Die junge Gräfin 12 – Adelsroman - Michaela Dornberg - E-Book

Die junge Gräfin 12 – Adelsroman E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Sie ist jung, sie ist schön, und sie ist stolz – ihr Vater, der alte Graf und Patriarch Benno von Waldenburg, weiß genau, warum er seine Lieblingstochter dazu auserkoren hat, die Herrin auf Schloss Waldenburg zu werden. Es ist die große Überraschung, die er auf der herrlichen Feier anlässlich seines 60. Geburtstags verkündet. Sie führt zum Eklat – denn sein maßloser, ungeratener Stiefsohn Ingo denkt gar nicht daran, auf seine Ansprüche zu verzichten. Er will vor Gericht klagen. Die gräfliche Familie wird unruhige Zeiten erleben. Aber Die junge Gräfin geht unbeirrt ihren Weg – ihr natürlicher Charme, ihre Ausstrahlung, ihr Esprit machen sie zu einer wundervollen, von der Männerwelt umschwärmten Frau. Niemand kann ihr widerstehen, während sich Die junge Gräfin herzensgut, doch auch sehr wählerisch zeigt. Denn sie weiß, was sie will – und auch, wen sie will. Die junge Gräfin ist eine Familiensaga, die ihresgleichen sucht. Die Erfolgsschriftstellerin Michaela Dornberg, bestens bekannt als Autorin der beliebten Serien Die Fahrenbachs und Der neue Sonnenwinkel, zieht alle Register. Die junge Gräfin ist eine weit herausragende Figur, ein überzeugender, zum Leben erwachender Charakter – einfach liebenswert. Alexandra von Waldenburg sah sich im Spiegel an, dann schüttelte sie den Kopf. Nein, das war sie nicht! Hier hatte sie einfach zu tief in den Farbtopf gegriffen. Sie ging nicht zu einem Fernsehauftritt, wo sie wegen der vielen starken Scheinwerfer mehr als üblich geschminkt sein musste. Sie wollte zu Mike fahren, und der kannte sie eigentlich eher naturgelassen und würde sich sehr wundern, sie so zu sehen. Also herunter mit allem. Als Alexandra sich wenig später wieder ansah, war sie zufrieden. Ja, das war sie. Ein wenig Wimperntusche, Rouge und Lippenstift, das reichte vollkommen. Das passte auch zu der beigen Leinenhose, dem weißen T-Shirt und der leichten Sommerjacke. Und die Haare? Mit denen machte Alexandra auch kurzen Prozess und bürstete sie nur einfach glatt herunter. Jetzt konnte sie zufrieden sein. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, welche Schnapsidee sie in die Tat umsetzen wollte. Es war verrückt! Aber dennoch wusste Alexandra, dass sie, wenn sie es jetzt nicht tun würde, die Finger ganz davon lassen würde. Sehr eilig verließ sie ihre privaten Wohnräume und rannte die Treppe hinunter. Zum Glück sah sie niemanden vom Personal, der Köchin hatte sie Bescheid gesagt, dass sie zum Essen nicht daheim sein würde, und im Gegensatz zu Klara, die noch immer Urlaub hatte, schien es deren Vertretung nichts auszumachen. Im Gegenteil, Alexandra hatte den Eindruck, dass sie froh darüber war, wenn sie zum Essen nicht zu Hause war, das ersparte der Guten Arbeit. Für Klara war ihr Beruf im wahrsten Sinne des Wortes Berufung.

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Die junge Gräfin – 12 –

Enttäuscht – verfolgt – verliebt!

… und noch dazu in brenzliger Lage

Michaela Dornberg

Alexandra von Waldenburg sah sich im Spiegel an, dann schüttelte sie den Kopf.

Nein, das war sie nicht!

Hier hatte sie einfach zu tief in den Farbtopf gegriffen. Sie ging nicht zu einem Fernsehauftritt, wo sie wegen der vielen starken Scheinwerfer mehr als üblich geschminkt sein musste.

Sie wollte zu Mike fahren, und der kannte sie eigentlich eher naturgelassen und würde sich sehr wundern, sie so zu sehen.

Also herunter mit allem.

Als Alexandra sich wenig später wieder ansah, war sie zufrieden. Ja, das war sie. Ein wenig Wimperntusche, Rouge und Lippenstift, das reichte vollkommen.

Das passte auch zu der beigen Leinenhose, dem weißen T-Shirt und der leichten Sommerjacke.

