Die Leidenschaft des Earls - Heather Graham - E-Book
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Die Leidenschaft des Earls E-Book

Heather Graham

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Beschreibung

Ihre Herzen brennen vor Verlangen, doch zwischen ihnen steht ein düsteres Geheimnis: Der historische Liebesroman »Die Leidenschaft des Earls« von Heather Graham jetzt als eBook bei venusbooks. England, 1679: Die schöne Ondine, Tochter des Herzogs von Rochester, ist das Opfer einer Intrige geworden. In letzter Sekunde kann der düstere Lord Chatham sie vor dem Galgen retten – doch er verlangt als Gegenleistung ihre Hand. Auch wenn sie sich bald ungewollt zu ihm hingezogen fühlt, wenn sie in seine geheimnisvollen Augen blickt, will sich die stolze Lady ihm nicht hingeben: Nie wieder will sie Spielball eines Mannes sein! Erst als beide am Hof des englischen Königs zwischen die Fronten eines finsteren Komplotts geraten, muss sie sich entscheiden: Kann sie ihm wirklich vertrauen – und kann aus einem Bündnis wider Willen echte Liebe erwachsen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Regency-Liebesroman »Die Leidenschaft des Earls« von der Bestseller-Autorin Heather Graham. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 423

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Über dieses Buch:

England, 1679: Die schöne Ondine, Tochter des Herzogs von Rochester, ist das Opfer einer Intrige geworden. In letzter Sekunde kann der düstere Lord Chatham sie vor dem Galgen retten – doch er verlangt als Gegenleistung ihre Hand. Auch wenn sie sich bald ungewollt zu ihm hingezogen fühlt, wenn sie in seine geheimnisvollen Augen blickt, will sich die stolze Lady ihm nicht hingeben: Nie wieder will sie Spielball eines Mannes sein! Erst als beide am Hof des englischen Königs zwischen die Fronten eines finsteren Komplotts geraten, muss sie sich entscheiden: Kann sie ihm wirklich vertrauen – und kann aus einem Bündnis wider Willen echte Liebe erwachsen?

Über die Autorin:

Heather Graham wurde 1953 geboren. Die New-York-Times-Bestseller-Autorin hat über zweihundert Romane und Novellen verfasst, die in über dreißig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Heather Graham lebt mit ihrer Familie in Florida.

Von Heather Graham erscheinen bei venusbooks:

In den Händen des Highlanders

Fieber der Leidenschaft

Der Lord und die Rebellin

Die Leidenschaft des Earls

Das Begehren des Ritters

Die Gefangene des Freibeuters

Das Erbe der Liebenden

Die Highland-Kiss-Saga:

In den Armen des Schotten

Der Highlander und die schöne Feindin

Gefangen von einem Highlander

Die Braut des Viscounts

Die Wild-Passion-Saga:

Der Ungezähmte und die Schöne

Der Laird und die Schöne

Der Krieger und die Schöne

Die Cameron-Saga:

Der Lord und die ungezähmte Schöne

Die Geliebte des Freibeuters

Unter dem Autorennamen Shannon Drake veröffentlichte sie bei venusbooks außerdem:

Blutrote Nacht

Bei Anbruch der Dunkelheit

Verlockende Finsternis

Das Reich der Schatten

Der Kuss der Dunkelheit

***

eBook-Neuausgabe August 2019

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 1996 unter dem Titel »Ondine« bei Heyne

Copyright © 1997 by Heather Graham

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1988 unter dem Titel »Ondine« bei Jove Books.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1996 Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2019 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Kiev.Victor, Phagalley und Mary Chronis Period Images & Dunraven Productions

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-95885-687-5

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Die Leidenschaft des Earls« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

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Heather Graham

Die Leidenschaft des Earls

Roman

Aus dem Amerikanischen von Eva Malch

venusbooks

PROLOG

Das Schicksal und die Schiffe, die nachts vorüberziehen.

Der Palast von Westchester, Juni 1678, während der Regentschaft von Charles II.

Sengende Sonne warf ihre unbarmherzigen Strahlen auf die Pferde und Männer hinab. Kein einziger Dunstschleier versprach erlösenden Regen. Während Warwick Chatham auf seinem nervösen Pferd saß, verfluchte er die Hitze. Von Spielen und Spektakeln hielt er nicht viel. Aber der König hatte dieses Turnier anbefohlen, und Warwick mußte sich eingestehen, daß er die Gelegenheit begrüßte, gegen Lord Hardgrave, den Viscount von Bedford Place, zu fechten. Schon seit der Kindheit waren sie verfeindet. Beide Familien hatten den alten König Charles L unterstützt. Doch die Chathams bekämpften Cromwell, während die Hardgraves ihr Mäntelchen nach dem Wind hängten. Und dann war natürlich immer wieder der Streit um das Grenzland ausgebrochen.

»Ruhig, Dragon, ruhig«, versuchte Warwick seinen Hengst zu beschwichtigen, einen kräftigen Fuchs, der von edlen Arabern abstammte. Er war an richtige Schlachten gewöhnt, nicht an prunkvolle Turniere – ebenso wie sein Herr, der von Jugend an sein Erbe, die nördlichen Ländereien gegen marodierende Schotten verteidigt hatte.

Warwick schaute zur Tribüne hinüber. In der Mittelloge saß der König mit seiner Gemahlin Catherine. Wenn er auch ein Schürzenjäger war und seine Frau betrog, so begegnete er ihr doch freundlich und ehrerbietig. Jetzt neigte er den dunklen Kopf zu ihr, während sie auf ihn einsprach..

Die Bänke füllten sich. Vorn saßen die ranghohen Aristokraten, dahinter die weniger bedeutsamen Lords und Ladies. Bürgerliche fanden keinen Zutritt. Belustigt musterte Warwick das farbenfrohe Publikum. Überall prangten Seide und Samt, sogar Pelze – trotz der Gluthitze. Strahlende Gesichter zeugten von einer heiteren, feierlichen Stimmung. Nach dem Turnier sollte ein Festmahl stattfinden. In dieser Nacht würden sich zahlreiche ärmere Adelige satt essen.

Bringen wir's hinter uns, dachte Warwick. Schweiß rann in Strömen über den Hals seines rastlosen Pferdes. »Ruhig, ruhig«, flüsterte er. Auf Dragons Rücken lag eine Decke mit den blaugoldenen Insignien der Lords von Chatham. Warwicks persönliches Wappen zeigte die ›Waldbestie‹, ein mythisches Wesen, eine Kreuzung zwischen Löwe und Drachen. Das gleiche Bild schmückte auch den Schild, und die Kleidung des Ritters wies dieselben Farben auf wie die Schabracke. Unter der Rüstung trug er eine Hose aus Goldgewebe, das verschwitzte Wams leuchtete königsblau.

Verdammt, wie lange mußte er sich noch gedulden, bis das Turnier begann? Endlich hob Charles die Hand, Trompetenfanfaren erklangen. Der Turniermeister stand auf und erklärte, was den Grafen von North Lambria und den Viscount von Bedford Place entzweit hatte. Dann beorderte er beide zur Königsloge. Warwick und Hardgrave stiegen von den Pferden, knieten vor Charles nieder und murmelten: »Für Gott und unseren Herrscher!«

Sie wurden gefragt, ob es ihnen genehm sei, wenn der Disput bei diesem Turnier entschieden würde. Eindringlich fügte der Turniermeister hinzu, ein Kampf auf Leben und Tod sei untersagt. Warwick schaute den König an, der boshaft grinste, zuckte die Achseln und klappte sein Visier herunter.

Vor dem Turnier traten einige Gaukler auf. Unterdessen schwang sich Warwick in Dragons Sattel und ritt zu einer schönen blonden Dame, die in vorderster Reihe saß. Ermutigend lächelte er ihr zu. Da erhob sie sich und nahm ihr Kopftuch ab, das sie ihm reichte. Unter dem Jubel des Publikums kehrte er zu seiner Position zurück. Man wußte es zu schätzen, wenn ein Ritter die Farben seiner Dame trug.

