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"Schuld ist ein Wort für die Vergangenheit, Verantwortung ein Wort der Zukunft. Und genau darum ging es mir. Um meine Zukunft. Und um die Verantwortung." In einer Traumwelt begegnet der Ich-Erzähler einer jungen Frau. Sie sitzen auf einer alten Bank, vor der eine Krähe in die Wiese pickt und ein brauner Hund den Weg beschnüffelt. Er erzählt ihr, wie es ihm ergangen ist, seit dem Tag, an dem sich ihre Wege trennten – und muss sich bald schon seinen größten Schwächen stellen.
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Seitenzahl: 85
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Originalausgabe April 2024E-Book Februar 2025 © Lukas Kellner, 2025 Covergestaltung: Lukas Kellner Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch teilweise - nur mit Genehmigung des Autors wiedergegeben werden. Verlag: Waiter Serves Productions - Lukas Kellner Stossberg 4, 87490 Haldenwang www.ws-productions.de, [email protected] Druck: epubli - ein Service der Neopubli GmbH, Berlin
Die Worte am Anfang eines Buches sind bedeutend – Am Ende jedoch immer wertlos.
Wer hat es dir gesagt?, frage ich und setze mich zu ihr auf die Parkbank. Der Hund hat es mir gesagt, sagt sie und starrt zu Boden. Der Hund dort unten, wo du dich von mir getrennt hast, dort unten an der Parkbank?, frage ich.Der Hund hier unten, ja. Der Hund also. Ich sehe ihn vor mir über diese Wiese schleichen. Ein junger Deutscher Boxer. Damals kamen mir seine Augen freundlich, sogar fröhlich vor. Wie konnte ich die Wahrheit nur derart übersehen?Der Hund hier unten, der hat es mir gesagt, das stimmt schon, sagt sie mir, aber eigentlich wollte ich mich gar nicht von dir trennen, sagt sie, erst als er es mir erklärt hat, der braune Hund dort unten, hier vor unserer Bank, da habe ich mich dann doch dazu entschlossen. Woher wusste es der Hund?, frage ich.Die Krähe hat es ihm gesagt, antwortet sie. Natürlich die Krähe. Ich erinnere mich gut an sie, an diese Krähe. Sogar besser noch an diese Krähe, als an diesen braunen Hund, besser noch an diese Krähe, als an dieses schwüle Wetter, besser noch an diese Krähe, als an diesen sacht dahin plätschernden Fluss zu unseren Füßen; besser als an die andere Seite dieses Ufers, mit dem kleinen abgeschiedenen Gärtchen dort drüben und dem kreisrunden Loch, durch das die schmutzigen Wasser in den Main abfließen. Natürlich diese Krähe. Die waren beide dort vor dieser Bank – der Hund und diese Krähe, alle beide. Ich erinnere mich, sage ich.Und sie hat es dir gesagt?, frage ich.Die Krähe, meine ich?, frage ich.Die hat es dir gesagt?, frage ich. Nein, gesagt hat es mir der Hund, aber der wusste es von dieser Krähe. Und was wusste sie, die Krähe?Dass ich wegen dir den Schlaganfall hatte. Dass es immer nur an dir lag. Das es an dir klebt und auf diejenigen abfärbt, die du damit berührst. Es klebt an mir, das weiß ich, sage ich.Ja, deswegen bist du hier.Deswegen bin ich hier, neben dir, denke ich. Aber weswegen bin ich wirklich hier?, frage ich. Damit du mir erzählen kannst, wie es dir ergangen ist, sagt sie. Aber du wirst es nicht hören, sage ich, du wirst es niemals hören. Nein, niemals. Ich werde es bestimmt gar niemals hören. Was für einen Sinn macht dann das Erzählen?Keinen, sagt sie mir ganz schnell. Da gibt es keinen Unterschied, sagt sie. Du magst daran glauben, dass