Die Konstruktion der europäischen Gesellschaft - Richard Münch - E-Book

Die Konstruktion der europäischen Gesellschaft E-Book

Richard Munch

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Beschreibung

Die Integration Europas ist ein fundamentaler Prozess des gesellschaftlichen Wandels, ein Prozess der Konstruktion einer europäischen Gesellschaft und der Dekonstruktion der nationalen Gesellschaften. Münch beschreibt diesen tief greifenden Wandel in einer gesellschaftstheoretischen Perspektive anhand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und der damit einhergehenden intellektuellen Legitimationsdiskurse. Über die fachwissenschaftlichen Diskurse hinaus hilft das Buch zu verstehen, wie die Integration Europas die Gesellschaft verändert. Das Buch spricht nicht nur die gesamte Europaforschung über alle disziplinären Grenzen hinweg an, sondern auch alle mit der fortschreitenden Integration Europas beschäftigten Experten in Regierung, Verwaltung, Parteien, Verbänden und Medien sowie alle politisch interessierten Bürger.

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LESEPROBE

Münch, Richard

Die Konstruktion der europäischen Gesellschaft

Zur Dialektik von transnationaler Integration und nationaler Desintegration

LESEPROBE

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Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2008. Campus Verlag GmbH

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E-Book ISBN: 978-3-593-40455-4

|9|Vorwort

Die Integration Europas ist ein fundamentaler Prozess des gesellschaftlichen Wandels. Die Menschen vereinigen sich über die nationalen Grenzen hinweg, während sie sich innerhalb dieser Grenzen voneinander entfernen. Der Aufbau einer europäischen Gesellschaft wird vom Abbau der nationalen Gesellschaften begleitet. Die Nationen gleichen sich einander an, indem sie in ihrem Inneren vielfältiger werden. Die Gleichzeitigkeit von innerem Zusammenhalt und äußerer Abgrenzung wird in einer europäischen Mehrebenensolidarität aufgehoben. Dieser Prozess wird von den mobilen Eliten Europas vorangetrieben. Er erzeugt Gewinner und Verlierer, gibt den bisher benachteiligten Nationen bessere Chancen, entfesselt aber zugleich einen Verdrängungswettbewerb, bei dem die Verfügung über Wettbewerbsvorteile darüber entscheidet, wer gewinnt und wer verliert. Es wächst die Ungleichheit zwischen prosperierenden und abgehängten Regionen, zwischen einer transnationalen Führungselite, der Masse der Normalbürger und einer Unterschicht von marginalisierten Menschen, die dem verschärften Wettbewerb nicht standhalten.

Die Integration Europas ist nach der Absicht ihrer Protagonisten ein Motor des wirtschaftlichen Wachstums und der Friedenssicherung. Sie verlangt allerdings auch ihren Preis. Die Angleichung der Lebensverhältnisse der einzelnen Nationen wird von einer wachsenden Ungleichheit innerhalb der Nationen begleitet, die wiederum neue Konflikte veranlasst. Diese Konflikte finden im Streit über die richtige Ordnung der europäischen Gesellschaft einen übergreifenden Ausdruck. Diesem Streit gilt das Interesse der hier vorgelegten Untersuchung. Er soll in der Wechselwirkung von drei Ebenen der Integration Europas untersucht werden: Wirtschaft, Recht und Verfassung. Es geht um die juristische Konstruktion Europas auf der Basis seiner wirtschaftlichen Integration und um die semantische Konstruktion Europas auf der Basis der wirtschaftlichen und rechtlichen Integration. Diese beiden aufeinander bezogenen Fragestellungen werden einerseits anhand |10|der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, andererseits anhand der intellektuellen Legitimationsdiskurse zur Verfassung der europäischen Gesellschaft in Großbritannien, Frankreich und Deutschland – drei Mitgliedstaaten mit starken eigenen Verfassungstraditionen – bearbeitet.

Die Untersuchung folgt einer in der Soziologie verwurzelten gesellschaftstheoretischen Perspektive. Sie will im interdisziplinären Dialog einerseits einen Beitrag zur Integration der soziologischen, rechtswissenschaftlichen, politikwissenschaftlichen und historischen Europaforschung leisten, andererseits die Gesellschaftstheorie empirisch konkretisieren, aktualisieren und erneuern.

Die Gelegenheit zur Durchführung dieses Forschungsprogramms gab mir das an der Universität Bamberg seit 2002 bestehende, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Freistaat Bayern geförderte Graduiertenkolleg »Märkte und Sozialräume in Europa«. Das Kolleg hat genau jenen Diskurszusammenhang geschaffen, in dem das hier vorgelegte Buch als interdisziplinär informierter soziologischer Beitrag zur Europaforschung nur entstehen konnte. Mein Dank gilt deshalb den Kollegen, Kollegiatinnen und Kollegiaten des Kollegs, ohne deren diskursive Begleitung das Buch nicht so geschrieben worden wäre, wie es geschrieben wurde. Dazu gehören auch zwei für die Arbeit im Kolleg und an dem Buch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Forschungssemester, für die ich sehr dankbar bin. Die Verwirklichung des Buchprojektes ist durch tatkräftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter maßgeblich befördert worden. Ohne die umfangreiche Recherchearbeit von Céline Morin hätte das Kapitel über den französischen intellektuellen Diskurs über die legitime Ordnung einer europäischen Gesellschaft nicht entstehen können. Dasselbe haben Viola Geberzahn für den britischen und Sven Weber für den deutschen intellektuellen Diskurs geleistet. Die Kapitel wurden auf der Grundlage ihrer Forschungsberichte ausgearbeitet. Brigitte Münzel, Margrit Seuling, Sigrid Piaschinski und Anne Baum haben für die Herstellung des druckfertigen Manuskripts gesorgt. Ihnen allen sei dafür ganz herzlich gedankt.

Bamberg, im Juni 2008

Richard Münch

|11|Einleitung: Die juristische und die semantische Konstruktion Europas auf der Grundlage der europäischen Arbeitsteilung

