»Die heimliche Königin« und »Die stolze Königin« - Joan Wolf - E-Book
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»Die heimliche Königin« und »Die stolze Königin« E-Book

Joan Wolf

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Beschreibung

Der große Historiensammelband über zwei starke Frauen, die mutig ihren eigenen Weg wählen … DIE HEIMLICHE KÖNIGIN: Britannien, im 5. Jahrhundert. Als Uther Pendragon im Sterben liegt, ohne einen Erben zu hinterlassen, fürchtet das Reich einen Krieg um den Thron. Nur Merlin, der engste Berater des Königs, weiß um Uthers Bastardsohn Arthur, der fernab des Hofes aufgewachsen ist. Doch Arthur ist dem Volk der Kelten tief verbunden – und ebenso Morgan, der schönen Tochter Merlins, die so wild und ungezähmt wie der Sturmwind ist. Welchen Preis wird Arthur dafür zahlen müssen, die Krone der römischen Eroberer zu ergreifen? DIE STOLZE KÖNIGIN: Mitte des 9. Jahrhunderts braut sich erneut ein Sturm über Britannien zusammen, als plündernde Wikingerhorden ins Land einfallen. Nach dem Tod des Königs von Wessex entbrennt ein erbitterter Kampf um die Thronnachfolge. Ausgerechnet die junge Elswyth, Prinzessin von Mercia, soll nun das Schicksal aller entscheiden. Insgeheim liebt sie Alfred, den jüngsten Prinzen von Wessex – doch um das Königreich wieder zu einen, soll sie einen anderen heiraten … Die große Britannien-Saga auf über 1.000 Seiten – »Die heimliche Königin« und »Die stolze Königin« von Bestsellerautorin Joan Wolf erstmals bei dotbooks in einem Band! Für alle Fans von »Die Nebel von Avalon« und »King Arthur«.

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Seitenzahl: 1408

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Über dieses Buch:

DIE HEIMLICHE KÖNIGIN: Britannien, im 5. Jahrhundert. Als Uther Pendragon im Sterben liegt, ohne einen Erben zu hinterlassen, fürchtet das Reich einen Krieg um den Thron. Nur Merlin, der engste Berater des Königs, weiß um Uthers Bastardsohn Arthur, der fernab des Hofes aufgewachsen ist. Doch Arthur ist dem Volk der Kelten tief verbunden – und ebenso Morgan, der schönen Tochter Merlins, die so wild und ungezähmt wie der Sturmwind ist. Welchen Preis wird Arthur dafür zahlen müssen, die Krone der römischen Eroberer zu ergreifen?

DIE STOLZE KÖNIGIN: Mitte des 9. Jahrhunderts braut sich erneut ein Sturm über Britannien zusammen, als plündernde Wikingerhorden ins Land einfallen. Nach dem Tod des Königs von Wessex entbrennt ein erbitterter Kampf um die Thronnachfolge. Ausgerechnet die junge Elswyth, Prinzessin von Mercia, soll nun das Schicksal aller entscheiden. Insgeheim liebt sie Alfred, den jüngsten Prinzen von Wessex – doch um das Königreich wieder zu einen, soll sie einen anderen heiraten …

Über die Autorin:

Joan Wolf ist die amerikanische Grande Dame der gefühlsgewaltigen historischen Romane. Sie wuchs in der New Yorker Bronx auf und studierte Englische und Vergleichende Sprachwissenschaften am renommierten Hunter College in Manhattan. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie längere Zeit als Englischlehrerin an einer Highschool, bevor sie ihre internationale Karriere als Autorin begann. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Connecticut.

Bei dotbooks veröffentlichte Joan Wolf auch ihre Regency-Romane »Das Herz des Earls«, »Die Leidenschaft des Lords« und »Die Braut des Fürsten«.

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Sammelband-Originalausgabe März 2024

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Die amerikanische Originalausgabe von »Die heimliche Königin« erschien erstmals 1989 unter dem Originaltitel »The Road To Avalon« bei Onyx Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1994 unter dem Titel »Der Weg nach Avalon« bei Goldmann und 2016 unter demselben Titel als Neuausgabe bei dotbooks. Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1988 by Joan Wolf; Copyright © der deutschen Erstausgabe 1994 Wilhelm Goldmann Verlag, München; Copyright © der Neuausgabe 2016, 2021 dotbooks GmbH, München. Dieser Titel wurde vermittelt durch Interpill Media GmbH, Hamburg. By arrangement with Natasha Kern Literary Agency.

Die amerikanische Originalausgabe von »Die stolze Königin« erschien erstmals 1990 unter dem Originaltitel »The Edge of Light« bei Dutton, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1998 unter dem Titel »Prinzessin des Lichts« bei Blanvalet und 2016 unter dem Titel »Die Liebe des Königs« bei dotbooks. Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1990 by Joan Wolf; Copyright © der deutschen Erstausgabe 1998 by Wilhelm Goldmann Verlag, München; Copyright © der Neuausgaben 2016, 2021 dotbooks GmbH, München. Dieser Titel wurde vermittelt durch Interpill Media GmbH, Hamburg. By arrangement with Natasha Kern Literary Agency.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98952-065-3

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Joan Wolf

Die stolze Königin & Die heimliche Königin

Die glanzvolle Britannien-Saga in einem Band

Aus dem Amerikanischen von Karin König und Antje Althans

dotbooks.

Die heimliche Königin

Aus dem Amerikanischen von Karin König

Britannien im 5. Jahrhundert: ein Reich, zerrissen zwischen Kelten und Römern, zwischen alten Bräuchen und einer neuen Zeit, die am Horizont heraufdämmert … Der König liegt im Sterben, doch seine Ehe blieb kinderlos, es gibt keinen Erben. Einzig sein engster Berater Merlin weiß, dass Uther Pendragon einen Bastardsohn hat, der fernab des Hofes aufgewachsen ist. Doch das Besteigen des Throns würde für den jungen Arthur bedeuten, alles hinter sich zu lassen, was sein Leben bisher ausgemacht hat: die Verbundenheit zum Volk der Kelten – und seine Liebe zu Morgan, der schönen Tochter Merlins, die so wild und unbezähmbar ist wie der Sturmwind. Um der Krone willen muss Arthur das tiefe Band zwischen ihnen zertrennen … bis das Schicksal des Landes erneut auf Messers Schneide steht und Morgan die einzige Hoffnung ist!

Teil IMorgan(446 – 452)

Kapitel 1

Während des Tages hatte es geregnet, aber mit der Dämmerung dieses kalten Frühlingstages begann der Himmel aufzuklaren. Laternen brannten an der Kolonnade des Forums, als Merlin in die Hauptstraße von Venta einbog. Die Römer hatten Britannien schon vor vielen Jahren verlassen, aber Venta war noch immer eine sehr römische Stadt. Das Prätorium, auf das Merlin zuritt, war jedoch nicht mehr das Hauptquartier des römischen Statthalters, sondern das des britischen Hochkönigs.

Der Hof vor dem Prätorium war gepflastert. Wachen waren auch jetzt in den Schilderhäusern postiert. Einer der Wächter trat sofort vor, um den Fremden anzurufen, der da hereingeritten war. Er brach jedoch mitten im Satz ab, als er das von seiner Laterne beleuchtete Gesicht sah.

»Mylord Merlin!«

Merlin nickte. »Ja. Ich bin gekommen, um den König zu sehen.«

»Laßt mich Euer Pferd nehmen, Mylord.«

Merlin stieg ab, übergab dem Wachposten die Zügel und stieg die Stufen zum Prätorium hinauf. Wenige Minuten später wurde er in den mittelgroßen, behaglich eingerichteten Raum geführt, der als Empfangszimmer an die Privaträume des Königs grenzte. Der Mann in diesem Raum war allein. Er saß neben einer gegen die Kühle der Frühlingsnacht anbrennenden Holzkohlenpfanne. Er war stattlich, und das dunkle Haar war noch nicht von Grau durchzogen. Die Linien um Augen und Mund verdeutlichten jedoch seine einundvierzig Jahre. Er war auf britische Art gekleidet und trug über lohfarbenen, wollenen Kniehosen eine purpurfarbene Tunika. Er blieb stumm, während der ältere Mann den Raum betrat.

»Guten Abend, Uther«, sagte Merlin in lateinischer Sprache.

