Die Konzilien und der Papst - Bernward Schmidt - E-Book

Die Konzilien und der Papst E-Book

Bernward Schmidt

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Beschreibung

Seit das Konstanzer Konzil (1414-18) die Oberhoheit des Konzils über den Papst dekretiert hat, ist umstritten, wer in der Kirche die oberste Autorität besitzt: der Papst oder die beim Konzil versammelten Bischöfe. Die hier vorliegende neuere Konziliengeschichte arbeitet das Zusammenwirken und die Konkurrenz beider Instanzen heraus. Die chronologische Ereignisgeschichte von Pisa (1409) bis zum Vaticanum II (1962-65) bildet dabei das Grundgerüst des Buches.

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Bernward Schmidt

Die Konzilien und der Papst

Von Pisa (1409) bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–65)

Impressum

Alle Rechte vorbehalten

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Verlag Herder GmbH

Bild: Sebastiano Ricci, Papst Paul III. beseelt vom Glauben an das ökumenische Konzil (1687/88)

ISBN (E-Book) 978-3-451-34562-3

ISBN (Buch) 978-3-451-30636-5

Inhalt

Hinführung: Wie kommt die Kirche aus der Krise?

I Herrscher über Kirche und Welt? Theorien vom Papsttum im Mittelalter

1. Die Entwicklung des päpstlichen Primats bis 1300

2. Überhöhung des Primats: Augustinus Triumphus

3. Kritik am Primat: Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham

II Das Konstanzer Konzil und die Repräsentation der Gesamtkirche

1. Das Große Abendländische Schisma bis zum Pisaner Konzil 1409

2. Die konziliare Idee

3. Das Konzil von Konstanz: Kurze Ereignisgeschichte

4. Die Konstanzer Dekrete Haec sancta und Frequens und ihre Deutung

III Das Basler Konzil und die Verhärtung der Fronten

1. Das Konzil von Pavia-Siena

2. Das gespaltene Konzil von Basel

3. Das päpstliche Konzil in Ferrara und Florenz

4. Basisdemokratie? Struktur und Reformbeschlüsse des Basler Konzils

5. Konzil ist Konsens: Nikolaus von Kues

6. Vom radikalen zum gemäßigten Konziliarismus: Juan de Segovia

7. Vom gemäßigten Konziliaristen zum Papst: Enea Silvio Piccolomini – Pius II

8. Papalistische Reaktion auf Basel: Juan de Torquemada

Exkurs: Das Konzil — Darstellung und Herstellung kirchlicher Ordnung

1. Zeremoniell und Konzilsordo – Quellen, Begriffe und Konzepte

2. Geschäftsordnungen von Konzilien

3. Der Raum des Konzils

4. Die Liturgie der Session

5. Darstellung und Herstellung kirchlicher Ordnung

IV Triumph des Papalismus: Das 5. Laterankonzil

1. Julius II. und die Politik in Italien

2. Das 5. Laterankonzil unter Julius II.: Aufführung des Papalismus

3. Das 5. Laterankonzil unter Leo X

4. Der theologische Kopf des Konzils: Thomas de Vio (Cajetan)

5. Pastor aeternus: Die Ekklesiologie des 5. Laterankonzils

6. Prägend für die Neuzeit: Die Konzilsinterpretationen Domenico Giacobazzis und Mattia Ugonis

V Der Regierungsapparat des Papstes: Kurie und Kardinalat um 1500

1. Die Entwicklung des Kardinalats im Mittelalter

2. Behörden der Kurie um 1500

VI Die reformatorische Anklage

1. Reformansätze auf dem Konstanzer Konzil

2. Zeremonialreform statt Strukturreform: Die Antwort der Kurie

3. Die Gravamina der deutschen Nation

Exkurs: Das Consilium de emendanda ecclesia

4. Martin Luthers antikuriales Reformprogramm

5. Luthers Wesensbestimmung des Konzils

VII Konzil ohne Papst — Konzil unter dem Papst? Das Trienter Konzil und die Probleme der kirchlichen Repräsentation

