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Weihnachten in Himmelbach - Ein Fest der Liebe, Hoffnung und Wunder
Nina und Ben stehen kurz vor ihrer Hochzeit an Heiligabend - mitten in der idyllischen Winterkulisse von Himmelbach. In ihrer gemütlichen Wohnung über der liebevoll dekorierten Bäckerei planen sie ihr gemeinsames Glück. Doch das Weihnachtsmärchen droht zu platzen, als ein Vertreter vom Denkmalschutz auftaucht. Die Renovierungen an der Backstube und der Wohnung entsprechen angeblich nicht den Vorgaben - es drohen Rückbau, Strafen und der Verlust ihres Zuhauses.
Doch Nina will nicht kampflos aufgeben. Zwischen Backnachmittagen, dem ersten himmelsbacher Weihnachtsmarkt und den Vorbereitungen für das Fest ihres Lebens, setzt Nina für ihre Zukunft alle Hebel in Bewegung. Nicht ahnend, dass das größte Glück ihr noch bevorsteht.
Ein warmherziger Roman über Zusammenhalt, die Kraft der Liebe und ein Weihnachten, das alles verändert.
Band 3 der Feel-Good-Reihe um ein zauberhaftes Örtchen in der Schweiz, leckerem Gebäck und der ganz großen Liebe.
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Seitenzahl: 353
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Epilog (ein Jahr später)
Danksagung
Über die Autorin
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Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Inhaltsbeginn
Impressum
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Weihnachten in Himmelbach - Ein Fest der Liebe, Hoffnung und Wunder
Nina und Ben stehen kurz vor ihrer Hochzeit an Heiligabend - mitten in der idyllischen Winterkulisse von Himmelbach. In ihrer gemütlichen Wohnung über der liebevoll dekorierten Bäckerei planen sie ihr gemeinsames Glück. Doch das Weihnachtsmärchen droht zu platzen, als ein Vertreter vom Denkmalschutz auftaucht. Die Renovierungen an der Backstube und der Wohnung entsprechen angeblich nicht den Vorgaben - es drohen Rückbau, Strafen und der Verlust ihres Zuhauses.
Doch Nina will nicht kampflos aufgeben. Zwischen Backnachmittagen, dem ersten himmelsbacher Weihnachtsmarkt und den Vorbereitungen für das Fest ihres Lebens, setzt Nina für ihre Zukunft alle Hebel in Bewegung. Nicht ahnend, dass das größte Glück ihr noch bevorsteht.
Ein warmherziger Roman über Zusammenhalt, die Kraft der Liebe und ein Weihnachten, das alles verändert.
MARIE BERNSTEIN
Die kleine Dorfbäckereiin Himmelbach
ZIMTSTERNKÜSSE
Für alle Weihnachtsfans, die diese besondere Zeit ebenso sehr lieben wie ich.
»Dein Rentier sieht aus, als hättest du Walter zu viele Guetzli in den Mund geschoben«, sagt Hilde lachend zu Ruth, die die Wangen aufbläst und mit den Augen rollt. Dabei rutscht ihr die Brille ein Stück tiefer. Ruth schiebt das in die Jahre gekommene Drahtgestell wieder an seinen Platz, ehe sie zum Gegenschlag ausholt: »Das musst du gerade sagen. Was soll das denn sein? Ein explodierter Hamster?«
Ich muss mir ein Prusten verkneifen und verstecke es hinter einem gekünstelten Hüsteln. Doch Ruth grinst ihre Strickfreundin über beide Wangen an, was auch Hilde dazu bringt, sich nicht darüber aufzuregen.
Da heute Backnachmittag für Rentner und Rentnerinnen in der kleinen Dorfbäckerei in Himmelbach ist, was wir seit dem Brand vor ein paar Monaten wieder aufgenommen haben, stehen rund ein Dutzend Personen um die Backinsel in der Mitte des modernisierten Raumes. Seit ich wegen eines Neuanfangs nach Himmelbach gekommen bin, ist vieles passiert. Ich habe mich in Ben Nussbaum verliebt, den Enkel von Ruth, die ich betreut habe. Am Anfang standen Ben und ich uns überhaupt nicht nahe, im Gegenteil. Wir waren vielleicht keine Feinde, aber der Vergleich »wie Hund und Katz« passt dann doch ganz gut. Mit Ruth habe ich mich schon vom ersten Moment an gut verstanden. So gut, dass ich mein Leben in Zürich und meinen Job als Altenpflegerin hinter mir gelassen habe und in das kleine Dorf im Kanton Schwyz gezogen bin. Heute betrachtet, ist es die beste Entscheidung meines Lebens gewesen, denn ich habe nicht nur die Liebe meines Lebens gefunden, sondern auch eine zweite Familie. Ich vermisse meine Schwester Anja immer noch und natürlich auch ihre drei Kinder und Daniel, ihren Ehemann, aber ich bin trotzdem froh, diesen Schritt gemacht zu haben.
Die Bäckerei, die Ben und ich übernommen haben, läuft im Anbetracht der vorherigen Schwierigkeiten – wie den Brand vor einigen Monaten – sehr gut. Es ist immer noch eine Ehre, dass ich meine Passion für das Backen jeden Tag aufs Neue ausleben kann. Und ganz Himmelbach mit meinen Köstlichkeiten verpflegen darf.
In der Backstube liegt der Geruch von Butter und weihnachtlichen Gewürzen in der Luft. Während eine weitere Fuhre Guetzlis im Ofen vor sich hin backt, wollen wir die bereits gebackenen und ausgekühlten hübsch dekorieren. Dazu steht den Teilnehmerinnen und Teilnehmer allerhand zur Verfügung. Von Zuckerperlen, Schneeflocken aus Zuckerguss bis zu essbarem Glitter-Spray können sie alles verwenden.
Bevor die beiden weitermachen können, schreitet meine beste Freundin Melanie ein. »Ladys, ich bitte euch. Es sehen alle Guetzli wunderschön aus.« Sie lächelt milde, doch der Ausdruck in ihren dunklen Augen zeigt deutlich, dass sie keine Widerrede duldet.
Ruth und Hilde schauen weg und murmeln etwas, das ich nicht verstehe. Aber es klingt wie »ich hab aber recht«.
Ich verfolge den Schlagabtausch mit gemischten Gefühlen, trotzdem muss ich schmunzeln. Die beiden können es nicht lassen, sich gegenseitig zu kritisieren. Das geht anscheinend schon ihre ganze Freundschaft über so. Sie können nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander.
