Die Kirchen in der DDR - Andreas Stegmann - E-Book

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Andreas Stegmann

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Beschreibung

Schon bald nach dem Untergang des "Dritten Reichs" hatten es Die Kirchen in der DDR erneut mit einem Regime zu tun, das sie gleichschalten und marginalisieren wollte. Andreas Stegmann beschreibt anschaulich und quellennah, wie die Kirchen die ersten Jahre der Konfrontation überstanden, sich seit dem Mauerbau als "Kirche im Sozialismus" mit dem Staat arrangierten und im letzten Jahrzehnt mit der Devise "Schwerter zu Pflugscharen" zur Avantgarde der DDR-Friedens- und Umweltbewegung und zum Schutzraum der Opposition wurden.

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Andreas Stegmann

DIE KIRCHENIN DER DDR

Von der sowjetischen Besatzungbis zur Friedlichen Revolution

C.H.Beck

Zum Buch

Schon bald nach dem Untergang des Dritten Reichs hatten es die Kirchen in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR erneut mit einem Regime zu tun, das sie politisch auf Parteilinie bringen und ansonsten so weit wie möglich marginalisieren wollte. Andreas Stegmann beschreibt anschaulich und quellennah, wie die Kirchen die ersten Jahre der Konfrontation überstanden, sich seit dem Mauerbau bei schnell abnehmenden Mitgliederzahlen mit dem Staat arrangierten und sich allmählich einer Modernisierung öffneten, die im Westen längst im Gange war. Diesem Aufbruch war es zu verdanken, dass vor allem die evangelischen Kirchen mit der Devise «Schwerter zu Pflugscharen» im letzten Jahrzehnt zum Partner der Friedens- und Umweltbewegung und zum Schutzraum der wachsenden Opposition in der DDR werden konnten. Der Schwerpunkt des kenntnisreichen Überblicks liegt auf den protestantischen Kirchen, weil sie bei weitem die meisten Mitglieder hatten, aber auch die katholische Kirche sowie Freikirchen wie die Methodisten oder die Herrnhuter Brüdergemeine kommen in den Blick.

Über den Autor

Andreas Stegmann ist Privatdozent für Kirchengeschichte an der Humboldt-Universität und Mitglied der Historischen Kommission zu Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Reformationsgeschichte und der kirchlichen Zeitgeschichte. 2014 wurde er mit dem Martin-Luther-Preis für den wissenschaftlichen Nachwuchs ausgezeichnet.

Inhalt

Karte: Die evangelischen Landeskirchen in der DDR

Einleitung

1. Die Bewältigung der Kriegsfolgen (1945–​1949)

Organisatorische Kontinuitäten und Neuanfänge

Kirchliches Leben im Umbruch

Kirche in der Sowjetischen Besatzungszone

2. Die Herausforderung durch den «Aufbau des Sozialismus» (1949–​1961)

Die SED und die Religion

Die Selbstbehauptung des landeskirchlichen Protestantismus bis 1953

Die neue Kirchenpolitik der SED

a) Politisches Vorgehen gegen die Kirchen

b) Administrative Maßnahmen gegen die Kirchen

c) Polizeiliche Maßnahmen gegen die Kirchen

Evangelische Kirche in der Defensive

Die Situation der römisch-katholischen und der anderen kleinen Kirchen

3. Im Schatten der Mauer (1961–​1968)

Evangelische Landeskirchen: «Freiheit und Dienst»

Römisch-katholische Kirche: Die ersten Jahre der «Ära Bengsch»

4. Kirchliche Aufbrüche in den siebziger Jahren (1969–​1978)

Katholische Kirchenreform

Evangelische «Kirche im Sozialismus»

Freikirchliche Annäherungen an den SED-Staat

5. Von der Friedensbewegung zur Friedlichen Revolution (1978–​1990)

Unterwegs auf ungewohnten Wegen

Die finale Konfrontation mit dem SED-Staat

Kirchliche Wiedervereinigung

Warum die Kirchen den Kommunismus überlebt haben

Zeittafel

Mitgliederzahlen der Kirchen in der DDR

Abkürzungen

Literaturhinweise

Quellen

Neuere Forschungsüberblicke und Literaturberichte (in der Reihenfolge des Erscheinens)

