Die Heldformel - Mike Krzywik-Groß - E-Book

Die Heldformel E-Book

Mike Krzywik-Groß

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Beschreibung

Das Überleben im Schatten der Pyramide des unsterblichen Gottkaisers ist hart. Umso glücklicher ist der junge Pahlek, als er in der Arena Barnors eine magere Pantherkeule ergattert. Doch als ihm plötzlich der Mord an einem Senator angehängt wird, muss er sich entscheiden: Flieht er oder begibt er sich auf eine Reise, die ihn zum Helden machen könnte ... Sie merken: Das Abenteuer ruft! Doch wie schreibt man eigentlich eine spannende Geschichte? Gibt es ein Rezept, eine Heldformel? In diesem besonderen Leitfaden für Autoren vermischen sich Theorie, Inspiration und angewandte Praxis: Mike Krzywik-Groß schlüsselt zusammen mit sieben weiteren Phantastik-Autoren die extra für dieses Projekt verfasste Erzählung "Barnors Herz" auf und erklärt anschaulich die Prinzipien einer klassischen Heldenreise. "Die Heldformel" ist ein einzigartiger Mix aus Sachbuch und Phantastik, der vielleicht auch Sie zu inspirieren vermag: ein höchst unterhaltsames Praxishandbuch zur Heldenerschaffung.

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Seitenzahl: 161

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periplaneta

MIKE KRZYWIK-GROSS & RALF KURTSIEFER (Hrsg.): „Die Heldformel – Der Stoff, aus dem gute Geschichten sind“

1. Auflage, November 2016, Periplaneta Berlin, Edition Drachenfliege

© 2016 Periplaneta - Verlag und Mediengruppe Inh. Marion Alexa Müller, Bornholmer Str. 81a, 10439 Berlin www.periplaneta.com

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, Vervielfältigung, Digitalisierung, kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Die Handlung und alle handelnden Personen sind erfunden.

Idee & Musik: Ralf Kurtsiefer Idee & Sachtextteil: Mike Krzywik-Groß Barnors Herz: Mike Krzywik-Groß, Christian Lange, Anja Helmers, Stefan Schweikert, Melanie Kurtsiefer, Torsten Exter, Ann-Kathrin Karschnick und Gudrun Schürer

Lektorat: Marion Alexa Müller Cover: Nicole Altenhoff (www.nicoletta-illustration.de) Satz & Layout: Thomas Manegold

print ISBN: 978-3-95996-028-1 epub ISBN: 978-3-95996-029-8

Die Heldformel

Der Stoff, Aus dem

gute Geschichten sind

von MIKE KRZYWIK-GROSS (Hrsg.)

und RALF KURTSIEFER (Hrsg.)

periplaneta

Vorwort

Im Jahr 2014 schrieb mich Ralf Kurtsiefer an und fragte, ob ich nicht ein Buch mit ihm zusammen machen wolle.

Ralf war mir bekannt als begnadeter Komponist, der zu diesem Zeitpunkt die Szene der Phantastik-Rollenspiele in Deutschland akustisch aufmischte. Warum er noch nicht den Weg nach Hollywood gefunden hatte, ist mir schleierhaft. Er schreibt seit langem cineastische Soundtracks für allerlei Verlage und befreundete Künstler. Auch ich hatte bereits die Ehre, mit ihm zusammenzuarbeiten, da er zu meinen Romanen repräsentative Musikstücke produzierte.

Da die Kooperation mit Ralf wirklich das reinste Vergnügen gewesen war, ließ ich mich nicht lange bitten. Ich sagte zu, ohne überhaupt genau zu wissen, auf was ich mich da einließ. Das Buch sollte sich um die Heldenreisedrehen, einen erklärenden Sachteil, eine abgeschlossene Erzählung und ihre Vertonung kombinieren.