Und die Haare?

Mit denen machte Alexandra auch kurzen Prozess und bürstete sie nur einfach glatt herunter.

Jetzt konnte sie zufrieden sein.

Ja, mit ihrem Aussehen schon, aber ansonsten …

Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, welche Schnapsidee sie in die Tat umsetzen wollte.

Es war verrückt!

Aber dennoch wusste Alexandra, dass sie, wenn sie es jetzt nicht tun würde, die Finger ganz davon lassen würde. Und dann würde sie vermutlich ihr Leben lang von Vorwürfen der Art geplagt sein wie: warum habe ich nicht, hätte ich doch und ähnlich …

Sehr eilig verließ sie ihre privaten Wohnräume und rannte die Treppe hinunter.

Zum Glück sah sie niemanden vom Personal, der Köchin hatte sie Bescheid gesagt, dass sie zum Essen nicht daheim sein würde, und im Gegensatz zu Klara, die noch immer Urlaub hatte, schien es deren Vertretung nichts auszumachen. Im Gegenteil, Alexandra hatte den Eindruck, dass sie froh darüber war, wenn sie zum Essen nicht zu Hause war, das ersparte der Guten Arbeit.

Für Klara war ihr Beruf im wahrsten Sinne des Wortes Berufung. Sie liebte die Herausforderung, auch bei ihrer täglichen Arbeit, und selbst ein einfaches, von ihr zubereitetes Süppchen, war ein Hochgenuss.

Ihre Vertretung kochte nicht schlecht, sie machte es, weil sie dafür bezahlt wurde, lieferte gute handwerkliche Arbeit ab, mehr allerdings nicht.

Alexandra nahm es hin, aber bei ihren Eltern wäre die gute Frau damit nicht durchgekommen, die hätten mehr verlangt.

Ihre Eltern …

Während Alexandra in ihren Geländewagen stieg, der noch immer vor dem Eingangsportal stand, als hätte sie geahnt, dass sie noch mal wegfahren würde, dachte sie an sie.

Ihr Vater hatte ihr am Telefon erzählt, dass sie schweren Herzens Ingos Anwälten geschrieben hatten, wer sein leiblicher Vater war. Und nun würden die Dinge ihren Lauf nehmen.

Zunächst einmal würde es ihren Halbbruder wohl sehr freuen, dass sein Vater nicht irgendwer war, sondern aus einer sehr guten Familie stammte. Auch die von Dommelns gehörten zum alten Adel, und sie waren, was für Ingo wichtig war, sehr reich.

Aber …

Ingo würde ins offene Messer laufen, und niemand war dann an seiner Seite, um ihn aufzufangen. Er hatte es so gewollt, wie er alles gewollt hatte, was bisher geschehen war.

In seiner Sturheit, seiner Respektlosigkeit, aber auch in seiner Unverschämtheit hatte er einen tiefen Riss verursacht, der quer durch die Familie ging. Ihre Schwester Sabrina hatte es sich am einfachsten gemacht, sie hatte mit Ingo abgeschlossen, am ärgsten hatte es ihre arme Mutter getroffen, die ganz entsetzlich unter der Situation litt und deren Gesundheit dadurch bereits angegriffen war.

Ihr Leben im Ruhestand hatten ihre Eltern sich anders vorgestellt. Es hatte eine fröhliche, unbeschwerte Zeit sein sollen, frei von allen Verpflichtungen. Sie hatten nur füreinander da sein wollen, und endlich hatte Elisabeth von Waldenburg zum Zuge kommen sollen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen, nachdem sie jahrzehntelang zurückgesteckt und ihrem Ehemann Benno den Rücken freigehalten, sich um die Kinder und die gesellschaftlichen Verpflichtungen gekümmert hatte.

Es fiel Alexandra immer wieder schwer daran zu denken, dass es ausgerechnet der sechzigste Geburtstag ihres Vaters gewesen war, an dem die Bombe eingeschlagen war.

Es hatte so festlich, so schön angefangen, und die Familie und die geladenen Gäste waren bester Stimmung gewesen. Und wie sehr ihr Vater sich an seinem Ehrentag gefreut hatte über dieses schöne Fest, das sie ihm im Ballsaal auf Schloss Waldenburg ausgerichtet hatte. Alle waren sie da gewesen, ihre Schwester Sabrina, schwanger mit dem vierten Kind, ihren drei kleinen Töchtern und ihrem Ehemann Elmar von Greven.