Jake – Warwicks Knappe, wenn die Situation es erforderte, und ansonsten sein Kammerdiener oder Kutscher – lief zu ihm und überreichte die Lanze. »Der Allmächtige steht auf Eurer Seite, Mylord.«

»Dann wollen wir hoffen, daß er keinen allzu hohen Blutzoll für sein gerechtes Urteil fordert«, erwiderte Warwick, worauf Jake eine Grimasse schnitt und sich entfernte.

Vor der Königsloge schwang der Turniermeister ein Banner mit dem Stuart Wappen hoch und senkte es. Mit erhobener Lanze galoppierte Warwick in die Arena. Die Gesichter und die Farben ringsum verschwammen vor seinen Augen, das Geschrei der Zuschauer verschmolz mit dem rauschenden Wind, während er seinem Feind entgegenraste. Nur noch ein kurzer Augenblick ...

Mit voller Wucht prallte die Lanze gegen Hardgraves Schild, klirrte ohrenbetäubend, und ein stechender Schmerz durchfuhr Warwicks Arm vom Handgelenk bis zur Schulter. Er schwankte, aber seine Willensstärke, die Erfahrung und die Kraft seiner Schenkel halfen ihm, im Sattel zu bleiben. Heftige Qualen verschleierten seinen Blick.

Erst als er zu seiner Ausgangsposition zurückritt, hörte er den Beifall der Menge und wußte, daß er Hardgrave vom Pferd geworfen hatte. Er schwang Dragon herum, das große Schlachtroß bäumte sich kurz auf. Dann ließ er die zerbrochene Lanze fallen, und Jake reichte ihm das Schwert.

Wieder sprengte der Ritter durch die Arena zu Hardgrave, der jetzt im Sand stand, das Schwert erhoben. Nur wenige Schritte von seinem Gegner entfernt, sprang Warwick vom Rücken seines Hengstes hinab und las helle Wut in Hardgraves wasserblauen Augen.

Dieser Zorn könnte seine Niederlage besiegeln, dachte Warwick und parierte einen wilden Fechthieb des Viscounts. Wieder kreuzten sich die Klingen. »Eines Tages werde ich Euch töten, Chatham«, fauchte Hardgrave.

»Bis jetzt sehe ich keinen Grund, Euch zu fürchten.«

Sie trennten sich, Hardgrave griff überstürzt an, und Warwick nutzte seinen Vorteil. Er wich dem Schwerthieb aus, stemmte seine Klinge gegen die Waffe seines Gegners und schlug sie ihm aus der Hand. Als der Viscount danach zu greifen versuchte, stellte Warwick ihm ein Bein.

Aus dem Gleichgewicht geraten, fiel Hardgrave der Länge nach hin, und Warwick hielt ihm die Spitze seines Schwertes an die Kehle.

»Bravo!« rief der König. Sofort steckte Warwick seine Klinge in die Scheide. Hardgrave sprang auf, die Ritter schüttelten sich widerstrebend die Hände, dann gingen sie zu Charles und knieten nieder. »Gut gemacht!« lobte der Regent. »Lord Chatham, das umstrittene Land gehört Euch. Und Ihr, Lord Hardgrave, habt versprochen, den Ausgang dieses Kampfes anzunehmen. Ich sehe Euch beide beim Bankett.«

Warwick stand auf, verbeugte sich und stieß einen Pfiff aus, der Dragon herbeirief. Statt in sein Zelt zurückzukehren, ritt er in den Wald, wo er Kühlung und Ruhe suchte. An einem Bach stieg er vom Pferd, nahm den Helm ab und trank durstig. Dann befreite er sich von der Rüstung, lag im Gras und genoß den angenehmen Schatten. Nachtigallen sangen, leise raschelte das Laub. Solche friedlichen Momente erlebte er nur selten. Die Augen fielen ihm zu, und er schlief ein.

Plötzlich richtete er sich verwirrt auf. Ein Geräusch am anderen Ufer hatte ihn geweckt. Seine Augen verengten sich, angespannt spähte er in die Abenddämmerung, die mittlerweile hereingebrochen war. Eine zornige Frauenstimme drang zu ihm. »Nein! Niemals! Mörder!«

»Doch, meine schöne Erbin«, entgegnete ein Mann und lachte drohend. »Jetzt ist dein Vater tot, meiner ist dein Vormund und Verwalter deiner Ländereien. Und er kann beweisen, daß du mit deinem Vater ein Komplott geschmiedet hast.«

»Alles Lüge!« würgte sie hervor.

»Die Richter würden anders denken. Nun hast du die Wahl zwischen meinem Schutz und dem Henkerbeil.«

»Fahr zur Hölle! Ich verachte dich!«

Tiefe Stille folgte diesen herausfordernden Worten, und Warwick stand auf, um in den Bach zu waten. Er mußte herausfinden, was dort geschah. Ehe er das andere Ufer erreichte, stieß die Frau einen wütenden Fluch hervor, Zweige knackten, und sie stürmte aus dem Unterholz hervor. Ihr Gesicht sah er im Zwielicht nicht, nur ihre Silhouette. Als sie ihn entdeckte, hielt sie erschrocken inne. Ihr dunkles Haar schimmerte rötlich. Ansonsten konnte er nur erkennen, daß sie jung, groß und schlank war, mit hoch angesetzten, vollen Brüsten. Er streckte eine Hand nach ihr aus. Mit einem halb erstickten Schrei sprang sie ins Wasser und tauchte unter.

»Verdammt, Mädchen, ich will Euch doch helfen!« rief er und rannte zu der Stelle, wo sie verschwunden war. Vergeblich suchte er nach ihr. Hatte sie sich ertränkt?

Schließlich schwamm er ans andere Ufer, wo Dragon wartete, sammelte die einzelnen Teile seiner Rüstung ein und ritt aus dem Wald. Aber er konnte das Mädchen nicht vergessen. Oder war das alles nur ein Traum gewesen?

Als er sich seinem Zelt näherte, lief Jake ihm entgegen. »Ah, Mylord, Ihr habt was verpaßt – einen Anschlag auf das Leben des Königs! Was für eine Aufregung! Glücklicherweise wurde Seine Majestät nicht verletzt. Nach kürzester Zeit war alles vorbei. Ich selber sah nicht viel. Offenbar wollte ein alter Parlamentarier, der schon Charles I. bekämpft hatte, dessen Sohn umbringen. Aber er wurde gerade noch rechtzeitig verdächtigt und niedergestochen. Seine Majestät ist ziemlich traurig, hat jedoch angeordnet, das Festmahl solle trotz dieses Zwischenfalls stattfinden.«

Bestürzt runzelte Warwick die Stirn. Ein Attentat auf den König? Charles Stuart war trotz seiner ehelichen Untreue ein anständiger, kluger, humorvoller Mann – und ein guter Freund.

Warwick wollte sich persönlich vergewissern, daß dem Herrscher nichts zugestoßen war. Und seine Frau Genevieve würde schon voller Sorge auf ihn warten.

Ami späteren Abend betrat er das halbdunkle Zimmer neben dem Schlafgemach, das Reemes, König Charles' Oberhofmeister im Westchester Palace, ihm zugewiesen hatte. Seufzend sank er in einen geschnitzten Stuhl vor dem Kaminfeuer. Nun war der lange Tag endlich zu Ende.

Genevieve schlief bereits, er selbst hatte noch eine Weile an der königlichen Tafel gesessen und erleichtert festgestellt, daß Charles tatsächlich nichts zugestoßen war.

Plötzlich drehte er sich um, als er ein leises Rascheln hörte. Eine schattenhafte Gestalt huschte heran, und er packte sie blitzschnell am Handgelenk.