Literatur

Personenregister

Karte: Katholische Bistümer um 1950

Einleitung

Die Geschichte der Neuzeit scheint mit einer Entzauberung der Welt einherzugehen, die kaum noch Raum für Religion lässt. Ein Strang der neuzeitlichen Geschichte macht das besonders deutlich: die Geschichte der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts. Gleich ob links- oder rechtstotalitär, gleich in welcher Spielart oder Entwicklungsphase, die Totalitarismen waren religionskritisch und betrachteten die Kirchen als Hindernis auf dem Weg zur gänzlichen Erfassung und Umgestaltung der Gesellschaft. Das zeigte sich in der Sowjetunion seit 1917, im italienischen Faschismus der dreißiger Jahre und im deutschen Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 – und auch in der Sowjetsatrapie auf deutschem Boden, die von 1945 bis 1990 bestand. Wie überall im sowjetischen Machtbereich verbanden sich auch in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ideologische Religionskritik und Unterdrückung der Kirchen, gehörten doch am Ende des Zweiten Weltkriegs etwa neun Zehntel der Bevölkerung zu einer Kirche und waren die Kirchen und ihre Mitglieder ein ernstzunehmendes Hemmnis bei der Durchsetzung der Diktatur der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).

Tatsächlich waren die Kirchen die einzigen gesellschaftlichen Akteure in der DDR, die institutionell selbständig und überall präsent waren. Sie hemmten damit den Aufbau und die umfassende Durchsetzung des Sozialismus, die die SED mit großer Energie vorantrieb. Und sie blieben während der ganzen Zeit der SED-Herrschaft ein hemmender Faktor. Gerade in dem Jahrzehnt, als der SED-Staat endlich die Oberhand zu gewinnen und die meisten Kirchen auf eine staatsloyale Linie gebracht zu haben schien, gab es einen kirchlichen Aufbruch, der seinen Teil zur Friedlichen Revolution beitrug. Obwohl die Kirchen in der DDR in den mehr als vierzig Jahren ihrer Konfrontation mit dem Totalitarismus stark geschwächt wurden, haben sie am Ende geholfen, die Geschichte in neue Bahnen zu lenken.

Wenn im Folgenden von den Kirchen der DDR die Rede ist, dann wird damit ein weites und buntes religiöses Feld in den Blick genommen. Die Gesamtzahl an christlichen Religionsgemeinschaften lässt sich nicht genau bestimmen, sind die staatlichen Listen mit gemeldeten Gemeinschaften doch unvollständig, gab es immer wieder Spaltungen und Zusammenschlüsse und lösten sich einige kleinere Gruppierungen im Laufe der Zeit auf. Das Feld der etwa dreißig christlichen Religionsgemeinschaften auf dem Gebiet der DDR wurde vom landeskirchlichen Protestantismus dominiert, zu dem 1945 mehr als vier Fünftel der Bevölkerung und 1990 noch ein Viertel zählten. Die römisch-katholische Kirche war in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR Diasporakirche. Anfangs umfasste sie etwa ein Zehntel der Bevölkerung, später ein Zwanzigstel. Daneben gab es zahlreiche Freikirchen. Die größten unter ihnen mit jeweils mehreren zehntausend Mitgliedern waren die Methodisten und die Baptisten, während die meisten anderen Freikirchen nur auf wenige tausend oder hundert Mitglieder kamen. Ferner gab es noch christliche Sondergemeinschaften, die sich weder als Mitglieder noch als Gäste der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen anschlossen und Distanz zu ihrer Umwelt hielten – eben damit aber auch Menschen anzogen. So hatte die Neuapostolische Kirche mehrere zehntausend Mitglieder und die staatlich verbotenen Zeugen Jehovas mehrere tausend. Auch die Johannische Kirche, die Mormonen oder die Christengemeinschaft zählten zu den größeren Sondergemeinschaften.

Dieses religiöse Feld, zu dem als einzige nichtchristliche Religionsgemeinschaft die nach dem Holocaust stark zusammengeschrumpften jüdischen Gemeinden gehörten, umfasste einen im Laufe der Zeit kleiner werdenden Teil der Bevölkerung: Der Anteil der Konfessionslosen stieg bis zum Ende der DDR von etwa 5 auf fast 70 Prozent. Für die vorliegende Darstellung ergibt sich schon allein aus den Mitgliederzahlen, dass vor allem die Geschichte des landeskirchlichen Protestantismus zu erzählen ist.

Bei jeder Beschäftigung mit der DDR-Geschichte muss man sich klarmachen, dass die «kurzlebige DDR […] nur ‹eine Fußnote der Weltgeschichte› [Stefan Heym]» war, wie der Historiker Hans-Ulrich Wehler zu Recht feststellt (Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, 2008, 361). Das gilt auch für die Geschichte der Kirchen in der DDR, die sich unter so besonderen Umständen abgespielt hat, dass sie zwar interessant und lehrreich sein mag, aber eben nur einen Nebenstrang der neuzeitlichen Christentumsgeschichte bildet. Dennoch hat gerade die Geschichte der Kirchen in der DDR großes Interesse auf sich gezogen und ist mittlerweile gut erforscht. Das erklärt sich vor allem dadurch, dass sich aus der Konfrontation des politischen und des religiösen Anspruchs auf den ganzen Menschen viel lernen lässt, nicht nur über das moderne Christentum, sondern auch über den Totalitarismus.