Ingo war verspätet mit seiner neuen Flamme gekommen und war sofort ins erste Fettnäpfchen getreten, als er sich über Sabrinas Schwangerschaft lustig gemacht hatte. Er war so dreist gewesen, sie und ihren Mann Elmar mit Kaninchen zu vergleichen, die sich auch so rasant vermehrten.

Und danach hatte er sich auch nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert, als er Marion, seine Exehefrau gesehen hatte, die von Benno eingeladen worden war. Er hatte sie in Irland ausfindig gemacht, nicht nur sie, sondern auch die kleine Mi­chelle, die, wie sich rasch herausstellte, Marions und Ingos Tochter war. Ingo hatte es mehr oder weniger ungerührt zur Kenntnis genommen. Er hatte sich nicht ein einziges Mal mit Michelle beschäftigt, sie auf den Arm genommen, ein Wort an sie gerichtet. Nichts davon! Seine neue Freundin war ihm wichtiger gewesen. Im Grunde genommen hatte er nicht nur sein eigenes Kind missachtet, sondern auch die gesamte Familie links liegen gelassen.

Für ihn war dieser Geburtstag eine lästige Pflichtveranstaltung gewesen, die man schnell hinter sich bringen und dann wieder abreisen konnte.

Zunächst war es für niemanden überraschend gewesen, weder für die Familie, noch für die zahlreichen Gäste, als ihr Vater das Wort ergriffen hatte und sich für das schöne Fest und das Erscheinen der Gäste bedankte.

Was danach gekommen war, hatte allen den Boden unter den Füßen weggezogen, und damit hatte der Streit angefangen.

Benno von Waldenburg hatte vor allen verkündet, dass er sich ins Privatleben zurückziehen und zu seiner Nachfolgerin seine jüngste Tochter Alexandra, also sie, machen wollte!

Sie, nicht Ingo, den Ältesten!

Mit so etwas hatte niemand gerechnet, Ingo war wutentbrannt davongerannt und hatte seine Rechtsanwälte eingeschaltet, um zu seinem vermeintlichen Recht zu kommen.

Sie war wie benommen gewesen und hatte sich über die von Herzen kommenden Gratulationen nicht so recht freuen können.

Auch dann nicht, als sie erfahren hatte, dass Ingo, wäre er der Nachfolger ihres Vaters geworden, alles verkauft hätte. Er hatte schon im Vorfeld Grundstücksspekulanten, Bauunternehmer und Architekten nach Waldenburg geschickt, damit hernach alles ganz schnell gehen würde. Ingo wollte Geld, viel Geld, sonst nichts. Und er wollte frei sein von allen Verpflichtungen, die das Fortführen der Tradition nun mal mit sich brachten.

Ingo war ihr großer Bruder, an dem sie mit abgöttischer Liebe hing. Sie hatte ihn ganz anders gesehen, sehen wollen, als er wirklich war. Die Demontage eines Denkmals tat weh.

Doch es sollte noch schlimmer kommen.

Noch in dieser Nacht war durch eine unbedachte Äußerung ihres Vaters eine weitere Lawine ins Rollen gekommen!

Ein von ihren Eltern bis dahin streng gehütetes Geheimnis war ans Tageslicht gekommen …

Ingo war nicht der leibliche Sohn von Benno Graf von Waldenburg.

Seine Frau Elisabeth war mit ihm bereits schwanger gewesen, als sie sich kennengelernt hatten.

Niemand, wirklich überhaupt niemand, wäre auf den Gedanken gekommen, dass Ingo kein echter Waldenburg war. Benno hatte ihn geliebt wie einen leiblichen Sohn, und Elisabeth hatte ihn vergöttert.

Und Ingo wäre auch Bennos Nachfolger geworden, wenn er nicht versucht hätte, schon diese Vorverträge zu machen, hinter die Benno zufällig gekommen war.

Obschon Ingo radikal gegen seine Familie vorgegangen war, hatten sie alles versucht, eine Versöhnung herbeizuführen. Ingo hätte, ebenso wie bereits zuvor Sabrina, ein großes Vermögen geerbt, das ihm bis ans Ende seiner Tage ein sorgenfreies Leben ermöglicht hätte.

Aber das war ihm nicht genug, er wollte mehr, er wollte alles!