Die moderne Gesellschaft ist auf der einen Seite ein Ergebnis der fortschreitenden Arbeitsteilung (Durkheim 1977), auf der anderen Seite aber auch ein Ergebnis der juristischen Gestaltung dieser Arbeitsteilung und ihrer semantischen Konstruktion als legitime Ordnung (Weber 1920/ 1972a, 1922/1976). Wir könnten auch vom Zusammenwirken von Produktivkräften, Produktionsverhältnissen und politischem, juristischem sowie ideologischem Überbau sprechen (Marx 1859/1969: 8–9). Karl Marx, Emile Durkheim und Max Weber haben die klassischen soziologischen Beiträge zur Deutung und Erklärung des Entstehens der modernen, national organisierten industriellen Klassengesellschaft verfasst. Ihre Analysen weisen jedoch schon über die national organisierte industrielle Klassengesellschaft hinaus und lassen erkennen, dass diese nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Herausbildung einer globalen Ordnung der Arbeitsteilung sein kann. Es liegt deshalb auf der Linie der klassischen Werke der Soziologie, die aktuelle Gestalt der inzwischen weit über das System der national organisierten industriellen Klassengesellschaft hinausgegangenen Gesellschaftsordnung soziologisch zu deuten und zu erklären (Kalberg 1994; Levine 1995). Das System der nationalen Gesellschaften wird zunehmend von einem Mehrebenensystem nationaler, europäischer und globaler Ordnungen abgelöst (vgl. Sorge 2000; Tyrell 2005). Den Fragen nach dem Sinn der neuen Gesellschaftsordnung, den treibenden Kräften ihrer Entwicklung und ihren Konsequenzen soll in diesem Buch nachgegangen werden. Dabei liegt der Fokus auf der mittleren Ebene des Mehrebenensystems, auf der Herausbildung der Ordnung einer europäischen Gesellschaft in der Interaktion mit der globalen Entwicklung und den nationalen Ordnungen (Kaelble 1987; Loth 1991, 2005). Die Entwicklung einer europäischen Gesellschaft soll im Zusammenwirken zwischen der fortschreitenden europäischen Arbeitsteilung und der juristischen sowie semantischen Konstruktion einer legitimen Ordnung dieser |12|Arbeitsteilung begreifbar gemacht und erklärt werden. In Anlehnung an Emile Durkheim (1973a, 1973b) lässt sich die europäische Gesellschaftsordnung in ihrem Kern auf den Begriff eines europäischen Kultes des Individuums bringen. Die neue europäische Ordnung gießt den in der Aufklärung geborenen Kult des Individuums in eine Form, die sich deutlich von dessen kollektiv eingehegter Gestalt im nationalen Wohlfahrtsstaat unterscheidet. Um diesen Vorgang und seinen Sinn verstehen und erklären zu können, müssen wir der juristischen und der semantischen Konstruktion von gesellschaftlicher Ordnung im juristischen und im intellektuellen Diskurs besondere Aufmerksamkeit widmen. Im Zentrum der Untersuchung stehen deshalb das Recht und die Verfassung als Grundstruktur der gesellschaftlichen Ordnung (vgl. Gephart 1993). Das Recht kann als dasjenige Feld betrachtet werden, auf dem die maßgeblichen Kämpfe um die Gestaltung der modernen Gesellschaft ausgetragen werden (Bourdieu 1986, 1991).

Das Zusammenwachsen des europäischen Wirtschaftsraumes als Konsequenz der Schaffung des europäischen Binnenmarktes ist ein unübersehbares Faktum. Die Frage, ob aus dem gemeinsamen Wirtschaftsraum auch eine europäische, die einzelnen Nationen transzendierende Gesellschaft hervorgeht, wird von der von Ernst B. Haas (1958) begründeten neofunktionalistischen Theorie der europäischen Integration mit dem Effekt des Spillovers von der zunehmenden wirtschaftlichen Integration hin zur rechtlichen, politischen und kulturellen Integration beantwortet. Aus der ökonomischen Integration ergeben sich zwangsläufig zu deren Stabilisierung Notwendigkeiten der rechtlichen, politischen und kulturellen Einbettung. Nachdem die rechtliche Integration der Europäischen Union einerseits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) spätestens seit den bahnbrechenden Urteilen zu Dassonville (1974) und Cassis de Dijon (1979), andererseits durch die verstärkte rechtliche Harmonisierung durch Direktiven seit Einführung des qualifizierten Mehrheitsentscheides in Fragen der Binnenmarktintegration im Ministerrat in der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 erheblich an Fahrt gewonnen hat, erfährt die neofunktionalistische Integrationstheorie neue empirische Bestätigung. Sie war in den 1970er und 1980er Jahren angesichts des stockenden Integrationsprozesses ins Hintertreffen geraten und von der neorealistischen Theorie des Intergouvernementalismus (Moravcsik 1991, 1993) verdrängt worden, die Fortschritte der Integration nur in dem Maße zulässt, in dem dies den Interessen der Regierungen der Mitgliedstaaten |13|und ihrem Machterhalt, insbesondere der mächtigsten Mitgliedstaaten entspricht. In der Zwischenzeit bekommt der neofunktionalistische Ansatz wieder Auftrieb. Er wird in der Regel insofern mit einem neoinstitutionalistischen Ansatz verknüpft, als der Durchsetzungskraft der europäischen Institutionen, insbesondere der Europäischen Kommission und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), aber auch der Mehrheitsbildung im Ministerrat und (nachrangig) im Europäischen Parlament, und ihrer eigenen Dynamik der Ausschöpfung ihrer Kompetenzen besondere Beachtung geschenkt wird (Burley und Mattli 1993; Sandholtz und Stone Sweet 1998). Ein integrierter Erklärungsansatz sieht demgemäß das Fortschreiten der europäischen Integration durch funktionale Erfordernisse der rechtlichen Harmonisierung angestoßen. Solche Anstöße gehen zum Beispiel von den einzelnen Rechtsinteressenten auf dem Wege der Vorabentscheidungsverfahren des EuGH aus. Diese Anstöße werden allerdings nur in dem Maße in rechtliche Integration umgesetzt, in dem die europäischen Institutionen genügend Macht haben, um ihrer eigenen Dynamik der Ausschöpfung ihrer Kompetenzen folgen sowie sich gegen etwaige Widerstände nationaler Regierungen, Administrationen und Gerichte durchsetzen zu können. Das Interesse und die Macht der Regierungen der Mitgliedstaaten werden in einem solchen integrierten Erklärungsansatz nicht ausgeklammert, sondern als eine in ein größeres Gefüge eingebundene, deshalb aber auch nur begrenzt wirksame Kraft berücksichtigt.

Mit einem solchen um institutionalistische und realistische Elemente erweiterten neofunktionalistischen Ansatz haben wir aber noch keinen Zugang zum Wandel der tiefer liegenden semantischen Ordnung, die Einheit in der Vielfalt der Erscheinungen stiftet und eine Semantik der Legitimation der sich herausbildenden europäischen Sozialordnung beinhaltet. Dabei handelt es sich um eine kulturelle Transformation, in der die bislang vorherrschenden nationalen Semantiken der Legitimation von Sozialordnungen vor die funktionale Herausforderung gestellt werden, dem sich herausbildenden europäischen Wirtschafts- und Sozialraum eine legitime Ordnung zu geben. Um diese kulturelle Transformation erfassen zu können, müssen wir die europäische Integration als einen fortlaufenden Diskurs begreifen, in dem die national verankerten Semantiken der Legitimation sozialer Ordnung um eine konsentierte Deutung der sich herausbildenden europäischen Sozialordnung und gegebenenfalls auch gegen das faktische Fortschreiten der ökonomischen Integration ohne kulturelle Legitimation kämpfen. Es geht hier um die semantische Konstruktion der |14|Mehrebenenordnung Europas, für deren Untersuchung ein sozialkonstruktivistischer Erklärungsansatz der europäischen Integration seine Berechtigung findet (Checkel 1998; Jørgensen 1997; Ruggie 1998). Aus den national verankerten Semantiken heraus wird die europäische Mehrebenenordnung einerseits begreifbar gemacht, andererseits an einem normativen Leitfaden ausgerichtet (Jachtenfuchs 2002; Schneider 1998). Dabei stellt die Realität des nationale Grenzen überschreitenden europäischen Wirtschaftsraumes neue Anforderungen an die Sinn und Legitimität stiftende Semantik (Kohler-Koch 2000). Die ökonomische, die rechtliche und die semantische Ordnung können mehr oder weniger miteinander übereinstimmen oder einander widersprechen. Je weiter die semantische Ordnung von der Realität der ökonomischen und der rechtlichen Ordnung entfernt ist, umso mehr wird sie zur Quelle der Skepsis und des Legitimationsentzugs bezüglich der fortschreitenden europäischen Integration. Möglicherweise eignet sich die entsprechende Semantik nur für die Ordnung des nationalen, aber nicht für die Ordnung des europäischen Raums. Das entsprechende Spannungsverhältnis entlädt sich dann im intellektuellen Widerstand gegen die Art und Weise, in der das Projekt der europäischen Integration vorangetrieben wird. Da in der offenen Welt jenseits des Nationalstaats der konstruierte Charakter von Ordnungen nicht mehr zu übersehen ist, wohnt ihnen zwangsläufig die Tendenz zur Labilität inne (Soeffner 2000).