Ich schaue Melanie dankbar an und hoffe, dass sich alle Beteiligten wieder beruhigen. Solche Nachmittage können den Ehrgeiz der Teilnehmenden so stark zum Leben erwecken, dass mit ihnen die Pferde durchgehen. Dabei ist es doch Ende November und es schneit sogar!
Das Brummen, das einer der anderen Teilnehmer über ihre kleine Diskussion ausstößt, trifft auf wenig Gefallen. Wenigstens darüber sind die beiden Frauen sich einig und widmen sich wieder ihren Plätzchen. Hildes Hand zittert ein bisschen, als sie die Spritzglasur aufträgt, aber in ihrem Alter ist das völlig normal. Sie trägt eine superniedliche Schürze, die sie von ihrer Urenkelin zu ihrem achtzigsten Geburtstag im Herbst bekommen hat. Diejenigen, die keine Schürze mitgebracht haben, haben eine von der Dorfbäckerei zur Verfügung gestellt bekommen. Das Logo – ein Muffin mit Kirsche oben auf dem Topping – kommt auf dem hellblauen Stoff gut zur Geltung. Es ist Bens Idee gewesen, die Hannah und ich dann kreativ umgesetzt haben.
Allgemein haben wir die Marke Dorfbäckerei weiter ausgebaut. Die Backnachmittage für Senioren sind nur eines von vielen Dingen, die wir wieder aufgenommen oder neu eingeführt haben. Nach dem Brand und der darauffolgenden Neueröffnung haben Ben und ich uns zusammengesetzt und darüber nachgedacht, wie wir das Geschäft weiter ausbauen können. Das hat uns einige Abende beschäftigt, doch der Spaß, sich kreativ austoben zu können, war es wert. Mittlerweile haben wir auch einen Online-Shop, der uns zusätzliche Aufträge beschert.
»Wollen wir mal sehen, wer das hier besser hinkriegt«, murmelt Ruth trotzdem und grinst mich verschlagen an. Ruth, wie ich sie kennen und lieben gelernt habe, denke ich und erwidere das Lächeln nicht ganz so breit.
Die Damen in der Runde nehmen ihre Gespräche wieder auf. Die Backstube ist nicht nur von einem süßen weihnachtlichen Duft erfüllt, sondern auch von dem Singsang aus verschiedenen Stimmen und Dialekten. Unsere Backnachmittage für Menschen im Pensionsalter haben sich in der Zwischenzeit über die Kantonsgrenze hinaus ausgebreitet. Und so haben wir Frauen und Männer aus den Kantonen Glarus, Zürich und sogar aus St. Gallen. Mein Backherz hüpft bei jeder neuen außerkantonalen Anmeldung immer viel zu schnell. Wer hätte das am Anfang gedacht. Es hat sich so unglaublich viel verändert, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.
Meine Arbeit als Altenpflegerin habe ich geliebt, und tue es immer noch, aber ich habe es gegen meine Leidenschaft, das Backen, eingetauscht. Seit ich mit meinem Verlobten Ben die kleine Dorfbäckerei in Himmelbach führe, fühlt sich jeder Tag – mag er noch so anstrengend sein – wie ein wahr gewordener Traum an. Auch wenn diese Zeit mir als Person und uns als Paar viel abverlangt hat, möchte ich sie nicht missen. Wir haben jede Prüfung gemeistert und sind gewachsen.
Und sogar die Bewohner Himmelbachs haben mit uns mitgelitten und geholfen, wo sie nur konnten. Leider kann Ben heute nicht dabei sein, weil er ein Meeting in Zürich hat. Aber spätestens heute Abend ist er wieder zurück. Dafür unterstützt mich Melanie tatkräftig. Sie hat den Blumenladen, der früher einmal Ruth gehört hat, übernommen und kreiert zusammen mit Mike Steingruber, einem gut aussehenden Österreicher, der ebenfalls Florist aus ganzem Herzen ist – die schönsten Sträuße und Gestecke.
»Nina, Schätzchen? Vielleicht würde es helfen, wenn du die Weihnachtsmusik aufdrehen würdest. Dann würde man das Gezeter nicht mehr hören«, witzelt Theresa. Ihre Haare sind mittlerweile von violett zu pink gewechselt, was sie mit ihrer bunten Kleiderauswahl noch hervorhebt. Heute hat sie eine Leggins im Leopardenmuster an, darüber einen pinken Strickpullover und eine schwarze Weste mit Fell am Kragen. Sie leckt sich über die magentafarbenen Lippen und wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn. Ihre schwarz lackierten Fingernägel stechen so noch mehr hervor. Theresa ist einfach eine Ikone und arbeitet nach wie vor im Service bei uns in der Bäckerei. Sie ist neben Marta, die nach ihrer Knie-OP nur noch nachmittags aushilft, die gute Seele der Bäckerei und diejenige, die die Gäste mit ihren zahlreichen Geschichten unterhält.
»Denkst du, das hilft? Ich glaube nicht«, meint Ruth zu Theresa und wendet sich wieder ihrem Guetzli zu.
»Nimm es nicht für bare Münze, mein Herzblatt«, beschwichtigt Walter unsere Ruth, die ihn verzückt ansieht.
Aber auch ernstere Themen finden Platz in unserer kunterbunten Runde. Wie zum Beispiel, wer der nächste Bundesrat werden wird oder ob das Rentenalter weiter angehoben werden sollte.
Wir Schweizer stimmen gern über politische Themen ab. Was jedoch viele nicht wissen, ist der Fakt, dass wir unseren Bundesrat nicht selbst wählen können. Das übernimmt der Stände- und Nationalrat, diesen wiederrum können wir bestimmen. Ein Prinzip das sich seit 1846 gut bewährt hat.
»Na, na, na. Wir werden uns doch nicht wegen eines verzierten Plätzchens in die Wolle kriegen«, versuche ich die Diskussion endgültig zu stoppen. Ich klopfe mir die mehligen Hände an der Schürze sauber und schalte die Weihnachtsmusik ein. Während sanfte Klänge aus dem tragbaren Radio erklingen, summt Ruth die Melodie mit, Walter wippt im Takt mit dem Fuß auf und ab und selbst Hilde schließt für einen Moment die Augen und erinnert sich wahrscheinlich an ein Erlebnis, das damit verknüpft ist.
»Ganz anderes Thema«, fängt Melanie an. Sie streicht sich eine widerspenstige dunkle Locke aus der Stirn und verteilt dabei das Mehl nur noch mehr darauf, was mich zum Kichern bringt. »Was? Hab ich Mehl im Gesicht?«
Ich nicke und will es ihr wegwischen, doch sie schüttelt lachend den Kopf und zuckt mit den Schultern.