»Warwick!« protestierte eine weibliche Stimme, und er starrte in Lady Fentons schönes, aber ärgerliches Gesicht. Sofort ließ er sie los und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

»Was machst du hier, Anne? Interessiert dich der König nicht mehr?«

Ihre Lippen verzogen sich zu einem hübschen Schmollmund. Anmutig kniete sie vor seinen gestiefelten Füßen nieder, um ihm einen Blick in ihr verlockendes Dekolleté zu gewähren. »Du weißt doch, daß du meine erste Liebe warst und bist.«

»Tatsächlich?« fragte er grinsend. »Und dein Mann?«

»Oh, der hält nichts vom höfischen Leben.«

»Mir würde es ebenso mißfallen, hätte meine Frau die Gunst des Königs errungen. Armer Geoffrey!«

Ungeduldig stand sie auf, als sie merkte, daß ihre Reize jede Wirkung verfehlten, und wanderte wie eine rastlose Tigerin umher. »Bei unserer letzten Begegnung hast du dir keine Sorgen um ihn gemacht.«

»Jetzt bin ich mit Genevieve verheiratet.«

»Genevieve!« zischte sie. »Die süße, sanfte, unschuldige, wundervolle Genevieve! Ich habe dich vor dieser Heirat gewarnt.« Bitter lachte sie auf. »Angeblich bebte sie vor Angst, nachdem sie erfahren hatte, sie müsse mit dir vor den Traualtar treten. Der attraktive, harte, kampferprobte Krieger – ein aufregender Dämon, für viele Frauen reizvoll, aber nicht für die naive Genevieve. Du Narr! Deine Frau fürchtet dich und deine Geister – den Geist deiner Großmutter und andere. Ein überwältigender Ehemann, dazu noch ein Familienfluch ...«

»Sei still, Anne!« unterbrach er sie in leisem, aber drohendem Ton, stand auf und ging langsam zu ihr. »In vielen Punkten stimme ich dir zu. Meine Frau ist tatsächlich süß und sanft, und sie wurde mit den Legenden der Vergangenheit konfrontiert. Aber nachts, im Ehebett, muß sie sich keines wilden Dämons erwehren, das versichere ich dir. Wenn du die Bestie in mir wecken wolltest, meine lüsterne Lady, so mag es dir gelungen sein. Doch das alles ist nun vorbei. Seit zwei Monaten erwartet Genevieve mein Kind, und ich würde ihr niemals weh tun, sondern mein Leben wagen, um sie zu beschützen.«

»Du liebst sie nicht und hast sie nur geheiratet, um ein Versprechen zu erfüllen. Und ich ...«

»Bitte, Anne, erprobe deine Verführungskünste an Charles und laß mich in Ruhe! Genevieve ist und bleibt meine Frau, und sie trägt meinen Erben unter dem Herzen. Außerdem bin ich heute abend viel zu müde, um sie zu betrügen, also geh endlich!«

Erbost eilte sie zur Tür, drehte sich noch einmal um und warf ihr schönes schwarzes Haar nach hinten. »Sie trägt deinen Erben unter dem Herzen, Warwick? Wahrscheinlich bezweifelt sie, daß sie die Geburt überleben wird.«

Er folgte ihr, umfaßte ihre Schultern und schüttelte sie. »Bei Gott, Anne, ich vergreife mich nur ungern an einer Frau, aber du solltest mich nicht herausfordern.«

»O Warwick!« Schluchzend lehnte sie sich an seine Brust. »Ich liebe dich, ich brauche dich! Und ich kann dich glücklich machen, so wie es ihr niemals gelingen würde.«

»Anne!« Nun sprach er etwas sanfter, denn er wußte, was er ihr trotz zahlreicher Liebhaber bedeutete. »Ich werde meiner Frau keinen Kummer bereiten, weil ich ihr gütiges Herz liebe.«

Wütend riß sie sich los. »Eines Tages wirst du zu mir zurückkehren, Warwick Chatham! Das schwöre ich! Schon zu Weihnachten wirst du die Leidenschaft meiner Arme suchen!«

Sie stürmte hinaus, und er durchquerte seufzend das Zimmer, um sich wieder vor den Kamin zu setzen.

Aber nach wenigen Schritten hielt er inne und starrte zur Tür des Schlafgemachs. Genevieve stand auf der Schwelle, fast ätherisch im Feuerschein, von hellblondem Haar umflossen. Ihre zierlichen Finger suchten Halt am Türrahmen.

»Hast du alles gehört?« fragte er bedrückt.

Sie nickte, dann lächelte sie. »Vorhin hatte ich einen Alptraum, und ich hoffte ...« Doch der Satz blieb unvollendet. Sie eilte zu ihm, legte ihre schlanken Arme um seinen Hals und schmiegte die Wange an seine Brust. »Danke ... Ich fürchte, ich enttäusche dich, und trotzdem – sogar hier am Hof bist du mir treu. Das erfüllt mich mit großem Stolz.«

Zärtlich strich er über ihr seidiges Haar, hob sie hoch und trug sie zum Kamin. Dort setzte er sich in den geschnitzten Stuhl und hielt sie auf seinem Schoß fest. »Meine Liebe, du enttäuscht mich nicht.«

Sie lächelte traurig. Nur zu gut wußte sie, daß er log, aber das warf sie ihm nicht vor. Obwohl er stets behutsam mit ihr umging, war sie im ehelichen Bett seiner Kraft nicht gewachsen. Nachts stellte sie sich oft schlafend, um ihren Pflichten zu entrinnen, wenn sie ihn auch innig liebte. Er durchschaute ihre Taktik, das merkte sie ihm an. Trotzdem zwang er sie zu nichts und übte Geduld. Dafür würde sie ihn eines Tages belohnen, das gelobte sie sich. Gewiß, vor der Hochzeit hatte sie ihn gefürchtet. Doch angesichts seiner Rücksicht und Sanftmut war ihre Angst bald verflogen.

Eigentlich hatte sie den Schleier nehmen wollen, im Kloster, wo sie erzogen worden war. Aber ihr Vater bat Warwick auf dem Totenbett, sie zu heiraten und für sie zu sorgen. Und der treue Freund hatte ihm diesen Wunsch nicht abgeschlagen.

Im Kamin knisterte ein Holzscheit, und sie zuckte erschrocken zusammen. »Ganz ruhig, mein Liebes!« Warwick drückte sie noch fester an sich.

Eine Zeitlang schwiegen sie, jeder in seine Gedanken versunken. Warwick runzelte die Stirn. In einem Punkt mußte er Anne recht geben – er hätte Genevieve nicht heiraten dürfen, diese scheue, zarte Schönheit, zu schwach, um sich gegen böse Gerüchte zu wehren.

»Genevieve?«

»Ja?« fragte sie und hob den Kopf.

»Was Anne gesagt hat, stimmt nicht. Es gibt gewisse Legenden, die meine Familie betreffen, aber meine Großmutter starb an den Folgen eines Unfalls. Wir sind keine Dämonen, und diese Geschichten stammen aus der Ära des Eroberers William, einer fernen Vergangenheit.«

»Bis auf die Geschichte von deiner Großmutter.«

»Sie stürzte eine Treppe hinab, weil das Holz morsch war. Mit einem Fluch hatte das nichts zu tun.«

»Ja, ich weiß, aber – in dem Traum, der mich weckte, hatte ich sie gesehen ...« Ein Schluchzen drohte Genevieves Stimme zu ersticken. »Sie kam aus dem Grab zu mir, von Schimmel und Moder befallen, und prophezeite, bald würde ich mich zu ihr gesellen ...«

»Pst, mein Engel! Niemals werde ich zulassen, daß dir etwas zustößt.«

»O Warwick, ich bin so ängstlich, so schwach.«

»Du besitzt die Kraft meiner Liebe.«

»Auch ich liebe dich von ganzen Herzen, und heute, beim Turnier, war ich so stolz auf dich. Kein Ritter kann sich mit dir messen. Das haben alle gesagt.«

Er lachte. »Wenn ich nur dir gefalle! Dann bin ich schon zufrieden. Und jetzt geh ins Bett, meine süße, liebste Frau, die mein geliebtes Kind in ihrem Schoß birgt. Ich trinke noch ein Glas Portwein, danach komme ich zu dir.«

»Gut, ich werde auf dich warten.«

»Nicht nötig«, erwiderte er und streichelte ihre Wange. »Sicher möchtest du dich ausruhen.«

»Nein, ich erwarte dich.« Sie erhob sich von seinen Knien – fest entschlossen, ihrem guten Ehemann keine weitere Enttäuschung zu bereiten, Allen Nachtgespenstern würde sie tapfer widerstehen. Errötend lächelte sie ihm zu, dann eilte sie ins Schlafgemach hinüber.