Die Semantiken der gesellschaftlichen Ordnung haben sich in nationalen Diskursen herausgebildet und haben sich auf die nationalen Sozialordnungen bezogen. Sie zu einer auf die europäische Mehrebenenordnung ausgreifenden Semantik zu entwickeln, ist eine Sache des intellektuellen Diskurses, die mehr oder weniger gut gelingen kann. Von ihrem Gelingen hängt die Legitimität der im Entstehen begriffenen und in die einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hineinwirkenden europäischen Mehrebenenordnung ab. Dieses Gelingen stellt sich nicht als Spillover von der ökonomischen zur rechtlichen und zur semantischen Ordnung von alleine ein. Insofern würde hier eine rein funktionalistische Erklärung zu kurz greifen. Es kommt darauf an, welche Semantiken sich im intellektuellen Diskurs auf nationaler und transnationaler Ebene durchsetzen können. Dabei wirken indessen die von der fortschreitenden europäischen Integration geschaffenen strukturellen Bedingungen als Selektionsfaktoren für strukturadäquate effektive und Legitimität erzeugende Semantiken. Welche Semantiken sich durchsetzen, hängt gewiss auch von der Besetzung einflussreicher |15|Positionen im intellektuellen, von den Medien in die Öffentlichkeit getragenen Diskurs ab. Die Ausübung von Definitionsmacht bleibt allerdings erfolglos, wenn die Realität der gegebenen strukturellen Bedingungen nicht in eine kohärente semantische Ordnung gebracht werden kann. Diese Realität können wir durch die Stichworte »Offenheit«, »Pluralismus« und »Individualisierung der Lebensverhältnisse« beschreiben. Mehrere Trends wirken auf die Erzeugung dieser strukturellen Bedingungen hin: ökonomische Tertiarisierung, Bildungsexpansion, Differenzierung der Berufe und der Beschäftigungsverhältnisse. Die europäische Integration verstärkt diesen Prozess, indem die Handlungsspielräume erweitert werden und die Pioniere der transnationalen Integration zugleich die Zwänge der nationalen Kollektivsolidarität überwinden. Diese veränderten strukturellen Gegebenheiten müssen Semantiken der gesellschaftlichen Ordnung begreifbar und normativ gestaltbar machen, um Sinn und Legitimität stiften zu können. Es ist hier jedoch nicht nur strukturelle Passung am Werk. Es verändert sich auch der Kontext der Legitimation von Ordnungen. Nationale Diskurse werden von transnationalen Diskursen überlagert. In den transnationalen Diskursen wird eine verbindliche »Weltkultur« (Meyer 2005) geschaffen, vor deren Gericht sich historisch gewachsene Ordnungssemantiken rechtfertigen müssen (vgl. Greve und Heintz 2005: 101–103; Wobbe 2005). Individuen, Organisationen, Nationalstaaten und supranationale Organisationen werden durch die Weltkultur als legitime Akteure konstituiert und sehen sich zur Rechtfertigung ihrer Ordnung in Bezug auf die Modellvorgaben bzw. Skripte der Weltkultur gezwungen. »Offenheit«, »Pluralismus« und »Individualismus« sind deshalb nicht nur faktisch gegebene Strukturen der Weltgesellschaft, sondern zugleich normative Modelle der Weltkultur zur Gestaltung legitimer Ordnungen.

Die verschiedenen nationalen intellektuellen Diskurse haben unterschiedliche Semantiken hervorgebracht, die jetzt vor der Herausforderung stehen, ein Sinn und Legitimität stiftendes normatives Leitbild für die sich neu herausbildende europäische Sozialordnung zu schaffen. Aus dem britischen intellektuellen Diskurs bietet sich die Semantik des konventionellen (nicht durch eine schriftlich fixierte Verfassung, sondern durch Konventionen geordneten) Liberalismus an, aus dem französischen Diskurs die Semantik des Republikanismus, aus dem deutschen Diskurs die Semantik des Legalismus. Aus dem amerikanischen Diskurs strahlt die Semantik des konstitutionellen (durch eine schriftlich fixierte Verfassung geordneten) Liberalismus nach Europa herüber. Diese Semantiken sind in einem spezifischen |16|nationalen Kontext entstanden und eignen sich nur bedingt für die Erzeugung der semantischen Ordnung einer europäischen Gesellschaft. Jede dieser Semantiken bedarf der Umstellung auf die strukturellen Gegebenheiten und Legitimitätsanforderungen des europäischen Wirtschafts und Sozialraumes. Es kann allerdings die These gewagt werden, dass die strukturellen Gegebenheiten und die weltkulturelle Legitimität von Offenheit, Pluralismus und Individualisierung der Lebensverhältnisse der Semantik des Liberalismus einen Selektionsvorteil verleihen. In den folgenden Abschnitten sollen zunächst die Grundlinien der juristischen Konstruktion Europas gezeichnet werden, um vor diesem Hintergrund die Passung der semantischen Konstruktion Europas mit der sich herausbildenden Wirtschafts- und Rechtsordnung zu klären.

Wir verknüpfen hier Funktionalismus und Sozialkonstruktivismus zu einem integrierten Forschungsansatz. »Funktionalismus« heißt, das Fortschreiten der rechtlichen Integration der Europäischen Union (EU) dadurch zu erklären, dass diese Europäisierung des Rechts funktional notwendig ist, um das weitere Voranschreiten der wirtschaftlichen Integration zu ermöglichen. »Sozialkonstruktivismus« meint, dass die Europäisierung des Rechts als soziale Konstruktion einer legitimen Ordnung zu begreifen ist, die maßgeblich durch die Rechtsprechung des EuGH und durch den intellektuellen Diskurs über die Verfassung Europas geprägt wird. Im erweiterten Bezugsrahmen unseres Forschungsansatzes ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass sich die Herausbildung sozialer Ordnungen im Spannungsverhältnis zwischen der Entwicklungsdynamik auf der einen Seite (Parsons 1971) und institutionellen Entwicklungspfaden (Beharrung, Absorption oder Abstoßung institutioneller Innovationen) auf der anderen Seite (Pierson 1996, 2004; Beyer 2005) sowie im Machtkampf zwischen den Trägern und Nutznießern der Veränderung (Challengers) und den Kräften und Nutznießern der Beharrung (Incumbents) im diskursiven Feld der semantischen Konstruktion des transnationalen Raums vollzieht (Fligstein 2001). Es geht um die materielle Produktion und die symbolische Konstruktion der europäischen Gesellschaft auf den drei interdependenten Ebenen der Wirtschaft, des Rechts und der Verfassung, in dynamischer Perspektive um die Interdependenz von (1) materieller Produktion in der fortschreitenden europäischen Arbeitsteilung, (2) juristischer Konstruktion im Feld des juristischen Diskurses und (3) semantischer Konstruktion im Feld des intellektuellen Diskurses. Wir gehen bei dieser Unterscheidung von drei interdependenten Ebenen von einem weiten Begriff der Verfassung |17|aus, der über eine schriftlich fixierte Verfassung und das Verfassungsrecht weit hinausreicht und die im intellektuellen Diskurs geprägte Vorstellung von der idealen Ordnung einer Gesellschaft meint. Diese Vorstellung kann sich mehr oder weniger weitgehend in einer schriftlich fixierten Verfassung und im Verfassungsrecht konkretisieren, die man dann schon der zweiten Ebene – dem Recht – zuordnen kann. Das Verfassungsrecht bildet im Recht eine Interpenetrationszone mit der im intellektuellen Diskurs erzeugten Vorstellung von einer idealen Ordnung. Der intellektuelle Diskurs bezieht sich aber auch selbst auf das Verfassungsrecht, was wiederum als eine Interpenetrationszone des intellektuellen mit dem juristischen Diskurs innerhalb des intellektuellen Diskurses begriffen werden kann (Abb. E.1).