»Das macht mich zu einer echten Bäckerin, oder? Dann lasse ich es lieber, wo es ist. Und Nina? Lenk nicht ab«, tadelt sie mich freundschaftlich. Ich hebe schlichtend die Hände.
»Tu ich doch gar nicht. Vor allem, weil ich nicht weiß, was du sagen wolltest«, erwidere ich und hoffe, dass sie mich nicht durchschaut. Aber Melanie kennt mich viel zu gut und lässt mir nichts durchgehen, wenn es um das Thema Hochzeit geht. Wie von selbst gleitet mein Blick auf die Stelle, an der mein Verlobungsring sitzen würde. Leider muss ich ihn in der Backstube aus Hygienegründen ausziehen. Aber er schimmert im warmen Licht wie tausend Sterne und bringt mich jedes Mal zum Lächeln, wenn ich ihn ansehe. Er ist aus Gelbgold gefertigt, die Ringschiene sieht aus, als hätte man zwei feine Stränge umeinander gezwirbelt und auf der Mitte sitzt ein kleiner Diamant im Altschliff. Ben hat mit Ruths Erlaubnis einen alten Ring von ihr umändern lassen. Der Diamant blieb in seiner Gestalt, während er mit einer anderen Ringschiene verbunden worden ist. So etwas nennt man eine Mariage, sozusagen eine Verbindung aus zwei verschiedenen Schmuckstücken. Bares für Rares sei Dank für das Wissen.
Mein Herz schlägt bei der Erinnerung an den ersten August – an dem er mir den Antrag vor der versammelten Gemeinde Himmelbachs gemacht hat – doppelt so schnell. Ich kann nicht anders, als mich auf diesen wunderschönen Tag zu freuen. Für uns ist sofort klar gewesen, dass wir im Winter heiraten wollen. Am besten an Weihnachten, und so wird es auch sein.
»Da ist es wieder«, bemerkt Ruth und deutet auf mich. Auf ihrem Zeigefinger klebt rote Glasur, die sie schnell weg leckt.
»Sie leuchtet von innen heraus«, pflichtet nun auch Theresa bei und zwinkert mir zu.
»Fehlt nur noch ein Kind«, kommt es überraschend von Walter. Alle Blicke wandern zu ihm, was ihm unangenehm ist. Sein Kopf verfärbt sich mit jeder Sekunde stärker und wird immer mehr zur überreifen Tomate.
»Das wäre natürlich die Krönung unserer Liebe und wer weiß, was die Zukunft uns bringen wird«, sage ich, um die Stimmung aufzulockern, die etwas gelitten hat. Ben und ich wünschen uns Kinder. Aber seitdem wir uns verlobt haben, haben wir mehr darüber geredet. Außerdem ist es vielleicht auch noch nicht der richtige Zeitpunkt. Wenn man bedenkt, wie viel noch wegen der Hochzeit vorzubereiten ist. Ich würde durchdrehen, wenn ich jetzt noch die Botschaft bekommen würde, dass ich schwanger bin. Obwohl der Gedanke wirklich unbeschreiblich ist und wir unser Glück kaum fassen könnten, wenn es dann so weit wäre.
»Das wird schon. Zuerst muss die Hochzeit über die Bühne gebracht werden.« Ruth nickt mir aufmunternd zu.
»An Heiligabend, wie romantisch, und dann noch in der Kapelle, in der sich Oskar und Ruth das Jawort gegeben haben«, sagt Hilde verzückt und seufzt hörbar. Ihre Augen glitzern und lassen erahnen, wie sie als junges Fräulein ausgesehen hat.
»Genau. Und einen Tag zuvor standesamtlich«, fügt Melanie hinzu, die meine zweite Trauzeugin sein wird.
Neben Anja, meiner Schwester, die mit ihrem Ehemann Daniel und den drei Kindern Mia, Leo und Felix in Zürich wohnen und mir nach dem Wohnungsbrand ein Zuhause gegeben haben, kann ich mir keine andere Person vorstellen, die mich an diesem besonderen Tag unterstützt. Meine Mutter ist gestorben, als ich noch ein Kind gewesen bin, und zu meinem Vater habe ich keinen Kontakt. In solchen Situationen frage ich mich allerdings, ob ich nicht doch den ersten Schritt gehen soll. Ihn anrufen zum Beispiel, oder ihn besuchen, allerdings müsste ich dafür wissen, wo er wohnt. Ob die Telefonnummer, die ich von ihm habe, noch aktuell ist, weiß ich auch nicht.
Das Gedankenkarussell in meinem Kopf dreht auf volles Tempo und ich muss kurz durchatmen, um wieder klar denken zu können.
»Alles okay?«, flüstert mir Melanie ins Ohr. Ich nicke und bin froh, dass sie nicht weiter nachhakt. Ich wüsste nicht, wie ich meinen inneren Konflikt, der mit unserer Verlobung diesen August von Tag zu Tag mehr in den Fokus rückt, erklären soll.
Während die anderen weiter über meine bevorstehende Hochzeit reden, hole ich die restlichen Guetzli – die aus einem mit Orange und Thymian verfeinerten Mürbteig bestehen – aus dem Ofen. Danach widme ich mich auch den anderen Kursteilnehmern. Eine Frau aus Schmerikon im Kanton St. Gallen hat einen wunderschönen Stern aus Zuckerguss gefertigt. Die Details sind wirklich bemerkenswert ausgearbeitet.
»Ich habe vor Jahren eine Lehre als Konditorin gemacht, aber als die Kinder gekommen sind, habe ich meinen Beruf nicht mehr ausgeübt. Und so habe ich nach meiner Pensionierung angefangen, mich mit Motivtorten und allgemein mit den verschiedenen Dekorationsmöglichkeiten auseinanderzusetzen«, sagt sie. Dabei strahlt sie eine Passion aus, die ich nur allzu gut kenne. Das habe ich schon öfter zu hören bekommen, wenn ich über das Backen rede. Was ich als gutes Zeichen anerkenne, denn so sieht man es mir und meinen Kreationen an, dass ich das Handwerk liebe.
»Sie machen das großartig und ich finde, man lernt in jedem Alter noch etwas dazu.«
»Da gebe ich Ihnen recht, Frau Leutenegger«, meldet sich ein kleiner Mann mit Glatze und lustigem Ziegenbärtchen zu Wort. »Ich bin von Beruf Metzger und durch meine Frau zum Backen gekommen.« Er deutet auf die Frau neben sich, die ihn um einen Kopf überragt und voller Liebe ansieht.