Die Augen des Königs, die unter schwarzen Brauen und Wimpern von einem erschreckend hellen Grau waren, betrachteten ihn ausdruckslos. »Merlin«, sagte er schließlich. »Das ist eine Überraschung!« Er deutete auf einen hochlehnigen, rot gepolsterten Stuhl. »Setzt Euch.« Dann, als sein Schwiegervater seiner Aufforderung gefolgt war: »Igraine ist nicht hier. Sie ist noch immer in Durovarium. Sie war dieses Mal sehr krank. Die Ärzte fürchteten um ihr Leben.«

»Das weiß ich.« Merlin sprach mit ruhiger Stimme. »Daher war ich überrascht, als ich hörte, daß Ihr nach Venta gekommen seid. Gibt es Schwierigkeiten?«

Der König zuckte müde die Achseln. »In dieser Jahreszeit gibt es immer Schwierigkeiten. Der Frühlingswind ist ein angelsächsischer Wind. Das solltet Ihr inzwischen wissen.«

»Ja.« Beide Männer sprachen die lateinische Sprache fließend und ohne die geringste Spur eines britischen Akzents. »Uther«, sagte Merlin vorsichtig, »ich bin zu Euch gekommen, weil es an der Zeit ist, über Eure Nachfolge zu sprechen.«

Das Gesicht des Königs verhärtete sich. Es herrschte Stille, die so schwer auf ihnen lastete, als würde die Zeit Stillstehen. Dann: »Ja. Es ist wohl an der Zeit.«

»Britannien kann sich keinen Bürgerkrieg um die Frage leisten, wer nach Euch das Hochkönigsamt antreten soll.« Merlin beugte sich drängend ein wenig vor. »Gott weiß, ich hoffe, daß Ihr noch weitere zwanzig Jahre regiert. Aber wir müssen Vorkehrungen treffen, Uther. Die Angelsachsen werden bei dem geringsten Zwiespalt unsere Einheit zu sprengen versuchen.«

Daraufhin erhob sich der König. Er war kein großer Mann, aber seine Schultern und Arme waren sehr muskulös. Er war der Sohn eines Römers, und ein Römer blieb er, sowohl vom Aussehen her als auch im Herzen. »Ich weiß«, sagte er. Seine Stimme klang jetzt verbittert. »Aber was sollen wir tun, Merlin? Gott weiß, die Kelten werden sich niemals unter einem Regenten aus ihren eigenen Reihen vereinen. Ihr Mißtrauen würde das Land entzweireißen. Und wie das den Wölfen gefallen würde!«

Merlin nickte zustimmend. »Darum ist es so wichtig, daß einer Eurer Söhne erbt. Euer Sohn wäre sowohl Römer, durch Euch, als auch Kelte, durch Igraine. Ein geborener Führer Britanniens.«

»Bei der Liebe Gottes, Merlin, ich habe keinen Sohn! Das wißt Ihr nur zu gut!« Uther rieb sich die Stirn, als verspüre er dort Schmerzen. »Ein weiteres totgeborenes Kind«, sagte er düster. »Es ist, als hätte Gott uns verflucht. Vielleicht hat er das auch getan. Wegen der Art, wie wir zusammengekommen sind.«

»Ihr habt einen Sohn«, widersprach Merlin. »Habt Ihr das vergessen? Da ist immer noch Arthur.«

Uther wurde sehr ruhig. Merlin beobachtete, wie sich der Rauch über der Kohlenpfanne kräuselte, und wartete ab. »Wir haben Arthur fortgeschickt und verkündet, er sei tot. Das wißt Ihr. Es ist zu spät, jetzt an Arthur zu denken.«

Merlin blickte Uther wieder offen ins Gesicht. »Wir haben Arthur fortgeschickt, damit er Euren echten Söhnen nicht im Wege steht. Aber Ihr habt keine echten Söhne. Keine weiteren echten Söhne. Arthur ist kein Bastard. Denn schließlich wurde er ehelich geboren.«

Der König setzte sich jäh wieder hin. »Ja. Er wurde drei Monate nach unserer Hochzeit geboren. Und davor war Igraine mit einem anderen Mann verheiratet. Die Vaterschaft war bei diesem Kind sehr fraglich, Merlin.« Er machte eine rasche Geste, als er Merlins Augen aufblitzen sah. »Oh, nicht für mich. Igraine schwor, daß er mein Kind ist, und ich glaubte ihr. Aber die Tatsache bleibt, daß sie mit Gorlois verheiratet war, als er empfangen wurde.«

»Ihr habt Gorlois im Zweikampf getötet und dann Igraine geheiratet, obwohl sie offensichtlich schwanger war. Das hättet Ihr doch nicht getan, Uther, wenn Ihr nicht sicher gewesen wäret, daß das Kind Eures ist.«

Uther fuhr sich mit einer Hand durch das schwarze Haar. »Aber es wird immer eine fragwürdige Angelegenheit bleiben. Ihr selbst habt das gesagt.« Ein bitterer Unterton schwang in der Stimme des Königs mit. »Als Ambrosius starb und ich König wurde, wart Ihr es, der vorschlug, daß Arthur fortgeschickt werden sollte.«

»Ich weiß. Aber Igraine war erneut schwanger…« Merlin seufzte. »Wer hätte all diese Totgeburten vorhersehen können?«

Uther schaute unter seinen dunklen Brauen hervor auf. »Was schlagt Ihr vor, was ich tun soll?« fragte er, und noch immer klang Verbitterung in seiner Stimme mit.

»Ihr braucht gar nichts zu tun. Ich werde nach Cornwall reisen, den Jungen holen und ihn mit nach Hause, nach Avalon, bringen. Er ist jetzt wohl neun Jahre alt und hat noch Zeit genug zu lernen, daß er ein Römer ist und ein König sein wird.«

»Ihr erinnert Euch, wo er sich befindet?«

»Ich erinnere mich, wohin ich ihn gebracht habe. In Malwyns Dorf. Ich nehme an, er ist noch immer dort?«

»Ja. Ich schicke Malwyn jedes Jahr etwas. Sie wird sich gut um ihn gekümmert haben. Sie war immer mehr seine Mutter als Igraine.« Er hielt inne, während sie sich beide Igraines hartnäckige Erklärungen in Erinnerung riefen, daß sie mit ihrem erstgeborenen Kind nichts zu tun haben wollte.

»Igraine hat in ihm immer nur das sichtbare Zeichen für ihren Ehebruch gesehen«, sagte Merlin nüchtern. »Seine Existenz war eine ständige Geißel ihres Stolzes.«

»Nun, es hat keinen Sinn, jetzt alte Sünden anzuprangern.« Uthers Stimme klang hart. »Damals schien es vernünftig, den Jungen fortzuschicken. Wir wußten, daß für ihn gesorgt sein würde, und Malwyn konnte man vertrauen, daß sie das Geheimnis seiner Geburt bewahren würde. Aber Ihr habt recht, Schwiegervater. Die Dinge haben sich geändert.« Uther straffte seine breiten Schultern, und seine Stimme nahm unüberhörbar Autorität an. »Reist nach Cornwall und holt den Jungen, aber sagt weder ihm noch sonst jemandem, wer er ist. Laßt uns zunächst sehen, ob er das Zeug zu einem König hat.«

Auch Merlin hatte sich gestrafft. »Das werde ich tun«, erwiderte er.

»Und« – Uthers helle Augen hielten Merlins Blick fest –, »wir werden Igraine nichts davon sagen.«

Nach kurzem Zögern nickte Merlin.

»Gut.« Uthers Feststellung war sowohl als Zustimmung als auch als Verabschiedung gedacht.

Am darauffolgenden Morgen verließ Merlin Venta und ritt gen Westen, nach Cornwall. Es war die gleiche Reise, die er mehr als acht Jahre zuvor unternommen hatte, als er eine Frau und ein Baby ins Exil geleitet hatte.

Malwyns Dorf lag mehrere Meilen östlich von Tintagel, und von Venta bis hierher war es ein langer, ermüdender Ritt. Merlin nahm römische Straßen, bis er Isca Dumnoniorum erreichte, und von dort aus wählte er die jeweiligen Landwege. Einmal machte er an einem Wirtshaus Rast, errichtete sich aber ansonsten ein Lager im Freien. Er war sechsundfünfzig Jahre alt, aber er war unter Uthers Vater, Constantinus, Soldat gewesen und hatte seine Fertigkeiten nicht verlernt.

Malwyns Dorf war, wie die meisten der Dörfer, die über die komische Halbinsel verstreut lagen, rein keltisch. Die römischen Legionen, die Britannien so viele Jahrhunderte lang besetzt gehalten hatten, hatten jenseits des Tamar kaum ein Zeichen hinterlassen. Es war früher Nachmittag, als Merlin in den Kreis von Steinhütten einritt, der das Dorf bildete. Die Sonne war warm, und er sah mehrere kleinere Kinder und Ferkel, aber keine Erwachsenen. Schließlich trat eine ältere Frau aus einer der Hütten heraus und blinzelte ins Sonnenlicht. Merlin rief sie an, und sie wartete, während er abstieg. Der Schlamm quatschte unter seinen Füßen, als er auf sie zuging. »Welches dieser Häuser gehört Malwyn?« fragte er in britischer Sprache.

Ein leerer Blick war die einzige Antwort. Er versuchte es erneut, und sprach diesmal langsamer. »Malwyn«, wiederholte die alte Frau. Sie blinzelte zu ihm hinauf, denn ihre Augen waren in einem Kranz von Falten fast verborgen. »Ist sie die mit dem Bastard?«

Sie hatten es damals für das beste gehalten, daß Malwyn Arthur als ihr eigenes Kind ausgeben sollte. Merlin verzog die Mundwinkel. »Ja«, sagte er.

»Sie ist tot.«

»Tot?«

»Ja. Sie starb vor mehreren Jahren.« Das erfüllte die alte Frau offenbar mit Befriedigung. »Sie war eine von diesen Christen«, fügte sie hinzu, als könne das die Angelegenheit erklären.

»Wenn sie tot ist, wo ist dann der Junge?« fragte Merlin.

»Er lebt bei Esus. Ihrem Bruder.«

»Und welches Haus gehört Esus?«

Die alte Frau zeigte es ihm, und Merlin wandte sich um und ging durch den Schlamm auf die Hütte zu. Er beugte seinen Kopf zur Tür und rief, aber er bekam keine Antwort. Er duckte sich einen Moment hinein, lang genug, um die Ärmlichkeit zu erkennen, den Geruch von Tieren zu riechen und sich zu vergewissern, daß der Raum leer war.