Da wir beide gerade in diverse Projekte verstrickt waren, schoben wir die Idee vor uns her und ich vergaß sie im Laufe des Jahres fast. Aber Ralf blieb hartnäckig, erinnerte mich regelmäßig und nun haben wir es vollbracht.

Wir versammelten eine Gruppe feinsinniger Autorinnen und Autoren um uns, die für die einzelnen Stationen der Erzählung Barnors Herz ihre Vision und Version beisteuern sollten. Gerade diese Vielfalt von Schreibstilen und Betrachtungswinkeln war ganz im Geiste der Heldenreise. Uns war es wichtig, nicht die alleinige Deutungshoheit zu beanspruchen. Vielmehr stellten wir lediglich den Rahmen einer Geschichte, welche repräsentativ für das Arbeiten mit der Heldformel steht. Den Inhalt – das Fleisch auf den Rippen – erschufen unsere wundervollen Autoren und Autorinnen, die die Welt rund um Barnors Herz mit sprudelnden Leben und kreativen Ideen förmlich zum Brodeln brachten. Ralf und ich sind euch hierfür unendlich dankbar.

Parallel zu dem Schreiben an der Geschichte entstanden die Lieder von Ralf. Er schaffte es immer wieder, mich zu überraschen, zu verzaubern und zu beeindrucken. Mit traumwandlerischer Sicherheit zeichnete er die einzelnen Stimmungen nach und traf sie präzise bis ins Mark. Seine Kompositionen erklären die Stationen der Heldenreise mindestens so gut, wie ich es mit Worten vermag – wahrscheinlich sogar deutlich besser. Obendrein, und das war ein Novum in unserer Kooperation, war er deutlich schneller als die schreibende Zunft, so dass seine Songs uns Autoren als Inspiration dienten. Ein besonderer Schatz, wie ich feststellen konnte.

Die Kreativität der Autorinnen und Autoren, Ralfs Musikstücke und ein erklärender Unterbau sind die drei Säulen, auf denen unser Projekt der Heldformel fußt. Dieses Buch versteht sich nicht als wissenschaftlicher Beitrag zu einem Diskurs über Erzählstrukturen, auch wollen wir nicht die Charts mit unserer CD stürmen. Unser Ziel ist es, Ihnen einen unterhaltsamen Einstieg in das Konstrukt der Heldenreise zu bieten. Einen Leitfaden für Autoren und Musiker, mit der Sie bereits nach dem ersten Durchlesen etwas anfangen können und der Ihre Wahrnehmung von Dramaturgie verändern wird.

Die Heldenreise ist ein relevantes Schema und wir raten jedem Geschichtenerzähler – egal, in welchem Medium er seine Kreativität ausdrückt – sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Natürlich muss ein Künstler diese Struktur nicht benutzen, aber es sei ihm geraten, sich zumindest bewusst dagegen zu entscheiden.

Lernen Sie die Heldformel und den Stoff, aus dem gute Geschichten sind, auf den folgenden Seiten kennen. Ob Sie nun in einem Kurs zu kreativem Schreiben sitzen oder verstehen möchten, warum manche Blockbuster erfolgreicher sind als andere, ist dabei nicht wichtig. Wir werden Ihnen helfen, die Struktur zu durchschauen, so dass Sie diese beliebig adaptieren können. Dies ist unsere Liebeserklärung an die Reise des Helden.

Die Reise beginnt

Der Ursprung

In der Filmstadt Hollywood steht es in jedem Büro in großen Lettern an den Wänden. Hunderte Drehbuch-Agenten haben es auf die Innenseiten ihrer Brillengläser eingravieren lassen und George Lucas soll, während der Dreharbeiten zu Krieg der Sterne, sich selbst die einzelnen Stationen der Heldenreise auf seinen Unterarm tätowiert haben. Ohne die Heldenreise gäbe es kein modernes Kino. Doch, was ist sie eigentlich diese ominöse Reise des Helden? Und woher stammt sie?