»Sie schaut sich diese Backsendungen gern im Fernsehen an. Und als ich gesehen habe, wie viel Spaß die Herstellung machen kann, habe ich es einfach ausprobiert.«
»Oh ja, mein Mann hat ein echtes Talent entwickelt. Nicht wahr, Helmut?«, fügt seine Frau hinzu und gibt ihm ein Küsschen auf die Wange.
»Es freut mich sehr, dass Sie beide da sind, und hoffe, Sie können den Nachmittag genießen«, erwidere ich und gehe weiter. Die rund zwölf Personen füllen die doch überschaubare Backstube aus, sodass ich mich gut auf jeden Einzelnen einlassen kann. Die moderne Einrichtung ist im Vergleich zu der urigen Backstube davor ein echter Hingucker. Die Geräte sind alle auf dem neusten Stand und die Metro Fliesen in strahlendem Weiß mit der Arbeitsplatte aus Granit, dessen Korpus wir durch Rollen an den Beinen beliebig verstellen können, verleihen einen zusätzlichen Touch Modernität.
Im Hintergrund läuft die Pianoversion von Last Christmas, als ich jemanden etwas rufen höre. Stirnrunzelnd schaue ich mich um und als selbst Ruth aufhorcht, gehe ich lieber nachsehen, wer es ist. Eigentlich ist die Bäckerei heute Nachmittag geschlossen, was auch mit einem Zettel an der Tür gekennzeichnet ist. Aber vielleicht haben sich doch noch ein paar Gäste eingefunden.
Ich verlasse deshalb die Backstube und streiche mir kurz über die Schürze. Vor der Tür steht jemand, das verraten mir die Schemen, die sich vor dem milchigen Glaseinsatz abzeichnen.
Als ich aufgeschlossen habe, stehe ich einem hageren Mann gegenüber. Er rückt sich grimmig die Brille auf der Nase zurecht und holt danach sein Klemmbrett hervor, das er sich unter die Achsel geklemmt hat.
»Grüezi, sind Sie Frau Leutenegger?«, erkundigt sich der Mann mit nasaler Stimme. Obwohl ich keine Ahnung habe, was er von mir möchte, nicke ich und möchte ihn ebenfalls begrüßen, doch er kommt mir zuvor.
»Ich bin Herr Scheiwiler von der Denkmalschutz-Behörde des Kanton Schwyz und bin wegen der angekündigten Inspektion hier.«
Stirnrunzelnd blinzle ich hektisch und habe keine Ahnung, wovon er spricht. Was zur Hölle soll das bedeuten?
»Wie bitte?«, frage ich irritiert und schaue wahrscheinlich genauso drein, wie ich mich fühle. Mein Herz poltert unregelmäßig weiter, während von hinten einige Gesprächsfetzen zu mir dringen. Mein Gehirn ist aber anderweitig beschäftigt, weshalb ich nicht verstehe, worum es dabei geht.
»Ich bin wegen der Inspektion hier. Das Informationsschreiben wurde Ihnen vor etwa«, er schaut auf sein Klemmbrett und sieht dann wieder mich an, »drei Monaten zugeschickt«, sagt er und hält mir das Schreiben unter die Nase. Jedoch zieht er es so schnell wieder zurück, dass ich keine Chance habe zu entziffern, worum es sich dabei handelt.
Dicke Schneeflocken fallen auf seinen schütteren Kopf und schmelzen durch die Körperwärme. Sein Atem bildet weiße Wölkchen, genau wie meiner, der allerdings stoßweise meine Lunge verlässt.
»Wir haben keinen Brief erhalten«, kommt es mir über die Lippen, bevor ich überhaupt darüber nachdenke. Herr Scheiwiler verzieht das Gesicht, als hätte er in eine wirklich saure Zitrone gebissen und hebt anklagend eine Braue.
»Das kann nicht sein. Wir nehmen es sehr genau mit unseren Schreiben.«
Ich durchsuche meine Erinnerungen an ein Schreiben des Denkmalschutzes, das eine Inspektion angekündigt hätte. Ben hat unseren Umbau auf jeden Fall gemeldet, was Vorschrift bei einem so alten Gebäude wie der Dorfbäckerei ist. Da bin ich mir sicher. Aber an den Brief kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.
»Was ist nun? Lassen Sie mich rein, damit ich mich umsehen kann? Das Wetter ist nicht das Beste.« Seine Stimme klingt nicht nur zwei Oktaven tiefer, sondern auch mehr als ungehalten. Seine ganze Haltung strahlt eine Ablehnung aus, dass es mir kalt den Rücken runterläuft. Wenn es so weitergeht, dann stehen unsere Karten schlecht, noch bevor die Inspektion überhaupt angefangen hat.
»Ich ... muss zuerst einen Anruf machen. Aber kommen Sie doch gern herein«, antworte ich, bemüht, ihm nicht zu zeigen, wie nervös mich sein Auftauchen macht. Herr Scheiwiler erwidert nichts, sondern betritt grimmig die Bäckerei. Wir haben versucht uns an die Vorgaben zu halten. Aber man kann sich auch nicht zu einhundert Prozent sicher sein, dass alles richtig gewesen ist. So etwas sollte mir keine Angst machen, aber nach dem schwierigen Start, dem Kabelbrand und den darauffolgenden drohenden finanziellen Einbußen, können wir uns nicht leisten, dass irgendetwas beanstandet wird, was den Verkauf der Backwaren einschränken oder verhindern würde.
Ich nehme die Wärme, die hier drinnen herrscht, gar nicht mehr richtig wahr. Im Gegensatz zu diesem Inspektor, der sich die vor Kälte roten Hände knetet und sich den Schnee vom Mantel klopft. Dieser rieselt auf den Dielenboden und schmilzt zu einer kleinen Pfütze zusammen.
Ich schließe hinter ihm die Tür und sehe, wie Theresa gefolgt von Melanie aus der Backstube kommt. Keine Ahnung, was ich ihnen sagen soll, aber anscheinend muss ich das gar nicht. Melanie gibt mir mit einem Blick zu verstehen, dass sie die Gruppe übernimmt, die in der Backstube munter weiter dekoriert. Dankbar lächle ich ihr zu und biete Herrn Scheiwiler einen Kaffee an, den er ablehnt.
»Ich muss nur kurz einen Anruf machen.«
»Haben Sie Kundschaft in der Backstube?«, fragt er dazwischen und kritzelt etwas auf das Klemmbrett.
Anscheinend hat er das Ankündigungsschreiben gegen eine Checkliste getauscht.
»Ja, das habe ich. Wir bieten Backnachmittage für Senioren an. Wenn Sie möchten, können Sie sich gern zu den anderen gesellen und Weihnachtsguetzli dekorieren«, antworte ich.
