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Es heißt, dass wir in unseren Träumen Erlebnisse des Tages verarbeiten. Was wäre aber nun, wenn es uns möglich wäre in den Träumen in andere Welten einzudringen? Dort Abenteuer erleben könnten und unsere Seelen fliegen lassen? Was würdest du erleben wollen? Wen würdest du treffen? Wo würdest du sein? Verändern wir unsere Träume, oder verändern unsere Träume unsere Realität? Ich verrate euch ein kleines Geheimnis: Eure Träume sind real! Willkommen in der Welt vom Project 1o1! Begleite in den Lichtströmungen des Glühwürmchens die Freundinnen Sœlve und Lilly durch ihre Welt der Träume.
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Seitenzahl: 209
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Für ein wundervolles Glühwürmchen, ohne das diese Welt niemals entstanden wäre.
Für eine Blume, deren Schönheit niemals verblassen wird.
Für eine Freundschaft, die das Leben verändert.
Für eine Liebe, die alles übersteht.
Für Dich! Mein kleiner Stern!
Murawa
Borderless Minds
Haciento Urbem
Die Geschichte vom Project Limbo
Sangius Nubes
Saltus Rationes
Shira Yuri
Ascendens super fluctus
Mysterium vitreasque
Suma
Glühendes Herz
Glossar
Sœlve döste ein wenig vor sich hin und versank wieder in einem Traum, den sie vor langer Zeit das erste Mal geträumt hatte. In letzter Zeit war dieser Traum aber immer wiedergekehrt, ohne dass sie ihn auch nur ein einziges Mal zu Ende geträumt hatte.
Sie befand sich auf einem kleinen Ausflugsschiff und redete mit einem Mädchen, das sich an ihren Arm angekuschelt hatte. Gemächlich glitt das Schiff über einen Fluss auf dessen beiden Seiten die Baumwipfel weit über den Fluss hingen und einen Eindruck entstehen ließen als ob man sich im tiefsten Dschungel befinden würde.
Nach einiger Zeit lichtete sich das Ufer und vereinzelt säumten kleine Häuser die Ufer. Diese Häuser hatten alle rosa leuchtende Fenster, die ein sanftes Licht auf das Wasser warfen. Während sie weiter dem Flusslauf folgten, wuchsen die kleinen Hütten langsam zu größeren Gebäuden an. In der Ferne konnte man auf einem Berg etwas entdecken, das an einen gigantischen Tempel erinnerte, der direkt aus der Zeit der Mayas hätte stammen können.
In dem Moment setze ein Trommeln, welches vom Tempel zu kommen schien, ein und wurde immer lauter.
Schlagartig schreckte sie aus ihren Tagtraum hervor und begriff, dass das Trommeln das Klopfen an ihrer Tür gewesen war.
Sie ärgerte sich ein wenig, dass sie immer durch irgendetwas aus dem Schlaf gerissen wurde, wenn sie in dem Traum an dieser Stelle angekommen war.
Leicht grummelig und immer noch verschlafen kam nur ein langgezogenes „Häääh?“ aus ihrem Mund hervor.
„Na komm! Lass mich endlich rein! Warum hast du überhaupt abgeschlossen?“, tönte Mias Stimme etwas genervt durch die Tür. Schlagartig wusste sie wieder wo sie war. Sie waren auf einer Studienfahrt, um an der Küste das letzte Schuljahr ausklingen zu lassen. Der Traum war schon wieder fast am Verblassen als sie sich erhob und sich zur Tür schleifte. Dass sie geschlafen hatte spürte sie nicht. Für Erholung war der Schlaf wohl zu kurz gewesen. Sie öffnete die Tür und Mia schaute sie gespielt böse an. Ihre türkisen Haare umspielten ihr Gesicht, wie immer als ob sich um sie herum der Ozean befinden würde.
„Magst mich nicht mehr, wa?“
„Doch! Doch!“, erwiderte sie nur kurz angebunden, ging zurück zu ihrem Bett und ließ sich einfach drauf fallen. Mia ließ es sich nicht nehmen und warf sich direkt daneben und fing an Sœlve ein wenig den Kopf zu kraulen.