Es hält sich ein hartnäckiges Gerücht: Einst wurde ein geheimes Papier innerhalb des Disney-Konzerns von Schreibtisch zu Schreibtisch gereicht. Es herrschte ein aufgeregtes Gemurmel und vereinzelte Jubelschreie erklangen. Hinter vorgehaltener Hand wurde damals davon gesprochen, Disney hätte den erzählerischen Stein der Weisen gefunden und würde nun Blockbuster am laufenden Band produzieren (womit man nicht ganz unrecht hatte).

Dieses Konzept sollte die perfekte Geschichte immer wieder aufs Neue reproduzieren können. Abenteuer oder Liebesdrama? Kriegs- oder Trickfilm? Alles kein Problem! Diese Formel bezog sich auf alle (!) Genres.

Doch was steht in diesem Top-Secret-Konzept? Was macht es so besonders? Wie kann eine einzige Idee für jede Geschichte dieser Welt gelten?

Gehen wir diesen Fragen doch auf den Grund. Willkommen auf Ihrer persönlichen Heldenreise!

Das Erschaffen einer Welt

„Die Reise des Helden ist keine Erfindung,

sondern eine Wahrnehmung.“

Christopher Vogler

Im Konstruktivismus geht man davon aus, dass jeder Mensch seine eigene Wahrnehmung von der ihm umgebenden Welt erschafft. Man spricht von einer individuellen Repräsentation. Dies bedeutet, wie bei einem Gemälde von M. C. Escher, dass zwei Betrachter derselben Sache Unterschiedliches sehen und empfinden können. Nur weil es für mich eine todbringende, ekelerregende Schlange ist, kann es für mein Gegenüber eines der geschmeidigsten, würdevollsten Geschöpfe dieser Welt sein. Der moderne Wolkenkratzer wirkt auf mich kalt und gefühllos; jemand anderes bezeichnet ihn vielleicht als luxuriösen Tempel der Neuzeit. Die menschliche Wahrnehmung ist geprägt von individuellen Lebens- und Lernerfahrungen.

Es gibt tatsächlich mehr als zwei Seiten einer Medaille. In Abhängigkeit davon, was ich zum Beispiel als Kind gelernt habe, finde ich den Beruf des Busfahrers faszinierend – oder ich habe panische Angst vor Menschen an großen Lenkrädern. Natürlich ist das ein extremes Beispiel, jedoch sind die Interpretationsmöglichkeiten des Erlebten so vielseitig wie die menschliche Wahrnehmung selbst.

Der Konstruktivismus beeinflusst das Konzept der Heldenreise auf zweierlei Weise.

Zuerst muss man verstehen, dass es sich bei der Heldenreise nicht um eine Erfindung handelt. Niemand saß an einem Reißbrett und dachte sich: „Heute erfinde ich ein revolutionäres Konzept!“

Vielmehr ist die Heldenreise eine Hilfe, um den Aufbau einer Geschichte erkennen und deuten zu können und eine formale Konstruktion, um die liebgewonnenen Rhythmen des Erzählens eingängig festzuhalten. Sie steht für eine Struktur, die uns hilft, Geschichten zu erzählen, die fesseln und unterhalten.

Zweitens fußt die Heldenreise auf der Erkenntnis, dass in allen individuellen Wahrnehmungsprozessen tatsächlich die eine oder andere universelle Konstante existiert. Der US-amerikanische Publizist Christopher Vogler spricht in diesem Zusammenhang von einem Monomythos. Bereits der (politisch nicht unumstrittene) Schweizer Psychologe Carl Gustav Jung stellte in seinen Forschungen fest, dass konsistente Ankerpunkte in der Wahrnehmung der Menschen existieren, welche unabhängig von Kultur, Geschlecht oder Alter gelten. Es handele sich dabei um festgeschriebene Rollen, die sich weltweit in den Gefügen der Menschen wiederfinden und dementsprechend auch in ihren Geschichten: die Archetypen. Sie sind fester Bestandteil der Heldenreise und werden in diesem Buch aufgegriffen und erläutert.