1. Ekklesiologische Weichenstellungen in der ersten Tagungsperiode (1545–48)

2. Zwei Kirchenbegriffe – ein Konzil: Die zweite Tagungsperiode (1551/52)

3. Was ist ein Bischof? Ekklesiologische Debatten in der dritten Tagungsperiode (1562/63)

4. Papst, Nepot, Legaten und Konzil: Machtverhältnisse während und nach der dritten Tagungsperiode

5. Papst und Konzil in katholischen Konzilsinterpretationen

VIII Nach dem Trienter Konzil: Die päpstliche Monarchie als Streitsache

1. Die quasi-offizielle römische Theologie: Robert Bellarmin

2. Die Kurie als Regierungsapparat: Kongregationen und Nepotismus

3. Bestreitung der päpstlichen Ansprüche: Gallikanismus und Jansenismus

4. Päpstliche Gegeninszenierung: Benedikt XIII. und das Concilio Romano 1725

5. Episkopalismus und Staatskirchentum: Febronius und die Synode von Pistoia (1786)

IX Unfehlbar! Auf dem Weg zu den Definitionen des 1. Vatikanischen Konzils

1. Traditionsbruch Französische Revolution?

2. Ultramontaner Papalismus als Antwort

3. Bischöfliche und päpstliche Monarchie als Frontstellung zur Moderne: Entwicklungen um 1850

4. Auf dem Weg zur Doppeldefinition

5. Das 1. Vatikanische Konzil als Aufführung der päpstlichen Monarchie

6. Pastor aeternus: Ekklesiologie und Definitionen des 6. Vatikanischen Konzils

7. Interpretationen und Polarisierung nach 1870

8. Papst, Konzil und Bischöfe im Codex Iuris Canonici von 1917

X Kollegium, Communio und Primat: Dimensionen und Konsequenzen des Zweiten Vatikanischen Konzils

1. Ekklesiologischer Aufbruch? Die Enzyklika Mystici Corporis Pius’ XII. (1943)

2. Ein Konzilsplan im Jahr 1948

3. Ein neuer Stil in der Kirche? Einberufung und Verfahren des Zweiten Vatikanischen Konzils

4. Vom Kirchenschema zur Kirchenkonstitution

5. Lumen gentium: Die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils

6. Die Nota explicativa praevia

7. Papst und Konzil im Kirchenrecht nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil

Schluss: Die Geschichte und die Fragen von heute

Anhang

Ausgewählte Quellentexte

Zeittafel

Papstliste: Die Päpste seit 1294

Die 21 Allgemeinen (Ökumenischen) Konzilien

Glossar

Weiterführende Literatur in Auswahl

Abbildungsnachweis

Register der kirchlichen Dokumente

Personenregister

Hinführung: Wie kommt die Kirche aus der Krise?

Wie kommt die Kirche aus der Krise? Angesichts von Missbrauchsskandalen, Vatileaks, Problemen in der innerkirchlichen Kommunikation, zunehmendem Priester- und Gläubigenmangel, immer größer werdenden „Seelsorgeeinheiten“ oder „Pfarreiengemeinschaften“ stellen sich viele Zeitgenossen diese Frage. Nicht selten ist dabei Unzufriedenheit mit der kirchlichen Leitung auf diözesaner und weltkirchlicher Ebene zu spüren, manche Enttäuschung über ausbleibende Reformen kommt hinzu. Welche Mittel gibt es, um die Kirche aus der Krise zu führen? Ist die monarchisch-zentralistische Leitung der Kirche von Rom aus die passende „Medizin“, oder brauchen wir ein Konzil?

So aktuell diese Fragen derzeit auch sind – sie sind doch alt, ebenso alt wie die Verbindung von Krisendiagnosen mit Reformforderungen. Und sie stehen am Anfang des Problems, um das es in diesem Buch hauptsächlich geht. Als es um das Jahr 1400 nicht nur einen, sondern zwei und wenig später sogar drei Päpste gab, war die Krise mit Händen zu greifen. Um sie im Sinn der gesamten Kirche zu lösen, mussten Konzilien zusammentreten. Doch fortan stellte sich die Frage, wer denn nun die oberste Autorität in der Kirche sei – der Papst oder das Konzil? Nachdem im frühen 16. Jahrhundert beide Modelle gewissermaßen erprobt wurden und miteinander im Konflikt standen, richtete sich die katholische Kirche nach der Reformation immer mehr auf den Papst als obersten Hirten aus. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung mit der Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit und des Jurisdiktionsprimates auf dem 1. Vatikanischen Konzil (1869/70). Erst die Klarsichtigkeit Papst Johannes’ XXIII. (1958–63) drängte die auf den Papst konzentrierte Kirche zum gemeinsamen Handeln im Konzil, das die Kirche als Gemeinschaft (communio) neu entdeckte und versuchte, angemessen auf die Zeichen der Zeit zu reagieren. Nach Jahrhunderten, in denen das Papsttum gleichsam zur fast „absoluten Monarchie“ in der Kirche ausgebaut worden war, wurde das Kirchenbild ergänzt um die Aspekte von Gemeinschaft und Kollegialität.