Diese genoss es sehr und kuschelte sich etwas näher an ihre beste Freundin an. Langsam glitt sie wieder in einen leichten Schlaf ab bis Mia sie irgendwann zärtlich weckte. „So Mäuschen, wir müssen dann mal langsam aufstehen. Gibt gleich Abendessen und du weißt ganz genau was wieder passiert, wenn wir da nicht auftauchen.“
Als sie im Essraum ankamen, waren sie selbstverständlich wie immer die Letzten. Es waren auch schon alle Tische besetzt. Nur am Tisch von Lilly waren noch zwei Plätze frei. Sœlve hatte insgeheim darauf gehofft, dass sie in Lillys Nähe sitzen konnten. Lilly und ihre Freundin Steffi waren erst vor wenigen Wochen zu ihnen in die Klasse gekommen.
Schon vom ersten Moment an war Sœlve von Lilly vollkommen fasziniert. Sie war ein sehr zierliches Mädchen mit langen lilanen Haaren, die ihr bis zur Hüfte reichten, und hatte eine Ausstrahlung, die Sœlve an etwas erinnerte und sie wie magisch anzog. Sie hatte nur absolut keine Ahnung woher dieses Gefühl kommen könnte. Es war fast ein wenig so als würden sie sich schon ewig kennen.
Aber immer wenn sie sich mit ihr in Ruhe unterhalten wollte, kam wie aus dem Nichts diese nervige Steffi hervor geschossen. Mehr als nur einmal wurde sie von ihr ermahnt sich von Lilly fernzuhalten. Aber da Sœlve ein kleiner Dickschädel war, interessierte sie Steffis Gerede nicht im Geringsten. Diese trug obendrein recht elegante Kleidung, die ihr eine etwas eitle Ausstrahlung verpasste.
Wie es zu erwarten war, saß Steffi neben Lilly am Tisch, was Sœlve jedoch nicht kümmerte.
„Hier ist noch frei, oder?“, fragte Sœlve mit einem leicht schelmischen Lächeln und setzte sich den beiden gegenüber an den Tisch ohne auch nur eine Antwort abzuwarten. Mia folgte ihr wenige Momente später.
Prompt kam von Steffi ein absolut giftiger Blick zur Begrüßung zurück. Da Lilly aber leicht lächelte, sehr zum Unmut von dieser Schreckschraube, wusste sie, dass sie das Richtige gemacht hatte. Das Essen schmeckte wenig überraschend einfach nur pappig und sie ließen lieber über die Hälfte liegen, um sich nicht spontan übergeben zu müssen. Sie fragte sich nicht zum ersten Mal weshalb es denn in Jugendherbergen nicht einfach mal was Ordentliches zu Essen geben könne.
Nachdem alle vom Essen "gestärkt" waren, sollte es zu einem Ausflug gehen.
Ihr Ziel war eine Brücke, die angeblich bereits seit Jahrhunderten immer im Nebel liegen sollte. Das klang an sich schon interessant. Doch noch interessanter war es, dass an den Wänden der Schlucht sehr scheue Vögel lebten, die sich am liebsten im Nebel versteckt hielten bis es dunkel wurde. Am Tag wirkten sie so, als wären sie nur schwarze Raben, aber in der Dunkelheit, wenn das Mondlicht auf sie fiel, begann ihr Gefieder in einem schönen Blau zu leuchten und einzigartige Muster auf jedem einzelnen Vogel zu offenbaren. Bekannt waren sie unter irgendeinem lateinischen Namen, doch konnte sich Sœlve nur an die Übersetzung “Mondflügel“ erinnern.
Alle stürmten in den Bus und nach einer guten Stunde durch Wälder und die Wallapampa fuhren sie an einer Schlucht entlang. Sœlve und Mia schauten gespannt durch das Fenster, um möglichst viel von dieser Landschaft sehen zu können. Es passte nicht so ganz zu der Landschaft, die sie sonst umgab. Die Schlucht wirkte wie eine Art Dschungel und Mia konnte sich den Kommentar, dass sie nur noch darauf wartete, dass ein Äffchen aus dem Gebüsch heraus hüpfen würde, nicht verkneifen.