Alle Versuche, ihm schonend beizubringen, dass Benno nicht sein leiblicher Vater war, hatte er ignoriert. Er wollte mit der Familie nichts mehr zu tun haben, aber Geld zu nehmen, Bennos Unterschrift zu fälschen waren für ihn selbstverständlich, genauso wie die Dreistigkeit, illegal einen großen Baumbestand abholzen zu lassen.

Sie konnte es sich schönreden, sie konnte versuchen, ihm zu verzeihen. Wie ein Gentleman benahm Ingo sich nicht! Und da kam er wohl ganz auf seinen leiblichen Vater.

Er würde die von Dommelns aufsuchen in seiner großkotzigen Art und dort die erste Niederlage erleiden, indem man ihm sagen würde, dass man sich von Wolf losgesagt hatte.

Dann würde er seinen Vater ausfindig machen, und dann …

Alexandra lehnte sich zurück, schloss die Augen. Sie bekam Schweißausbrüche, wenn sie daran dachte.

Es würde wie ein Granatenhagel auf ihn herunterprasseln zu erfahren, dass sein leiblicher Vater Wolf von Dommeln ein Lebemann gewesen war, ein Zocker, der ein riesiges Vermögen durchgebracht hatte, wegen Betruges im Gefängnis war und nun auf Kosten des Staates in einem kleinen Appartement lebte, das ebenfalls vom Staat bezahlt wurde. Kurzum, Wolf von Dommeln war pleite, er besaß nichts mehr, ihm war nur sein Name geblieben, für den er sich allerdings jetzt auch nichts mehr kaufen konnte.

Es war alles ganz furchtbar, aber Ingo hatte auch das nicht anders gewollt. Marion war extra nach Deutschland gekommen, um es ihm im Namen seiner Mutter schonend beizubringen. Als er dahintergekommen war, dass seine Exfrau auf Schloss Waldenburg war, hatte er das Gespräch beendet.

Ingo, Ingo, dachte sie bekümmert, warum chaotest du bloß so herum?

All deine Probleme sind hausgemacht!

Wenn sie wüsste, dass Ingo das Waldenburg’sche Erbe im Sinne der Familie, der Tradition, weiterführen würde, dann hätte sie kein Problem damit, wieder zurückzutreten. Der Familienfrieden war ihr wichtiger als alles andere auf der Welt.

Leider war es nur Wunschdenken.

Ingo würde sich der Familientradition nicht beugen, er pfiff darauf, und durch ein solches Denken war er seinem leiblichen Vater wohl wirklich näher als den Werten, die sein bisheriges Leben begleitet hatten.

Alexandra merkte, wie ihre Gedanken sie immer tiefer hinunterzogen, wie sie traurig und unglücklich wurde, dabei war sie doch eigentlich auf dem Weg zu Mike, den sie überraschen wollte und mit dem sie auf einen Neuanfang hoffte.

Also, wenn sie wirklich zu Mike wollte, dann durfte sie jetzt nicht mehr an Ingo denken, dann musste sie endlich den Dingen ihren Lauf lassen, dann durfte sie ihren Bruder, den sie trotz allem noch immer liebte, nicht länger in Schutz nehmen, dann durfte sie nicht versuchen, für sein unmögliches Verhalten Entschuldigungen zu finden.

Ingo war wie er war!

Jetzt zeigte er seinen wahren Charakter!

Und wenn ihr Tradition, die Familie, Waldenburg so wichtig waren, und das war so, dann musste sie froh sein, dass es so gekommen war, dass man beizeiten Ingos Machenschaften aufgedeckt hatte!

Wenn es nach Ingos Vorstellungen gegangen wäre, hätten sie alles verloren, und dann hätte sie nicht nur ihre Heimat verlassen müssen, sondern sie hätte ihre Eltern nicht in der Toskana, sondern auf dem Friedhof besuchen können. Das hätten sie nicht überlebt.

Das musste sie sich immer vor Augen führen und Ingo endlich loslassen! Nicht lossagen! Das war ein Unterschied. Wenn er reumütig in den Schoß der Familie zurückkehren würde, konnte sie ihn mit offenen Armen empfangen und alles, was gewesen war an Unschönem, vergessen. Aber bis dahin durfte sie sich ihr Leben nicht vergiften lassen und Mutmaßungen anstellen, die sie allesamt nur herunterzogen. Und sie musste sich endlich von Schuldgefühlen freimachen für die es keinen Grund gab.