Er ging zur Anrichte, ergriff eine Karaffe und schenkte sich ein Glas Portwein ein. Lady Fentons Gerede über den Fluch hatte ihn viel heftiger beunruhigt, als er sich's eingestehen mochte, und die innere Anspannung erhitzte sein Blut. Wie gern hielt er jetzt eine Frau in den Armen – eine starke Frau wie Anne, die seine Leidenschaft willkommen heißen würde ... In einem Zug leerte er das Glas und hoffte, der Wein würde das Feuer in seiner Brust löschen. Nein, niemals würde er seine herzensgute, vertrauensvolle Frau hintergehen, so schwer es ihm manchmal auch fiel, sein Verlangen zu zügeln.

Und dann erinnerte er sich seltsamerweise wieder an die junge Frau im Wald. War sie Wirklichkeit gewesen? Oder ein Traum? Von einem Mann bedroht, hatte sie sich erbittert gewehrt und war dann in den Wellen des Bachs verschwunden. Realität – oder Einbildung? Obwohl er sie nur undeutlich gesehen hatte, entsann er sich ihrer Schönheit. Und welches Temperament ... Nach einem solchen Mädchen sehnte er sich.

Aber er schuldete Genevieve seine Treue und seine Träume. Seufzend setzte er sich, um seine Stiefel auszuziehen. Mit einem dumpfen Geräusch landeten sie am Boden. Und dann hörte er ein Klicken. Verwundert drehte er sich um und sah, daß die Verbindungstür zum Schlafgemach zugefallen war.

Seltsam – noch nie, nicht einmal als verängstigte Braut, hatte Genevieve die Tür vor ihm verschlossen. Und heute nacht wollte sie auf ihn warten.

»Warwick! Da kommt sie!«

Besorgt sprang er auf und versuchte die Tür zu öffnen. Sie war versperrt.

»Genevieve!« Immer wieder warf er sich gegen das harte Holz, nahm den brennenden Schmerz in seiner Schulter kaum wahr. »Genevieve!«

Endlich zerbrachen die Türangeln, und er taumelte in den Nebenraum. Das Bett unter dem großen Baldachin war leer. Durch die offene Balkontür wehte eine Brise herein und bauschte die hellen Schleiervorhänge, die sich wie flüsternde Geister bewegten.

Von unten drang ein Schrei herauf. Eine grausige Ahnung stieg in ihm auf, und er mußte seine bleischweren Beine zwingen, den Balkon zu betreten. »Genevieve!«

Sie wurde in der königlichen Kapelle aufgebahrt, inbrünstige Gebete flehten um ihr Seelenheil. Warwick wich kaum von ihrer Seite. Einige Tage nach ihrem Tod sollte sie in einem schwarzverhangenen Leichenwagen nach North Lambria gebracht und in der Familiengruft bestattet werden.

Vor der Abreise saß er im Schlafgemach, das er mit ihr geteilt hatte. Plötzlich spürte er einen sonderbaren Luftzug. Um festzustellen, woher er kam, stand Warwick auf und ging langsam durch das Zimmer. Als er einen der Wandteppiche beiseite schob, entdeckte er einen schmalen Spalt, drückte dagegen, und es öffnete sich lautlos eine Tür. Er folgte einem dunklen Gang und stolperte beinahe auf einer glitschigen Wendeltreppe.

Vorsichtshalber kehrte er ins Zimmer zurück und holte eine Fackel. Dann stieg er die Stufen hinab und geriet in ein altes, seit langer Zeit unbenutztes Verlies. Zwischen Spinnweben und Ratten fand er eine Mönchskutte und eine griechische Theatermaske. Wütend starrte er die Gegenstände an, klemmte sie unter den Arm und trug sie nach oben.

Am königlichen Hof wußten alle, wie untröstlich der Graf von North Lambria war. In seiner Verzweiflung zog er sich auf seine abgeschiedenen Ländereien zurück. Charles vermißte den Freund. Und so reiste er eines Tages nach Norden, wo er begrüßt wurde, wie es einer Majestät gebührte.

Warwick bot ihm höflich seine Gastfreundschaft an und versuchte über die Scherze des Königs zu lachen, doch sein leeres, kaltes Herz erwärmte sich nicht.

Schließlich wagte Charles, ein kluger, feinfühliger Mann, einen wunden Punkt zu berühren. »Glaubt mir, Ihr tragt keine Schuld am Tod Eurer Frau. Ihr wart ein besserer Ehemann als alle Lords, die ich kenne, mich selbst eingeschlossen, der Allmächtige und die Königin mögen mir verzeihen. Und jetzt müßt Ihr Euer Leben weiterführen. Heiratet wieder ...«

»Nein, eine zweite Frau werde ich nicht in den Tod treiben.«

»Dieser sogenannte Familienfluch ist Unsinn, das wißt Ihr ebenso gut wie ich. Es gibt keine mörderischen Geister.«

Erbost schlug Warwick auf den Tisch, so daß die Schüsseln und Kelche klirrten. »An Geister glaube ich auch nicht, aber eins weiß ich – Genevieve stürzte nicht vom Balkon, um sich das Leben zu nehmen. Sie wurde ermordet.« Um seiner Behauptung Nachdruck zu verleihen, holte er die Mönchskutte und die Maske aus einem Schrank.

»Und wer hat sie getötet?«

»Keine Ahnung.« Warwick sank wieder auf seinen Stuhl und rieb sich die Schläfen. »Und bevor ich herausgefunden habe, warum sie sterben mußte, kann ich keine neue Ehe eingehen.«

»Wen verdächtigt Ihr?«

»Lord Hardgrave.«

Ungeduldig schüttelte der König den Kopf. »Sicher, Ihr hattet Eure Differenzen, aber eine solche Anschuldigung ...«

»Vielleicht tue ich ihm unrecht. Andererseits, wer kann es sonst gewesen sein?«

»Warwick, wenn ich's auch ungern ausspreche – ich denke, Eure Frau neigte zum Selbstmord. Nun gut, Ihr habt eine alte Maske und eine Kutte gefunden. Was bedeutet das schon? Am Hof verkleiden sich viele Leute, wenn sie ein heimliches Stelldichein planen. Ihr müßt diesen Wahn überwinden, mein Freund. Begleitet mich nach London.«

Da der König auf seinem Wunsch beharrte, kehrte Warwick an den Hof zurück. Wie Lady Anne vorausgesagt hatte, lag sie Weihnachten in seinen Armen und genoß seine wilde, wenn auch seltsam distanzierte Leidenschaft. Auch andere Frauen beglückte er, ohne sein Herz zu verschenken – ein stürmischer Liebhaber und gefühlskalter Mann.

Ein Jahr verstrich. Mochte die Zeit auch die schmerzlichsten Wunden heilen – sie konnte Warwicks Verdacht nicht entkräften. Sein Entschluß, den Mord aufzuklären, geriet niemals ins Wanken.

Charles drängte ihn, wieder zu heiraten, und Warwick nickte lächelnd. »Gewiß, Euer Gnaden, ich brauche eine Frau.« Doch diese Lady würde er in Lebensgefahr bringen, denn irgend jemand wollte verhindern, daß er Erben zeugte. Daran zweifelte er nicht.

Lady Annes alter Ehemann erlag einer Fieberkrankheit, und als sie sich wieder einmal mit Warwick im Bett vergnügte, verkündete sie ungestüm: »Jetzt können wir heiraten, Liebster.«

Seufzend wandte er sich von ihr ab und setzte sich auf. »Ich heirate nie wieder.«

»Oh, ich werde dich schon noch umstimmen«, erwiderte sie, lachte leise und strich verführerisch über seinen Rücken.

Nein, von seinem Entschluß konnte sie ihn nicht abbringen, aber es gelang ihr, seine Sinne zu reizen. Begierig riß er sie in die Arme und stillte sein Verlangen. Im Morgengrauen verließ er sie.

Unentwegt verfolgte ihn der Gedanke an Genevieve. Bei Gott, er schuldete ihr Gerechtigkeit, und er würde den Mörder entlarven.

TEIL IONDINE

Der Legende nach erringt eine Wassernymphe eine Menschenseele, wenn sie einen Sterblichen heiratet.