Mehr als ein abfälliges Schnauben bekomme ich darauf nicht, sodass ich die Bäckerei verlasse, um Ben anzurufen. Dass er ausgerechnet heute in Zürich sein muss, denke ich verzweifelt, als das Freizeichen erklingt. Mir ist kalt, aber ich ignoriere das und wippe nervös mit den Füßen auf und ab.
»Geh schon dran, geh schon dran ...«, wispere ich und spüre, dass meine Kehle eng wird. Ich will schon fast auflegen, da höre ich seine Stimme. »Nina? Schatz alles in Ordnung?«
Bei dem vertrauten Klang atme ich erleichtert auf. Jeder Atemzug sticht in meiner Lunge. Ich sollte wieder reingehen, doch ich möchte auch nicht, dass dieser Typ mitbekommt, was ich mit Ben bespreche.
»Weißt du, dass heute eine Inspektion des Denkmalschutzes ansteht?«, platze ich heraus. Ich kneife mir in die Nasenwurzel und hasse es, dass sich jede Millisekunde wie eine gefühlte Stunde anfühlt. Der Schnee fällt auf mich herunter, was meinen Pullover an den Armen durchnässt. Also stelle ich mich unter das Vordach und warte auf seine Antwort.
»Nein ... ich ... ich bin gerade in einem Meeting.«
»Der Vertreter ist hier, während ich eine Gruppe in der Backstube habe. Sag mir, dass du dich an einen Brief von denen erinnerst.« Ich höre, wie Ben sich entschuldigt und hastig den Raum verlässt.
Es tut mir leid, ihn gerade zu stören, aber das ist nun mal genauso wichtig. Wenn nicht noch wichtiger, zumindest für uns und die Dorfbäckerei.
»Ich habe den Umbau sachgerecht angemeldet. Der entsprechende E-Mail-Verkehr habe ich sorgfältig abgelegt. Er ist im grünen Ordner im Büro oben. Wie heißt der Vertreter noch mal?«
»Scheiwiler.«
»Das ist nicht der, mit dem ich damals gesprochen habe. Der hieß irgendwie anders. Ich glaub etwas mit Berger. Ja, sorry, ich komm gleich wieder«, Letzteres sagt er zu jemand anderem.
»Okay, dann schaue ich dort nach. Hoffentlich wird alles gut laufen«, erwidere ich mit bebender Stimme. Keine Ahnung, weshalb ich so aufgeregt bin, doch nach dem ganzen Stress, den wir in den letzten Monaten wegen des Kabelbrandes hatten, sehe ich überall sofort weitere Hindernisse, wo keine sein müssen. Die Backstube ist auf dem neusten Stand, es liegen keine Kabel herum und auch sonst, sollte dieser Typ nichts zu beanstanden haben. Ich mache mir einfach zu viele Sorgen.
»Du schaffst das. Und sobald das Meeting vorbei ist, fahre ich nach Hause«, versichert mir Ben. Ich nicke, obwohl er es gar nicht sehen kann, und verabschiede mich von ihm.
Noch einmal tief durchatmen, dann gehe ich wieder in die Bäckerei und entschuldige mich bei Herrn Scheiwiler.
»Können wir nun beginnen?«, fragt er und sieht erneut auf seine Uhr.
»Ich muss noch der Gruppe Bescheid geben. Bitte setzen Sie sich doch.« Ich versuche seine miese Stimmung zu beschwichtigen. Er nickt stumm und bleibt wie ein Zinnsoldat stehen. Mit gestrafften Schultern verlasse ich ihn, um den Senioren zu sagen, dass wir heute früher als üblich Schluss machen müssen. Gott sei Dank nehmen es alle Teilnehmer gelassen, und als ich auf die Uhr schaue, fällt mir ein Stein vom Herzen. Es sind sowieso nur noch fünfzehn Minuten. Also halb so wild.
Während sich Melanie um die Gäste kümmert und Herr Scheiwiler sich nun doch an einen der Tische gesetzt hat, haste ich nach oben in unsere Wohnung und hole den Ordner. Ich muss gar nicht lange suchen, das grüne Ungetüm sticht im sonst clean aufgeräumten Regal neben dem Schreibtisch, fast schon wie eine Leuchtreklame heraus. Bens Ordnungssinn kommt mir hier zu Hilfe und als ich wieder unten bin, sind die letzten Gäste gerade gegangen.
»Können wir endlich mit der Inspektion starten? Ich muss schon bald zum nächsten Termin und Himmelbach liegt nicht gerade zentral«, beschwert sich Herr Scheiwiler. Er schaut dabei immer wieder auf seine Uhr, die um sein Handgelenk herumschlenkert.
»Sehr gern. Ich möchte Ihnen nur noch kurz etwas zeigen«, erwidere ich und lege ihm die ausgedruckten Mails von Ben vor, die er an einen Herr Eggenberger geschrieben hat.
»Wie Sie sehen, haben wir alles sachgemäß dargelegt«, sage ich.
»Das mag alles sein. Aber ich muss mich trotzdem in der Backstube sowie in der darüberliegenden Wohnung umsehen.«
Enttäuscht nicke ich und zeige ihm die offensichtlich nicht aufgeräumte, aber trotzdem nicht zu sehr beanspruchte Backstube.
»Wie sie gesehen haben, habe ich einen Backnachmittag für Rentnerinnen und Rentner aus der Umgebung veranstaltet«, erkläre ich die mit Mehl befleckte Arbeitsfläche.
»Das wäre von Belang, wenn ich vom Gesundheitsamt wäre. Mir geht es um die vorgenommenen Umbaumaßnahmen«, erklärt Herr Scheiwiler.
Er notiert so viel, dass ich gar nicht hinterherkomme und mich frage, warum nicht Herr Eggenberger die Inspektion durchführt. Dieser wäre vielleicht etwas netter gewesen, wobei sich das bestimmt nicht auf Herrn Scheiwilers Meinung auswirken wird. Vielleicht tue ich Herrn Scheiwiler aber auch unrecht, weil er nur seinen Job macht. Aber ich bin zu aufgeregt, um das abzustellen. Nervös, weil er alles unter die Lupe nimmt, stehe ich da und knete meine Hände, bis sie wehtun.
»Ich muss mich oben umsehen.«
»Sicher, bitte folgen Sie mir«, antworte ich bemüht freundlich und gehe als Erste aus der Backstube, durch den kleinen Flur zur Treppe, die in die erste Etage führt. Ich verkneife mir eine Frage, wie es bisher um das Ergebnis steht, und halte mich am Handlauf fest, weil mir mit jedem weiteren Schritt flauer im Magen wird. Sicher, es ist nur eine Inspektion, nichts Schlimmes also, aber ich kann das ungute Gefühl nicht abstellen.