Wieder draußen, atmete er tief durch. Er hatte vergessen, wie es hier aussah. Offensichtlich waren einige der Kinder zu ihren Müttern gelaufen, denn während er dort stand und unsicher war, wo er als nächstes nachsehen sollte, erschienen hinter einem kleinen Hain zwei junge Frauen mit Kindern auf den Armen und an ihren Rockzipfeln. Merlin führte sein Pferd auf sie zu. »Ich suche Esus«, sagte er langsam. »Wißt ihr, wo er ist?«

Die Frauen tauschten Blicke, und schließlich erklärte die kleinere von beiden: »Auf den Feldern, mit den anderen Männern.«

»Und Esus’ Frau?«

Ein überraschter Blick. »Esus hat keine Frau.«

Merlin atmete tief ein. »Und der Junge?«

Die Frauen sahen einander erneut an, und dieses Mal antwortete ihm die größere der beiden. »Der Junge ist bei den Schafen, wie gewöhnlich.«

»Wo sind die Schafe?« fragte Merlin, und die beiden deuteten auf einen grasbewachsenen Hügel in ungefähr einer Meile Entfernung. Merlin ritt langsam auf den sanft abfallenden, grünen Hügel zu, auf dem die Schafe des Dorfes weideten. Ihn bewegten düstere Gedanken. Sie hatten es nicht richtig gemacht mit diesem Jungen, er und Uther. Jemand hätte während all dieser Jahre herkommen und nachsehen müssen, wie die Dinge standen. Uthers Sohn. Sein eigener Enkel. Lebte in dieser stinkenden Hütte. Wie lange war Malwyn wohl schon tot?

Die Schafe grasten auf dem Hügel, und unter einem Weißdornbusch saß ein Junge, der mit einem Messer ein Stück Holz bearbeitete. Merlin lenkte sein Pferd langsam auf das Kind zu und stieg dann ab, als er sich fast vor ihm befand.

»Arthur?« fragte er, und seine Stimme klang nicht so fest, wie es ihm lieb gewesen wäre.

Der Junge hatte Merlin herankommen sehen. Als er seinen Namen hörte, nickte er mißtrauisch, legte seine Schnitzerei beiseite und stand auf. Etwas an ihm erinnerte Merlin stark an ein Tier in Bedrängnis.

»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte er sanft. »Ich werde dir nichts tun.«

Der Junge zeigte einen verwirrten und verschlossenen Gesichtsausdruck. Er sagte nichts. Merlin streichelte sanft die Nase seines Pferdes und betrachtete seinen Enkelsohn.

Der Junge war Uthers Sohn, daran konnte kein Zweifel bestehen: das tintenschwarze Haar, die dunklen Brauen und Wimpern, die hellgrauen Augen. Aber seine Knochenstruktur hatte er von Igraine. Er war wie ein Bauer gekleidet, sein Haar war fettig, und ein Schmutzfleck prangte auf einem Wangenknochen, aber er trug sein Erbe in jedem Zug seines Gesichts.

Merlin suchte nach Worten. Dieser verwirrte, verschlossene Blick wies ihn zurück, bevor er auch nur begonnen hatte.

»Arthur«, begann er entschlossen, »ich bin hier als Abgesandter deines Vaters.«

Der Junge schwieg. Der Ausdruck auf seinem Gesicht änderte sich nicht.

»Er… er wußte nicht, daß deine… daß Malwyn tot ist.«

Noch immer nichts.

»Wie alt warst du, als sie starb?«

Ein langes Schweigen entstand. Merlin begann sich bereits zu fragen, ob der Junge ihn verstehen konnte, als Arthur schließlieh sprach. »Ich weiß es nicht.« Sein Britisch war vom Dialekt gefärbt, und seine Stimme klang schwermütig.

Merlin sah seinen Enkel ratlos an. Schließlich sagte er offen: »Ich bin gekommen, um dich mitzunehmen.«

Irgend etwas flammte kurz hinter diesen grauen Augen auf, bevor sie wieder diesen verschlossenen Ausdruck annahmen. Aber es war eine Reaktion. Ermutigt fuhr Merlin mit der Geschichte fort, die er während seiner Reise nach Cornwall ersonnen hatte. Sie hatte mit einem erfundenen Vater von Arthur zu tun, mit dem ihn aus Heereszeiten eine alte Freundschaft verband. Flavius nannte er ihn. Flavius sei verheiratet gewesen und habe daher, wie er dem Jungen sagte, Malwyn nicht heiraten können. Aber er habe immer nach Arthur schicken wollen. Als Flavius vor wenigen Monaten gestorben sei, habe Merlin versprochen, den Jungen zu suchen. Und jetzt sei er da, um Arthur nach Hause zu holen.

Die Geschichte hatte auch schon nicht sehr glaubhaft geklungen, als er sie ersonnen hatte. Und sie klang jetzt, wo er sich dem stillen, verschlossenen Gesicht seines Enkels gegenübersah, noch weniger glaubhaft. Nein, dachte Merlin düster, sie hatten es mit Arthur überhaupt nicht richtig gemacht.

Zum ersten Mal sprach der Junge freiwillig. »Wird er mich gehen lassen?« fragte er.

»Du meinst Esus?«

»Ja.«

»Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen. Aber er hat keinen Anspruch auf dich, Junge. Er muß dich gehen lassen.«

Eine Brise drang raschelnd den Hügel herauf und wirbelte Merlins Umhang hoch, hob das wirre, schwarze Haar auf Arthurs Stirn an. Es war sicherlich ein wunderschönes Gesicht, dachte Merlin, aber es war von diesem verdrießlichen, verschlossenen Ausdruck gezeichnet. »Komm«, sagte er entschlossen. »Wir werden Esus suchen.«

Die Aufgabe, Arthur von seinem Vormund fortzunehmen, war tatsächlich nicht ganz so einfach, wie Merlin angenommen hatte. Esus, groß, mit grimmigem Gesicht und streitsüchtig, war nicht geneigt, den Jungen so leicht aufzugeben. Es war eine Angelegenheit der jährlichen Zahlungen von Uther, wie Merlin sich letztendlich sagte. Er bekam Arthur schließlich, weil er war, wer er war. Sogar in Cornwall kannten sie Merlin, den römisch-keltischen Fürsten, der einer von Constantinus’ Führern gewesen war und der der Vater der Königin war. Er bekam Arthur, obwohl es Esus nicht gefiel. Während des ganzen langen Streitgesprächs hatte der Junge abseits gesessen und nichts gesagt. Als ihm das Ergebnis des Gesprächs mitgeteilt wurde, hatte er seine Habseligkeiten zusammengepackt und war Merlin gefolgt. Er hatte beim Abschied kein Wort zu Esus gesagt.

Es war später Nachmittag, als sie das Dorf verließen, aber Merlin war nicht gewillt, in dieser ungastlichen Umgebung zu bleiben. Er wollte lieber unter den Sternen schlafen, als in dieser runden Hütte mit dem Rauch und den Schweinen und Esus’ Feindseligkeit schlafen zu müssen.

Sie lagerten neben einem kleinen Fluß, und Merlin schoß mit seinem Bogen ein Kaninchen. Der Junge aß die Mahlzeit hungrig auf und legte sich auf Merlins Aufforderung gehorsam hin. Er schlief fast augenblicklich ein.

Merlin betrachtete das zerzauste Haar seines schlafenden Enkels, der vom ersterbenden Feuerschein angestrahlt wurde. Der Junge war nicht schmutziger als die meisten Dorfbewohner, aber es war ein weiter Weg von diesem Bild zu Merlins anspruchsvollen römischen Vorstellungen von Sauberkeit. Morgen, dachte er, würde er Arthur im Fluß baden lassen. Er hatte in seiner Satteltasche frische Kleidung für den Jungen mitgebracht. Mit einem Bad und sauberer Kleidung würde der Junge so annehmbar aussehen, daß er ihn nach Avalon bringen konnte.

Arthur widersprach nicht, als Merlin seine Absichten am nächsten Morgen verkündete. Die Sonne war hell und warm, und Merlin ging sogar soweit, sich selbst auszuziehen und in das kalte, fließende Wasser zu steigen. Arthur folgte seinem Beispiel ein wenig zögernd. Baden war eindeutig keine Beschäftigung, die ihm vertraut war. Die Sonne fiel schräg durch die Bäume, warf Licht- und Schattenflecke auf das Wasser und auf ihre nackten Körper. Merlin beobachtete Arthurs zaghaftes Planschen und streckte die Hand nach dem Jungen aus, um seine Haare naßzumachen. Arthur sprang wie der Blitz aus seiner Reichweite. Merlin war so verdutzt, daß er fast das Gleichgewicht verloren hätte.

Der Junge stand vor ihm mit erhobenen Fäusten, und sein ganzer, dünner Kinderkörper war angespannt. »Rührt mich nicht an«, fauchte er.

Merlin betrachtete ihn, wie gelähmt durch den Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen. Als er sich wieder gefangen hatte, sagte er ruhig: »Ich wollte dir nur die Haare waschen.«

»Das werde ich selbst tun«, sagte Arthur. Dann: »Ich mag es nicht, wenn man mich anrührt.«

»In Ordnung«, erwiderte Merlin mit soviel Haltung wie er aufbringen konnte. »Dann tu du es.«

Als sie ihr Bad beendet hatten und Arthur trocken war, zog Merlin die Kleidung aus seiner Satteltasche. »Für dich«, sagte er. Er versuchte nicht, sie dem Jungen auszuhändigen, sondern legte sie hin und trat zurück, so daß Arthur sie selbst aufheben konnte.