Super Heroines

Natürlich versuchen wir, mit allem, was in diesem Buch steht, auch die weibliche Seite zu integrieren. Pahlek, der Held unserer Geschichte, hätte genauso gut eine Frau sein können, jede Geschlechterrolle ist austauschbar und kann im Sinne des modernen Genderdiskurses gesehen werden. Probieren Sie es doch einmal im Kopf: Gandalf eine Frau? Kein Problem, oder?

Trotzdem fühlt es sich noch für viele Menschen fremd an, eine Frau in der Rolle der Heldin zu sehen. Aktuell tobt eine Diskussion über die weiblichen Figuren im Marvel-Universum der Avengers, was ein recht erschreckendes Bild über den Stand der Emanzipation in unserer Gesellschaft zeichnet. Auf der anderen Seite ist es in weiten Teilen absolut legitim, dass es Abenteurerinnen gibt, die sich aufmachen, um Hindernisse zu überwinden, Herausforderungen zu meistern und das Elixier zu erstreiten. Zwar hatten wir uns bemüht, eine weibliche, vielleicht sogar feministische Sicht der Heldenreise im wissenschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Diskurs zu finden. Doch die entsprechenden Quellen sind äußerst dünn und verweisen meist lediglich auf die Universalität des Konstrukts. Lediglich einige obskure esoterische Seiten gehen auf Unterschiede ein, doch die wollen wir lieber ignorieren.

Unserer Auffassung nach kann die Heldenreise universal erzählt werden. Ganz egal, ob der Held mehrfach weinen muss (darf!) oder die Heldin einen Vollbart hat. Beide Anteile finden sich sowohl in dem Konstrukt wie auch in unserer Erzählung wieder, was die Struktur meta-geschlechtlich macht.

Die Reise der Heldin wäre in ihrem Aufbau identisch. Aufgrund der umfassenden und generalisierten Deutungsweise ist die Heldformel auf alle Geschlechter (und darüber hinaus) anwendbar.

Das Gleiche gilt für die Konsumenten von Filmen oder Büchern, die nach dem Strickmuster der Heldenreise erstellt wurden. Auch dort scheint kein signifikanter statistischer Unterschied in der Zusammensetzung des Publikums zu existieren. Trennend ist dabei das Genre, aber nicht die zugrundeliegende Struktur der Erzählweise.

Modernes Heldentum

Der Umgang mit dem Begriff Heldist im gesellschaftlichen Kontext schwierig. Christopher Vogler schrieb in seinem Werk über die Reise des Helden folgerichtig, dass es sich bei den Deutschen um ein herophobes Volk handele. Aufgrund der Ereignisse während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft ist man vorsichtiger geworden, nach Helden zu rufen. Doch leider merkt man Voglers Abhandlung an, dass sie bereits ein paar Jahre auf dem Buckel hat.

Die Deutschen haben mittlerweile kein Problem mehr damit, sich wieder als Helden zu bezeichnen. Es gibt einen deutlichen kulturpolitischen Wandel hin zu einem unreflektierten Umgang mit dieser Bezeichnung. Immer häufiger stolpere ich über solch unsägliche Wortschöpfungen wie „Lieferheld“, „Kiezheld“ oder „Familienheld“. So etabliert sich zum Beispiel im Profifußball zunehmend eine unkritische Heldenverehrung. Regelmäßig titeln deutsche Tageszeitungen mit Slogans wie „Wer wird der Aufstiegsheld?“ – als bräuchte es nur eine einzelne Person, die über sich hinaus wächst, um das „Wunder“ zu erreichen.