In der Wissenschaft ist umstritten, was unter «Totalitarismus» zu verstehen ist, welche Herrschaftsgebilde man als totalitär bezeichnen soll und welchen Erkenntnisgewinn der Begriff erbringt. Am Beispiel des italienischen Faschismus hat der Historiker Emilio Gentile die in den 1950er Jahren entwickelte Theorie des Totalitarismus aktualisiert, und zwar so, dass sie auch die nationalsozialistische und die sowjetkommunistische Herrschaft erklären hilft:

Als «Totalitarismus» möchte ich […] definieren: ein Experiment politischer Herrschaft, das von einer revolutionären Bewegung begonnen und von einer streng hierarchischen Partei organisiert wird, einer integralistischen Konzeption von Politik folgt, auf das Machtmonopol zielt und nach dessen Erwerb auf legalem oder außerlegalem Weg die zuvor bestehende Herrschaft zerstört oder umgestaltet und einen neuen Staat errichtet, der auf Einparteienherrschaft basiert und als Hauptziel die Gewinnung der Gesellschaft verfolgt, das heißt die Unterwerfung, Eingliederung und Vereinheitlichung der Beherrschten aufgrund des Prinzips der politischen Bedeutsamkeit der individuellen und kollektiven Existenz, die mit den Kategorien, Mythen und Werten einer palingenetischen [= die nationale Wiedergeburt verheißenden] Ideologie interpretiert und in Form einer politischen Religion sakralisiert wird. Ziel ist, das Individuum und die Massen mittels einer anthropologischen Revolution zu formen und so das menschliche Wesen wiederherzustellen, ja einen neuen Menschen zu schaffen, der sich mit Leib und Seele für die Verwirklichung der revolutionären und imperialen Politik der totalitären Partei einsetzt, um so eine neue Zivilisation supranationalen Charakters zu begründen. (E. Gentile, La via italiana al totalitarismo. Il partito e lo stato nel regime fascista, 22018, 18; Übersetzung durch den Verf.).

Auf den SED-Staat passen manche Elemente dieser Definition nicht oder bedürfen der Anpassung. Für die Beschäftigung mit der DDR-Kirchengeschichte erweist sie sich allerdings als hilfreich, weil sie den Punkt benennt, wo der SED-Staat unweigerlich in Konflikt mit den Kirchen kam: die Schaffung des neuen Menschen. Die «anthropologische Revolution» war von Anfang an eine Verheißung des Christentums. So schreibt der Apostel Paulus um das Jahr 55 an die von ihm gegründete christliche Gemeinde in Korinth: «Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden» (2 Kor 5,17). In der Kirche, so der Anspruch, werde das mit Christus anhebende Neue in der vergehenden alten Welt anschaulich. Dass es der christliche Glaube sei, der die anthropologische Revolution bewirke, und dass diese grundlegende Erneuerung des Menschen ihre soziale Organisationsform in der christlichen Kirche finde, wurde vom Totalitarismus gleich welcher ideologischen Prägung bestritten. Dagegen wurde der Anspruch gesetzt, dass die Erneuerung von der revolutionären Bewegung und der von ihr getragenen Partei ausgehe. Das galt auch in der DDR: Nicht ohne Grund wurden die Kulturhäuser in Borstendorf im Erzgebirge und in Lübbenau in der Niederlausitz in den 1950er Jahren «Neues Leben» benannt, das Zwickauer Kulturhaus hieß «Neue Welt», und die 1958 von der SED verkündeten «Zehn Gebote der sozialistischen Moral» waren «für den neuen sozialistischen Menschen» bestimmt (Schroeder: Der SED-Staat, 972, Dok. 12). Den damit verbundenen Anspruch, die kollektive und die individuelle Existenz im Sinne einer politischen Ideologie gänzlich umzugestalten, hatte wenige Jahre zuvor schon der Nationalsozialismus propagiert. Dagegen hatte die 1934 in Wuppertal-Barmen versammelte Synode der Bekennenden Kirche festgestellt:

Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. […] Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben. (KJ 60–​71, 1933–​1944, 71)

Das bedeutet für die christliche Lebensführung:

Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürften. (ebd.)

Aus diesem religiösen Ganzheitsanspruch folgt die Ablehnung jedes politischen Totalitätsanspruchs:

Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag [nämlich: in der noch nicht erlösten Welt nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen] hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen. (a.a.O., 72)

Die Barmer Theologische Erklärung war für den Protestantismus in der DDR von großer Bedeutung. Und das nicht ohne Grund: Im NS- wie im SED-Staat prallten politischer Totalitäts- und religiöser Ganzheitsanspruch aufeinander.

