Großes Theater – oder wahre Liebe - Michaela Dornberg - E-Book

Großes Theater – oder wahre Liebe E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Sie ist jung, sie ist schön, und sie ist stolz – ihr Vater, der alte Graf und Patriarch Benno von Waldenburg, weiß genau, warum er seine Lieblingstochter dazu auserkoren hat, die Herrin auf Schloss Waldenburg zu werden. Es ist die große Überraschung, die er auf der herrlichen Feier anlässlich seines 60. Geburtstags verkündet. Sie führt zum Eklat – denn sein maßloser, ungeratener Stiefsohn Ingo denkt gar nicht daran, auf seine Ansprüche zu verzichten. Er will vor Gericht klagen. Die gräfliche Familie wird unruhige Zeiten erleben. Die junge Gräfin ist eine Familiensaga, die ihresgleichen sucht. Die junge Gräfin ist eine weit herausragende Figur, ein überzeugender, zum Leben erwachender Charakter – einfach liebenswert. Der Briefumschlag flatterte zu Boden, ohne dass Alexandra es bemerkte. Mit beiden Händen, als könne sie daran Halt finden, umklammerte sie den Brief, dann ließ sie sich ächzend auf einen Stuhl fallen. Alexandra konnte es noch immer nicht glauben. Sie hätte wirklich mit allem gerechnet, aber nicht damit, nochmals etwas von Hendrik zu hören. Und dass er ihr Blumen schicken würde, darauf wäre sie im Traum nicht gekommen. Von allem, was an diesem Tage ­geschehen war, war das die Krönung. Oder sollte sie sagen … das Sahnehäubchen? Sie hatte sich schon sehr gefreut über diese wunderschönen Rosen an sich, dass sie von Hendrik Hoorgen gekommen waren, freute sie noch mehr. Ihre Hände zitterten vor Aufregung ein wenig, als sie sich endlich den Zeilen zuwandte, die er ihr geschrieben hatte. Sie war nicht aufgeregt, weil sie ein Geschenk eines Mannes bekommen hatte in den sie verliebt war. Nein, das war nicht der Fall. Es war ganz einfach nur Freude. Auch eine Gräfin Alexandra genoss es, bewundert zu werden; noch dazu von einem Mann, der charmant, gebildet, witzig war und dazu noch unverschämt gut aussah. Liebe Alexandra, las sie, alles, was ich Ihnen gesagt habe, ist zutreffend. Ich kann eher was mit einem Stamm Eingeborener im tiefsten Afrika anfangen als mit dem Adel. Und der Gedanke, in einem Schloss wohnen zu müssen, mag es noch so prachtvoll sein wie Ihr Schloss Waldenburg, ist gruselig. Aber…, wie ich es gesagt habe, das war absolut unmöglich. Und dafür möchte ich mich in aller Form entschuldigen, und es war auch sehr vermessen, denn niemand hat mich eingeladen, bei Ihnen zu wohnen, und Sie haben mich auch nicht dazu ermuntert, mich mit Ihnen zu verloben. Es waren wohl meine Bindungsängste, die mich dazu verleitet haben, mich so zu verhalten. Also nochmals die zweite Entschuldigung eines reuigen Sünders!

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Die junge Gräfin – 23 –

Großes Theater – oder wahre Liebe

… und eine schlimme Enttäuschung in der Familie

Michaela Dornberg

Der Briefumschlag flatterte zu Boden, ohne dass Alexandra es bemerkte.

Mit beiden Händen, als könne sie daran Halt finden, umklammerte sie den Brief, dann ließ sie sich ächzend auf einen Stuhl fallen.

Alexandra konnte es noch immer nicht glauben. Sie hätte wirklich mit allem gerechnet, aber nicht damit, nochmals etwas von Hendrik zu hören. Und dass er ihr Blumen schicken würde, darauf wäre sie im Traum nicht gekommen.

Von allem, was an diesem Tage ­geschehen war, war das die Krönung.

Oder sollte sie sagen … das Sahnehäubchen?

Sie hatte sich schon sehr gefreut über diese wunderschönen Rosen an sich, dass sie von Hendrik Hoorgen gekommen waren, freute sie noch mehr.

Ihre Hände zitterten vor Aufregung ein wenig, als sie sich endlich den Zeilen zuwandte, die er ihr geschrieben hatte.

Sie war nicht aufgeregt, weil sie ein Geschenk eines Mannes bekommen hatte in den sie verliebt war. Nein, das war nicht der Fall. Es war ganz einfach nur Freude.