Um die Spannung zwischen diesen beiden Momenten, der päpstlichen Monarchie und kollegialen Leitungsansprüchen und -strukturen, soll es in diesem Buch gehen, denn die Stellung des Papstes in der Kirche entwickelte sich nicht zuletzt in Auseinandersetzung mit den Konzilien und im Konflikt der jeweiligen Ansprüche. Die Geschichte beider Institutionen seit dem Mittelalter als Geschichte eines Miteinanders und Gegeneinanders zu beschreiben, ist also das Grundanliegen dieses Buches.

Ansatz und Aufbau des Buches sind historisch, eine systematisch-theologische Durchdringung wird hier nicht geboten. Daher wird die Geschichte des Wechselverhältnisses von Papsttum und Konzilien seit dem Mittelalter dargestellt und es werden alle Ansätze, die ernst gemeinte Antworten auf die Fragen ihrer Zeit geben wollten, mit gleicher Wertschätzung vorgestellt. Es ist nicht die Absicht dieses Buches, über die Legitimität oder Illegitimität von Argumentationen und Beschlüssen zu urteilen, denn es ist weder die Aufgabe des Kirchenhistorikers, die Geschichte in Wege und Irrwege einzuteilen, noch aus der Geschichte ein „Musterbuch“ für Lösungen gegenwärtiger Probleme zu erstellen. Die Kirchengeschichte stellt dar, was gewesen und geworden ist, und versucht, Geschichte als Erklärungshilfe für die Gegenwart heranzuziehen. Sie befragt also die Geschichte mit einem theologischen Interesse der Gegenwart und bemüht sich zugleich, den methodischen Anforderungen an eine unvoreingenommene und allein den Quellen verpflichtete Geschichtsschreibung gerecht zu werden. Die Dogmatik verfügt schließlich über die Wertungsmaßstäbe, die es ihr erlauben, das historische Material zu kategorisieren und in das Koordinatensystem der kirchlichen Lehre einzuordnen. Daraus folgt freilich nicht, dass die Kirchengeschichte theologisch irrelevant und nur die systematische Theologie „wirklich“ Theologie wäre. Das wäre eine Verkürzung von Theologie auf systematische Theologie; jedoch ergibt sich erst im Zusammenspiel aller Diskurse wirklich Theologie.1

Noch in einem weiteren Sinn ist dieses Buch ein historisches Buch. Die Entwicklung des Papsttums und der Konzilsidee vollzog sich auf verschiedenen Ebenen, die allesamt mehr oder weniger ausführlich ihren Platz in der Darstellung erhalten. Entsprechend wird nicht nur die Ereignisgeschichte der Konzilien behandelt – hier wird jedoch bewusst keine Vollständigkeit angestrebt, um den Fokus auf die Auseinandersetzung des Papsttums mit dem jeweiligen Konzil zu legen.2 Auch die Institutionengeschichte von Papsttum und Konzilien, die von beiden Institutionen gefassten Beschlüsse sowie die Geschichte der ekklesiologischen Konzepte werden berücksichtigt. Und schließlich wird durchgängig der Blick auf die symbolischen Ausdrucksformen gelenkt; dem liegt die Überzeugung der neueren Kulturgeschichte zugrunde, dass öffentliche Handlungen stets nicht nur etwas bezwecken, sondern auch etwas ausdrücken. Ein Konzil ist demgemäß nicht nur eine Versammlung, die innerkirchliche Probleme lösen soll und will, sondern es bringt oft allein schon durch die Art und Weise des Zusammentretens, der Sitzordnung, der Zeremonien und der Verfahrensformen ein bestimmtes Selbstverständnis zum Ausdruck. Eine Zusammenschau dieser Ebenen ermöglicht eine schlüssigere und vollständigere Darstellung der Entwicklung der obersten Autorität in der Kirche als dies in einer Geschichte des päpstlichen Primats oder der Konzilien möglich ist. So verdienstvoll diese sind, in der Regel bleiben sie durch ihre Fokussierung entweder auf das Papsttum oder die Konzilien in der Bestimmung des wechselseitigen Verhältnisses beider Institutionen unscharf.3

Um das Thema mit der nötigen Stringenz zu behandeln, wird weder eine umfassende Geschichte der behandelten Konzilien noch der einzelnen Pontifikate geboten, sondern nur die Phasen untersucht, in denen beide Institutionen in Auseinandersetzung miteinander standen. Entsprechend bietet die Konziliengeschichte zwar das Grundgerüst für den Aufbau des Buches, doch werden Kapitel eingeschoben, die für das Verständnis der Entwicklungen im Umfeld von Konzilien bedeutsam sind, wie etwa zur Konzilsidee Martin Luthers, zur Ausbildung des Kardinalats als kirchlicher Stand oder zu Entwicklungen zwischen dem 1563 beendeten Trienter Konzil und dem 1. Vatikanischen Konzil (1869/70). Sie alle haben ihre eigene Bedeutung für die Wandlungen im Verständnis von Papsttum und Konzilien.