Der Galgen in Tyburn, Mai 1679

1

Das Schlimmste war die Schlinge um den Hals, die ihre zarte Haut aufschürfte. Doch sie hatte sich geschworen, nicht zu schreien, den Zuschauern kein zusätzliches Spektakel zu bieten. Außerdem fand sie es besser, wie eine gemeine Diebin am Galgen zu sterben, als wegen Hochverrats enthauptet zu werden.

»Nun, wie geht's dir, Mädchen?«

Während der Wagen dahinpolterte, wandte sich Ondine zu dem alten Mann an ihrer Seite, der die Frage gestellt hatte. Traurig schaute er sie an, und sie hätte gern über seine faltige Wange gestrichen, aber ihre Hände waren gefesselt.

»Irgendwie werde ich's schon schaffen, Joseph. Aber die Schlinge hätten sie mir vorerst ersparen sollen ...« Ihre Stimme erstarb, als sie zwei schmutzige, schäbig gekleidete Kinder neben dem Wagen herlaufen sah. Heilige Jungfrau Maria! Was mußte das für eine Mutter sein, die ihren Kleinen erlaubte, eine Hinrichtung zu beobachten?

Seit die Verurteilten vor einer Stunde aus dem Gebäude von Newgate gezerrt worden waren, erschrak Ondine über die Vielzahl der Schaulustigen, die den Wagen nach St. Sepulchre begleiteten. Neugierig starrten sie die junge Frau, Joseph und einen verängstigten Burschen namens Little Pat an.

»Gleich kommen wir zur Ecke der Endrell und Broad Street«, erklärte Joseph.

»Du meinst dieses Gasthaus?« Würdevoll schüttelte Ondine den Kopf. »Ich werde mich nicht betrinken, nur um diesen Abschaum zu amüsieren.«

Schmerzlich lächelte er ihr zu, und der Anblick zerriß ihr beinahe das Herz. Er selbst hatte genug von diesem Leben gesehen und war bereit für das nächste. Doch dieses arme junge Mädchen ...

Nach der Gefangenschaft in Newgate bestand sie nur mehr aus Haut und Knochen, aber nicht einmal der Staub auf ihren Wangen und die zerrissenen Kleider konnten ihre Schönheit verbergen. Vielleicht lag das an ihrem Wesen, an der stolzen Haltung, am unbeugsamen Glanz ihrer blauen Augen. Sie besaß die Lebenslust eines Frühlingsmorgens, eine natürliche Heiterkeit. Und nicht einmal in ihrer tiefsten Verzweiflung vergaß sie das Leid der Mitmenschen. Im Gefängnis hatte sie ihre verschimmelten Brotkrusten mit jedem geteilt, der ihr noch bedürftiger erschienen war als sie selbst. Wütend schrie sie die Wärter an, plante gemeinsam mit Joseph zu fliehen, beinahe mit Erfolg. Hätte sie sich nicht im letzten Augenblick anders besonnen, um für Little Pat zu sorgen, wäre sie jetzt frei.

Joseph seufzte tief auf. Ganz sicher war Ondine nicht das gewöhnliche Mädchen, als das sie sich ausgegeben hatte, nachdem sie in den Wald gekommen war, um sich einer armen, heimatlosen Schar anzuschließen. Dafür bewegte sie sich zu anmutig und sprach zu melodisch. Trotz ihrer zerlumpten Kleidung benahm sie sich stets wie eine Lady, selbst wenn sie temperamentvoll gegen das Unrecht kämpfte. Alle hatten vertrauensvoll zu ihr aufgeblickt und niemals versucht, das Rätsel zu lösen, das sie umgab. Und heute würde sie ihr Geheimnis in den Tod mitnehmen.

Plötzlich stieg helle Wut in Joseph auf. Sie mußten sterben, nur weil sie zu leben versucht hatten. Letzte Woche Maddie, Old Tom und der verkrüppelte Simkins. Heute er selbst, Ondine und Little Pat. Obwohl sie kein anderes Verbrechen begangen hatten, als ihren Hunger zu stillen.

»Trink das Ale, das man dir geben wird, Mädchen«, mahnte er. »Der Galgenstrick ... Manchmal zieht er sich nicht schnell genug zusammen. Kümmere dich nicht um die Gaffer. Das Ale wird dir helfen.«

Die Prozession – drei Verurteilte im Pferdewagen, der dicke Mönch, der daneben watschelte, zwei Wachtposten, der Henker, das Gesicht in seiner schwarzen Kapuze verborgen, und ein Gerichtsbeamter – hielt plötzlich an. Nun hatten sie das Gasthaus Bowl erreicht, und wie es gebräuchlich war, kam der Wirt heraus, um ihnen Ale anzubieten. Nur zögernd streckte Ondine ihre gefesselten Hände aus, um einen Becher zu ergreifen. Ich fürchte mich nicht, versuchte sie sich einzureden, denn der Allmächtige weiß, daß ich mich nicht gegen ihn versündigt habe. Und deshalb muß ich heitere Gelassenheit zeigen.

Doch sie wurde von kalter Angst erfaßt und war noch immer nicht bereit, ihr Schicksal hinzunehmen. Wie inständig hatte sie sich gewünscht, den Namen ihres Vaters von dem bösen Verdacht reinzuwaschen, heimzukehren und seinen Tod zu rächen, den tückischen Betrug aufzuklären ...

Dazu hatte sie keine Gelegenheit gefunden. Und nun sollte sie mit den beiden Bettlern sterben, den freundlichen Menschen aus dem Wald, in den sie geflohen war. Hoffentlich würde das Ale ihr die Kraft geben, die Leute zu verachten, die dieses Unrecht begangen und sie zum Tod am Galgen verurteilt hatten.

Aber das bittere Ale trieb sie in noch tiefere Verzweiflung. Bei jedem Schluck scheuerte der Strick an ihrem Hals, und die Flüssigkeit, die durch ihre Kehle rann, erwärmte sie nicht und machte ihr auch keinen Mut.

Nachdem das Spektakel vor dem Gasthaus beendet war, rollte der Wagen weiter. Ondine versuchte ihre Ohren vor dem spöttischen Geschrei des Publikums zu verschließen, vor der Männerstimme, die dem Henker zurief, man könne doch viel mehr mit dem Mädchen anfangen, wenn es am Leben bliebe. Bald näherten sie sich dem Galgenbaum von Tyburn, einem dreibeinigen Gerüst, an dem man die Stricke befestigen würde. Die Pferde, mit einem Peitschenhieb aufgeschreckt, würden den Wagen davonziehen, Ondine, Joseph und Little Pat würden an den Holzbalken baumeln.

Lieber Gott vergönne mir ein schnelles Ende, betete sie stumm. Ein heftiges Schwindelgefühl erfaßte sie, als sie die vollbesetzten Tribünen sah. Zwei Shilling mußte man für einen Zuschauerplatz bezahlen. Gequält schloß sie die Augen, spürte die Sonne auf ihrem Gesicht, eine sanfte, feuchte Brise, die Regen versprach. Dann hob sie die Lider und blickte nach oben. Nie wieder würde sie die Sonne sehen.

»Denk an den Vater im Himmel, Mädchen!« flüsterte Joseph. »Er wird dich in Seiner besseren Welt umarmen, denn Er kennt deine Güte.«

Sterben – nein! Bis zum letzten Atemzug würde sie kämpfen, um sich treten, schreien und beißen – und nichts gewinnen, sagte sie sich unglücklich. Es gab keinen Ausweg, also wollte sie sich widerstandslos in ihr Schicksal fügen und der sensationslüsternen Menge kein Schauspiel bieten. Sie versuchte zu nicken, doch sie konnte es nicht, denn bei jeder Bewegung schnürte sich der Strick enger um ihre Kehle.

Nun hielt der Wagen unter dem Galgenbaum. Der dicke Mönch murmelte unverständliche Gebete, der Henker fragte, ob die Verurteilten noch etwas zu sagen hätten.

Da schrie der kleine Pat, flehte um sein Leben, und Ondine biß sich in die Lippen. Dieser Junge, noch keine vierzehn Jahre alt, sollte hängen, weil er einen Baum gefällt hatte, der zufällig im Wald eines Grafen gewachsen war. So nichtig wie ihr eigenes ›Verbrechen‹ ...