Abb. E.1: Drei interdependente Produktions- und Konstruktionsebenen der europäischen Gesellschaft

|18|1. Die juristische Konstruktion Europas

Die funktionale Ausdifferenzierung des Rechts als institutionelle Ordnung für die Konfliktvermeidung und Konfliktbeilegung unter autonomen Individuen sowie zwischen diesen Individuen und staatlichen Instanzen jenseits der Grenzen partikularer Gemeinschaften ist auf dem Wege der europäischen Nationalstaatsbildung erfolgt. Die großen Rechtskodifikationen auf dem europäischen Kontinent – das Preußische Allgemeine Landrecht, das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, der Code Civil in Frankreich und das Bürgerliche Gesetzbuch in Deutschland – waren insbesondere auch Projekte der Konsolidierung des Nationalstaats, indem sie das gesamte Territorium einem einheitlichen Recht unterwarfen. In England schuf die Rechtsprechung nach dem Common Law zusammen mit der Gesetzgebung des souveränen Parlaments eine starke Tradition eines nationalen, lokale und ständische Partikularismen überwindenden Rechts. Die Respektierung von Recht und Rechtsprechung speiste sich in erheblichem Maße aus der in äußerer Abgrenzung und innerer Homogenisierung hervorgehenden Nationsbildung. Heterogene Regionen sowie Klassen, Schichten und in multikonfessionellen Staaten auch Konfessionen wuchsen – gewiss mit unterschiedlichem Erfolg, aber doch deutlich – zu Nationen mit einem gewissen Zusammengehörigkeitsgefühl und einer eigenen kollektiven Identität zusammen. Das Zusammenwachsen zu Nationen mit einem relativ starken Zusammengehörigkeitsgefühl und einer kollektiven Identität hat geholfen, die segmentäre Differenzierung in Familien, Sippen, lokale Gemeinden, Regionen und zum Teil auch Konfessionen und die stratifikatorische Differenzierung in Stände zu überwinden. Die Befreiung aus partikularistischen Bindungen und die Herausbildung der Autonomie des Individuums als verbindliches Ideal der Lebensführung gingen Hand in Hand mit dem Entstehen einer übergreifenden Gemeinschaft neuen Typs: der Nation. Als Träger der Verfassung mit ihrer Garantie der Menschen und Bürgerrechte ist die Nation der Hort der Autonomie des Individuums. Sie ist die Vereinigung der Staatsbürger, die alle gleiche individuelle Rechte besitzen und die sich in ihrer Loyalität zur Nation zugleich auf die gegenseitige Respektierung ihrer individuellen Rechte verpflichten. Die Staatsbürgernation ist im Unterschied zu allen älteren Formen der Vergemeinschaftung ein Bündnis von autonomen Individuen zum gegenseitigen Schutz ihrer Autonomie. Die Rechtsverhältnisse der autonomen Staatsbürger leben insofern in erheblichem Umfang von gefühlter Zusammengehörigkeit|19|, gemeinsam geteilten Traditionen des Rechtsgefühls und der Respektierung des anderen als Rechtsgenosse. Im Zuge des Zusammenwachsens dieser Staatsbürgernation konnte insofern in den europäischen Wohlfahrtsstaaten eine immer umfassendere Gewährung von zivilen, politischen und sozialen Rechten erfolgen (Marshall 1964/1976), wodurch wiederum das Zusammengehörigkeitsgefühl der Staatsbürgernation gestärkt wurde. Die Rechtsordnung konnte immer tiefer in die Gestaltung gleicher Lebensverhältnisse für alle eingreifen, die immer umfassender tätige Rechtsprechung zwecks Beilegung von Konflikten konnte mit ihrer Befolgung und ihrer Respektierung als legitim rechnen, weil die Staatsbürgernation die dafür erforderlichen Bindungsressourcen bereitgestellt hatte. Die Gesellschaft der Individuen profitierte von einer neuen Art der Vergemeinschaftung. Im europäischen oder globalen Maßstab gesehen, handelte es sich dabei aber immer noch um eine Form der segmentären Differenzierung, die inneren Zusammenhalt mit äußerer Distanz, innere Rechtsordnung mit äußerer Rechtlosigkeit paarte.

Im Lichte dieser Überlegungen stellt sich die Frage, was jetzt die weitere Ausdifferenzierung und insbesondere Institutionalisierung des Rechts über die Grenzen der Staatsbürgernationen hinaus im Prozess der europäischen Integration bedeutet. Es handelt sich ja dabei um Recht und Rechtsprechung jenseits der bisherigen segmentären Grenzen von Staatsbürgernationen, ohne dass von einer ähnlichen Vergemeinschaftung auf europäischer oder globaler Ebene gesprochen werden könnte. Die europäische Gemeinschaft verfügt nicht über jene Qualität des Zusammengehörigkeitsgefühls und geteilter Rechtstraditionen (mechanische Solidarität), aus der sich das Teilen von Menschen- und Bürgerrechten im Rahmen einer gemeinsamen Rechtsordnung und Rechtsprechung speisen könnte und die jene Bindungsressourcen bereitstellt, die für die Respektierung von Rechtsordnung und Rechtsprechung als legitim benötigt werden. Es kommt hier also darauf an, eine Rechtsordnung und Rechtsprechung für einen Raum zu schaffen, der noch in erheblichem Umfang segmentär differenziert ist und nicht von einer nationenübergreifenden Vergemeinschaftung gestützt wird. Die konkrete Frage lautet demgemäß, ob es ein einheitliches Recht ohne eine nationenübergreifende Rechtsgemeinschaft und auch Rechtskultur als Stabilisierungs- und Legitimationsgrundlage geben kann. Die Fortschritte der Rechtsharmonisierung der Europäischen Union beweisen immerhin, dass es sich dabei um kein völlig zum Scheitern verurteiltes Unterfangen handelt. Erleichtert wird diese Entwicklung zunächst |20|dadurch, dass die nationalen Rechtstraditionen als Verzweigungen einer Rechtsfamilie begriffen werden können und in einer auf den Menschen- und Bürgerrechten aufbauenden Rechtsordnung ihre gemeinsamen Wurzeln haben. Die Unterschiede sind solche von Nuancen und spezifischen Praktiken im Dienste ein und derselben Sache und nicht solche von unüberbrückbaren Gegensätzen. Es ist insofern durchaus möglich, in den verschiedenen nationalen Rechtstraditionen den Kern einer einheitlichen Rechtskultur zu entdecken. Auch die Rechtsgemeinschaften sind nicht gegeneinander abgeschottet, vielmehr hat sich dadurch eine zunehmende Verflechtung ergeben, dass ein Informationsaustausch über die unterschiedlichen Modelle der Lösung rechtlicher Probleme stattfindet. Insbesondere Vertragsvereinbarungen über nationale Grenzen hinweg machen die Pioniere des Wirtschaftsverkehrs, das heißt die damit beschäftigten Anwälte, mit den Rechtspraktiken der Heimatländer von Vertragspartnern bekannt. Entscheidend ist jedoch die fortschreitende rechtliche Harmonisierung durch die Zusammenarbeit der Juristen aus allen Mitgliedsländern in den Kommissionsausschüssen der Europäischen Union (EU) (Komitologie) (Joerges und Neyer 1997; Joerges und Vos 1999; Neyer 2000). Sie schaffen Rechtsfiguren, die auf die Traditionen der Mitgliedsländer zurückgreifen und dabei so formalisiert und abstrahiert werden, dass sie in die nationalen Traditionen eingefügt werden können, ohne dort unauflösliche Widersprüche im Rechtssystem zu erzeugen. Die in Brüssel in den Ausschüssen zusammenarbeitenden Juristen bilden eine Elite, die als Speerspitze einer mit jedem Schritt der Rechtsharmonisierung und der europäischen Rechtsprechung wachsenden europäischen Rechtsgemeinschaft dient. Insofern kann durchaus von einer europäischen Rechtsgemeinschaft in statu nascendi gesprochen werden (Zuleeg 1995).