»Als wir renoviert haben, gab es hier weder Strom noch warmes Wasser.« Warum ich mich erkläre, weiß ich auch nicht, aber ich verspüre das dringende Bedürfnis, es zu tun.
»Nichts Unübliches in einem alten Gebäude wie diesem. Es kommt aber vielmehr auf die Ausführung als auf den Grund der Renovierung an. Sie müssen verstehen, dass wir strenge Vorgaben haben, was die Materialien angeht. Darunter fallen die Art der Verputzmittel und sogar die Ummantelung der einzelnen Kabel.«
Ich nicke und durchforste meine Erinnerung, welche Farben und Kabel wir verwendet haben. Kann mich allerdings beim besten Willen nicht daran erinnern. Was natürlich ein großer Fehler sein kann, wenn wir gegen die Auflagen verstoßen haben.
Herr Scheiwiler geht jeden Raum durch, kritzelt weiter fleißig auf seiner Checkliste herum und sagt dabei kein einziges Wort. Ich komme mir während der ganzen Zeit wie ein Schulkind bei einer Prüfung vor.
Als mein Handy vibriert und ich einen Blick darauf riskiere, sieht er gerade unter der Spüle nach. Erneut notiert er sich etwas. Ich will doch nur wissen, was dort draufsteht, dann könnte ich ...
Wieder eine Nachricht. Beide sind von Melanie, die sich erkundigt, wie es läuft. Weil er keine Anstalten macht, mich an seinen Gedanken teilhaben zu lassen, tippe ich eine kurze Antwort, dass ich mich melde, sobald alles vorbei ist.
Nach ungefähr dreißig Minuten der quälenden Warterei ist die Inspektion beendet. Zusammen gehen wir wieder nach unten und ich kann nicht anders, als ihn zu fragen, wie es nun weitergeht.
Herr Scheiwiler will gerade antworten, als Ben anruft. Ich stelle ihn auf laut, sodass er ebenfalls mithören kann.
»Es ist so, dass ich noch einige Informationen benötigen werde, bevor ich mein Urteil abgeben kann. Die genauen Ergebnisse lasse ich Ihnen noch zukommen.«
»Darf ich fragen, weshalb Herr Eggenberger die Inspektion nicht durchgeführt hat?« Ben versucht, neutral zu klingen, aber ich kenne ihn, er hat genauso viele Fragen wie ich.
»Nun ja, ich muss sagen, da gibt es etwas, das Ihnen höchstwahrscheinlich nicht mitgeteilt worden ist.«
Und das wäre? Rück endlich mit der Sprache heraus!
»Herr Eggenberger ist kürzlich an einem Herzinfarkt verschieden. So wurden seine Klienten unter den anderen Mitarbeitenden aufgeteilt, und es kann sein, dass einige Unterlagen nicht richtig abgelegt wurden. Herr Eggenberger war nicht gerade für seinen Ordnungssinn bekannt. Aber das tut nichts zur Sache, dass die Inspektion durchgeführt werden musste. Dies ist eben Vorschrift.«
»Das tut uns sehr leid«, sage ich und höre, wie Ben etwas Ähnliches sagt.
»Nun ja, die Frist, die nicht sachgerechten Renovierungen zu beheben, beträgt je nach Größe des Aufwandes von drei bis maximal sechs Monaten. Sie kann verkürzt werden, wenn Sie das Vorgehen behindern. Das könnte eine Geldstrafe oder eine Strafanzeige nach sich ziehen.«
Bei diesen Worten ziehe ich scharf die Luft ein. Der Kloß in meiner Kehle wandert nach unten, sackt in meinen Magen, wo er sich anfühlt, als hätte ich Wackersteine darin.
»Sie können natürlich rechtlich dagegen vorgehen, aber dies ist zeit- und kostspielig, sodass ich Ihnen dringend davon abraten würde.« Er nimmt sein Klemmbrett wieder in die Hand, anscheinend ist der Termin hiermit für ihn beendet.
»Halten Sie die Frist ein und setzen Sie alles um, dann wird nichts passieren. Ich wünsche Ihnen einen schönen Nachmittag.«
»Vielen Dank, Herr Scheiwiler. Wir werden alles tun, um die Frist einhalten zu können.« Ich schüttle ihm die Hand und begleite ihn zur Tür. Nachdem er die Bäckerei verlassen hat, nehme ich mein Handy in die Hand und erzähle Ben, dass er gegangen ist.
»Das ist wahrscheinlich der verrückteste Nachmittag, den ich seit Langem erlebt habe«, sage ich zu Ben. Er ist mittlerweile im Auto und fährt zurück nach Himmelbach.
»Das kannst du laut sagen. Ich bin bald zu Hause, Schatz. Dann reden wir in Ruhe darüber«, erwidert Ben und verabschiedet sich mit einem »Ich liebe dich« von mir. Ich stehe noch eine Weile da und schaue zur Tür, durch die Herr Scheiwiler vor Kurzem gegangen ist. Ich kann nur hoffen, dass er nichts zu beanstanden hat, dann haben wir nichts zu befürchten.
»Es tut mir so leid, dass ich nicht da gewesen bin«, sagt Ben und zieht mich in seine Arme. Ein Gefühl von Ruhe und Erleichterung flutet meinen noch immer unter Strom stehenden Körper.
»Schon okay, es ist ja alles ganz gut gelaufen. Zumindest soweit ich es beurteilen kann«, erwidere ich und schaue zu ihm auf. Bens Stirn ist in Falten gelegt, seine blauen Augen wirken besorgt, aber da ist auch eine Zuversicht, an die ich mich klammern möchte.
Ich kann die Wärme durch seine Finger spüren, die auf mich übergeht. Erst jetzt merke ich, wie kalt ich mich innerlich fühle. Wir stehen in unserem kleinen, offenen Flur – und Essbereich im oberen Stockwerk der Bäckerei.
Dort, wo Herr Scheiwiler ebenfalls seine Inspektion durchgeführt hat. Ein Schauder überzieht meinen gesamten Körper, als ich mir vorstelle, was er vielleicht alles zu beanstanden hat. Ich versuche, die letzte Stunde auszublenden. Die Angst, dass wir die Bäckerei erneut verlieren könnten, halte ich einfach nicht aus. Auch wenn es sich vielleicht etwas übertrieben anhört, aber ich habe wirklich Angst, dass wir unsere Existenzgrundlage verlieren könnten. Klar, Ben verdient gut, aber um die Hypothek, die wir wegen des Brandes aufnehmen mussten, abzubezahlen, sind wir dann doch auf die Einnahmen der Bäckerei angewiesen.
