mit schleppendem Schritt ging der Bandit auf sein Pferd zu, zog sich mit ungelenken Bewegungen in den Sattel und ritt weiter. Als er an Jim Curlys Barber Shop vorbeiritt, warf er dem kleinen Barbier, der ängstlich durch die blankgeputzte Scheibe linste, einen bösen Blick zu, der dem zwergenhaften Bartscherer eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

Mit düsteren Gedanken im Schädel ritt der Mann, der den in Dodge so beliebten Barkeeper Mac Vetty erschossen hatte, durch die Frontstreet.

Unentschlossen blickte er sich nach allen Seiten um. Was sollte er jetzt beginnen? Die Tatsache, daß Wyatt Earp und Doc Holliday in der Stadt waren, hatte sein ganzes Vorhaben umgestoßen. Seine finsteren Rachepläne konnte er nun nicht mehr so durchführen, wie er es vorgehabt hatte.

Was sollte er tun? Rasender Zorn hämmerte in seinem Schädel. Wyatt Earp hatte ihm seine Waffen abgenommen. Wie stand er jetzt da? Auf den Gedanken, daß er die beiden Revolver zurückbekommen konnte, wenn er die Stadt verlassen würde, kam er gar nicht.

Wollte er die Stadt denn verlassen?

Dodge war doch sein Ziel gewesen. Drei lange Jahre hatte er in den Steinbrüchen geschuftet wie ein Tier, geschmachtet und sich nur durch den Rachegedanken aufrechterhalten können.

Und jetzt war es so gekommen.

Fast schon am Ausgang der Front-
street stand Wilm Barneys Boarding-
house. In der offenen Hoftür stand ein etwa dreißigjähriger Mann, der eine leicht gebeugte Haltung und ein kränkliches Aussehen hatte. Sein pechschwarzes Haar hing ihm fast bis an die Backenknochen herunter ins bleiche, grünlich schimmernde Gesicht. Seine gelben Augen flimmerten, als er den Reiter erkannte.

Die beiden Schüsse oben auf der Frontstreet hatten ihn ans Tor gelockt. Aber er hatte nichts mehr sehen können. Der Gang zwischen dem Marshal Office und dem Long Branch Saloon war längst vorbei gewesen.

Und wie überalle auf der Welt, gab es auch in der Stadt Dodge Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens standen. Der blaßgesichtige Greg Coster war ein solcher Mensch. Er hatte vor siebenundzwanzig Jahren drüben beim alten Camp Davidson das Licht der Welt erblickt. Seine Eltern kamen beide bei einem großen Indianderangriff ums Leben. Ein Sattler nahm ihn in sein Haus, obgleich er selbst sechs Kinder hatte. Greg dankte den Pflegeeltern die selbstlose Fürsorge mehr als schlecht. Mit vierzehn Jahren stahl er dem Vater das ganze Wochengeld aus der Kassette und flüchtete. In Oklahoma schloß er sich einer Bande von Rustlern an, beteiligte sich an Viehdiebstählen, war später bei Postkutschenüberfällen dabei – und eines Tages wurde er krank. Nicht von selbst – eine Kugel, die seine Lunge glatt durchschlagen hatte, war die Ursache gewesen, daß Greg krank wurde. Und er blieb auch krank. Mehr und mehr fiel der einst kraftvolle Bursche in sich zusammen. Jetzt, mit siebenundzwanzig Jahren, sah er aus, als ob er vierzig wäre. Seine Lunge heilte nicht mehr. Da hatte er vor einigen Jahren hier in Dodge gezwungenermaßen Halt gemacht, sein wildes Leben aufgegeben. Der Boardinghouse-Owner Wilm Barney hatte ihm einen Job als Hausknecht gegeben.