Es kann sogar die These gewagt werden, dass die Europäische Gemeinschaft maßgeblich als eine juristische Konstruktion zu begreifen ist, die in hohem Maße der Logik des juristischen Rationalismus folgt (Stone Sweet 2004). In dieser Hinsicht ist das Projekt der europäischen Integration durchaus mit den großen Rechtskodifikationen vergleichbar, die den europäischen Nationalstaaten erst die Rechtseinheit gegeben haben, ohne die Ordnung und Zusammenhalt in einem äußerst heterogenen Gebilde nicht möglich gewesen wären. Entscheidend dafür war die funktionale Ausdifferenzierung des Rechts als eigenständiges System der Ordnung des sozialen Verkehrs zwischen sonst nicht aneinander gebundenen Individuen und dessen Befreiung aus der Umklammerung durch partikulare Gemeinschaften |21|und lokale sowie religiöse Traditionen. Damit einher gingen die Emanzipation des Individuums von kollektiven Zwängen und die Herausbildung einer neuen gesellschaftlichen Gemeinschaft autonomer Individuen. Im Unterschied zu Sitten, Gebräuchen und Konventionen ist das Recht eine rationale, von Traditionen unabhängige, allein auf die Funktion der Gewährleistung des geordneten Zusammenlebens freier Individuen bezogene Konstruktion. Nach seiner inneren Logik spiegelt das Recht nicht die von den kollektiv geteilten Traditionen dem einzelnen Individuum auferlegten Handlungszwänge. Seine Funktion besteht vielmehr darin, eine Ordnung zwischen freien Individuen jenseits dieser Traditionen zu schaffen und zu erhalten. Je weiter sich das Recht von diesen Traditionen tatsächlich entfernt, umso mehr wird es sich funktional darauf spezialisieren, eine Ordnung zu schaffen, innerhalb derer das einzelne Individuum seinen Handlungsspielraum so weit ausschöpfen kann, wie es den Handlungsspielraum anderer nicht einschränkt. Weil das Recht aus seiner inneren Logik heraus eine Ordnung zwischen freien Individuen bildet und sichert, die keine Tradition eingelebter Werte und Normen teilen, tendiert es im Ergebnis zu einer liberalen Ordnung.

Abweichungen von dieser Tendenz des Rechts, etwa in die Richtung umfangreicherer kollektiver Regulierung, Umverteilung und Daseinsvorsorge, speisen sich aus anderen Quellen, insbesondere aus der Quelle kollektiver Zusammenschlüsse und kollektiver Willensbildung, die immer mit äußerer Abgrenzung und innerer, nivellierender, individuelle Freiheiten einschränkender Homogenisierung einhergehen. Diesen Weg sind die europäischen Wohlfahrtsstaaten ein erhebliches Stück weit gegangen, was allein schon an Indikatoren wie der Staatsquote, den öffentlichen Sozialausgaben, der Umverteilung, der Regulierungstiefe in der Kontrolle des wirtschaftlichen Handelns oder dem »Dekommodifizierungsgrad« der menschlichen Existenz (Esping-Andersen 1990: 35–54) abzulesen ist. Dazu gehören aber auch die Voraussetzungen starker äußerer Abgrenzung und innerer Homogenisierung, durch die der funktionalen Ausdifferenzierung des Rechts und dessen Emanzipation von kollektiver Solidarität und kollektiven Traditionen relativ enge Grenzen gesetzt wurden.

Aus der Sicht der Regulationstheorie setzte die Akkumulationskrise der Stagflation nach der ersten Ölkrise Mitte der 1970er Jahre der »goldenen Ära« des Fordismus ein Ende, um dem Postfordismus und seinem neuen Akkumulationsregime Platz zu machen. Dieses neue Akkumulationsregime basiert auf einer rascheren Abfolge technologischer Innovationen und |22|kürzeren Produktzyklen wie auch auf größerer Produktdiversität sowie auf der Abwendung der Wirtschaftspolitik von antizyklischer Keynesianischer Nachfragesteuerung durch den Staat und der Hinwendung zum angebotsorientierten Paradigma des Neoliberalismus (Boyer 1990). In dieser Perspektive ist das europäische Binnenmarktprogramm eine treibende Kraft dieses grundlegenden Wandels der Gesellschaftsformation, und der Europäische Gerichtshof (EuGH) spielt eine bedeutsame Rolle in der Beförderung dieses Regimewechsels (Bieling und Deppe 1996; Ziltener 1999, 2000; Bornschier 2000). Diese von der kritischen Integrationstheorie erzählte Geschichte enthält einige Wahrheit. Es ist jedoch nur die halbe Wahrheit, da die trotz aller Revisionen nach wie vor nicht ganz ausgeräumte Neigung zum ökonomischen Determinismus dieses Theorieansatzes nicht ausreichend erkennen lässt, dass der Wandel des Akkumulationsregimes und des damit verknüpften Regulationsmodus Teil eines tiefgreifenderen Wandels der gesellschaftlichen Organisation auf dem Weg von der Familie europäischer Nationen zur Herausbildung einer europäischen Gesellschaft ist. Um diesen Wandel angemessen verstehen und erklären zu können, muss das Augenmerk insbesondere auf den Wandel der Solidaritätsstruktur und des Paradigmas der Gerechtigkeit gerichtet werden. Dieser Wandel vollzieht sich im Prozess der europäischen Integration.

Die Einrichtung des europäischen Binnenmarktes sprengt die Grenzen der nationalen, kollektiv eingebundenen Rechtsordnungen und erzwingt einen neuen Schub der funktionalen Ausdifferenzierung des Rechts und seiner Emanzipation von den Partikularismen nationaler Rechtstraditionen. Je mehr es dabei auf sich allein gestellt ist und nicht zugleich von einer den Nationalstaaten vergleichbaren Gegenbewegung der äußeren Abgrenzung und inneren Homogenisierung in der Entfaltung seiner inneren Logik eingeschränkt wird, umso mehr wird es eine liberale, die Individuen von nationalen Restriktionen befreiende Ordnung schaffen, die aufgrund ihres Vorranges und ihrer direkten Wirkung in den einzelnen Mitgliedstaaten auch die nationalen Rechtsverhältnisse in die Richtung einer liberaleren Ordnung umgestaltet. Es spricht vieles dafür, dass der Rückbindung des Rechts an kollektive Regulierung, Umverteilung und Daseinsvorsorge auf der europäischen Ebene engere Grenzen als auf der nationalstaatlichen Ebene gesetzt sind, weil nicht in gleichem Umfang Prozesse der äußeren Abgrenzung und der inneren Homogenisierung wirksam werden (Münch 2001c). Die Herauslösung des einzelnen Individuums aus kollektiven nationalen Traditionen ist ja gerade das Vehikel, mit dem das europäische |23|Recht die grenzüberschreitende Zusammenarbeit vieler einzelner Personen ermöglicht. Diese Zusammenarbeit vieler einzelner Personen ist der maßgebliche Motor der europäischen Integration. Sie äußert sich insbesondere in der wachsenden grenzüberschreitenden Arbeitsteilung. Sie ist nach dem Modell von Emile Durkheim (1977) das Bindemittel einer organischen Solidarität, die mehr und mehr die mechanische Solidarität der segmentär voneinander differenzierten Nationalstaaten überlagert, wenn auch nicht völlig beseitigt. Über Durkheim hinaus können wir den neuen Typus grenzüberschreitender Solidarität eher als Solidarität von Netzwerken beschreiben. Während die organische Solidarität das einzelne Individuum noch stark in Statusgruppen und in ein nach außen abgegrenztes Ganzes einfügt, geht die Netzwerksolidarität noch einen Schritt weiter auf dem Weg zu einer liberalen Ordnung. Sie gewinnt aufgrund der geringeren Ausprägung der kollektiven Einbindung des Individuums und aufgrund der Pluralisierung von Gruppenmitgliedschaften und der Individualisierung der Lebensverhältnisse auf der europäischen Ebene an Bedeutung.