Auch eine Gräfin Alexandra genoss es, bewundert zu werden; noch dazu von einem Mann, der charmant, gebildet, witzig war und dazu noch unverschämt gut aussah.

Liebe Alexandra, las sie, alles, was ich Ihnen gesagt habe, ist zutreffend. Ich kann eher was mit einem Stamm Eingeborener im tiefsten Afrika anfangen als mit dem Adel. Und der Gedanke, in einem Schloss wohnen zu müssen, mag es noch so prachtvoll sein wie Ihr Schloss Waldenburg, ist gruselig. Aber…, wie ich es gesagt habe, das war absolut unmöglich. Und dafür möchte ich mich in aller Form entschuldigen, und es war auch sehr vermessen, denn niemand hat mich eingeladen, bei Ihnen zu wohnen, und Sie haben mich auch nicht dazu ermuntert, mich mit Ihnen zu verloben. Es waren wohl meine Bindungsängste, die mich dazu verleitet haben, mich so zu verhalten. Also nochmals die zweite Entschuldigung eines reuigen Sünders! Sie haben mich von der ersten Sekunde an fasziniert, ein Eindruck, der durch unser Gespräch in dem Café noch verstärkt wurde. Und wie Sie mit meinem flegelhaften Benehmen umgegangen sind, das war ganz große Klasse. Zu alledem sind Sie auch noch wunderschön. Ich würde gern mit Ihnen in Verbindung bleiben, sehr gern sogar. Und ich würde mich wahnsinnig über ein Lebenszeichen von Ihnen freuen. Unter der folgenden Nummer können Sie mich Tag und Nacht erreichen.« Dann folgte, dick unterstrichen, mit großen, nicht zu übersehenden Zahlen, die Nummer. »Um Ihren Anruf nicht zu verpassen, werde ich mein Handy Tag und Nacht eingeschaltet lassen. Bitte, geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und verzeihen Sie einem Rüpel. Mit herzlichen Grüßen und ganz viel Hoffnung im Herzen verbleibe ich Ihr sehr ergebener Hendrik.

Seine Unterschrift war schwungvoll, wie er überhaupt eine sehr klare, männliche Schrift hatte. Aber das war ihr sofort aufgefallen, als sie den ersten Blick auf die Zeilen geworfen hatte.

Es folgte noch ein PS:

Testen Sie mich, ich kann sehr nett sein, wirklich.

Darüber musste sie lächeln.

Sie strich das Blatt glatt, ließ es auf ihren Schoß sinken.

Alexandra freute sich.

Sie freute sich sogar sehr.

Und hatte sie es sich nicht gewünscht, mit diesem Mann in Verbindung zu bleiben, der ihr auf schon sehr ungewöhnliche Weise ins Leben geschneit war?

Bei Beinahe-Zusammenstößen auf einer Landstraße lernte man normalerweise keine Männer kennen.

Zum Glück war nichts passiert, und das war wohl in erster Linie ihrer Geistesgegenwart zu verdanken gewesen. Aber das war jetzt auch egal.

Das Kaffeetrinken mit ihm danach war nett gewesen, seiner Bitte um ein Wiedersehen hatte sie nicht nachgegeben, es bereut, und dann dieses unverhoffte Wiedersehen bei der Vernissage in Olaf Christensens Galerie. Da war er aber einfach verschwunden, ihr drittes Zusammentreffen hatte auf Waldenburg stattgefunden.

Manchmal war die Welt wirklich sehr klein.

Hendrik Hoorgen war der Freund des ausstellenden Künstlers, und Olaf und Marion hatten die beiden zum Abendessen mit aufs Schloss gebracht.

Da hatte Alexandra sich ein Herz gefasst und ihm signalisiert, dass sie nun auch an einem Wiedersehen interessiert war.

Autsch …

Es hatte ihrem Ego schon ganz schön wehgetan, von ihm eine Abfuhr zu erleiden, indem er ihr sagte, dass er sie unter normalen Umständen sehr gern kennen lernen würde, dass sie so ganz in sein Beuteschema passte, aber …

Eine Gräfin, noch dazu eine mit einem eigenen Schloss passten nicht in sein Weltbild, und deswegen wolle er weitere Zusammentreffen nicht forcieren, sondern sie dem Zufall überlassen.

Alexandra lächelte.

Ein ganz schönes Hin- und Her, ein ziemliches Durcheinander.