Die Debatten zwischen den Konfessionen, die nur für den kleinsten Teil der Geschichte die Bezeichnung „ökumenisches Gespräch“ verdienen, müssen weitgehend ausgeklammert bleiben, um den Rahmen nicht zu sprengen. Nur soweit sie für die Entwicklungen, die hier nachgezeichnet werden sollen, von Bedeutung sind, werden sie eingeflochten.4 Dennoch hat der Verfasser die Hoffnung, sein Buch möge nicht nur von Katholiken zur Hand genommen werden. Denn es möchte in seinem Bereich aufzeigen, wie die katholische Kirche zu dem geworden ist, was sie heute ist, und so ein wenig Verständnis für katholische Positionen und Probleme wecken, die im Gespräch an der „ökumenischen Basis“ oft auf Ablehnung und Widerspruch stoßen. Gerade die historische Perspektive mag hier hilfreich sein und Verständnis fördern.

Dies gilt auch für die innerkatholische Diskussion, wo hinter den Konzilsforderungen der jüngsten Zeit häufig Erwartungen einer wie auch immer gearteten „Demokratisierung“ der Kirche zu stehen scheinen. Die Geschichte zeigt jedoch, dass nicht selten durch Konzilien die päpstliche Monarchie in der Kirche gefördert wurde bzw. dass Konzilien zu Ausdrucksmitteln des monarchischen Papats wurden. Doch verlief die Entwicklung der päpstlichen Monarchie keineswegs geradlinig, so dass auch „alternative Ekklesiologien“ dargestellt werden, die im Lauf der Geschichte entworfen wurden. Als historische Darstellung möchte dieses Buch auch dazu einladen und dabei helfen, Argumente für bestimmte Leitungsformen von Kirche kritisch zu prüfen.

Um den Anmerkungsapparat nicht zu überfrachten, wird nur die unmittelbar zitierte und benutzte Literatur in den Fußnoten angeführt; dabei werden die Titel in Kurzform in einem Literaturverzeichnis, das wichtige Publikationen zu den einzelnen Kapiteln enthält, im Anhang ausführlich nachgewiesen. Eine Zeittafel, eine Papst- und Konzilienliste, ein Glossar sowie ein Register der zitierten kirchlichen Dokumente und ein Personenregister möchten die Orientierung im Dickicht der historischen Informationen, Daten und Begriffe erleichtern.

Zu guter Letzt ist es mir eine angenehme Pflicht, Dank zu sagen: In erster Linie den Studierenden in Münster und Aachen, die meine Vorlesung und die Seminare zum Thema dieses Buches besucht haben und mich durch ihr aufmerksames Zuhören und freundlich-kritisches Nachfragen in meiner eigenen Reflexion weiter gebracht haben. Ebenso haben die Kollegen und studentischen Hilfskräfte im Münsteraner Sonderforschungsbereich 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme“, mit denen ich meine Sichtweisen immer wieder diskutieren konnte, ihren Anteil an der Entstehung dieses Buches. Meinem Vater Wolfram Schmidt danke ich sehr herzlich für seine erste Lektüre des Vorlesungsmanuskripts, das die Ausgangsbasis für dieses Buch bildet, und seine Ermutigung, daraus ein Buch zu machen. Herzlicher Dank gebührt des weiteren Frau Elisabeth Hirt, die als Mitarbeiterin im Institut für Katholische Theologie an der RWTH Aachen mit enormem Engagement das Manuskript kritisch gelesen und mit spitzem Bleistift sprachlich und inhaltlich Unausgegorenes angemerkt hat. Sehr zu Dank verpflichtet bin ich zudem Herrn Dr. Bruno Steimer für die Aufnahme in das Programm des Verlages Herder und seine kompetente und stets angenehme Begleitung des Projektes. Mein besonders herzlicher Dank gilt meiner Frau Almut. Sie hat nicht nur immer wieder geduldig das Interesse ihres Mannes an diversen, längst vergangenen Päpsten, Theologen und Konzilien geteilt, sondern auch durch beharrliches Nachfragen und Argumentieren meine Gedanken geschärft. Das gemeinsame Diskutieren und Nachdenken hat mir immer wieder gezeigt, dass Theologie nie nur Theorie ist, sondern den, der sich auf sie einlässt, ganz persönlich angeht.