Genüßlich verfolgte das Publikum die Ereignisse, und Ondine stand auf. O ja, sie hatte etwas zu sagen. »Findet ihr wirklich Gefallen an der Verzweiflung dieses Kindes?« rief sie mit lauter klarer Stimme, und die Menge verstummte. »Wenn es so ist, dann hoffe ich, ihr werdet das Eintrittsgeld, die zwei Shilling, eines Tages dringend brauchen, um nicht zu verhungern – oder eure leeren Bäuche mit Fischen füllen, die ihr aus dem Bach irgendeines Aristokraten gestohlen habt. Leidet mit diesem Jungen! Oder ihr werdet irgendwann erkennen, daß sein Leid euer eigenes ist ...«

»Hängt sie auf«, schrie ein erboster Mann, und andere stimmten ein. Sie wollten ein Spektakel sehen, keine Predigt hören, die Schuldgefühle in ihrem Herzen wecken mochte.

»Ruhe!« befahl Sir Wilton, der Gerichtsbeamte. Leises Gemurmel folgte seinen Worten, und er schaute sich suchend um.

»Versucht er unsere Qual zu verlängern, Joseph?« wisperte Ondine. »Worauf wartet er denn jetzt noch?«

»Auf Heiratsanträge.«

»Was?«

Der alte Mann zuckte die Achseln. »Das ist so üblich, Mädchen. So wie diese würdelose Prozession und das Ale. Wenn irgendein Mann erklärt, er würde dich heiraten, bist du frei.«

Ondines Blick wanderte über die Menge hinweg. Dort saß keiner, dessen Berührung sie ertragen könnte. Eine gemeine, schmutzige Bande! Und doch schlug ihr Herz schneller, denn plötzlich erkannte sie, wie verzweifelt sie am Leben hing. Alles würde sie tun, um dem Tod zu entrinnen.

»Wie gern würde ich das Mädchen nehmen!« johlte ein fetter, glatzköpfiger Kaufmann. »Aber meine Frau würde uns alle beide erschlagen!«

Das Publikum brach in schallendes Gelächter aus. Was für ein widerlicher Abschaum, dachte Ondine. Andererseits – wenn einer dieser Kerle um ihre Hand bäte, bliebe sie am Leben. Und bevor sie davonliefe, würde sie ihm klarmachen, welch ein elender Schurke er war.

Aber wer würde ein Mädchen wie sie zur Frau nehmen? Die zwei Wochen in Newgate hatten ihren Tribut gefordert. Verfilzt und zerzaust fiel ihr das schmutzige Haar auf die Schultern, voller Strohhalme. Verkrusteter Staub bedeckte ihre eingefallenen Wangen, wie ein formloser Sack hing das zerrissene Kleid an ihrem mageren Körper.

»Nun, kein Mädchen interessiert sich für den alten oder den jungen Burschen«, begann der Beamte, »kein Freier für diese Frau. Also müssen sie hängen ...«

»Wartet, Sir!« Verwirrt beobachtete Ondine einen kleinen Mann, der zum Galgenbaum rannte – ein häßlicher Bursche mit langer Hakennase, aber seine dunklen Augen musterten sie freundlich. Nein, er gehörte nicht zu den lüsternen Gaffern. Er trug die Kleidung eines Kutschers, Jacke und Hose in würdevollem Schwarz, mit blütenweißem Hemd, und er sah aus wie ein Dienstbote in gehobener Stellung.

»Wollt Ihr das Mädchen heiraten?« fragte der Beamte grinsend. »Ein Mann mit so einem Gesicht findet wohl nur am Galgenbaum von Tyburn eine Braut.«

»Laßt mich mit ihr reden!« Der häßliche kleine Mann trat näher zu Ondine. »Seid Ihr eine Mörderin?«

Ondine schüttelte den Kopf und unterdrückte mühsam ihre Tränen. O ja, sie war des Mordes beschuldigt worden, aber nicht hier, nicht jetzt.

»Und warum wurdet Ihr zum Tode verurteilt?«

»Ich habe gewildert.«

Lächelnd fragte er: »Würdet Ihr heiraten, um der Schlinge des Henkers zu entkommen?«

»Ha, ha!« gedämpft drang das Gelächter des Henkers durch die schwarze Kapuze. »Wahrscheinlich würde das Mädchen lieber sterben, als so einen komischen Gnom zu heiraten.«

Mit einem verächtlichen Blick brachte der kleine Mann ihn zum Schweigen.

Ondine zögerte nicht. Von Anfang an hatte ihr Entschluß festgestanden, und sie fühlte sich beinahe schuldig, weil sie ihren gütigen Bräutigam verlassen würde. »Sir, ich würde einen Drachen oder eine Kröte heiraten, so teuer ist mir das Leben. Und Ihr verdient meinen innigsten Dank, denn Ihr seid ein barmherziger Mensch, anders als all die niederträchtigen Kerle ringsum, die sich für Ehrenmänner halten.«

»Eine Kröte werdet Ihr nicht kriegen«, entgegnete er und kicherte. »Aber vielleicht einen Drachen. Mich sollt Ihr nicht heiraten, Mädchen.«

»Moment mal!« protestierte der Beamte. »Für einen anderen dürft Ihr sie nicht vor dem Galgen retten. Das ist verbaten. Entweder heiratet Ihr sie hier und jetzt, oder sie muß hängen ...«

»Halt! Ich werde Euch zwingen, dem Gesetz zu gehorchen!« Die tiefe, gebieterische Stimme erklang im Hintergrund der Menge, die dem Sprecher verwundert Platz machte. Beim Anblick des hochgewachsenen Mannes stockte Ondines Atem. Er trug eine enge Hose, ein elegantes weißes Rüschenhemd unter einem maßgeschneiderten Jackett, das seine breiten Schultern betonte. Dunkles, glattes Haar umrahmte ein Gesicht mit attraktiven, aber kalten und harten Zügen.

Wie seine Haltung deutlich verriet, stammte er aus einer aristokratischen Familie. Er nickte dem kleinen Mann zu, der in seinen Diensten zu stehen schien, und erklärte: »Ich bin es, der dieses Mädchen heiraten will.« Ohne die Antwort des Beamten abzuwarten, wandte er sich zu Ondine. »Was habt Ihr verbrochen?«

Sie zögerte nur kurz. »Ich habe einen Hirsch erlegt.«

Ungläubig runzelte er die Stirn. »Und deshalb sollt Ihr hängen?«

»Allerdings, Mylord, und das dürfte Euch nicht überraschen. Dieses Tier gehörte einem gewissen Lord Lovett, zumindest rannte es auf seinem Grund und Boden umher. Euresgleichen, Sir, hat mich in diese Lage gebracht.« Und meinesgleichen, erinnerte sie sich voller Bitterkeit.

Er hob die kastanienbraunen Augen, und sie fragte sich, warum sie ihn beleidigt hatte. Aber warum nicht? Der häßliche, kleine Diener würde sie vielleicht heiraten, aber nicht dieser Lord, der sich nur einen makabren Scherz mit ihr erlaubte. Doch er schien sich nicht gekränkt zu fühlen. Aufmerksam musterte er sie von Kopf bis Fuß. »Ihr wißt Euch sehr gewählt auszudrücken.«

Da er auf eine Erklärung wartete, erfand sie hastig eine Lüge: »Mein Vater war ein Poet, und ich begleitete ihn zu vielen königlichen Höfen.«

Er nickte ihr zu, dann befahl er dem Beamten: »Laßt sie frei, damit ich sie heiraten kann.«

»Was?« Erschrocken schnappte Sir Wilton nach Luft. »Mylord! Dieses Mädchen ist eine gemeine Diebin. Ein hübsches Ding, das gebe ich zu, aber ...«

»Sir, wenn ich mich nicht irre, so bestimmt das Gesetz, daß ihr der Galgentod erspart bleibt, wenn sie einen Bräutigam findet. Hier stehe ich, und ich will sie heiraten. Nehmt ihr endlich den Strick und die Fesseln ab!«

Entgeistert starrte Ondine den großen Fremden an. Das konnte er doch nicht ernst meinen. Nein, es war ein grausamer Scherz. »Bitte, quält mich nicht noch länger ...«, flehte sie.