Eine entscheidende Rolle spielt die Ausdifferenzierung des europäischen Rechts aus nationalen kollektiven Bindungen (Snyder 1990). Dafür gibt es in der Tat klare und eindeutige Vorgaben. Es ist die herausgehobene Position, die der Europäische Gerichtshof in der rechtlichen Integration der Europäischen Gemeinschaft einnimmt (Dehousse 1998; Maduro 1998). Wir können sogar sagen, dass der EuGH im Vergleich zu nationalen Gerichten bis hin zu den Verfassungsgerichten in den Nationalstaaten im Konzert der europäischen Institutionen (Kommission, Rat, Parlament) einen bei weitem größeren Einfluss auf die rechtliche Ordnung der EU ausübt (Alter 2001). Das gibt der Logik des juristischen Rationalismus gegenüber den Handlungsspielräume begrenzenden Einflüssen der politischen Willensbildung einen eindeutigen Vorrang. Damit geht die funktionale Ausdifferenzierung des Rechts auf der europäischen Ebene deutlich weiter als auf der nationalen Ebene. Da das Recht jenseits kollektiver Traditionen das Zusammenleben freier Individuen ordnet, ergibt sich aus der weitergehenden funktionalen Ausdifferenzierung des europäischen Rechts aus kollektiven Zwängen und Traditionen die Tendenz zur Herausbildung einer liberalen europäischen Ordnung, von der die kollektivistischen nationalen Ordnungen zunehmend überlagert werden. Träger dieses Prozesses ist der EuGH und die von ihm beherbergte Logik des juristischen Rationalismus (Weiler 1999), die sich mit einer Ethik des Individualismus verbündet. Diese Ethik wird außerdem von dem Handlungsräume erweiternden |24|Prozess der grenzüberschreitenden Arbeitsteilung, Zusammenarbeit, Interaktion und Kommunikation gespeist. Die Logik des juristischen Rationalismus und die Logik der Individualisierung arbeiten sich gegenseitig in die Hände und erzeugen ein neues, liberaleres europäisches Gesellschaftsmodell. Dabei spielt die starke Stellung des EuGH als Träger der Ausdifferenzierung des europäischen Rechts eine entscheidende Rolle.

Europa hat sich als eine segmentär differenzierte Familie nationaler Gesellschaften entwickelt. Mit der fortschreitenden europäischen Integration wird jedoch das historisch gewachsene Ensemble nationaler Kollektive zunehmend von einer sich herausbildenden europäischen Mehrebenengesellschaft autonomer Individuen überlagert. Im Zuge des zunehmenden grenzüberschreitenden Handels, der fortschreitenden internationalen Arbeitsteilung und der dadurch initiierten Überlagerung von nationaler durch transnationale Solidarität, wirkt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als treibende Kraft eines Paradigmenwechsels der Gerechtigkeit, der sich auf europäischer Ebene vollzieht und in die nationalen Gesellschaften hineinwirkt. Das traditionelle Paradigma paart nationale Brüderlichkeit mit internationaler Unbrüderlichkeit. Innerhalb nationaler Gesellschaften richtet sich die Teilhabe am Wohlstand nach nationaler Zugehörigkeit und Status, zwischen den nationalen Gesellschaften verteilt sich der Wohlstand nach Macht und ökonomischer Leistungskraft. Das neue Paradigma setzt dagegen mehr als das alte Paradigma auf die Teilhabe am Wohlstand nach individueller Leistung auf der Basis von Chancengleichheit, auf die Aktivierung des Individuums und Fairness innerhalb und zwischen nationalen Gesellschaften. Die sich durch Rechtssetzung und Rechtsprechung herausbildende europäische Rechtsordnung wird jedoch nur in dem Maße verbindliche Geltung erlangen, in dem sie in einer im intellektuellen Diskurs konstruierten semantischen Ordnung verankert werden kann.

Im Prozess der europäischen Integration wird eine Dialektik der Konstruktion einer europäischen Gesellschaft bei gleichzeitiger Dekonstruktion der segmentär differenzierten Familie nationaler Gesellschaften durch die europäische Rechtssetzung und Rechtsprechung wirksam. Diese tiefreichende Transformation beinhaltet zumindest eine partielle Verlagerung von Solidarität von der Nation weg und hin zur europäischen Ebene des organisierten sozialen Lebens. Was den inneren Kern einer Gesellschaft ausmacht, nämlich kollektive Solidarität, ist nicht länger der Nation allein vorbehalten. Stattdessen entwickelt sich ein neuer Typus der Mehrebenensolidarität |25|als charakteristisches Merkmal der entstehenden europäischen Gesellschaft. In dem Maße, in dem sich eine solche Verlagerung von Solidarität vollzieht, ist von einer sich herausbildenden europäischen Gesellschaft zu sprechen, die an die Stelle der segmentär differenzierten europäischen Familie nationaler Gesellschaften tritt. Dieser Solidaritätswandel impliziert eine Verlagerung weg von starker »mechanischer« Kollektivsolidarität (Durkheim 1977) und hin zu einem neuen Typus der Netzwerksolidarität mit weit größerem Spielraum für individuelle Autonomie. Dementsprechend ist die entstehende europäische Gesellschaft betont eine Gesellschaft »aktivierter Individuen«, die von einer transnationalen Avantgarde konstruiert wird und die Dekonstruktion nationaler Solidarität zur Folge hat (vgl. Lahusen und Jauß 2001; Lahusen 2004, 2006).