»Doch, weil der Brief ... ich könnte schwören, dass ich ihn nicht gesehen habe«, meint Ben nachdenklich.
»Selbst wenn wir ihn als Lesezeichen benutzt hätten, es wäre auf dasselbe Ergebnis hinausgelaufen«, entgegne ich. Ben streichelt mir über die Wange und lehnt seine Stirn gegen meine.
»Wir werden diesem Herrn Scheiwiler die Liste so schnell wie möglich zuschicken, dann ist die ganze Sache erledigt.«
»Ich weiß, aber es fällt mir schwer nach all den Prüfungen, die wir bereits meistern mussten, die Sache positiv zu sehen«, antworte ich seufzend.
»Du sagst es richtig, wir haben sie alle gemeistert. Diese letzte Hürde werden wir auch noch nehmen.«
Ich löse mich etwas von ihm, stütze das Kinn auf seiner Brust ab und schaue so zu ihm auf. Ben streicht mir eine Strähne hinters Ohr. Der Ausdruck in seinen blauen Augen lässt mein Herz schneller schlagen, denn die Liebe zu mir sticht deutlich heraus und ersetzt die Sorge um die Bäckerei. Auch in mir weichen die negativen Gedanken ein wenig und werden durch ein warmes Gefühl in meinem Bauch und ein Kribbeln ausgetauscht, weshalb ich automatisch lächle. Auch wenn es sich ein wenig schmerzhaft anfühlt. Denn die Gefahr ist deswegen nicht gebannt und ...
»Was ist?« Seine Stimme ist so leise, dass es einem Flüstern gleicht. Und doch finden die Worte auf direktem Weg in mein Herz. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und küsse ihn, presse meine Lippen auf seine. Ich verdränge alle negativen Gedanken und meine Angst und ersetze sie durch meine Liebe zu Ben und der Bäckerei, zu Ruth und ganz Himmelbach und weiß, dass wir das alles überstehen werden. Ben erwidert den Kuss sofort, verstärkt den Druck auf meinen Mund und presst mich enger an sich. Leise keuche ich auf, doch das Klingeln an der Tür unterbricht uns.
»Wir könnten einfach so tun, als wären wir nicht zu Hause?«
Ich werfe ihm einen Blick zu, der ihm verrät, dass das nicht funktionieren wird. Denn es klingelt wieder und dieses Mal energischer.
»Na schön, aber wir nehmen unser Gespräch nachher wieder auf.«
»Auf jeden Fall«, sage ich und küsse Ben noch einmal, ehe ich an die Tür gehe, die wir bei der Renovierung der Wohnung eingebaut haben, um etwas mehr Privatsphäre zu haben. Jetzt öffne ich sie und gehe nach unten, um nachzusehen, wer draußen auf uns wartet.
»Na, das wurde aber auch Zeit«, begrüßt mich Melanie, umarmt mich kurz und geht dann ins Innere. Ihre Wange fühlt sich eiskalt an.
»Tut mir leid, ich habe versucht, sie aufzuhalten«, meint Claudia und sieht mich entschuldigend an.
»Ach was, ich habe die beiden dazu angestiftet.« Ruth, die hinter Claudia hervortritt, lässt mich nicht zu Wort kommen und drückt meine Hand.
»Kommt doch rein«, sage ich schließlich und lasse die drei Frauen in die Bäckerei. Melanie hat einige Stühle bereits wieder von den Tischen genommen und holt eine Flasche Rotwein aus ihrer Tasche heraus.
»Ich dachte du könntest etwas davon vertragen.«
»Und wir wollten dich natürlich auch nicht mit allem allein lassen«, schiebt Claudia hinterher, die wegen des Schulunterrichts nicht am Backnachmittag teilnehmen konnte. Sie ist Primarlehrerin in Himmelbach und seit einigen Monaten immer mehr in unseren Freundeskreis gerückt. Ich denke, Ruth hat sie ebenfalls schon in ihr Herz geschlossen, denn sie sieht Claudia mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen an.
»Das kann ich gut gebrauchen, nur ...«, ich verstumme als ich Ben die Treppe runterkommen höre.
»Lasst euch nicht stören, Ladys. Ich muss sowieso noch ein paar Kalkulationen durchgehen und werde mich an die Liste setzen. Viel Spaß euch«, sagt er und gibt seiner Oma einen Kuss auf die Wange und mir danach einen auf den Mund.
»Mach aber nicht zu lange, wir müssen da noch etwas zu Ende bringen«, raunt er mir mit einem amüsierten Ausdruck in den Augen ins Ohr.
»Ich beeile mich«, erwidere ich und bekomme von ihm ein Zwinkern, das mir die Röte ins Gesicht schießen lässt.
»Oh, oh! Was sehe ich denn da«, kommentiert Melanie kichernd die Szene. Ich rolle spielerisch mit den Augen und setze mich danach zu den dreien an den Tisch.
»Nichts, was dich etwas angehen würde«, entgegne ich schelmisch.
»Da gebe ich dir recht, lass das Melanie«, tadelt Ruth sie.
»Das musst gerade du sagen. Walter und du ... ich sage nur Auto«, kontert meine beste Freundin. Ich reiße die Augen auf und schaue von Ruth zu Melanie und wieder zurück.
»Was soll das heißen? Was ist passiert? Ich will alle Details hören«, sage ich lachend und greife nach einem der Weingläser, die Claudia vorhin aus dem Schrank geholt hat.
»Nichts«, zischt Ruth und sieht beschämt nach unten.
»Na ja, nach nichts hat das nicht ausgesehen. Ich hab die beiden vor ein paar Tagen im Auto von seinem Enkel gesehen. Knutschend«, erzählt Melanie. Sie gluckst amüsiert, was Ruth gar nicht gut auffasst, denn sie presst die Lippen fester zusammen und funkelt Melanie wütend an.
»Daran ist doch nichts schlimmes.« Claudia dreht den Stil ihres Glases hin und her und zuckt mit den Schultern. Wie süß von ihr, dass sie auf Ruths Seite ist. Ruths Züge werden weicher und sie entspannt sich wieder ein wenig. Melanie wirft mir einen Blick zu, der mir verrät, dass für sie das Thema noch lange nicht auserzählt ist und dass wir ein anderes Mal darüber reden werden.
Ich wechsle das Thema und erzähle ihnen, was alles passiert ist, nachdem sie die Bäckerei verlassen haben.
»Das ist eine bodenlose Frechheit!« Ruth. Ein Schnauben folgt, was mich dann doch die Mundwinkel leicht heben lässt. Sie ist immer gleich auf hundertachtzig, weshalb ich nicht darauf eingehe, dass die Inspektion völlig geregelt abgelaufen ist.