Der Fleck auf seiner Wange war kein Schmutz gewesen, sondern eine verblassende Prellung. Und als sich Arthur im Fluß gewaschen hatte, hatte Merlin deutlich die dünnen weißen Narben gesehen, die kreuz und quer über den Rücken des Jungen, über das Gesäß und die Oberschenkel verliefen.

Kein Wunder, daß Arthur sich nicht darüber beklagt hatte, daß er Esus verlassen sollte.

Merlin hegte freudlose Gedanken, während er das Lager abbrach und sich bereitmachte, nach Nordosten aufzubrechen. Ob Arthur zum König ernannt würde oder nicht, er war froh darüber, daß er nach Cornwall gekommen war und seinen Enkel gesucht hatte. Er hoffte nur um ihrer beider willen, daß er nicht zu spät gekommen war.

Kapitel 2

Merlin besorgte ihm ein Pony. Es gab nur zwei Pferde in dem Dorf, und Arthur hatte sie niemals geritten, aber das sagte er Merlin nicht. Statt dessen beobachtete er genau, wie Merlin aufstieg und machte es ihm dann nach.

Das Pony war großartig. Arthur ließ seine Beine hinabbaumeln und paßte sich den Bewegungen des Tieres an. Er spürte das Spiel der Muskeln direkt durch den Sattel hindurch.

Der Mann, Merlin, erklärte: »Wir reisen zu meinem Landhaus in Avalon. Avalon wird dein neues Zuhause sein. Ich glaube, du wirst es mögen. Es wird wegen seiner Apfelgärten Avalon genannt. Es ist berühmt für seine Apfelgärten.«

Der Mann sprach sanft, freundlich und klar. Als spräche er zu einem Schwachsinnigen, dachte Arthur. Unter gesenkten Lidern warf er einen Blick zu Merlin hinüber. Er wußte nicht, aus welchen Motiven heraus der Mann handelte, aber er traute ihm nicht. Es war wenig wahrscheinlich, daß er den weiten Weg nach Cornwall hinein geritten war, nur um den Sohn eines »alten Freundes« aufzulesen.

»Es war einst eines der berühmtesten Häuser im Land«, fuhr der Mann fort. »Meine Familie waren Fürsten des Durotrigestammes, die ihre Landhäuser wie Paläste erbauten.« Der alte Mann sah ihn bittend an. »Es ist kein Palast mehr, Arthur. Dort wird jetzt gearbeitet. Und es ist in diesen schweren Zeiten vermutlich schon ein Luxus, alles zur Verfügung zu haben, was man braucht.«

Fürsten des Durotrigestammes. Arthur wurde noch mißtrauischer. Was konnte dieser Mann mit ihm Vorhaben? Ein Gedanke schoß ihm durch den Sinn. Er hatte von dem gehört, was manche Männer mit Jungen taten. Seine Nasenflügel zitterten ein wenig, während er den ernsten Mann betrachtete, der neben ihm ritt.

Eisengraues, noch immer sehr dichtes Haar. Edel geschnittene Züge. Blaue Augen. Der rote Umhang wurde an der Schulter von einer offensichtlich wertvollen Spange zusammengehalten. Arthur entspannte sich ein wenig. Ein solcher Mann brauchte sich keinen unbekannten, komischen Jungen zur Befriedigung seiner besonderen Vorlieben zu suchen.

Merlin sprach noch immer über dieses Avalon. »Außer mir leben noch einige andere Menschen in dem Haus. Zunächst Ector, mein Verwalter und mein Freund. Zu Ambrosius’ Zeit war er Soldat, bis er verwundet wurde. Er hat einen Sohn, der ebenfalls in Avalon lebt. Caius, oder Cai, wie er immer genannt wird. Ihr könnt gemeinsam unterrichtet werden. Er ist ungefähr in deinem Alter.«

Arthur war sich wegen seines Alters nicht sicher. Während er starr nach vorn schaute, sagte er: »Wie alt ist dieser Cai?«

»Zehn Jahre alt. Ein Jahr älter als du.«

Neun. Der alte Mann war sich offensichtlich sehr sicher. »Er ist groß für sein Alter«, fuhr Merlin fort, »aber sehr nett. Du brauchst dir wegen Cai keine Sorgen zu machen.«

Wegen eines Jungen machte sich Arthur bestimmt keine Sorgen. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, in Gegenwart anderer Jungen auf sich selbst aufzupassen. Ein wenig mürrisch sagte er: »Ich kann nicht lesen. Und nicht schreiben.«

»Natürlich nicht. Woher solltest du lesen und schreiben können?« erwiderte Merlin leichthin. »Das ist natürlich vorrangig. Ich denke, ich werde dich zusammen mit Morgan unterrichten. Morgan ist meine Tochter. Sie ist acht Jahre alt, und es wird Zeit, daß auch sie lesen und schreiben lernt.«

Unterricht mit einem Mädchen. Nun, er würde sich mit einem Hund zusammen unterrichten lassen, wenn es sein mußte. Er würde alles tun, um lesen zu lernen.

Und gleichgültig, was geschah oder welche Beweggründe der alte Mann hatte, Merlin hatte ihn zumindest von Esus fortgebracht.

Spät am Nachmittag eines goldenen Frühlingstages sah Arthur Avalon und die Apfelbäume zum ersten Mal. Die Bäume standen in Blüte, und sie ritten unter einem prachtvollen, sich rosafärben und weiß vom grünen Gras und dem kobaltblauen Himmel abhebenden Blütenbaldachin dahin. Einen kurzen Augenblick fragte Arthur sich, ob der alte Mann vielleicht ein Angehöriger des Feenvolkes war, der ihn in eine verzauberte Welt unter der Erde führte.

Merlin beobachtete sein Gesicht. »Arthur«, sagte er sanft. »Lächelst du niemals?«

Arthur erstarrte, und genau in diesem Moment kam das Landhaus in Sicht.

Es war wie ein Palast erbaut worden, hatte Merlin ihm erzählt, und es sah für Arthur auch aus wie ein Palast. Das einstöckige Haus war aus grauem Stein erbaut worden und umschloß an drei Seiten einen gepflasterten Hof. »Der Gebäudetrakt vor uns ist der Hauptteil des Hauses«, erklärte Merlin, während sie in den Hof einritten. »Dieser Trakt«, und er deutete nach rechts, »enthält hauptsächlich Schlafräume und der gegenüberliegende Trakt die Bäder.« Er zügelte sein Pferd und rief. Sofort kam ein Mann herbei.

»Willkommen daheim, Mylord.«

»Ich danke dir, Marcus. Bring die Pferde bitte in den Stall.«

Der stämmige, braunhaarige Mann nickte und nahm dann beide Zügel auf. Er musterte Arthur kurz, bevor er die Tiere fortführte. »Komm«, sagte Merlin und schritt auf die große Haustür zu. Arthur folgte ihm.

Die wuchtige Doppeltür öffnete sich zu einer eindrucksvollen Halle. Jenseits der Halle befand sich ein großer, mit einem Mosaik ausgelegter Raum, an dessen Ende ein Marmorpodest zu sehen war. Der Thronsaal der Fürsten der Durotriges, dachte Arthur mit einer Mischung aus Hohn und Scheu. Er folgte Merlin durch den Raum hindurch in einen weiteren Raum, der bedeutend kleiner und gemütlicher war. Die Einrichtung bestand aus Korbsesseln und Lederstühlen, und eine alte Couch stand an der hinteren Wand. Auch hier war der Boden mit einem bunten Mosaik ausgelegt.

»Setz dich«, sagte Merlin und deutete auf einen der Korbsessel. »Ich werde Ector suchen und gleich zurückkommen.«

Arthur setzte sich vorsichtig auf den Rand des ihm zugewiesenen Sessels.

Viel Zeit schien zu vergehen. Dann sprach ihn vom Eingang her eine Stimme auf Lateinisch an, und er schaute auf und sah ein kleines Mädchen, das ihn ernst betrachtete.

»Ich spreche kein Lateinisch«, sagte er kurz angebunden.

Das Kind betrat den Raum. »Ich bin Morgan«, sagte sie auf Britisch. »Wer bist du?«

»Arthur«, erwiderte er und musterte Merlins Tochter. Ihr Kleid hatte am Rock Grasflecke, und ihr Haar hing ihr unordentlich den Rücken hinab. Es war hellbraun und bedurfte dringend eines Kamms. Er betrachtete ihr Gesicht und begegnete den größten, glänzendsten braunen Augen, die er jemals gesehen hatte. Das Kind durchquerte den Raum und zog sich einen Stuhl neben Arthurs Sessel. »War das dein Pony, das Marcus in den Stall gebracht hat?« fragte sie und setzte sich.

»Ja.«

»Es ist hübsch. Wir können ihm später einen Apfel bringen, wenn du magst.«

Er wußte nicht, daß Ponies Äpfel mochten. »Ihr müßt eine Menge Äpfel übrig haben«, bemerkte er, und sie lachte.

Schwere Schritte erklangen vor der Tür, und dann trat Merlin ein und brachte einen großen, breitschultrigen Mann mit bereits ergrauendem braunen Haar mit sich, der auffällig hinkte. »Oh, hier bist du, Morgan«, sagte ihr Vater. »Hast du Arthur schon kennengelernt?«

»Ja.« Morgan küßte ihren Vater auf die Wange, und Merlin sagte: »Ector, dies ist Flavius’ Sohn. Sein Name ist Arthur.«

Der Mann schenkte ihm ein Lächeln und sagte freundlich: »Willkommen in Avalon, Arthur.«

Arthur beobachtete die beiden Männer mit stetem, furchtlosem Blick und nickte.

