Die grüne Limonade - Herbert von Hoerner - E-Book

Die grüne Limonade E-Book

Herbert von Hoerner

0,0

Beschreibung

"So ist ja der Mensch, daß er sich gerne an seine Kindheit erinnern läßt. Was nachher kommt, nun ja, wir wissen es alle, daß die Erde kein Paradies ist. Und möchten alle dahin zurück. So erkläre ich es mir, daß Semion sich nicht begnügen wollte mit Wasser oder Tee, sondern Brauselimonade haben wollte, und nicht die rote, sondern die grüne." Ein russisches Etappenlazarett im Ersten Weltkrieg: Der mehrfache Mörder Semion liegt auf den Tod. Die Ärzte sollen ihn möglichst noch ein wenig aufpäppeln, damit er erhängt werden kann. Zuvor soll er noch eine Aussage machen. Bis dahin darf er auf keinen Fall etwas trinken, denn er hat ein Loch in der Speiseröhre, und Trinken würde seinen Tod nur beschleunigen. Doch seit er erwacht ist, brüllt er nur herum, dass er Durst hat und etwas zu trinken braucht. Schließlich setzt sich Schwester Barbara, "die Lichte" – der Engel seines Todes –, über alle Anweisungen von oben hinweg und besorgt ihm auf eigene Kosten grüne Brauselimonade. Und hinter dem Verbrecher wird plötzlich der Mensch sichtbar ... Eine Meisternovelle, mit dem Atem und der Dichte einer großen Begabung erzählt, die es wahrlich lohnt, wiederentdeckt zu werden.-

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 33

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Herbert von Hoerner

Die grüne Limonade

Die grüne Limonade

© 1952 Herbert von Hoerner

Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

All rights reserved

ISBN: 9788711593127

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

Der Schwester Barbara gewidmet

Ich will dir die Geschichte erzählen, und du kannst sie aufschreiben. Vielleicht willst du sie nachher aus meiner russischen in deine deutsche Sprache übersetzen und drucken lassen. Es wird ja vieles gedruckt, was nicht wahr ist. Diese Geschichte ist wahr, so wahr ich der Sanitäter Iwan bin, der seinen Dienst tat im großen Kriege wie andere Sanitäter auch, zu jener Zeit, da der Zar uns regierte und die Menschen noch an Gott glaubten. Ich will aber darüber nichts sagen, wie damals die Zeiten waren und wie sie heute sind. Denn wenn ich erst davon anfange, so komme ich damit nicht so bald an ein Ende, und so käme ich auch nicht dazu, dir die Geschichte zu erzählen, die du hören willst, von Semion, dem Mörder, und Barbara, der Schwester der Barmherzigkeit, wie sie bei uns genannt wurden, diese Wohltäterinnen der Verwundeten und Leidenden. — Also die Schwester Barbara — aber nein, nicht mit ihr soll meine Geschichte beginnen, denn man fängt ja auch beim Essen nicht mit der süßen Speise an, sondern mit dem Gesalzenen, und darum fange ich mit Semion an.

Ich war nicht recht einverstanden damit, daß man ihn zu uns ins Kriegslazarett gebracht hatte. Wenn man mich gefragt hätte — aber wer fragt schon einen Sanitäter nach seinem Einverständnis? Da ist der Chefarzt, da sind die anderen Ärzte, da ist der Feldscher, und schließlich sind da auch noch die Schwestern. Und alle sind sie dem Sanitäter übergeordnet, sogar die Schwestern. Da ist es das beste, man hält den Mund und tut, was befohlen wird. Ich will ja auch nachträglich nichts mehr dagegen sagen, aber damals dachte ich wohl: Der gehört nicht hierher. Er war nicht Soldat. Er hatte nicht, wie die anderen, die bei uns lagen, für Zar und Vaterland gekämpft, und darum war er auch nicht in der Schlacht verwundet worden, sondern in einem Kampf ganz anderer Art, wie er auch im Frieden vorkommt. Ach, wann ist schon wirklicher Friede zwischen den Menschen! — Ein Verbrecher war er, ein ganz gemeiner Räuber und Mörder. Und solch einen hatte man zu uns gebracht! Es ist eine Schande, dachte ich. Wenn er bei seiner Festnahme Widerstand geleistet hat und angeschossen worden ist, wär’s da nicht einfacher gewesen, ihn auf der Stelle sterben zu lassen oder ihm, wenn schon die eine Kugel nicht ausreichte, gleich eine zweite zu geben? Aber die Polizei, die ja immer so viel Umstände macht mit jedem Halunken, wollte, daß der Mann noch allerlei Aussagen machen sollte über das, was er begangen hatte, und vielleicht auch über seine Verbrechergenossen, wenn er welche gehabt hat. Also man wollte ihn zum Reden bringen, und weil er nicht hatte reden können, mit dem Schuß durch die Brust, und weil man im Gefängnishospital, wohin er eigentlich gehört hätte, auf solche Fälle nicht eingerichtet war, darum hatte man ihn zu uns gebracht und zu den Ärzten gesagt: „Macht ihn so weit heil, daß er noch reden kann. Denn reden muß er, ehe wir ihn hängen.“ — So lag der Fall.

Die Ärzte, nun, die nahmen sich seiner an wie jedes anderen Verwundeten auch. Ein Arzt ist ja kein Richter. Er fragt den Kranken nicht nach seinen Sünden, sondern nach seinen Leiden, ob auch die Sünden und die Leiden oft in einem Zusammenhang miteinander stehen mögen.