Seine reuevollen Worte gefielen ihr, doch das Problem war damit nicht aus der Welt geräumt, denn er hatte schon mit seinen ersten Worten erklärt, dass sich an seiner grundsätzlichen Einstellung nichts geändert hatte.

Also kein Adel!

Kein Schloss!

Sie war Gräfin, und ein Schloss besaß sie auch, und da es in ihren Händen lag, die Waldenburgs in die Zukunft zu führen, würde sie ihre Heimat auch für nichts und niemanden verlassen. Warum denn auch? Für sie gab es nichts Schöneres als genau da zu leben wo sie lebte, und die Verantwortung, die sie tragen durfte, ja, durfte, nicht musste, machte sie stolz und glücklich.

Halt!

Stop einmal, Hendrik Hoorgen hatte ihr in diesem Brief keinen Antrag gemacht, er wollte nur mit ihr in Verbindung bleiben, trotz der Ablehnung ihrer gesellschaftlichen Stellung. Er wollte es, weil er sie mochte.

Und sie?

Sie fand ihn sympathisch, unterhielt sich gern mit ihm, genoss seine Bewunderung. Doch das war es auch schon. Sie war nicht die Bohne in ihn verliebt.

Also konnte sie ihn irgendwann auch mal anrufen, denn eines war gewiss, sie würden interessante Gespräche miteinander führen, und wenn in denen ein wenig Bewunderung für sie durchschimmern würde, dann würde sie es genießen. Sie war halt eine Frau, die die Bewunderung zwar nicht brauchte um ihr Ego aufzuwerten, aber die sie auf jeden Fall genoss.

Alexandra stand auf, legte den Brief auf ihren Schreibtisch, dann wollte sie das Büro verlassen.

An der Tür besann sie sich, ging zurück, nahm den Brief an sich.

Konnte ja sein, dass sie ihn später noch mal lesen wollte, dachte sie zu ihrer eigenen Entschuldigung. Dabei wusste sie schon jetzt, dass sie die Zeilen auf jeden Fall nochmals lesen würde. Und diesen wundervollen Rosenstrauß würde sie jetzt auch mit ganz anderen Augen sehen.

Stil hatte er schon, dieser Hendrik Hoorgen, dachte sie, während sie das Licht löschte, und wenn er und nicht der Florist genau diese Rosen ausgewählt hatte, dann besaß er auch einen sehr guten Geschmack.

In der Halle stieß sie auf Monika, ihre neue, alte Köchin, die über sich hinauswuchs, seit sie in der Küche das Zepter in der Hand hatte und nicht mehr als Beiköchin fungieren musste.

»Ich war noch mal draußen im Kräutergarten«, erklärte sie und hielt Alexandra ein Sträußchen entgegen, »ich hatte kein Rosmarin mehr, und das brauche ich ja wohl für die Kartoffeln vom Backblech, die Sie sich für heute Abend gewünscht haben, Frau von Waldenburg.«

Stimmt!

Das hatte Alexandra aber vollkommen vergessen. Ihr wurde immer mehr bewusst, dass das Gehirn wirklich nicht alles speicherte, besonders das nicht, was unwesentlich war. Und so schwand auch immer mehr ihre Sorge, bei ihrem Vater könne doch etwas bedenklich sein, weil er die Geheimzahl für sein italienisches Konto vergessen hatte.

Sie hatte in kürzester Zeit nicht mehr an die Rosen gedacht, nicht an den dazugehörenden Brief, und die Rosmarinkartoffeln …

»Daran habe ich überhaupt nicht mehr gedacht«, gab sie zu, »aber darauf freue ich mich jetzt, Monika … Was gibt es denn dazu?«

Die junge Köchin lachte, was, seit sie aufgerückt war, häufig der Fall war.

»Dazu haben Sie sich ein kleines Kalbssteak gewünscht, Frau von Waldenburg …, aber wirklich nur ein kleines, weil es Ihnen eigentlich in erster Linie auf die Kartoffeln ankommt.«

»Ja, richtig«, erinnerte Alexandra sich, und jetzt lachte sie auch, und das aus zwei Gründen, zum einen, weil sie sich auf das Essen freute, und zum anderen, weil sie sich immer mehr in die grandiose Funktionsweise des menschlichen Gehirns hineindenken konnte. Beispielsweise war ihr nachhaltige Forstwirtschaft wichtig. Obschon es nicht ihre eigentliche Arbeit war, wusste sie doch, welche Bäume bleiben sollten, welche eventuell weichen mussten und das die zu fällenden Bäume angesprüht waren. So etwas war wichtig, das durfte nicht vergessen werden. Aber die Welt ging nicht davon unter, dass sie nicht mehr wusste, ob sie Rosmarinkartoffeln oder Spaghetti Bolognese zum Essen bekommen würde.