Aufgrund unserer Historie und den Gräueltaten der Deutschen im Nationalsozialismus, wo es einen massiven Missbrauch des Heldenbegriffes gab, sollte ein sensibler Umgang mit dem Begriff Held gewählt werden. Der Wunsch nach dem einen Heilsbringer darf und sollte durchaus kritisch hinterfragt werden.

Nichtsdestotrotz halten wir den Begriff im Rahmen des, in diesem Buch dargestellten Konzepts für unersetzbar. Denn der Held ist keineswegs eine real handelnde Person, sondern der Typus eines wandelbaren Protagonisten. Eine Projektionsfläche, auf die wir unsere Wahrnehmung fokussieren, ein Füllhorn unserer Wünsche und Hoffnungen. Der Held ist der Blickgeber. Aus seinen Augen sehen wir einen Großteil der in den Geschichten beschriebenen Welten. Seine Erfahrungen, Ressourcen und auch Schwächen bilden den Erlebnishorizont unseres Lesens. Wir hätten in diesem Zusammenhang also durchaus auch von „der Reise des Protagonisten“ sprechen können. Jedoch entstammt unsere Sicht der Spannungsliteratur, in der es gilt, Abenteuer zu erleben und dem Schurken das Handwerk zu legen. Da passt er dann wiederum, der Begriff des Helden.

Die Heldformel

Im Jahr 1949 veröffentlichte Joseph Campbell das Buch Der Heros in tausend Gestalten, welches das Time Magazin unter die einhundert wichtigsten Bücher wählte. Campbell erforschte darin die Mythen der Welt. Er beschränkt sich nicht auf die in unserem Kulturkreis bekannten Märchen und Sagen, sondern nahm seine Aufgabe sehr ernst und drang tief in die geistige Welt unterschiedlichster Kulturen, Naturvölker und untergegangener Zivilisationen vor. Dabei fielen ihm Muster auf, wiederkehrende Gesetzmäßigkeiten in den Erzählstrukturen. Bereits in der Saga von Odysseus sind sie verankert und dank Christopher Vogler und seinem Standardwerk Die Odyssee des Drehbuchschreibers hat die Heldenreise Einzug in Hollywood gehalten.

Sowohl Vogler als auch Campbell strukturierten den Aufbau einer Geschichte in mehrere Abschnitte: wichtige Stufen, die sich reproduzieren ließen und dem Leser, Zuhörer oder der Kinobesucherin ein vertrautes Geschichtenmodell boten. Es ist vergleich- und kombinierbar mit der klassischen Dreiaktstruktur einer Erzählung, nur wesentlich detaillierter.

Die Abschnitte der Heldenreise

1. Die gewohnte Welt des Helden

2. Ruf des Abenteuers

3. Verweigerung

4. Der Mentor weist den Weg

5. Überschreiten der ersten Schwelle

6. Erste Bewährungsproben sowie Verbündete und Feinde

7. Der Held betritt die Höhle und trifft dabei auf den Gegner

8. Konfrontation und Überwindung des Gegners

9. Der Held wird belohnt

10. Rückweg

11. Die Auferstehung

12. Abschließend tritt der Held mit dem Elixier den Heimweg an

Dies sind sie also, die berühmten Phasen der Heldenreise. Wir haben uns hier bewusst an die Voglersche Weiterentwicklung von Campbells Stufen gewagt, da wir sie für passgenauer halten. Die Aufteilung und Benennung genau dieser zwölf Abschnitte zeigt für uns die DNA des Geschichtenerzählens:

Zu Beginn einer Geschichte wird derHeldin seiner gewohnten Umgebung gezeigt. Erst derRuf des Abenteuersdurchbricht seinen Alltag. Jede Erzählung braucht natürlich Konflikte und so weigert sich unserHeld, dem Ruf zu folgen. Er benötigt erst einenMentor, der ihm den richtigen Weg weist, ehe er die entscheidende Schwelle übertritt. Dies geht häufig einher mit der Überwindung eines Hüters.