es einen gibt, tief in deinem Innern, aber es gibt tatsächlich keinen, gibt wirklich keinen Unterschied, sagt sie.Es ist nicht echt, oder? Das hier meine ich. Das ist nicht wirklich echt. Du sitzt nicht neben mir in echt und ich kann dich auch nicht vor mir sehen, hier in echt, ich kann dich überhaupt nicht fühlen ganz in echt. Das ist nicht wirklich echt, oder?Nein, es ist nur zwischen diesen Zeilen.Und jetzt?Jetzt erzählst du mir, wie es dir ergangen ist. Und ich erzähle ihr, wie es mir ergangen ist.Wie bist du dahinter gekommen, dass es an dir klebt?, fragt sie mich, bevor ich beginne zu erzählen, wie es mir ergangen ist. Ich bin nicht dahinter gekommen. Nicht, wie wenn man auf die Lösung eines Rätsels kommt, sage ich, nicht, wie wenn man eine schwere Aufgabe bewältigt oder eine entscheidende Idee erhält, sage ich, sondern es war ganz einfach eindeutig. Ich lag in einem Bett neben einer Frau in einem fremden Land und starrte an die Decke und dachte dort über mein Leben nach und wann ich das letzte Mal denn wirklich glücklich war und dann habe ich es so gesehen, wie es ist; gesehen habe ich, dass ich nur zweimal wirklich glücklich war und dass es seitdem den Berg nur noch hinabging, immer tiefer nur hinab, selbst wenn ich dachte, dass es nicht mehr tiefer geht, ging es immer weiter tief hinab. Eigentlich lächerlich, sage ich. Lächerlich?, fragt sie mich. Wenn ich dir erzählen werde, wie es mir erging, wirst du sagen: das ist lächerlich. Du wirst sagen, es sei lächerlich und das ist es auch, es ist auch lächerlich, dass ich so darüber spreche, aber weil ich hier bin und du nicht echt, belass’ ich es dabei. Dann bin ich eben lächerlich, sage ich, wenigstens dieses eine Mal, einfach lächerlich. Wie hast du es herausgefunden?, fragt sie mich.Es war ganz einfach eindeutig, sage ich, so eindeutig, dass es gar nicht mehr der Rede wert war. Zweimal war ich wirklich glücklich, zweimal hätte ich die Dinge für rein gar nichts mehr getauscht, weder das Gute noch das Schlechte. Das war damals, nur mit mir. Es war beide Male nur mit dir. Das erste Mal? Das erste Mal, als wir uns kennenlernten, ja. Und das zweite Mal?Das zweite Mal, als wir uns kennenlernten, ja.Aber damals war es nicht von langer Dauer. Nein, beide Male nicht. Ich war nicht genug, sagt sie. Nein, es hat nicht ausgereicht, sage ich, nicht, um es von mir abzureißen. Klebt es immer noch an deinem Rücken?, fragt sie mich.Ja, dort, wo ich es gar nicht sehen kann, sage ich, dort, wo ich es nicht zu fassen kriegen kann, sage ich. Ich dachte immer, dass es unten tief in meinem Bauch drin sitzt, aber das stimmt gar nicht, es fühlt sich nur so an, sage ich. Willst du, dass ich es dir beschreibe?, fragt sie mich, dass ich dir beschreibe, wie es aussieht?, fragt sie mich, dieses Mal an deinem Rücken, das dort an dir klebt, das du nicht sehen, aber spüren kannst, soll ich dir beschreiben, wie es aussieht?Nein, es spielt gar keine Rolle, sage ich.Es spielt gar keine Rolle mehr für dich, sagt sie. Mit ihr zu reden ist ein bisschen wie bei einem künstlich generierten Kunstwerk. Sie ist im Grunde nur eine Repräsentation, ein Gemisch aus Erinnerungen, Wünschen und Ideen, gewissermaßen ein Vektor, der Information enthält und eine Projektion erschafft. Wenn ich zugriffe, spürte ich nur, was ich weiß und wenn meine Lippen die ihren berührten, würde ich nur das schmecken, an