»Kann man da nichts gegen tun?« fragt Melanie.
»Wenn ihr einen Anwalt braucht, ich kenne da jemanden. Marc Kissling. Er ist sehr gut und ... na ja, sehr überzeugend«, sagt Claudia. Sie stiert danach in ihr Weinglas und sieht irgendwie seltsam drein, als hätte sie fast etwas gesagt, das sie nicht hätte sagen wollen. Aber was könnte das sein?
»Vielleicht etwas drastisch, aber gar nicht mal so schlecht«, erwidert Melanie und drückt meine Hand.
»Wir haben noch nicht richtig darüber reden können. Aber Ben setzt sich jetzt an die Liste mit den Materialien und anderen Sachen, die wir der Behörde vorlegen müssen. Und am Ende kommt es auf die Anzahl der Änderungen an und vor allem, wie lange wir dafür Zeit haben.« Wenn ich an die möglichen Konsequenzen denke, dreht sich mir der Magen um. Allein, dass wir für die Nichteinhaltung mit einer Geldstrafe oder schlimmer noch mit einer Strafanzeige rechnen müssen, ist beängstigend.
»Vielleicht ist die Idee mit dem Anwalt doch nicht so schlecht«, gebe ich zu. Claudia nickt und verspricht mir, die Kontaktdaten gleich nachher noch zuzuschicken.
»Er hat Louise vertreten, als es darum ging, dass man sie aus ihrem Strickladen ekeln wollte.«
Ich erinnere mich noch gut daran. Louise ist Claudias Patentante und hat einen süßen Strickladen in Selighausen geführt. Dort gibt es auch ein tolles Café das Süess & Salzig, dort treffen wir Mädels uns gern zum Kaffee und unterhalten uns. Louise und Ruth haben sich ebenfalls angefreundet. Vor allem weil sie ein gemeinsames Hobby haben, das Stricken.
»Und auch beim Verkauf, wenn ich mich nicht verzettle«, sagt Ruth.
»Ja, Marc, also Herr Kissling ist sehr kompetent.« Wieder schleicht sich eine leichte Röte über Claudias Gesicht. Hat sie Gefühle für diesen Marc? Wenn ja, warum hat sie nichts gesagt? Aber es gibt Dinge, über die will man lieber nicht sofort mit jemandem reden. Das kenne ich zu gut.
Wir unterhalten uns noch eine Weile, bis Ruth aufsteht und verkündet, dass sie ins Bett muss.
»Ich brauche eben meinen Schönheitsschlaf. Wenn ihr in meinem Alter seid, dann werdet ihr euch daran erinnern.«
»Ganz bestimmt. Aber ich muss gestehen, dass ich ebenfalls hundemüde bin«, erwidert Melanie und versteckt ihr Gähnen hinter der Hand. Auch ich merke, dass mich die heutigen Ereignisse in Anspruch genommen haben. Den ganzen Tag auf den Beinen zu sein, bin ich durch meinen früheren Beruf als Altenpflegerin schon gewohnt, aber auch die Arbeit in der Bäckerei hat mich abgehärtet. Jedoch fordert der emotionale Stress, der mir während der Inspektion wortwörtlich aus jeder Pore geflossen ist, seinen Tribut, weshalb ich froh bin, dass die anderen aufbrechen.
»Danke, dass ihr da gewesen seid«, sage ich und schließe eine nach der anderen in den Arm.
»Immer, das tun Freundinnen eben«, erklärt Claudia. Aus dem Augenwinkel entgeht mir nicht, dass Melanie die Brauen nach oben zieht und Ruth einen Seitenblick zuwirft, den ich nicht deuten kann. Schon am Anfang hatte Melanie ihre Mühe, Claudia in unserer Runde aufzunehmen. Aber ich habe gehofft, dass sich das nun gelegt hat. Vielleicht interpretiere ich das auch falsch, doch das ungute Gefühl bleibt.
»Schlaf gut, meine Liebe«, verabschiedet sich Ruth von mir.
»Ich komme morgen zum Frühstück vorbei, okay?«
»Darüber freue ich mich sehr, vielleicht kannst du Ben ja auch überreden mitzukommen. Er wohnt jetzt zwar hier, trotzdem könnte er sich mehr bei mir blicken lassen«, rügt sie ihren Enkel. Ich kann sie verstehen, ihr bedeutet Ben sehr viel und weil sie zu Konrad, ihrem einzigen Sohn und Bens Vater, keinen allzu engen Kontakt hat, ist Ben für sie wie ein Kind geworden.
»Er kommt gern mit, bis morgen«, sage ich und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. Ich begleite die drei noch zur Tür. Als ich sie öffne, wirbelt der kalte Novemberwind einige Schneeflocken zu uns.
»Brr, diese Kälte. Der Schnee ist ja schon schön, aber warum muss es dann immer auch so bitterkalt sein?«, murrt Ruth und schlingt ihren Schal enger um den Hals.
»Da musst du Petrus fragen.« Melanie lacht und hält sie an der Hand, während Ruth einen Schritt nach dem anderen durch den Pulverschnee macht.
»Kommt gut nach Hause. Hab euch lieb«, rufe ich und winke ihnen zum Abschied nach und schließe danach die Tür. Für einen Moment genieße ich die Ruhe, doch als mich jemand sanft an der Schulter berührt, lächle ich.
»Ich dachte schon, sie würden nie gehen«, raunt Ben mir zu und haucht mir einen Kuss in den Nacken. Erschauernd drehe ich mich zu ihm um und lege meine Hand an seine Wange.
»Wir sollten schleunigst ins Bett, weil wir morgen zum Frühstück bei Ruth eingeladen sind«, erwidere ich, ehe ich ihn küsse und mich auf das freue, was oben auf mich wartet.
Noch vor dem Frühstück mit Ruth habe ich mich bei Herrn Kissling gemeldet, dem Anwalt, den Claudia mir empfohlen hat. Der sich auch prompt zurückgemeldet hat. Er hätte heute Nachmittag spontan Zeit. Zuvor müssen wir ihm alle Unterlagen zukommen lassen, damit er sich einen ersten Überblick verschaffen kann.
Das Frühstück bei Ruth war zwar schön, aber wir sind immer wieder auf den Denkmalschutz zurückgekommen, sodass wir alle immer stiller geworden sind. Das Thema bereitet jedem von uns Magenschmerzen, das kann ich nicht anders sagen.
Ich habe versucht, mich beim Backen etwas abzulenken, habe am Mittag keinen Bissen runterbekommen und rutsche nun, da wir im