Mit einem ungeduldigen Fluch unterbrach er sie, sprang auf den Wagen und zog ihr die Schlinge über den Kopf, dann löste er die Fesseln. »Mönch!« rief er, hob sie hoch und sprang mit ihr auf den Boden. »Seid Ihr ein Mann Gottes oder nicht? Gewiß könnt Ihr eine kurze Trauungszeremonie vornehmen.«

»Mylord ...«, begann der Beamte noch einmal.

»Kümmert Euch um den Papierkram, Sir!« fiel der Aristokrat ihm ins Wort.

»Und wer ...«

»Ich bin Warwick Chatham und nicht ohne Einfluß. Nur ungern würde ich dem König erzählen, was für begriffsstutzige Beamte ihm dienen.«

Mehr brauchte er nicht zu sagen. Beinahe stolperte Sir Wilton über seine eigenen Beine, um zu beweisen, wie tüchtig er war.

Der dicke Mönch fing an, seinen vorgeschriebenen Text zu murmeln, und der Fremde ergriff Ondines Hand.

Das muß am Ale liegen, dachte sie. Nur das Ale hat mich in diesen seltsamen Traum geführt, der mir den Tod erleichtert ... Aber es war kein Traum – der rauhe Strick rieb nicht mehr an ihrem zarten Hals, keine Fesseln umschlossen ihre Handgelenke.

»Sprecht Euer Gelübde!« befahl der Fremde. »Oder wollt Ihr hängen?«

Nur mühsam kamen die Worte über ihre Lippen.

»Ist die Zeremonie jetzt beendet?«

»Ja, Mylord, Ihr seid rechtmäßig verheiratet.«

»Gut.« Der Fremde drückte eine Münze in die Hand des Mönchs, ein Pergament wurde ihm vorgelegt, und er leistete seine Unterschrift. Dann wandte er sich zu Ondine. »Euer Name! Wenn Ihr nicht schreiben könnt, macht einfach ein Kreuz.«

Dieser würdelose Vorschlag empörte sie, und sie nahm den Federkiel in die Hand. Da ihre Finger heftig zitterten, konnte sie ihren Namen nur unleserlich schreiben. Gut so, überlegte sie. Sonst würde man ihn womöglich erkennen.

Der Mönch blies die Backen auf und pustete die Tinte an, damit sie trocknete. Dann rollte er das Dokument zusammen und verschnürte es. Warwick riß es ihm aus der Hand, eilte davon und zerrte Ondine hinter sich her. Doch sie wehrte sich und warf einen Blick über ihre Schulter.

Tränen brannten in ihren Augen. »Joseph!«

»Geh nur weiter, Mädchen!« rief er und lächelte ihr liebevoll zu. »Und ich wünsche dir alles Gute! Unser Herr Jesus vollbringt doch noch Wunder!«

Eine Peitsche knallte, wiehernd sprangen die Pferde vor, und Ondine schrie auf, als sie hörte, wie die Wagenräder rollten und wie sich die Galgenstricke strafften.

»Schaut nicht hin!« Trotz des Gestanks, der Ondines zerfetztem Kleid anhaftete, schlang er einen Arm um ihre Taille und zog sie mit sich.

Sie hätte ohnehin nichts gesehen, denn heiße Tränen verschleierten ihren Blick.

Nach wenigen Schritten sank sie gegen irgend etwas Hartes und Kaltes. Sie blinzelte und starrte eine elegante Kutsche an, mit einem kunstvoll gemalten Wappen am Wagenschlag. Dicht neben ihr stand der kleine, häßliche Mann. »Alles erledigt, Mylord?«

»Ja«, bestätigte Warwick Chatham.

»Und was machen wir jetzt mit ihr, Sir?«

»Hm ...« Warwick inspizierte sie wieder, und das Blut stieg ihr in die Wangen. »Nun, sie sieht nicht gerade präsentabel aus, was Jake? Und sie stinkt.«

Helle Wut verdrängte Ondines Scham. Was für ein arroganter Mann. Glaubte er vielleicht, man würde nach Rosen duften, wenn man zwei Wochen in Newgate verbracht hatte? Eine einzige Nacht in diesem feuchtkalten Dunkel würde seinen Stolz brechen, das verseuchte Trinkwasser alle Kraft aus seinen Gliedern saugen.

Wenigstens würde es ihr nicht schwerfallen, den verhaßten Mann zu verlassen, der ihr Leben gerettet hatte. Aber zu ihrer Verblüffung rümpfte er seine aristokratische Nase nicht. Statt dessen lachte er. Offenbar wußte er, wie verletzt sie sich fühlte.

»Mylord«, fauchte sie, »natürlich schulde ich Euch ewige Dankbarkeit. Aber Ihr solltet nicht über mich reden, als wäre ich gar nicht vorhanden oder meiner Muttersprache nicht mächtig.«

»Verzeiht mir, Madam. Ich wollte nur auf Euren elenden Zustand hinweisen, den wir beheben müssen.«

Rasch senkte sie den Blick. Was er gesagt hatte, ließ sich nicht bestreiten. »Tut mir leid.«

»Ihr müßt Euch nicht entschuldigen. Wenn man eine Braut vom Galgenbaum holt, darf man nicht erwarten, daß sie fein herausgeputzt ist. Und was Euren Schmutz betrifft – dieses kleine Problem werden wir mühelos lösen.. Kannst du uns einen Rat geben, Jake?«

Der kleine Mann kratzte sich am bärtigen Kinn. »Am besten fahren wir zum Swallow's Ford.«

»Eine gute Idee!« Warwick Chatham hob Ondine wieder hoch und setzte sie auf die Samtbank seines Wagens. »Habt Ihr's bequem?«

»Ja, danke, Sir. Und nehmt mir nicht übel, daß mein Temperament mit mir durchgegangen ist. Ich bin Euch wirklich von Herzen dankbar, und Ihr braucht Euch nicht mehr für mich verantwortlich zu fühlen. Laßt mich doch einfach gehen. Ich habe Freunde in London ...«

»Das kommt nicht in Frage, Madam. Soeben habt Ihr gelobt, mich zu lieben und zu ehren, bis der Tod uns scheidet.«

Fassungslos starrte sie ihn an, als er neben ihr Platz nahm. »Ihr nehmt diese Hochzeit ernst?«

»Selbstverständlich.«

»Und warum?«

»Weil ich eine Frau brauche.« Er schloß die Tür und rief Jake zu: »Zum Swallow's Ford!«

2

Bald verstand Ondine, warum die beiden Männer das Swallow's Ford gewählt hatten. Die hübsche, vollbusige Wirtin der kleinen Taverne war Chatham sichtlich zugetan und bereit, das Geheimnis zu hüten. Keiner Menschenseele würde sie verraten, wo er seine Braut gefunden hatte.

Jake führte Ondine durch die Hintertür ins Haus und brachte sie zu Meg. Im Hof hatte sie zu ihrer Freude einen Stall entdeckt. Dort würde sie ein Pferd finden, das sie dringend brauchte, wenn sie die Flucht ergriff. Aber würde sie Chatham entkommen? Er hatte erklärt, er brauche eine Frau.

Und was wollte er mit ihr anfangen? Diese Frage stimmte sie unbehaglich. Er war so groß und stark – und von edler Herkunft. ›Gräfin‹, hatte Jake sie genannt und ihr mitgeteilt, ihr Gemahl sei der Graf von North Lambria.

Gewiß hätte Chatham ihren Namen auf der Heiratsurkunde erkannt, wäre ihre Unterschrift leserlich gewesen. Aber vielleicht wußte er nichts von ihr, denn North Lambria lag glücklicherweise weit von ihrer eigenen Heimat entfernt.

Megs Taverne war einfach, aber sauber. Die Einrichtung des Zimmers, in das Ondine geführt wurde, beschränkte sich auf ein Bett, einen Waschtisch und einen Wandschirm. Durch das offene Fenster wehte eine sommerliche Brise herein, und die Bettwäsche duftete angenehm.

»Geht hinter den Wandschirm, Mylady, und zieht diese Lumpen aus«, bat Meg. »Es ist wohl am besten, wenn ich sie verbrenne. Gleich lasse ich Euch eine Badewanne und warmes Wasser bringen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte sie zur Tür hinaus.