»Es ist fast Zeit zum Essen«, sagte Merlin heiter. »Ich möchte jedoch zunächst noch ein Bad nehmen. Die Straßen sind noch immer voller Schlamm. Ich zeige dir deinen Schlafraum, Arthur, und dann kannst du dich umziehen.«

Der Junge verzog keine Miene, aber er trat einen Schritt vor. Auf einmal spürte er, wie eine kleine Hand in seine schlüpfte. »Ich werde ihn ihm zeigen, Vater«, bot Morgan an. »Er kann den Schlafraum neben meinem bekommen.«

Sie schwiegen, und dann antwortete Merlin: »Sehr gut. Zeige Arthur den Schlafraum, und dann kannst du ihn zu den Bädern führen, wenn er will, Morgan.«

»Ich will.« Arthur spürte, wie er fest am Arm gezogen wurde. »Komm mit, Arthur«, sagte Morgan. Dann, als sie einen Raum weiter gelangt waren: »Ich möchte dir meinen Hund zeigen.«

Morgans Hund war ein Mischling mit einem halb abgebissenen Ohr. »Ist er nicht wundervoll?« fragte sie, als der Hund seine Schnauze zutraulich in ihre Hand schob. Ihre braunen Augen betrachteten Arthur vollkommen natürlich und vertrauensvoll. Sie hatte das Gefühl, ihn schon ihr ganzes Leben lang zu kennen.

Arthur hätte erwartet, daß die Tochter eines solchen Hauses einen reinrassigen Hund besäße. Er streichelte dem Hund sanft den Kopf und fragte: »Wie heißt er?«

»Horatius.«

»Hallo, Horatius«, sagte der Junge und hockte sich geschickt auf die Fersen. Der Hund schmiegte sich an ihn.

»Ich habe ihn eines Tages im Wald gefunden«, erklärte Morgan. »Er war hungrig und hatte offensichtlich viele Kämpfe bestritten. Hast du einen Hund?«

Er schüttelte den Kopf. Er hätte keinem Hund das Zusammenleben mit Esus zumuten wollen.

»Horatius mag dich. Du kannst dich auch um ihn kümmern, wenn du magst.«

Er hob ruckartig den Kopf und sah sie an. »Warum solltest du deinen Hund mit mir teilen?«

Die großen braunen Augen erwiderten seinen Blick ernst. Keine Augen hatten ihn jemals zuvor so angesehen, als sähen sie ausschließlich ihn an, und als gefiele ihnen, was sie sahen. »Weil er dich mag«, antwortete sie einfach. »Vor den meisten Menschen hat er Angst. Ich glaube, er ist früher grausam mißhandelt worden. Aber dich mag er.«

Ihre Worte riefen ein seltsames Gefühl in ihm wach. »Dein Schlafraum ist nebenan«, sagte sie. »Ich werde ihn dir zeigen.«

Sein eigenes Zimmer. In dem Raum stand ein Bett, eine hölzerne Plattform mit einer Matratze und Decken und Kissen. Der Boden war rot gefliest. Eine Kohlenpfanne verströmte Wärme.

»Er ist sehr hübsch«, brachte er hervor.

Sie betrachtete ihn ernst. »Wirst du jetzt hier leben, Arthur?«

Er antwortete vorsichtig. »Ja. Das werde ich.«

Sie lächelte. Er hatte noch niemals ein solches Lächeln gesehen. »Oh, gut«, sagte sie. »Dann kannst du mein Freund sein.«

Diesen strahlenden Blick konnte man unmöglich unerwidert lassen. »Ja«, sagte er. Und spürte, wie sich etwas Hartes und Festes und Schmerzhaftes in seiner Brust lockerte.

Beim Essen traf er Cai, einen großen, grobknochigen Jungen mit haselnußbraunen Augen, die ihn unverwandt ansahen. Mit Rücksicht auf Arthur sprachen sie alle Britisch. Sie waren auch auf britische Art gekleidet und saßen auf britische Art auf Bänken am Tisch, aber Arthur spürte, daß dies kein wirklich keltischer Haushalt war.

Ihre übliche Sprache war offensichtlich Lateinisch. Und das Haus hätte nicht von einem Kelten erbaut worden sein können. Ein ganzer Gebäudetrakt war ausschließlich Bädern Vorbehalten! Die Fürsten der Durotriges hatten Rom unzweifelhaft tief in ihr Herz geschlossen.

Morgan saß neben ihm auf der Bank, jetzt mit einem sauberen blauen Kleid und einer weißen Wolltunika bekleidet. Ihr Haar war sorgfältig gekämmt worden und hing ihr den Rücken hinab bis zur Taille. Ihre kleine Hand mit dem zerbrechlichen Handgelenk senkte sich auf die Fleischplatte. Arthur folgte ihrem Beispiel.

Merlin sprach. »Cai kann dich morgen auf unserem Besitz herumführen, Arthur. Dir die Farmen, die Ställe und die Plantage zeigen, all das.«

Cai nickte. »Gern«, sagte er freundlich zu Arthur. Merlin sah seinen Enkel ebenfalls an. Das Gesicht des Jungen blieb vollkommen ausdruckslos.

»Kann ich auch mitkommen?« fragte Morgan.

Cai seufzte. »Morgan, wann immer du mit mir irgendwo hingehst, findest du mit Sicherheit einen flügellahmen Vogel oder eine verletzte Katze, und dann müssen wir wieder nach Hause gehen, damit du dich darum kümmern kannst.«

»Nun, du würdest auch kein verwundetes Tier zurücklassen, Cai«, sagte Morgan vernünftig.

»Nein. Aber warum mußt du sie immer finden?«

»Ich weiß es nicht.« Morgan war offensichtlich selbst erstaunt darüber. »Es ist einfach so.« Sie fragte erneut. »Bitte, Cai, kann ich mitkommen?«

Cai sagte: »Oh, ich denke schon«, während Merlin Arthur erneut verstohlen betrachtete.

Der Junge beobachtete Morgan, und um seinen Mund erschien ein ganz schwaches Lächeln.

Kapitel 3

Merlin betrachtete die drei Kinder, die an dem großen Bibliothekstisch aus poliertem Holz saßen. Die Frühlingssonne schien durch das Fenster herein und sammelte sich auf dem dunkleren Furnier vor Arthur. Staubteilchen tanzten in der Luft, von Morgans Blicken mit aufmerksamem Interesse verfolgt. Die beiden Jungen beobachteten Merlin. Als Merlins Blick Arthurs Gesicht streifte, bemerkte er ein wenig erschreckt, daß der Tag, an dem er den Jungen nach Avalon gebracht hatte, schon fast zwei Jahre zurücklag.

In diesen zwei Jahren hatte dieser störrische junge Wilde große Fortschritte gemacht. Er hatte fließend Lateinisch sprechen, lesen und schreiben gelernt und begann jetzt das zu lernen, wofür er nach Avalon gebracht worden war. Merlin wollte seinen Enkel lehren, Menschen zu führen.

Cai sollte ebenfalls an diesem Unterricht teilnehmen. Merlin mochte Ectors Sohn, und zudem hätte es seltsam ausgesehen, wenn er Arthur als einzigem besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ. Es ging bereits das Gerücht, daß Arthur Merlins Sohn sei. Wobei es nicht schlecht war, wenn der Junge dies glaubte. Und es war auch nicht weit von der Wahrheit entfernt.

Merlins Blick schweifte von Arthurs Gesicht zu Morgan. Es war natürlich absolut unangemessen, daß seine Tochter an diesem Unterricht teilnahm. Sie sollte eigentlich bei den Frauen sein und Weben und Nähen lernen. Aber sie wollte alles das tun, was Arthur tat, und Merlin hatte ihr ziemlich widerspruchslos nachgegeben. Arthur war zweifellos leichter zu führen, wenn Morgan in der Nähe war. Allein war er zurückhaltend, fast unnahbar. In Morgans Gegenwart dagegen war er ganz anders: entspannt und zugänglich. Und daher saß sie hier, ein zehnjähriges Mädchen, um zu lernen, wie man Menschen führt.

Die Jungen beobachteten ihn noch immer. »Heute«, sagte er heiter, »werden wir mit einer Reihe von Unterrichtsstunden beginnen, die euch beide«, er konnte Morgan nicht ernsthaft in diese Unterhaltung mit einbeziehen, »lehren werden, wie ihr eurem Land am wirkungsvollsten dienen könnt.« Er hielt inne. »Der Hochkönig bekämpft die Angelsachsen jetzt schon seit über elf Jahren, und sie drängen noch immer nach, stoßen von Osten vor und versuchen uns zu überwältigen und Britannien für sich selbst zu erobern. In wenigen Jahren werdet ihr Jungen im richtigen Alter sein, zu kämpfen. Schön und gut. Aber der Hochkönig braucht nicht nur Krieger. Er braucht auch Anführer. Männer, die gelernt haben, andere Menschen zu befehligen.

Das möchte ich euch lehren, die Kunst sachkundiger Führerschaft.« Er begegnete Cais ernsten, haselnußbraunen Augen und dann dem kühlen, grauen Blick seines Enkels. »Ich habe die Führerschaft selbst bei einem Meister erlernt«, fuhr er fort. »Ich habe sie bei Constantinus gelernt, dem Comes Britanniarum, dem Fürst von Britannien, einem der großartigsten römischen Soldaten.«

Die Kinder hatten schon oft genug von Merlins altem Befehlshaber, dem Fürst von Britannien, gehört.