Der sich in diesem Prozess vollziehende Wandel der sozialen Ordnung kann in den Begriffen der negativen und positiven Integration nicht vollständig erfasst werden (Scharpf 1996a). Diese Perspektive ist auf die nationalstaatliche Politik der Ergänzung von Marktschaffung durch Marktregulierung fokussiert. Damit wird jedoch das Entstehen einer neuen sozialen Ordnung, die zugleich nationales und transnationales Leben auf der neuen Basis von Mehrebenensolidarität und -gerechtigkeit prägt, nicht begriffen. Das Muster kollektiver Inklusion auf der Basis nationaler Zugehörigkeit wird von einem Muster der individualisierten Inklusion auf der Basis des Zugangs zu Märkten und Netzwerken innerhalb und jenseits nationaler Grenzen ersetzt. Die korrespondierende Idee der Gerechtigkeit bewegt sich weg von der Teilhabe am Wohlstand nach nationaler Zugehörigkeit und Status und hin zum Zugang zu Wohlstand nach individueller Leistung auf der Basis von Chancengleichheit. Das ist eine neue Stufe der Aufhebung der Trennung von Binnen- und Außenmoral, die Max Weber (1923: 303–304) als inhärentes Merkmal der Ausbreitung des modernen Kapitalismus betrachtet hat. Dieser fundamentale, der Internationalisierung der Arbeitsteilung folgende Solidaritätswandel und der korrespondierende Paradigmenwechsel der Gerechtigkeit bringen harte Kämpfe zwischen den Trägern des neuen Modells einer transnationalen Mehrebenengesellschaft und den Verteidigern der starken, jedoch national begrenzten Solidarität des Wohlfahrtsstaates mit sich. Der Europäische Gerichtshof ist ein gewichtiger Spieler in diesen Kämpfen.

|26|2. Die semantische Konstruktion Europas

Wir gewinnen allerdings kein ausreichendes Verständnis und keine ausreichende Erklärung der entstehenden europäischen Rechtsordnung ohne eine Untersuchung ihrer Verankerung in der semantischen Konstruktion einer europäischen Gesellschaft im intellektuellen Diskurs. Zu diesem Zweck müssen wir eine Verbindung zwischen der aus Rechtssetzung und Rechtsprechung hervorgehenden europäischen Rechtsordnung und deren Legitimation durch die Konstruktion einer semantischen Ordnung im intellektuellen Diskurs herstellen (Giesen 1999; Kaelble 2001; Joas und Wiegandt 2005).

Die aufgeworfene Frage der semantischen Konstruktion einer europäischen Gesellschaft ist anhand von Umfrageforschung – so sinnvoll sie für sich auch ist – allein nicht zu klären. Weiter hilft hier die Erforschung der Vorstellungen von einer europäischen Verfassung insbesondere in den entsprechenden Programmen der politischen Parteien in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Jachtenfuchs 1995, 2002; Jachtenfuchs, Diez und Jung 1998). Darüber hinaus erfolgt die Verankerung der europäischen Rechtsordnung in einer tiefer greifenden semantischen Ordnung im intellektuellen Diskurs über die grundlegende Ordnung der Freiheit in einer europäischen Gesellschaft (Delanty 1995). Dieser Diskurs wurd im Wesentlichen in Büchern, Fachzeitschriften, Publikumszeitschriften und gelegentlich auch in der überregionalen Tages- und Wochenpresse geführt. Die Erfassung dieser Tiefenstruktur der semantischen Konstruktion der europäischen Gesellschaft als Legitimationsgrundlage der entstehenden europäischen Rechtsordnung bedarf einer eigenen Untersuchung.

Die semantische Ordnung wird mit Hilfe eines spezifischen Vokabulars, einer Semantik zur Bestimmung einer idealen (»guten«) Gesellschaft konstruiert. In der Tradition der europäischen Aufklärung handelt es sich um das Ideal einer Gesellschaft von freien und gleichberechtigten Bürgern, in der die Entfaltung der individuellen Persönlichkeit nicht gegen die Gesellschaft erkämpft werden muss, sondern durch die gesellschaftliche Ordnung selbst ermöglicht wird. In dem Maße, in dem über die Semantik hinaus bestimmte Grundprinzipien einer idealen Ordnung verbindliche Geltung erlangen und zur Richtschnur der Rechtssetzung und Rechtsprechung werden, kann von der Herausbildung eines paradigmatischen Kerns der europäischen Gesellschaftsordnung gesprochen werden. Dieser paradigmatische Kern wird jeweils in bestimmten Programmen der Rechtssetzung |27|und Rechtsprechung zu bestimmten Sachgebieten konkretisiert. Das Paradigma der Gerechtigkeit ist ein Teil des Paradigmas der idealen Ordnung. Es enthält Aussagen darüber, wie Gerechtigkeit im Rahmen einer idealen Ordnung zu verstehen ist (Münch 1986/1993a, 2001a).

Die Verbindlichkeit des aus der Rechtsprechung des EuGH hervorgehenden Paradigmas der Gerechtigkeit als Teil einer als ideal vorgestellten europäischen Gesellschaftsordnung ergibt sich nicht von selbst. Um auf der Ebene der semantischen und nicht nur rechtlichen Konstruktion Europas verbindliche Geltung zu erlangen, muss sich der semantische Gehalt der Rechtsprechung des EuGH auch im europäisierten intellektuellen Diskurs behaupten, in dem um die Legitimation der europäischen Gesellschaftsordnung gestritten wird. Es ist nach wie vor umstritten, wie weit über die auf Europa bezogenen nationalen Diskurse hinaus überhaupt ein europäischer intellektueller Diskurs existiert (Gerhards 1993, 2000; Eder, Hellmann und Trenz 1998; Eder und Kantner 2000). Was jedoch nicht bestritten werden kann, ist die zunehmende Europäisierung nationaler intellektueller Diskurse. Das heißt, dass einerseits in der Tat europäische Diskurse über die zukünftige Verfassung der europäischen Gesellschaft in die nationalen Diskurse hineinwirken, was zuletzt insbesondere am europäischen Verfassungskonvent zu erkennen war. Andererseits beschäftigen sich nationale intellektuelle Diskurse in zunehmendem Maße mit Fragen einer idealen europäischen Gesellschaftsordnung und speisen sich ausgehend von der nationalen Ebene in einen europäischen Diskurs ein (vgl. Trenz 2000, 2005).

Zwischen der europäischen und der nationalen Ebene bildet sich eine breiter werdende Interpenetrationszone europäisierter nationaler und national gespeister europäischer Diskurse heraus. In diesem diskursiven Feld entscheidet sich, welche Prägung die semantische Ordnung der europäischen Gesellschaft erfährt und als Legitimationsgrundlage der von der europäischen Rechtssetzung und Rechtsprechung geprägten europäischen Rechtsordnung dient. In demselben Feld wird auch bestimmt, welche Färbung die europäische rechtliche und semantische Ordnung in den einzelnen Mitgliedstaaten erhält. Die in den intellektuellen Traditionen der Mitgliedstaaten historisch gewachsenen Paradigmen der Ordnung der Gesellschaft werden in den europäisierten intellektuellen Diskursen auf den Prüfstand gestellt. Sie bilden einerseits den Ausgangspunkt für die semantische Konstruktion der europäischen Gesellschaft aus nationalen intellektuellen Traditionen heraus. Andererseits stehen sie mit der semantischen Konstruktion |28|einer idealen Gesellschaft jenseits nationaler Grenzen vor einer neuen Herausforderung, die sie mehr oder weniger gut bewältigen können, indem sie selbst auf die semantische Konstruktion der europäischen Gesellschaft Einfluss nehmen.