was ich mich erinnere, und wenn ich ihr den Kopf abschlüge, würde ich nur das fühlen, was ich kenne. Der Hund hat mir das gesagt, sagt sie, und der hat es von der Krähe, sagt sie. Dass ich zweimal glücklich war?Ja, dass du zweimal glücklich warst und beide Male nur mit mir, die Zeit als wir uns kennenlernten, zweimal direkt zu Beginn und dann nicht mehr.Weil danach mein Mal gewachsen ist, sage ich.Und mich berührt hat, sagt sie mir. Der Schlaganfall war wegen mir, sage ich.Ja, das war er, sagt sie mir.Weil ich nicht genug war, sagt sie mir.Nicht genug, um es alleine auszugleichen, sage ich.Nicht genug, um es ganz alleine auszugleichen, sagt sie mir. Glaubst du, fragt sie mich, dass es heute ginge, fragt sie mich. Nein, sage ich.Das glaube ich nicht.Ich glaube, es reicht, wenn ich allein bleibe, sage ich. Ich habe es noch nicht ganz verstanden, ich weiß nur, dass es da ist, vielleicht weiß der Hund ja mehr, sage ich.Wohl eher die Krähe, sagt sie mir.Wohl eher sie.Aber woher weiß es dann die Krähe?, frage ich.Die Frage führt doch nur zur nächsten, sagt sie mir.Du hast recht, sage ich, es war eine dumme Frage, am Ende bleibt sie trotzdem gleich, sage ich. Lächerlich, du hast gesagt, es sei so lächerlich.Ja, das habe ich. Es ist auch lächerlich, sage ich.Und Zeitverschwendung, das wohl auch, sage ich.Das hier gerade, es ist Zeitverschwendung!, sage ich.Ja, das ist es, sagt sie mir. Du verschwendest keine Zeit gerade, sage ich.Woher weißt du das?, fragt sie.Ich weiß es, sage ich, ich weiß, dass du nicht mehr an mich denkst, dass du all das hier vergessen hast, wirklich alles, auch den Hund und auch die Krähe und vor allem mich. Ich bin nicht sie, sagt sie.Nein, du kennst mich noch, sie nicht, du lebst, aber sie ist tot, es war ein klarer Schnitt, ich habe ihn vollzogen, mit meiner eigenen Hand. Du hättest das Mal an deinem Rücken mitschneiden sollen, sagt sie.Es ging nicht, sage ich. Ging es nicht oder war nur sie dir wichtiger?, fragt sie mich.Darauf weiß ich keine Antwort. Wie bist du dahinter gekommen?, fragt sie mich. Ich war zweimal glücklich und beide Male nur mit dir. Aber es lag nicht an mir, sagt sie.Es lag an dir, sage ich.Aber nicht das Glücklichsein, sage ich, das lag nicht nur an dir. Es lag an allem, sagt sie mir.Ja, an allem, sage ich.Daran, dass die Regeln eingehalten wurden. Zeitweise zumindest, sagt sie mir. Ja, so lange, wie du es eben überdecken konntest, sage ich. Solange, wie es eben ging, sagt sie.Wieso gelang es dir so lange?, frage ich.Das weiß ich nicht, sagt sie, ich weiß nicht mehr als du, hast du das bereits vergessen?, fragt sie mich.Nein, antworte ich, vergessen hab ich das noch nicht, sage ich, aber vielleicht bin ich schon zu müde, um mich daran zu erinnern. Weil du gerade in einem fremden Land im Bett neben einer Frau liegst und nicht schlafen kannst?, fragt sie mich.Ja, deswegen, sage ich. Aber nicht nur deswegen, sage ich.Weil ich eine Lüge gelebt habe, sage ich. Das klingt theatralisch, sagt sie mir. Ja und es gefällt mir nicht, es sagt nicht das aus, was ich sagen will. Du bist nicht gut genug, um die Dinge zu beschreiben, sagt sie mir. Nein, das bin ich nicht, ich bin dafür nicht gut genug, auch wenn ich übe, bin ich noch nicht gut genug und ich übe jeden Tag. Vielleicht übst du nicht genug?Ja, vielleicht übe ich nicht genug, aber ich übe viel und es reicht trotzdem nicht.