»Dürfen wir Fragen stellen, Sir?« Es war Arthurs Stimme, noch immer die Stimme eines Jungen, aber mit einem kühlen und distanzierten Unterton, der sie klingen ließ, als gehöre sie zu jemand wesentlich Älterem.

»Ja.«

»Ich habe mich gefragt, wie das Imperium Constantinus Britannien überlassen konnte, wenn er ein so großartiger Soldat war.« Merlin lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und straffte die Schultern. »Eine angemessene Frage«, stimmte er zu. »Britannien war immerhin wohl kaum eine der ersten Prioritäten des Imperiums. Warum sollte Rom uns dann, so fragst du dich, einen ihrer besten Soldaten übersenden?«

Auf Arthurs fast unmerkliches Nicken hin, fuhr er fort. »Also gut. Ich kann genausogut mit Constantinus beginnen, wie mit jedem anderen.« Er runzelte die Stirn, richtete seinen Blick auf den kleinen Flecken Sonnenlicht auf dem Tisch und begann. »Constantinus stammte aus einer berühmten römischen Soldatenfamilie. Als er ungefähr in deinem Alter war«, und sein Blick erfaßte kurz das höflich aufmerksame Gesicht seines Enkels, »wurde er nach Konstantinopel gesandt, um die Imperiale Schule des Kaisers Theodosius zu besuchen. Das war eine Schule für zukünftige römische Feldherren, und dort waren die edelsten, hochgeborenen fremden Fürsten und auch Römer wie Constantinus zu finden. Alarich der Gote war einer der Schüler.«

»Alarich!« Von Cai kam dieser schnelle Ausruf. »Meint Ihr den Alarich, der Rom erobert hat?«

»Ja«, sagte Merlin trocken. »Den meine ich.«

»Er hat seine Lektionen nur zu gut gelernt«, sagte Morgan. Sie sah jetzt ihren Vater an, das schmale Kinn auf die Hand aufgestützt. Sie war sehr aufmerksam, seit Merlin über Constantinus zu sprechen begonnen hatte.

»Es scheint so«, murmelte Arthur und warf ihr einen liebevoll belustigten Blick zu.

Merlin richtete seinen Blick erneut auf den Flecken Sonnenlicht. »Die Imperiale Schule gedieh bis zum Jahre 394«, fuhr er fort. »Das war das Jahr der Schlacht von Aquileia gegen den Verräter Arbogast. Zusammen mit den anderen Absolventen der Schule kämpfte Constantinus in dieser furchtbaren Schlacht.« Er schaute von dem Sonnenfleck zu Cai und dann zu Arthur. »Wir werden uns diese Schlacht eines Tages genauer ansehen«, versprach er.

Arthurs schwarze Augenbrauen hoben sich schnell, und er nickte. Merlin fuhr fort. »Constantinus’ tapfere Führerschaft in Aquileia erregte die Aufmerksamkeit des berühmten römischen Feldherrn Stilicho. »Er wurde Stilichos Schützling und stieg in den Rängen des Heeres hoch hinauf. Dann, im Jahre 408, wurde Stilicho von Kaiser Honorius heimtückisch ermordet, und Constantinus wurde aus Rom verbannt. Im Jahre 410 eroberte Alarich, wie du weißt«, er hob eine Augenbraue in Morgans Richtung, »Rom. Die letzten unserer eigenen Legionen wurden von Britannien abberufen, und wir waren gezwungen, uns so gut wie möglich gegen die Angelsachsen und die tätowierten Barbaren aus dem Norden zu verteidigen. Britannien bat das Reich jedoch ständig um Hilfe, und im Jahre 415 schuf Honorius den Rang des Fürsten von Britannien. Die Aufgabe des Fürsten bestand darin, den eingeborenen britischen Stämmen in dem Versuch beizustehen, die Überreste Roms in Britannien zu verteidigen. Um dies erreichen zu können, erhob Honorius ein mobiles Feldheer aus seinen Legionen in Gallien und sandte es unter dem Kommando des Fürsten nach Britannien.«

Merlin hob eine Augenbraue. »Der Posten des Fürsten von Britannien war, wie du richtig vermutet hast, Arthur, wenig begehrt, und so wurde er einem Mann übertragen, der die Gunst des Reiches verloren hatte: Constantinus.«

»Hat Constantinus die Barbaren erfolgreich zurückgedrängt?« fragte Morgan.

»Er war gegen die Angelsachsen erfolgreich, aber dann fielen die tätowierten Barbaren über den Wall ein. Wir zogen nach Norden, um sie zurückzuschlagen…«

Merlin brach ab. Selbst nach all diesen Jahren schmerzte es ihn noch, über diese furchtbare Zeit zu sprechen. Er war achtzehn Jahre alt gewesen, als er sich Constantinus zum ersten mal angeschlossen hatte, und er hatte den Römer mehr geliebt als jeden anderen Menschen auf der Welt. »Constantinus wurde verraten«, sagte er mit harter, kalter Stimme. »Es hieß, daß er bei einem Überfall der Pikten getötet worden sei, aber das stimmte nicht. Es waren die Kelten. Er wurde von einem von Vortigerns Männern getötet. Ich konnte es niemals beweisen, aber ich weiß, daß es so war. Die Kelten befürchteten, daß Constantinus das Imperium in Britannien wiederherstellen würde, und so töteten sie ihn und stellten einen ihrer eigenen Leute, Vortigern, als Hochkönig auf. Wenn ich Constantinus’ Söhne, Ambrosius und Uther, nicht nach Armorica gebracht hätte, wären auch sie getötet worden.«

Die restliche Unterrichtsstunde verging mit der Erzählung der Geschichte von Vortigerns Herrschaft und Ambrosius’ triumphaler Rückkehr. Die Kinder waren ausreichend aufmerksam, und Merlin entließ sie zwei Stunden vor dem Essen.

Morgan und Arthur besuchten gleich ihren Lieblingsplatz am Fluß. Im vergangenen Jahr hatten sie in einer Buche eine Plattform errichtet, und sie liebten es, dort zu sitzen, hoch über dem Boden, von den Ästen der Buche vor Sicht geschützt, und den Fluß zu beobachten, zu lesen oder zu reden. Die jetzt mit Hosen bekleidete Morgan und Arthur saßen nun mit gekreuzten Beinen dort oben, würfelten und redeten.

»Armer Vater«, sagte Morgan, während sie den Würfel müßig in ihrer Handfläche umherrollen ließ. »Ich glaube, es belastet ihn sehr, daß er mit Uther nicht besser steht.«

»Das glaube ich auch«, erwiderte Arthur. Sie sprachen Britisch, wie sie es stets taten, wenn sie allein waren. Arthurs dichtes schwarzes Haar fiel ihm in die Stirn, und er schob es mit einer schnellen, charakteristischen Geste zurück. »Warum gelingt das nicht?«

Sie hob den Kopf, und die durch die Blätter des Baumes hindurchscheinende Sonne verteilte Lichtflecke auf ihrem Haar und Gesicht. Ihr Haar war gerade erst geschnitten worden und hing ihr halb den Rücken hinab. Fast unbewußt streckte Arthur die Hand aus und berührte die glänzenden, gleichmäßig geschnittenen Spitzen. Morgan sagte ernst: »Es war, glaube ich, besser, bevor er meine Mutter geheiratet hat.«

Arthur rieb mit dem Daumen sanft über die Locke in seiner Hand. »Was meinst du damit?«

»Ich habe das von Justina gehört, verstehst du«, warnte sie belustigt. Justina war ihre Kinderfrau und eine begeisterte Klatschbase.

Arthurs Blick spiegelte den Ausdruck in ihren Augen wider. »Erzähl weiter«, sagte er schnell. Er ließ ihr Haar los, und sie lehnte sich gegen den Baumstamm und schlang die Arme um die hochgezogenen Beine.

»Laut Justina«, begann sie, »sollen mein Vater und Uther dicke Freunde gewesen sein. Auch mit Ambrosius war mein Vater befreundet. Als Ambrosius starb und Uther König wurde und Igraine heiratete, war mein Vater sein engster Berater. Dann heiratete Merlin meine Mutter, und Uther und Igraine wandten sich gegen ihn.«

Arthur runzelte seine Stirn. »Aber warum?«

»Nun, Nimue, meine Mutter, war eine Enkelin von Maximus, dem Maximus, den britische Legionen zum Herrscher erhoben. Uther befürchtete, daß Merlin ein Königshaus errichten könnte, das mit ihm rivalisieren könnte.« Morgan scheuchte ein Insekt von ihrem Gesicht. »Tatsächlich behauptet Justina, daß Igraine mehr Verantwortung für den Streit habe als Uther.« Sie zuckte die Achseln. »Auf jeden Fall beharrten Uther und Igraine beide darauf, daß Nimue eine Zauberin sei, weil sie meinen armen alten Vater zur Ehe verführt hatte. Vater war zornig, wie du dir wohl vorstellen kannst. Er hält sich nicht für alt.«

Arthur grinste. »Das tut er wahrhaftig nicht«, stimmte er zu.

Morgan fuhr nüchtern fort: »Dann wurde ich geboren, und meine Mutter starb. Vater und Uther versöhnten sich nach einiger Zeit wieder, aber ich glaube, daß Vater Igraine niemals ganz vergeben hat.«

»Sie kommt ja auch niemals hierher.« Arthur brachte zwei Birnen zum Vorschein und gab eine Morgan, die herzhaft hineinbiß.