Nervös schlüpfte Ondine aus ihrem zerrissenen, stinkenden Kleid und aus dem schmutzigen Hemd. Während sie nackt hinter dem Paravent stand, dachte sie wieder an den Mann, der sie geheiratet hatte, der sie erschreckte und zugleich faszinierte. Fröstelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust. Wie leicht konnte sich eine Frau nach dem tiefen Klang seiner Stimme und der Berührung seiner kraftvollen Hände sehnen!

Aber würde ihm eine Frau jemals mehr bedeuten als ein Zwischenspiel, ein kurzer, amüsanter Zeitvertreib? Vermutlich nicht, wenn das Eis in seinen Augen auch sein Herz erfüllte ...

Ondine hörte Megs Stimme vor der Tür und zuckte zusammen.

»Beeilt euch, Jungs! Stellt die Wanne in die Mitte des Zimmers und schüttet das Wasser hinein.«

Polternde Schritte erklangen, dann plätscherte es, und die Tür fiel ins Schloß.

»Jetzt könnt Ihr hervorkommen, Mylady!« rief die Wirtin. »Ich bin allein. Setzt Euch in die Wanne, bevor das Wasser kalt wird!«

Aber es widerstrebte Ondine, nackt vor die freundliche Frau zu treten. Sie war furchtbar dünn, und sie fühlte sich so verletzlich. .

»Eigentlich wäre ich lieber allein.«

Meg lachte leise. »Vor mir braucht Ihr Euch nicht zu schämen. Ich würde gern Euer verfilztes Haar waschen und das Ungeziefer entfernen. So gründlich wie ich könnt Ihr's selber gar nicht machen.«

Das überzeugte Ondine. Sie rannte hinter dem Wandschirm hervor und stieg in die Wanne. Leise schrie sie auf, als sie im dampfenden Wasser versank.

»So heiß muß es sein«, meinte Meg mitleidig, »sonst werdet Ihr nicht richtig sauber. Da, nehmt den Lappen und die Seife.«

»Vielen Dank, Mrs. Meg, Ihr seid sehr freundlich.«

Während Ondine ihren Körper schrubbte, goß ihr die Wirtin einen Eimer Wasser über das Haar. Die Finger, die Ondines Kopfhaut massierten, fühlten sich wundervoll an. »So, und jetzt taucht unter, Kindchen.«

Prustend richtete sich Ondine wieder auf, und Meg kicherte. »Jetzt sieht man erst, wie hübsch Ihr seid, Mylady. Viel zu mager, aber Ihr habt schöne, runde Brüste. An den Hüften und Rippen müßtet Ihr allerdings ein bißchen Fett ansetzen.«

Ondine errötete, aber sie konnte ihrer gutmütigen Wohltäterin diese freimütigen Worte nicht übelnehmen. Lächelnd lehnte sie ihren Kopf an den Wannenrand, senkte die Lider und genoß das Gefühl, endlich wieder sauber zu sein.

»Nun, Meg, wie kommt Ihr zurecht?«

Diese tiefe, ironische Stimme kannte sie nur zu gut. Erschrocken riß sie die Augen auf und sah, wie Warwick Chatham die Tür hinter sich schloß und ein Bündel auf den Boden legte. Zu verwirrt, um zu protestieren, zog sie ihre Knie an die Brust und schlang die Arme darum. Sie hätte auch gar nicht sprechen können. Heißer Zorn schnürte ihr die Kehle zu. Vielleicht hielt er sich für ihren Ehemann, aber er war nur ein dreister Fremder, der sie maßlos ärgerte und ihre Privatsphäre verletzte.

»Ah, Mylord!« Entzückt klatschte Meg in die Hände. »Jetzt seht Ihr, wie hübsch Eure Frau ist.«

Er legte einen Finger unter Ondines Kinn und hob ihr Gesicht hoch.

»Nun, genüge ich Euren Ansprüchen?« fauchte sie.

Statt zu antworten, drehte er ihren Kopf hin und her, um sie von allen Seiten zu betrachten. Wütend biß sie die Zähne zusammen. Wahrscheinlich mußte sie sogar dankbar sein, daß er ihren Körper nicht zu sehen verlangte. Trotzdem fühlte sie sich hilflos ausgeliefert, denn sein kalter Blick schien bis in die Tiefen ihrer Seele vorzudringen.

Endlich ließ er ihr Kinn los und wandte sich zu Meg. »Ich habe ihr was zum Anziehen gebracht. Da ich nur selten Frauenkleider kaufe, wird sicher einiges fehlen.«

»Alles ist besser als die Lumpen, die Eure Gemahlin getragen hat, Sir. Wollt Ihr unten im Lokal speisen oder hier oben?«

»Unten«, erwiderte er und verneigte sich spöttisch vor Ondine. »Bis später, Mylady.« Ohne ihr einen weiteren Blick zu gönnen, verließ er das Zimmer.

»Oh, ich hasse ihn!« rief sie.

»Beruhigt Euch, Mylady«, entgegnete Meg. »Es ist ganz natürlich, wenn eine junge Frau ihren Gemahl haßt und fürchtet, während die Hochzeitsnacht näher rückt. Aber Eure Angst ist unbegründet. Sicher, der Graf mag hartherzig und kühl wirken. Trotzdem ist er ein wunderbarer Mann.«

Ondine ließ sich aus der Wanne helfen und in ein Badetuch hüllen, dann setzte sie sich aufs Bett. »Kennt Ihr ihn sehr gut?«

»Nun, er kommt oft in meine Taverne. Und er zählt zu den Favoriten des Königs. Ein hochangesehener Lord, auf den Ihr stolz sein könnt! Sicher wird er Euch glücklich machen. Er muß Euch sehr lieben. Warum wäre er sonst Euer Gatte geworden? Unter den reichsten Erbinnen dieses Landes hätte er seine Wahl treffen können.«

Krampfhaft schluckte Ondine. Liebe? Ist Meg denn blind, fragte sie sich. Ich interessiere ihn nicht im mindesten.

»So, und jetzt wollen wir sehen, was er Euch mitgebracht hat.« Meg griff nach einem Bündel, das neben der Tür lag, und packte ein Seidenhemd, einen gerüschten Spitzenunterrock und ein taubenblaues Samtkleid aus. »Oh, wie himmlisch! Und da sind auch noch prächtige Schuhe.« Eifrig half sie Ondine, sich anzukleiden. »Ah, jetzt verstehe ich, warum Ihr Lord Chathams Herz erobert habt, Mylady. Nun müssen wir nur noch Euer herrliches Haar bürsten, bis es glänzt, und hochstecken. Dann wird Euer Gemahl heute abend eine wunderschöne Braut umarmen.«

Unwillkürlich lächelte Ondine über Megs Entzücken, aber während sie auf dem Bett saß und sich kämmen ließ, preßte sie die Lippen zusammen. Die Hochzeitsnacht durfte nicht stattfinden. Eines Tages würde sie Mittel und Wege finden, um Warwick Chatham für seine Großzügigkeit zu belohnen. Immerhin verdankte sie ihm ihr Leben.

»Welch schönes kupferrotes Haar Ihr habt, meine Liebe!« rief Meg bewundernd. »Kommt mit mir! Jetzt seid Ihr bereit, Eurem Mann gegenüberzutreten.«

Aber Ondine war keineswegs bereit. Verzweifelt schlang sie die zitternden Finger ineinander und fragte sich, warum sie sich so sehr vor ihm fürchtete. Sie wollte seinen Blick nicht erwidern, nicht die seltsame Hitze spüren, die durch ihre Adern strömte, wann immer er sie berührte.

»Und es gibt ein köstliches Hochzeitsmahl!« verkündete Meg fröhlich. »Einen saftigen Rindsbraten in Sahnesauce mit Kartoffeln und Möhren ...«

Das Wasser lief Ondine im Mund zusammen. »Ja, ich bin – bereit«, stammelte sie.

Die Wirtin führte sie die Treppe hinab, vorbei an der Schankstube, aus der grölende Männerstimmen und das leise Gelächter einer Frau drangen. Dann betraten sie einen Privatraum, wo Warwick ungeduldig umherwanderte.