Für den deutschen Nationalsozialismus, den italienischen Faschismus und den sowjetischen Stalinismus ist die Kennzeichnung als «totalitär» gängig und – gerade auch im Wissen um die erheblichen Unterschiede zwischen diesen Systemen – wissenschaftlich weithin akzeptiert. Umstritten ist, ob auch die DDR, zumal nach der Distanzierung vom Stalinismus in den fünfziger Jahren, als totalitärer Staat bezeichnet werden kann. In der Tat hat es innerhalb der kommunistischen Parteidiktaturen Veränderungen und Entwicklungen gegeben, die die älteren und neueren Definitionen des Totalitarismus nicht mehr anwendbar erscheinen lassen. So erlahmte die Dynamik der revolutionären Bewegung, die «palingenetische Ideologie», also das Versprechen einer gänzlichen Erneuerung von Welt und Mensch durch das Regime, verlor an Überzeugungskraft, und die umfassende Konditionierung der Gesellschaft im Sinne der Machthaber kam an ihre Grenzen.

Man kommt aber nicht umhin, die «klassische» Totalitarismusdefinition von Carl Joachim Friedrich und Zbigniew Brzeziński mit ihrem «Katalog von sechs grundlegenden, in wechselseitiger Beziehung stehenden Merkmalen totalitärer Diktatur» für alle Phasen der Geschichte des SED-Staats erfüllt zu sehen: Ideologie, Einparteienstaat, Geheimpolizei, Kommunikationsmonopol, Waffenmonopol und zentrale Wirtschaftslenkung (N. Kapferer in: Hist. Wörterbuch der Philosophie, Bd. 10, 1998, 1298). Von der DDR als einem «(spät-)totalitäre[n] Versorgungs- und Überwachungsstaat» (Schroeder: Der SED-Staat, 905) zu sprechen, ist darum angemessen.

Die DDR so zu betrachten, öffnet die Augen für bestimmte Aspekte ihrer Geschichte, etwa die Geschichte der Kirchen in der DDR, die von den späten vierziger bis zu den späten achtziger Jahren im Zeichen der Konfrontation mit dem Totalitätsanspruch des SED-Staats stand. Die Art und Weise, wie diese Konfrontation ausgetragen wurde, änderte sich im Laufe der Jahrzehnte, ohne dass der Grundkonflikt, auf den bereits 1934 die Barmer Theologische Erklärung hinwies, überwunden worden wäre.

Gegen diese Feststellung wird eingewandt, dass die SED keineswegs eine religions- und kirchenfeindliche Partei gewesen sei und auch keinen atheistischen Staat aufgebaut habe. Zu Konflikten sei es da gekommen, wo der SED-Staat gegen politisch problematische Auswüchse von Religion habe vorgehen müssen. Die Gewissens- und Glaubensfreiheit und das Recht zur Praktizierung des Glaubens hätten die Machthaber aber nicht angetastet, und in den siebziger und achtziger Jahren hätten sie ihren Frieden mit den Kirchen gemacht. So behaupteten zwei systemnahe Professoren Mitte der achtziger Jahre, dass

Kommunisten und Gläubige von unterschiedlichen, philosophisch-weltanschaulich entgegengesetzten Standpunkten ausgehen, die auch bei politischen Überlegungen und Entscheidungen zweifellos eine mehr oder weniger große Rolle spielen. Der durch diese weltanschaulichen Gegensätze konstituierte objektive dialektische Widerspruch hat in der DDR jedoch längst schon eine für die Gestaltung der Beziehungen zwischen Kommunisten und Christen geeignete Bewegungsform. (O. Klohr, H. Lutter: Aktuelle Probleme der Zusammenarbeit von Kommunisten und Gläubigen, in: Deutsche Zeitschrift f. Philosophie 33, 1985, 882)

Sie sehen das Verhältnis von SED-Staat und Christen bestimmt von der «Orientierung am Gemeinsamen, Verbindenden», von «Offenheit und Freimütigkeit in den Beziehungen», von «gegenseitige[r] Achtung und Respektierung der weltanschaulichen Motivation des anderen im Geiste echter Toleranz» und von «konstruktive[r] Loyalität» (ebd.). Man kann bezweifeln, dass diese Sicht des Verhältnisses von SED-Staat und Kirchen zutrifft. Sie macht allerdings darauf aufmerksam, dass die Geschichte der Kirchen in der DDR nicht nur als Geschichte des Konflikts zweier konkurrierender Ganzheitsansprüche erzählt werden muss, sondern auch als Geschichte der Abmilderung und Einhegung dieses Konflikts.