»Ich bin ihr einmal begegnet«, sagte sie mit vollem Munde, »als ich klein war und meine Schwester Morgause heiratete. Sie kam zu der Hochzeit und verließ uns fast sofort wieder.« Morgan kaute zu Ende und sagte zerknirscht: »Ich sollte nicht herzlos sein. Igraine hatte bisher ein sehr trauriges Leben. All diese Totgeburten!«

»Du warst noch niemals in deinem Leben herzlos«, sagte Arthur. Seine kräftigen jungen Zähne bissen in die Birne.

»Aber ist das nicht traurig, Arthur?«

»Es ist vermutlich traurig für Igraine.« Arthur biß noch einmal in die Frucht. »Aber es ist noch trauriger für Britannien. Uther hat keinen Sohn, der ihm als Hochkönig folgen könnte.«

»Justina sagt, das sei eine Strafe für Igraine, weil sie ihren ersten Mann, Gorlois, betrogen hat.«

Arthurs Nasenflügel vibrierten spöttisch. »Justina muß es wissen.« Er aß seine Birne zu Ende, nahm die drei Würfel auf und ließ sie in seiner Handfläche umherrollen.

Morgan betrachtete seine schmale braune Hand, während ein Stirnrunzeln ihre Brauen zusammenzog. »Ich glaube, Vater hat seine eigene Imperiale Schule errichtet«, sagte sie nach kurzem Schweigen. Ihr Blick ruhte noch immer auf seiner Hand. »Und das tut er nicht für Cai.«

Die Hand hielt inne. »Ich weiß«, sagte Arthur, und sie sah ihn an. Sein Haar war ihm wieder in die Stirn gefallen, fast bis zu der geraden, schwarzen Linie seiner Brauen herab. Ihre Blicke trafen sich. »Er hat etwas mit mir geplant. Ich würde wirklich gern wissen, was es ist.«

»Jedermann glaubt, daß es so ist, weil du sein Sohn bist.«

»Nun, das bin ich nicht.« Sie hatten schon früher darüber gesprochen. »Meine Mutter hat mir zu oft erzählt, daß ich genauso aussehe wie mein Vater. Aber ich sehe überhaupt nicht wie Merlin aus.« Zwei scharfe Linien erschienen zwischen seinen Brauen. »Meine Mutter hat bestimmt nicht gelogen.«

Morgan nickte ernst und biß ein letztes Mal in ihre Birne. »Wir werden eines Tages herausfinden, wer du bist.« Sie warf das Kerngehäuse vom Baum hinab und sah Arthur heiter an. »Es hat mir besser gefallen, als wir Virgil gelesen haben.«

Das Stirnrunzeln schwand von Arthurs Gesicht. »Pius Aeneas«, sagte er. »So edel. Und so langweilig.«

»Laß das nicht Merlin hören«, warnte sie, und er lachte.

»Niemals!« sagte er auf Lateinisch. Dann, während er aufstand: »Es wird spät. Wir werden das Essen verpassen, wenn wir uns nicht beeilen.«

Die beiden Kinder kletterten von dem Baum hinab, Morgan genauso gewandt wie Arthur, und gingen Hand in Hand zum Haus zurück.

Morgan nahm weiterhin an Merlins Unterrichtsstunden teil, überließ die Jungen aber sich selbst, wenn sie zum Übungsplatz gingen, um die praktische Kriegskunst zu erlernen. Zunächst war Ector ihr Hauptlehrmeister. Dann, als die Jungen Fortschritte machten, brachte Merlin eine Reihe von »Experten« an, die sie in den verschiedenen Disziplinen der Kriegsführung und der Führerschaft unterrichteten. Während der Jahre gewöhnte sich Avalon an den Aufmarsch seltsamer Männer, die sich immer nur wenige Monate um die Unterweisung von Arthur und Cai kümmerten, bevor sie genauso lautlos wieder verschwanden, wie sie gekommen waren.

Die Jungen lernten den richtigen Gebrauch der Lanze, der Pike, des Langschwertes vom Pferderücken aus und des Kurzschwertes zu Fuß. Sie lernten alles über Belagerungsgeräte und Umwallung und Verschanzung. Sie lernten ihre Stimmen so zu gebrauchen, daß sie jeden Winkel eines Schlachtfeldes erreichen und noch immer verstanden werden konnten. Und jeden Tag ließ Ector sie auf dem Gras ringen. Dieser Wettbewerb, den Arthur und Cai einst lediglich als Ventil für überschüssige, knabenhafte Energie ausgetragen hatten, wurde jetzt zu einer täglichen, erzwungen vortrefflichen Tätigkeit.

»Vortrefflichkeit« war Merlins Lieblingswort. »Eure christliche Religion lehrt euch, warum ihr auf dieser Welt seid: um Gott zu dienen«, belehrte er sie. »Aber ihr müßt euch selbst beibringen, daß der höchste Dienst in der Vortrefflichkeit liegt. Sich in allem auszuzeichnen, das allein ist der Grund, warum ihr in diese Welt geboren wurdet. Wenn ihr euch nicht auszeichnet, seid ihr umsonst geboren worden.«

Merlins Lektionen waren stets unparteiisch an beide Jungen gerichtet, aber Arthur wußte, daß der alte Mann vor allem ihn meinte. Warum das so war, wußte er nicht. Aber daß es so war, dessen war er sich sicher.

Und es lag in seiner Natur, sich auszuzeichnen. Er konnte es in sich spüren, während er die von seinen Lehrmeistern gestellten Herausforderungen ständig neu annahm. Sogar das Ringen mit Cai wurde zu einer Herausforderung, und schon bald hatte Arthur gelernt, Hebelkraft einzusetzen, um sein geringeres Gewicht auszugleichen.

Er konnte auch besser reiten als Cai. Er konnte sogar besser reiten als der Kavallerist, den Merlin nach Avalon brachte, um sie zu unterrichten. Der Einsatz von Pferden in der Schlacht interessierte Arthur am meisten. Er las alle Erläuterungen Xenophons zum Thema Kavallerie, und er fragte Merlin unaufhörlich aus, wie Constantinus Pferde eingesetzt hatte.

»Die Schlacht von Adrianopel hat die Bedeutung schwerer Kavallerie endgültig festgelegt«, lehrte Merlin seinen Schüler. »Es war eine der schlimmsten Niederlagen des römischen Heeres. Die Kavallerie der Goten riß die Legionen in Stücke. Von Adrianopel an bildete die Kavallerie einen wichtigen Teil des römischen Heeres. Stilicho setzte sie in Aquileia ein, als er Arbogast besiegte.«

Arthur zog jedoch seine eigenen Schlußfolgerungen aus Merlins Erzählungen. »Mir scheint, daß die Römer den richtigen Einsatz schwerer Kavallerie niemals gelernt haben«, sagte er an einem frostigen Wintertag zu Cai, während die Jungen nach anstrengender Arbeit mit den Lanzen badeten. »Constantinus hatte leichte Kavallerie, aber er hat sie niemals beim direkten Angriff eingesetzt.«

»Erzähl das nicht Merlin«, erwiderte Cai humorvoll. »Du weißt, wie er allem Römischen gegenüber empfindet.«

»Ich weiß.« Arthur tauchte unter und kam wieder hoch, der dunkle Kopf glänzend wie der eines Seehunds. »Das Imperium ist eher seine Religion als Christus.«

Cai saß auf dem Badewannenrand. Er war sehr groß für seine vierzehn Jahre, mit Schultern, die eines Tages genauso wuchtig sein würden wie die seines Vaters. Zur Zeit wirkte sein Körperbau jedoch noch unvollendet. Er war so schnell gewachsen, daß der restliche Körper seiner Größe noch nicht entsprach. Er war intelligent, freundlich und stetig wie ein Fels. Er war ein Jahr älter als Arthur, hatte sich aber ohne Groll der Tatsache gefügt, daß er mit dem Jüngeren niemals wirklich würde mithalten können.

Arthur stieg aus der Wanne und trocknete sich die Haare. Cai nutzte die Gelegenheit, die Narben auf dem Rücken des anderen Jungen zu betrachten. Wenn Arthur merkte, daß er sie sich ansah, würde er ärgerlich werden. Er haßte es, wenn jemand seine Narben beachtete, und er hatte eine ganze Sammlung davon. Eine befand sich über seiner rechten Augenbraue, eine seitlich des Kinns und eine besonders übel aussehende auf seinem linken Knie. Cai hatte ihn einmal danach gefragt. Damals hatte er entdeckt, daß Arthur die schlimmsten Flüche kannte, die er jemals gehört hatte. Er hatte von Ector erfahren, wie jene Narben entstanden waren und hatte Arthur seine schlechte Laune sofort vergeben. Während der Jahre waren seine Gefühle für den Jüngeren zu einer Mischung aus Stolz, Bewunderung und Fürsorge verschmolzen – die Gefühle eines großzügigen, älteren Bruders gegenüber einem besonders begabten, jüngeren Geschwisterkind.

Arthur schob sich das Haar zurück und trocknete mit einem weiteren Handtuch seine Schultern ab. Mit seinen dreizehn Jahren hatte er bereits den Körper eines Tänzers, leicht gebaut, anmutig, schnell.

»Irgendwie hat Merlin recht«, sagte er zu Cai, während er sich anzuziehen begann. »Romanitas steht noch immer für Kultur.