Aber die Spaghetti Bolognese konnte sie sich eigentlich auch wieder mal wünschen.

Alexandra nickte ihrer Köchin zu, doch ehe sie weiterging, erkundigte sie sich: »Und gibt es auch ein Dessert?«

Monika lachte.

»Ja, da habe ich mir etwas ausgedacht, Frau von Waldenburg. Aber das wird nicht verraten, soll eine Überraschung sein.«

Sie wedelte mit ihrem Rosmarinsträußchen, ehe sie sich in Richtung Küche fortbewegte, während Alexandra die Treppe zu ihren eigenen Gemächern hinaufeilte.

Monika war ganz große Klasse, sie war wirklich so etwas wie das Veilchen, das im Verborgenen blühte, und dort wäre sie bestimmt noch weiter gewesen, wenn Gesa nicht Knall auf Fall gegangen wäre.

Bei dem Gedanken an Gesa erinnerte sie sich daran, dass sie deren Vorgängerin Klara fragen wollte, warum Gesa ihren Arbeitsplatz aufgegeben hatte.

Gesa hatte sich nicht mehr gemeldet, während sie zu Klara noch immer ein gutes Verhältnis hatte, sie telefonierten miteinander.

Aber Klara wäre ja auch nicht gegangen, wenn sie nicht die Verantwortung für ihre alten Eltern, Onkel und Tanten, die kleine Landwirtschaft und den Gasthof hätte übernehmen müssen.

Nicht übernehmen müssen, übernehmen wollen war da wohl richtiger.

Im Grunde genommen ging es Klara wie ihr, nur dass ihr Erbe gewaltiger war. Aber eines hatten sie gemeinsam, sie liebten ihre Heimat, wollten die Tradition fortsetzen und scheuten sich nicht, dafür mit Freude die Verantwortung zu übernehmen.

Klara war schon ein ganz besonderer Mensch, wenn es nach Hubertus gegangen wäre, hätte sie sogar Gräfin werden können.

Hubertus von Greven und Klara hatten viele gemeinsame Interessen, sie verband die Liebe zur Natur, und von gefährlichen Trekkingtouren, beispielsweise in Nepal oder Tibet, wussten sie um ihren starken Charakter, den man brauchte, um solche Abenteuer bestehen zu können.

Das alles zu unternehmen traute Klara sich zu, Gräfin von Greven zu sein nicht. Deswegen hatte sie eine klare Grenze gezogen. Aber vielleicht hatte sie da auch bereits geahnt was auf sie zukommen ­würde. Klara wäre in ein ganz schönes Dilemma geraten, wenn sie Hubertus’ Werben nachgegeben hätte.

Ihr Vater sagte immer, das Schicksal stellte einen ganz genau auf den Platz auf den man gehörte, und das stimmte schon.

Sie hatte das Erbe der Waldenburgs angetreten, was nur wegen des Fehlverhaltens ihres Bruders Ingo eingetreten war.

Alexandra blieb stehen, strich sich über die Stirn, als könne sie mit dieser Geste all die Gedanken vertreiben, die im Augenblick in ihr wild durcheinanderpurzelten.

»Nein! Nein! Und abermals Nein!«

Das reichte jetzt wirklich. Nun hatte sie genug in der Vergangenheit herumgekramt. Es war Zeit, sich wieder der Gegenwart zuzuwenden, die so schlecht gar nicht war …

*

In den nächsten Tagen war Alexandra ein wenig hin und her gerissen.

Sie dachte schon an Hendrik Hoorgen, musste sie ja, denn die Blumen waren noch frisch wie am ersten Tag und standen da wie kleine Soldaten.

Jemand vom Personal kümmerte sich offensichtlich hingebungsvoll um die Rosen. Sie musste zu ihrer Schande eingestehen, dass sie nicht so aussähen unter ihrer Obhut. Sie würde vermutlich vergessen die Rosen anzuschneiden, ihnen frisches Wasser zu geben.

Mit Blumen verhielt es sich bei ihr wie mit dem Essen:

Sie liebte es, verstand etwas davon, konnte aber nicht besonders gut kochen.