Aus der schon europäisch geprägten Aufklärung sind unterschiedliche Semantiken bzw. Paradigmen der Konstruktion der individuellen Selbstentfaltung gleichberechtigter Individuen im Rahmen einer gesellschaftlichen Ordnung hervorgegangen. Es handelt sich dabei um Ordnungsideen der bürgerlichen Gesellschaft freier Individuen des 18. Jahrhunderts, weit vor dem Entstehen des nationalen Wohlfahrtsstaats im 20. Jahrhundert. Die Herausbildung der europäischen Gesellschaft bringt die Ordnungsideen der bürgerlichen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts deshalb wieder zu neuer Relevanz, weil sie wie die bürgerlichen Revolutionen in Bezug auf den Absolutismus und die Ständegesellschaft einen Liberalisierungs- und Individualisierungsschub in Bezug auf die nationalen Wohlfahrtsstaaten und Klassengesellschaften beinhaltet. Nicht umsonst wird von der europäischen Rechte-Revolution gesprochen (Kelemen 2003). Die Gestaltung der sozialen Rechte ist nach wie vor ganz überwiegend eine Sache der Wohlfahrtsregime der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Streeck 1998; Scharpf und Schmidt 2000). Die Ausübung der politischen Rechte findet trotz Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments durch die Bürger der EU noch überwiegend im mitgliedstaatlichen Kontext statt. Dagegen ist die Europäische Union in verstärktem Maße eine Arena der Wahrnehmung der bürgerlichen Freiheitsrechte (Freizügigkeit, Nicht-Diskriminierung, Gleichberechtigung von Mann und Frau) geworden. Das liegt auf jeden Fall auf der Linie des europäischen Rechts, was allerdings nicht in jedem Einzelfall bedeuten muss, dass das europäische Recht größere Freiheitsspielräume gewährt als das Recht der Mitgliedstaaten. Beispielsweise haben europäische Richtlinien das Umweltrecht und die Regelungen zur Sicherheit am Arbeitsplatz in den Mitgliedstaaten verschärft.

Wie die zivilen Freiheitsrechte und in Ansätzen auch die politischen Rechte in eine als legitim anerkannte Ordnung gebracht werden können, ist mehr als die Gestaltung von Wohlfahrt eine Frage der semantischen Konstruktion einer europäischen Gesellschaft. Die Konstruktion einer legitimen europäischen Ordnung der Freiheitsrechte erfolgt demgemäß aus dem Fundus der darauf bezogenen, aus der europäischen Aufklärung hervorgegangenen Paradigmen der Ordnung von Freiheit (Habermas 1971; Höffe 1989; Kersting 1993). Mit Talcott Parsons und Winston White |29|(1964) können wir sie als Semantiken bzw. Paradigmen des »Institutionalisierten Individualismus« bezeichnen. In der historischen Entwicklung haben sich vier große Semantiken bzw. Paradigmen der legitimen Ordnung von Freiheit herausgeschält:

die Semantik des konventionellen Liberalismus in England, ausgehend von Locke, in Gestalt einer auf Konventionen ohne schriftlich fixierte Verfassung beruhenden Ordnung der Freiheit;

die Semantik des konstitutionellen Liberalismus in den USA, ebenfalls ausgehend von Locke, in Gestalt einer auf einer schriftlich fixierten Verfassung beruhenden Ordnung der Freiheit;

die Semantik des Republikanismus in Frankreich, im Anschluss an Rousseau, als Ordnung der Freiheit;

die Semantik des Legalismus in Deutschland, im Anschluss an Kant und an Hegel, in zwei Varianten einer Ordnung der Freiheit.

Diese Semantiken bzw. ihre Zuspitzung zu Paradigmen unterscheiden sich darin, wie sie die neu gewonnene Freiheit in eine konsistente Ordnung bringen. Ausgehend von den genannten Semantiken bzw. Paradigmen ist auch die Freiheit jenseits des Nationalstaats auf europäischer Ebene in spezifischer Weise zu ordnen. Dabei ergeben sich paradigmenspezifische Konstruktionsprobleme. Von der Lösung dieser Probleme hängt es ab, wie weit sich die in Rechtssetzung und Rechtsprechung herausgebildete europäische Rechtsordnung als legitim denken und gestalten lässt. Soweit die Konstruktionsprobleme nicht lösbar sind, kann eine europaweit als legitim anerkannte europäische Ordnung der Freiheit nur entstehen, wenn Revisionen an den historisch gewachsenen Paradigmen vorgenommen werden, die eine Lösung der aufgetretenen Konstruktionsprobleme erlauben.

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|31|1. Das Recht als Grundstruktur der modernen Gesellschaft

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|34|1.1 Römisches Recht

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|46|1.2 Mittelalterliche Stadt, Christentum und Juristenstand

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|52|1.3 Die Nation als Klammer der Rechtsordnung

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1.4 Moralischer Universalismus und ethischer Individualismus und ihre rechtliche Konkretisierung in den Menschen- und Bürgerrechten

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|64|2. Die juristische Konstruktion der europäischen Gesellschaft

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|65|2.1 Politikwissenschaftliche Forschungsansätze zur europäischen Integration

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2.2 Eine soziologische Annäherung an die rechtliche Integration Europas

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2.3 Formale Grundlagen der Europäisierung des Rechts: Vorabentscheidungsverfahren, direkte Wirkung und Vorrang des europäischen Rechts

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2.4 Substantielle Grundlagen der Europäisierung des Rechts: Freizügigkeit und Nicht-Diskriminierung als Leitidee

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2.5 Die Gemeinschaft der europäischen Juristen als prägende Kraft der verbindlichen Durchsetzung des europäischen Rechts

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2.6 Der Sinn des rechtlichen Wandels: von der funktionalen Anpassung zur Konstruktion einer legitimen Ordnung

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Zwischenfazit

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|145|3. Die Semantik des moralischen Universalismus und des ethischen Individualismus

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3.1 Handlungsspielräume, Funktionslogiken und Ordnungen

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3.2 Moralischer Universalismus und ethischer Individualismus I: die Reformation

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3.3 Moralischer Universalismus und ethischer Individualismus II: die Aufklärung

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|164|4. Konventioneller Liberalismus und Republikanismus: Modelle für die semantische Konstruktion Europas?

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4.1 Die Semantik des konventionellen Liberalismus

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4.2 Die Semantik des Republikanismus

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4.3 Konventioneller Liberalismus und Republikanismus vor den Herausforderungen der europäischen Integration

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|186|5. Die Europäische Union zwischen Supranationalismus und nationaler Souveränität: das britische Dilemma

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|188|5.1 Die institutionelle Konstruktion Europas

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5.2 Die britische Ablehnung einer europäischen Identität

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Schlussbemerkungen

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|229|6. Die Europäische Union zwischen ökonomischem Liberalismus und politischem Republikanismus: das französische Dilemma

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|231|6.1 Die institutionelle Konstruktion Europas

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6.2 Europäische Identität auf der Grundlage eines gemeinsamen kulturellen Erbes?

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Schlussbemerkungen

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|277|7. Legalismus: Ein Modell für die semantische Konstruktion Europas?

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7.1 Die Vertragstheorie Immanuel Kants

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7.2 Die Idee des demokratischen und sozialen Rechtsstaats

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|301|7.3 Der Legalismus vor den Herausforderungen der europäischen Integration

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|309|8. Die Europäische Union zwischen Verfassungspatriotismus und Volkssouveränität: das deutsche Dilemma

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8.1 Die institutionelle Konstruktion Europas

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8.2 Verfassungspatriotismus als Verkörperung einer europäischen Identität?

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Schlussbemerkungen

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|341|Schlussbetrachtung: Konstitutioneller Liberalismus als Modell für die semantische Konstruktion Europas?

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1. Die Entwicklung und die semantische Konstruktion sozialer Ordnungen

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2. Eigenart und historische Formung des konstitutionellen Liberalismus

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3. Offenheit nach außen und innere Differenzierung als Inklusionsprogramm

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|364|4. Europa: Auf dem Weg zu einer Semantik und institutionellen Form des konstitutionellen Liberalismus?

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5. Die Konstruktion Europas als hegemoniales Projekt der Liberalisierung

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|384|Anhang

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2. Entscheidungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts

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|387|3. Personenliste zum intellektuellen Diskurs (Kap. 5, 6 und 8)

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|391|Abkürzungen

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|392|Literatur

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|427|Personenregister

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|436|Sachregister

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|445|Veröffentlichungsnachweise

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