Während unser Protagonist die ersten Schritte in der neuen Welt unternimmt, begegnen ihm neue Freunde und Verbündete, die er in seiner gewohnten Umgebung niemals gefunden hätte. Aber auch Feinde sammeln sich, um denHelden aufzuhalten.

Der Protagonist muss das Grauen dieser Welt erkennen und die Entscheidung fällen, diese Unbill zu beseitigen, indem er sich seiner Aufgabe stellt. Es kommt dabei zur Konfrontation mit demSchatten, welcher besiegt werden kann. DerHelderlangt dadurch sein Ziel und begibt sich auf den Rückweg, um dabei festzustellen, dass er sich verändert und entwickelt hat. Die Geschichte hat ihn transformiert. Er kann sich jetzt den Herausforderungen seines alten Lebens stellen.

Sind Ihnen Parallelen zu Ihrem Lieblingsfilm aufgefallen? Mussten Sie, wie es mir häufig bei der Heldenreise geht, ebenfalls an Krieg der Sterne denken?

Dabei wollen wir es natürlich nicht belassen. Schließlich wollen wir Ihnen in diesem Buch einen unterhaltsamen Ansatz mit an die Hand geben, um die Dramaturgie der Heldenreise zu erkennen, zu verstehen und – wenn Sie denn wollen – zu benutzen.

Deswegen haben wir Ihnen eine Geschichte geschrieben. Für dieses besondere Projekt konnten wir Christian Lange, Anja Helmers, Stefan Schweikert, Melanie Kurtsiefer, Torsten Exter, Ann-Kathrin Karschnick und Gudrun Schürer gewinnen.

Anhand unserer kollektiven Erzählung Barnors Herz wollen wir Ihnen die zwölf Stationen der Heldenreise näherbringen und Sie ganz nebenbei auch noch spannungsvoll unterhalten. Jeder Abschnitt wurde von unseren Autoren extra so gestaltet, dass er gut nachvollziehbar die Reise des Helden widerspiegelt.

Aus diesem Grund haben wir unseren Helden Pahlek in zahlreiche Konflikte gestoßen. Halten Sie gerne Ausschau nach Schwellen der einzelnen Abschnitte, nach Archetypen oder genießen Sie einfach die fabelhafte Geschichte unserer Autorinnen und Autoren. Sie werden nichts verpassen, denn im Nachgang werden wir ein Spotlight auf die einzelnen Faktoren und Entscheidungen werfen, damit Ihnen auch nichts entgeht.

Sie bekommen die einzelnen Stufen anhand unserer Geschichte erklärt. Wir werden Ihnen konkret begründen, warum wir Dinge dramaturgisch aufgebaut und wie wir sie strukturiert haben. Denn, diese Illusion muss ich gleich zu Beginn nehmen: Die Reise des Helden ist selten intuitiv. Sie braucht Planung und eine präzise Struktur, um sich zu entfalten.

Lehnen Sie sich also zurück, starten Sie die CD und lassen Sie die Geschichte auf sich wirken.

Und nun: Vorhang auf und viel Spaß!

Barnors Herz

Als der letzte Gladiator die Arena verlassen hatte und nur noch die Kadaver der Schwachen im Rund des Kampfplatzes lagen, begann die Stunde der Ratten.

Sie standen am vergitterten Tor und sahen zu, wie die Wachen die letzten Zuschauer im größten Amphitheater Barnors von ihren Plätzen vertrieben. Das Publikum sollte sich am Kampf ergötzen, den Siegern zujubeln und die Schwachen sterben sehen. Das Entsorgen jener, die im Sand geblieben waren, hatte jedoch ohne Öffentlichkeit stattzufinden. Die Aufräum­arbeiten hätten der Illusion die Maske heruntergerissen. Schließlich war da nichts Glorreiches mehr, wenn die Sand­ratten ihre Arbeit begannen.