Hendrik anzurufen hatte sie noch nicht über sich gebracht, weil sie nicht wusste, ob sie da etwas anfangen sollte, was zu nichts führte.

Gab es da vielleicht doch etwas in ihr, was sie warnte, weil nicht ganz gewiss war, dass sie sich nicht doch in ihn verlieben könnte?

Im Grunde genommen war das die einzige Erklärung, denn warum sonst eierte sie so herum?

Freundschaften zwischen Männern und Frauen gab es, das beste Beispiel dafür war doch ihre Freundschaft zu Olaf Christensen, der mit ihrer Schwägerin Marion verbandelt war. Ehe die beiden zusammengekommen waren, hatten Olaf und sie auch ein wenig miteinander geflirtet, aber das war mehr oder weniger oberflächlich gewesen, zu einem Kuss oder mehr als einer freundschaftlichen Umarmung war es nie gekommen.

Warum sollte es mit Hendrik Hoorgen nicht in diese Richtung gehen?

Weil sie gerade solo war und sich in Wahrheit nach mehr sehnte als einer freundschaftlichen Beziehung?

Dass sie so gern mal wieder den Satz – Ich liebe dich – hören wollte?

Dass sie eine innige Umarmung spüren und in leidenschaftlichen Küssen versinken wollte?

Alexandra seufzte.

Welche Singlefrau sehnte sich nicht nach alledem, vor allem dann, wenn ringsum glückliche Paare waren – Marion und Olaf, Liliane und Mark, und ihre Freundin Rita hatte sich jetzt schon ein paarmal mit dem Rechtsanwalt Dr. Richter getroffen.

Und da gab es noch als leuchtendes Vorbild ihre Schwester Sabrina, die überglücklich mit ihrem Ehemann Elmar war und den liebreizenden vier kleinen Töchtern Anna, Celia, Melanie und Elisabeth.

Ja, das wünschte sie sich auch.

Aber mit Hendrik Hoorgen?

Nein, daran durfte sie überhaupt keinen Gedanken verschwenden. Hendrik eignete sich als Unterhalter, als Flirt vielleicht auch. Doch warum sollte sie mit ihm flirten, wo sie doch jetzt schon wusste, dass das alles nur unverbindlich bleiben konnte.

Hendrik hatte eine Grenze gezogen, und das auch noch schriftlich dokumentiert.

Alexandra als Frau ja, Alexandra als Gräfin und Schlossbesitzerin nein.

Sie musste die Finger von ihm lassen, wollte sie sich nicht verbrennen.

Und so war es am besten …

Sie konnte diesen Gedanken nicht zu Ende bringen, denn in dieser Sekunde wurde die Tür aufgerissen, Fanny steckte den Kopf herein und rief ganz aufgeregt: »Graf Benno und Gräfin Elisabeth sind soeben eingetroffen. Sie wollen Ihre Eltern doch ganz gewiss als Erste begrüßen.«

Und ob sie das wollte!

Alexandra sprang auf, lief an der lächelnden Fanny vorbei, die für ihre junge Chefin durchs Feuer gegangen wäre. Nicht nur sie, das gesamte Personal liebte die junge Gräfin.

Darum machte Alexandra sich allerdings jetzt keine Gedanken, sie stürmte vielmehr durch die riesige Halle und kam gerade an der schweren Eichentür an, als diese geöffnet wurde und ihre Eltern hereinkamen.

Alexandra fiel ihnen abwechselnd lachend um den Hals.

»Mama, Papa, wie schön, dass ihr endlich da seid, herzlich willkommen daheim«, rief sie glücklich.

Benno von Waldenburg strich seiner jüngsten Tochter über das seidige Haar, während er gerührt sagte: »Ich wollte, wir würden überall so herzlich begrüßt.«

Alexandra hängte sich bei ihm ein.

»Werdet ihr doch, Papa«, antwortete sie, »du und Mama, ihr seid überall gern gesehene Gäste. Alle freuen sich über euren Besuch, weil ihr zwei so wunderbare Menschen seid.«

Sie ließ ihren Vater los und wandte sich ihrer Mutter zu, die wie immer tadellos aussah. Elisabeth von Waldenburg trug ein rosenholzfarbenes Kostüm mit passender Bluse, passenden Schuhen und Handtasche, und natürlich war sie, und das auch wie immer, so frisiert als sei sie gerade erst vom Friseur gekommen.