I Herrscher über Kirche und Welt? Theorien vom Papsttum im Mittelalter

1. Die Entwicklung des päpstlichen Primats bis 1300

Der Papst – geborener „Oberbischof“ der katholischen Kirche? Was im ökumenischen Gespräch heute vor allem ein Problem zu sein scheint, hat sich über eine lange Periode der Kirchengeschichte ausgeprägt. Der päpstliche Primat stammt nicht aus der Frühzeit der Kirche, sondern resultiert vor allem aus Entwicklungen im ersten Jahrtausend. Ihnen liegt auch kein planvolles Vorgehen zugrunde, vielmehr besteht die Primatsentwicklung im Mittelalter aus der Summe situativer Einzelmaßnahmen.1

In den ersten Jahrhunderten bestand Kirche als communio, als Gemeinschaft von Ortskirchen, in der keinem Bischofssitz ein Vorrang gegenüber den anderen zukam.2 Erst im 3. Jahrhundert wird eine gewisse herausgehobene Stellung der „Hauptkirchen“ von Rom, Alexandria und Antiochia sichtbar, wobei anzunehmen ist, dass hier den Gemeinden in politisch bedeutenden Städten auch in der Gemeinschaft der Kirche eine maßgeblichere Rolle zugestanden wurde als anderen. Damit war jedoch weder hinsichtlich der Lehre noch gar im Bereich der kirchlichen Rechtsprechung eine leitende Rolle verbunden, eher im Gegenteil: Cyprian von Karthago (um 200/10–258), einer der maßgeblichen Autoren dieser Zeit, wendet sich zwar zur Entscheidung einer Streitfrage an den römischen Bischof Stephan, doch nicht weil er ihm Kompetenzen als „Oberbischof“ zuschriebe, sondern um ihn im Sinn der kollegialen Solidarität unter Bischöfen um ein Urteil zu bitten. Denn für Cyprian tragen alle Bischöfe gemeinsam Verantwortung für die eine Kirche, so dass es einen Bischof nicht unberührt lassen kann, wenn durch das Fehlverhalten anderer die Kirche Schaden nimmt. Die Kollegialität der Bischöfe wird vor allem in den Synoden sichtbar, die sich schon früh als innerkirchliche Problemlösungsinstanz etablieren konnten. Nicht kirchenpolitisch, sondern lediglich spirituell ließ sich ein Vorrang Roms begründen, hatten doch in der Hauptstadt des Reiches die beiden Apostel Petrus und Paulus das Martyrium erlitten. Sicherlich aber spielte die frühe Verehrung des Petrus und der Gedanke einer Wirksamkeit des Apostels in seinen Nachfolgern eine Rolle für die Entwicklung der herausgehobenen kirchlichen Stellung Roms.

Die „Konstantinische Wende“ im frühen 4. Jahrhundert brachte mittelfristig für die Kirche neben der Freiheit ihres Kultes und Wirkens auch erhebliche organisatorische Änderungen. Die Verlegung der kaiserlichen Residenz ins neue Konstantinopel, das dadurch ebenfalls über einen exponierten Bischofssitz verfügte, schuf dem römischen Bischof politische Freiräume gegenüber dem Kaisertum, die der Bischof der Residenzstadt im Osten nicht genießen konnte. Zudem bildete sich die Metropolitanstruktur heraus, d. h. ein Zusammenschluss von Bischofsgemeinden zu einer Kirchenprovinz, an deren Spitze ein Bischof als Metropolit stand. Die gemeindlichen Bischofswahlen wurden nun von den Bischöfen der Kirchenprovinz oder dem Metropoliten kontrolliert oder gar dominiert; sollte ein Bischof angeklagt werden, war die Provinzialsynode das richtende Gremium. Die Provinzen wiederum unterstanden seit dem 5. Jahrhundert der Aufsicht eines der fünf Patriarchate, zu denen nun neben Rom, Antiochia und Alexandria auch Konstantinopel und Jerusalem gezählt wurden.

Im Kontext der verschiedenen, teils hochkontroversen Synoden des 4. Jahrhunderts konnte sich die römische Kirche nicht nur als stabil und theologisch klar positioniert behaupten, sondern auch immer mehr als höhere Instanz etablieren. Es wurde daher immer üblicher, sich in schwierigen Situationen an Rom zu wenden und von dort Unterstützung zu erwarten, ohne dass man die dortige Kirche damit schon als im rechtlichen Sinn höhere Instanz angesehen hätte. Größere Bedeutung kommt vielmehr der religiösen Autorität Roms als Ort der Apostelgräber zu, die zugleich zu einem höheren Maß an Verantwortung für die gesamte Gemeinschaft der Kirche führt.

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