Pahlek schaute sich um. Etwa ein Dutzend von ihnen hatte es heute bis ans Rattentor geschafft. Die meisten waren in seinem Alter. Noch keine richtigen Männer, aber längst keine Kinder mehr. Ihre Namen kannte er nicht.

Wie alle anderen hatte er sich die Münzen mühsam zusammengespart, die nötig waren, um beim Verwalter des Amphitheaters eine Lizenz zu erwerben, die ihm erlaubte, den blutigen Sand nach den Kämpfen zu säubern. – Nein, das war nicht richtig. Seine Ersparnisse hatten nicht gereicht. Und so hatte er sich an Mutters Notgroschen vergriffen. Normalerweise kamen Ratten ja mit mehr Geld aus der Arena, als sie hineingegangen waren. Hoffentlich würde es sich heute auch für ihn lohnen.

Zwar hatten die toten Gladiatoren keine wertvollen Sachen mehr bei sich, Waffe und Rüstung standen schließlich dem Sieger des Duells zu, aber ein paar schmutzige, blutige Sandalen, Tuniken oder Gürtel gab es meistens zu holen. Der Hauptgewinn aber war, wenn ein Gladiator darauf hoffte, ein ordentliches Begräbnis zu bekommen. Dann nahm er nämlich eine gut gefüllte Geldkatze mit in den Kampf. Es gehörte zum guten Ton unter den Sandratten, ein solches Geldgeschenk entsprechend zu honorieren. Die Überreste des Toten wurden dann nicht einfach in die nächste Kanalisation geschleift, sondern zu einem der Friedhöfe am Rande der Stadt, wo viele namenlose Tote ihre letzte Ruhe fanden.

Oder man hatte Glück, und die Senatoren hatten, wie heute, wilde Tiere auf die Kämpfer gehetzt. Eine Löwenkeule war nicht zu verachten. Auch Bärentatzen waren lecker, wenn man sie eine Weile schmorte. Eine Hyäne hingegen schmeckte so scheußlich, wie sie aussah. Aber wer keine Wahl hatte, aß, was die Arena ihm bot.

Die Posaunen waren verklungen, die Tribünen leer. Nur oben, in der Loge der Senatoren, war noch jemand. Pahlek zog seinen alten Rucksack fester, prüfte den Sitz der kleinen steinernen Klinge in seinem Gürtel. Dann öffnete sich quietschend das Tor.

„Los, ihr Ratten. Und beeilt euch, die Sonne geht bald unter“, rief einer der beiden Bewaffneten, die sie bei ihrer Arbeit beaufsichtigten.

Pahlek hatte sich einen Leichnam am Rande ausgesucht. Der sah vielversprechend aus, Sandalen, Gürtel, sogar einen alten Lederhelm hatte man dem Toten gelassen. Doch noch bevor er richtig losgelaufen war, bekam Pahlek einen Stoß in den Rücken, stolperte, fiel hin. Als er wieder auf die Beine kam, waren die anderen Sandratten bereits an ihm vorbei.

„Rattenscheiße“, fluchte er leise und schaute sich um. Für die Körper der sechs Gladiatoren, die heute in der Arena geblieben waren, hatten sich bereits neue Besitzer gefunden. Diese hockten auf den Leichen, hatte ihre Dolche oder Messer gezogen und beschränkten sich erst einmal aufs Verteidigen. Zwar galt es unter den Ratten als unfein, einen anderen beim Säubern des Kampfplatzes zu töten, aber es kam trotzdem hin und wieder vor.

Seine Arme waren nicht stark genug für den Kampf um eine Leiche. Vor allem aber hatte er Angst davor. Angst vor den Schmerzen, Angst vor den unvermeidlichen Wunden, die sich entzünden würden. Er könnte krank werden, und das ging nicht!

Er war der Einzige, der in seiner Familie Geld verdiente. Nein, es ging nicht. Kein Risiko.