Es steht für eine ausgewogene Regierung und die Freiheit, in Frieden zu leben. Aber das Imperium selbst zerfällt. Wir in Britannien bestreiten nur einen kleinen Teil des Kampfes gegen die Dunkelheit.«

Cai begann sich anzuziehen. »Mein Vater sagt, daß sich die Angelsachsen für einen Frühlingsangriff sammeln. Der Hochkönig versucht, dagegen die keltischen Fürsten unter seinem Banner zusammenzuschließen.«

Arthur betrachtete ihn, und eine messerscharfe Linie erschien zwischen seinen geraden, schwarzen Brauen. »Wenn ich nur nicht so jung wäre!«

Cai streckte eine Hand aus und legte sie auf die Schulter des anderen. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er tröstend. »Die Angelsachsen werden auf dich warten, Arthur.« Und er griff nach seiner Tunika.

Kapitel 4

»Führerschaft ist immer Menschenführung«, sagte Merlin. »Ein Versagen in der Menschenführung kann nicht durch Erfolg in anderen Dingen ausgeglichen werden. Ein Führer muß sich seiner öffentlichen Funktion stets bewußt sein. Er darf seine Angelegenheiten nicht als etwas Persönliches verstehen, auch nicht sich selbst gegenüber.«

Das Fenster war geöffnet, und die sanfte Juliluft wehte herein. Merlins Schüler schien aufmerksam zuzuhören, aber Merlin war sich sicher, daß seine Gedanken woanders waren. Helles Lachen drang mit der Brise durch das Fenster herein, und Merlin schaute in den Hof hinaus und sah seine Tochter. Sie trug einen Korb voller Beeren, und ihr Pony folgte ihr und versuchte die Beeren zu fressen.

Arthur war jetzt Merlins einziger Schüler. Es war schon sehr lange her, daß Morgan in den Unterricht gekommen war, und Cai, jetzt sechzehn Jahre alt, war dem Heer des Hochkönigs beigetreten. Die Angelsachsen wurden immer aggressiver, und Uther hatte große Mühe, sie im Zaum zu halten.

»Die keltischen Fürsten bedauern jetzt ihren Irrtum, Hengist und seine Leute dazu aufgefordert zu haben, in Britannien zu siedeln«, sagte Merlin und nahm den Faden wieder auf. Er sah Arthur an und forderte ihn zu einer Antwort heraus.

Die langen Wimpern des Jungen senkten sich und verbargen seine Augen halb. »Vortigern war vielleicht ein Kelte, aber er folgte gutem römischen Beispiel«, antwortete er. »Die tätowierten Barbaren des Nordens drangen über den Wall, und Vortigern konnte sie nicht aufhalten. Also forderte er eine Gruppe von Barbaren heraus, um die andere zu vernichten.« Er hob die Wimpern und sah Merlin an. »Damit war Rom ausreichend oft erfolgreich.«

Merlin erwiderte den Blick der hellen Augen seines Enkels und betrachtete sein tiefgebräuntes Gesicht. Selbst jetzt, nach sechs Jahren, war es noch schwer für ihn, herauszulesen, was Arthur dachte. »Rom war damit erfolgreich, aber nicht Vortigern. Warum, Arthur?«

Der Junge hatte die Antwort offensichtlich schon lange parat, er mußte nicht einmal darüber nachdenken. »Vortigern hatte weder Roms Findigkeit«, sagte er, »noch verstand er in irgendeiner Weise, was in der Welt um ihn herum vorging. Die barbarischen Stämme waren bereits hundert Jahre vor dieser Zeit auf dem Marsch: die Hunnen, die Goten, die Allani, die westwärts, stets westwärts drängten.« Arthurs schlanke, gebräunte Finger spielten mit dem Stift in seiner Hand. »Vortigern öffnete einem Teil dieser Massenwanderung von Menschen, den Angelsachsen, unwissentlich die Tür zu Britannien.« Er legte den Stift hin. »Er ließ den Wolf in den Hühnerstall«, schloß er nüchtern, »und jetzt kommen sie zu Tausenden, drängen sogar noch weiter von der Küste herein, nehmen unsere Städte ein und legen das Land brach, vernichten unser Volk, wie Wölfe in Hungerszeiten die Schafe vernichten.«

»Eine sehr gute Analyse«, sagte Merlin nach einem Moment. »Die keltischen Fürsten sahen ihren Fehler erst ein, als es zu spät war. Dann töteten sie Vortigern, hießen den von Armorica zurückgekehrten Ambrosius willkommen und ernannten ihn zum Hochkönig. Sie erkannten schließlich doch noch, daß römische Führerschaft und römische Fähigkeiten die einzige Hoffnung Britanniens gegen die Angelsachsen sind.«

Das war der Grundsatz, den er Arthur in sechs langen Jahren eingebleut hatte. Dieses Mal antwortete Arthur ihm ruhig, fast beiläufig: »Die einzige Hoffnung liegt für uns darin, daß wir vergessen, daß wir Kelten oder Römer sind und uns nur daran erinnern, daß wir Britannier sind.«

Merlin betrachtete das Profil seines Enkels, als Hundegebell vom Hof her erklang. Ein Lächeln erschien um Arthurs Mund. »Horatius hat Morgan wiedergefunden«, sagte er.

»Dann lauf«, sagte Merlin jäh. »Es ist ein zu schöner Tag, um drinnen zu bleiben.«

Kaum zwei Minuten später sah er, wie Arthur im Hof zu Morgan lief.

Sie nahmen ihre Ponies und ritten in freies Gelände, fort von dem Tal von Avalon und in die Hügel hinein. Es gab einen besonderen Ort, den sie häufig besuchten, eine wildwüchsige Tallandschaft mit reichem Blumenwuchs und Büscheln Heidekraut, und dort hielten sie inne und sattelten ihre Pferde ab, um sie grasen zu lassen. Horatius streckte sich im Schatten neben Morgan aus, und Arthur tat es ihm gleich, legte seinen Kopf auf ihren Schoß, während sie sich an eine Tanne lehnte. Es war kühl hier im Schatten, und er schloß erfreut die Augen, vertraute das Gewicht seines Kopfes mit langgewohnter Leichtigkeit Morgan an. Sie legte eine Hand auf sein schwarzes Haar, das von dem Ritt zerzaust war und jetzt ihre Knie bedeckte.

»Vater war heute morgen ungewöhnlich einsilbig«, sagte sie.

»Er kann mich nichts mehr lehren.« Er klang sehr nüchtern. Schläfrig. Offensichtlich genoß Arthur die Berührung ihrer Hand. »Er hat sein Instrument, vollständig gestimmt und bereit. Jetzt müssen wir abwarten, was er damit vorhat.«

»Du bist erst fünfzehn«, sagte sie.

Er schaute in ihre braunen Augen hinauf. »Ich werde nächstes Jahr fortgehen«, sagte er. »Ich muß es tun. Cai ging mit sechzehn.«

»Ich weiß.«

Er zog ihre Hand einen Augenblick zu seinem Mund herab und setzte sich dann auf. »Ich bin zu jung!« sagte er ungestüm. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen. »Zu jung, um in den Krieg zu ziehen, zu jung, um dich zu heiraten. Aber ich fühle mich nicht jung, Morgan. Ich fühle mich…« Er fuhr sich mit einer Hand durch das zerzauste Haar. Seine friedliche Stimmung war verflogen. Seine Nasenflügel waren zusammengekniffen und seine Augen verengt.

Morgan neigte den Kopf. »Ich weiß«, sagte sie erneut.

Er schaute zu ihr hinüber. Ihr hübscher Kopf mit dem langen, gleichmäßig geschnittenen, seidigen Haar, war gesenkt. Wo sich das Haar teilte, konnte er ihren Nacken sehen. Er war milchig weiß, anders als die gebräunte Haut ihrer Wangen und ihrer Stirn. Er konnte die Weichheit ihres Nackens fast unter seiner Hand spüren.

Morgan gehörte ihm, und er gehörte Morgan. Wenn sie nur nicht so jung wären!

Morgan bewegten wie immer, die gleichen Gedanken. »Versprich es mir«, sagte sie, »versprich mir, daß du mich heiraten wirst, bevor du fortgehst.«

Sie sahen einander an, und während sie dies taten, fiel die Hülle der Kindheit von ihnen ab. Niemand, der sie kannte, hatte zuvor jemals den ernsten und erwachsenen Ausdruck auf den beiden jungen Gesichtern gesehen.

»Wird er es zulassen?« fragte Arthur. »Du bist seine Tochter, und Gott allein weiß, wer ich bin.«

»Ich weiß es nicht. Es ist mir gleichgültig. Wir werden es in jedem Fall tun.«

Er setzte sich neben sie, legte einen Arm um ihre Schulter und hielt sie an sich gedrückt. Er staunte immer wieder über die Kraft und Beweglichkeit ihres zarten, jungen Körpers. »Ja«, sagte er. »Wir werden es in jedem Fall tun.«

»Jetzt kommen die jungen Leute«, sagte Ector herzlich, als Arthur und Morgan den Eßraum betraten. Er mußte über die beiden lächeln, als sie ihre Plätze einnahmen.

Ector war bei weitem das unkomplizierteste Mitglied des Haushalts von Avalon. Er war fast so begeistert von Arthur und Morgan wie von seinem eigenen Jungen, und in seinen Augen waren sie immer noch Kinder. Besonders Arthur und Morgan. Sie streiften noch immer auf ihren Ponies durch die Wälder, verbrachten Nachmittage hoch in ihrem Baumhaus verborgen und kümmerten sich um Morgans viele Tiere.