Ihr Vater hatte sie nicht bevorzugt, sondern so entschieden, wie es für den Fortbestand der Waldenburgs das Beste war.

Sie musste endlich anfangen stolz, glücklich und hocherhobenen Hauptes durchs Leben zu gehen.

Sie war Alexandra Gräfin von Waldenburg, und auch das war ein Privileg, dass sie nach den Hausgesetzen der Familie den Titel Gräfin tragen durfte ohne verheiratet zu sein.

Das hatte sie Caroline zu verdanken, ihrer Ur-Ur-Großmutter, die ebenfalls jung und unverheiratet die Chefin des Hauses Waldenburg geworden war. Und das zu der damaligen Zeit!

Caroline hatte bestimmt nicht gezaudert, war verzagt gewesen und hatte sich an Widerständen aufgerieben.

Ingo, es tut mir leid, murmelte sie, während sie ihr Auto startete, jeder ist seines Glückes Schmied, und wenn du es vermasselt hast, dann kann ich nichts dafür. Ich lasse dich los, und ich höre jetzt auf, mir deinetwegen Sorgen zu machen oder deinetwegen Schuldgefühle zu haben.

Während sie die lange Schlossauffahrt in Richtung Straße fuhr, merkte Alexandra, wie sie sich allmählich entspannte.

Sie dachte nicht mehr an Ingo, sondern Mike kam ihr in den Sinn, Mike Biesenbach, der Flugkapitän, der sowohl in seiner feschen Uniform als auch lässig gekleidet in Jeans und Shirt umwerfend aussah. Doch mehr noch als von seiner Attraktivität war sie von seinem Charakter beeindruckt.

Mike gefiel ihr, er gefiel ihr sogar sehr …

Sie musste an Caroline denken. Die hätte sich durch nichts ins Bockshorn jagen lassen, auch nicht dadurch, dass ihr Auserwählter Probleme mit Gräfinnen und Schlössern hatte.

Sie musste viel mehr an Caroline denken, sie sich noch mehr zum Vorbild nehmen. Das brachte ihr einen Energieschub, und den benötigte sie jetzt in jeder Hinsicht, denn in ihrem Leben gab es einige Baustellen.

Alexandra machte ihr Autoradio an, und schon im ersten Sender wurde Musik gespielt, die ihr gefiel.

Einen der Songs mochte sie sogar so sehr, dass sie ihn leise mitsummte.

Ja, sie würde sich nicht unterkriegen lassen!

Und nichts würde sie mehr herunterziehen!

Sie wollte wieder so sein, wie sie gewesen war, ehe der ganze Ärger mit ihrem Bruder Ingo angefangen hatte …, positiv!

Ein neues Lied fing an, eine Frauenstimme sang voller Inbrunst »Ich bin stark«.

Na, wenn das kein gutes Omen war.

Alexandra beschleunigte das Tempo, sie hatte es auf einmal sehr eilig.

*

Je näher Alexandra Hornberg kam, Mikes Wohnort, umso mehr wurde sie von unterschiedlichen Stimmungen erfasst, die sich zwischen sentimentalem Wunschdenken und einer herzklopfenbereitenden Aufgeregtheit bewegten.

Die Aufgeregtheit nahm ständig zu, und als Alexandra schließlich in Hornberg angekommen war, nahm sie ihr beinahe den Atem.

Direkt vor Mikes Haus war ein Parkplatz, eine Lücke, die groß genug war für zwei Autos.

Alexandra wusste nicht warum, wie unter einem Zwang fuhr sie um die Ecke, und es dauerte eine Weile, ehe sie aussteigen konnte.

Sie musste innerlich erst zur Ruhe kommen.

Gleich!

Gleich würde sie bei Mike klingeln!

Was würde er sagen, wenn sie so unerwartet vor ihm stand? Und wie würde sie sich verhalten? Ihm einfach ganz spontan um den Hals fallen oder nervös herumdrucksen.

Alexandra hatte nicht die geringste Ahnung!

Die Zeit verging, bis ihr bewusst wurde, dass sie noch immer in ihrem Auto saß.

Also, deswegen war sie nun wirklich nicht hergekommen, um dumm hier herumzusitzen.

Ein wenig steif vor innerer Anspannung schwang sie sich aus ihrem Fahrzeug, dann lief sie geradezu im Schneckentempo los.

Schritt für Schritt, um die Ecke, auf Mikes Haus zu.