Während sie weiter fuhren, wurde die Schlucht immer grauer. Als der Bus endlich nahe der Schlucht auf einem großen Sandplatz hielt, fing es auch an langsam zu dämmern. Ihr Lehrer griff zum Mikrofon des Busses und sagte ihnen, dass sie fast am Ziel angekommen wären und von hier aus noch ein kleines Stück zu Fuß laufen müssten. Ab dem Parkplatz sei es nicht mehr erlaubt mit Fahrzeugen weiterzufahren, da der Rest der Strecke sich in einem Tierschutzgebiet befinden würde.
Sie verließen den Bus und raus ging es in die Wildnis. Am Rande des Platzes sorgte ein Zaun dafür, dass niemand zu nah an die Schlucht gehen konnte. Die andere Seite der Schlucht war aber noch gut zu erkennen, auch wenn die Schlucht selbst schon mit Nebel gefüllt war. Ein Boden war nicht zu erkennen.
Eine ältere Dame stand am Wegrand und wartete darauf, sie durch den Nebel zu führen. So folgten sie dem Pfad in den leichten Nebel hinein. Während sie nun diesem Pfad folgten, wurde es nach und nach immer schwerer etwas zu erkennen.
An den Seiten des Pfades standen Lampen aneinandergereiht, die in der Nacht den Pfad in ein angenehmes Orange tauchten. Leise Geräusche von Tieren erklangen in der Nähe.
Aber während sie weiter in den Nebel eindrangen, begann Sœlve zu glauben, dass sie ein leises Flüstern hören würde. Es war aber viel zu leise um etwas zu verstehen.
Sie fragte Mia, ob sie was gehört hätte aber die schaute sie nur leicht verwirrt an. Sollte es nur der Wind gewesen sein? Sie spürte aber außer der kühlen Feuchtigkeit des Nebels nicht einmal den Hauch eines Lüftchens. Und außer den Geräuschen der Tiere und dem Gemurmel ihrer Mitschüler war auch nichts zu hören was im Entferntesten an das von vorhin erinnerte. Sie musste es sich wohl eingebildet haben. Doch nach einigen Schritten konnte sie wieder diese Stimme vernehmen, die definitiv irgendwelche Worte sprach, die aber in einer Sprache waren, die sie nicht verstand.
Langsam näherten sie sich der Brücke und die Führerin erzählte etwas über die Mondflügel. Da beinahe Vollmond war bestand eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit diese beim Spielen in den ersten Mondstrahlen beobachten zu können.
Während sie dies sagte, konnte man am Horizont den Mond aufsteigen sehen. Sie waren nun an der Brücke angekommen und unter ihnen zeigte sich ein Schauspiel, dass sie sich nie erträumt hätten. Unter der Brücke leuchteten unzählige blaue Lichter auf, die spielerisch umeinander tanzten. Der Gesang der Vögel war wunderschön und die Stimmung war idyllisch bis ein lauter Schrei von Lilly diese zerriss. Alle drehten sich abrupt zu ihr um, während sie auf dem Boden lag und sich die Hände schützend auf ihre Ohren drückte. Keiner wusste was passiert war.
Sœlve rannte zu ihr um zu sehen was mit ihr los war. Bei ihr angekommen hörte sie nur ein schwaches: „Bring mich bitte schnell von hier weg!“
Im selben Moment hörte sie wieder diese Stimme, die sie nicht verstand. Diesmal versuchte sie diese vollkommen zu ignorieren und versuchte Lilly aufzuhelfen. Diese hielt sich an ihrem Arm fest und wäre fast wieder umgefallen, wenn sie sich nicht auch an Sœlves anderen Arm festgekrallt hätte.
Steffi fing an zu brüllen, dass die beiden sich sofort voneinander lösen sollten, aber Mia gab ihr kurzerhand eine Ohrfeige, damit sie sich endlich wieder beruhigte.
Lilly bekam davon zum Glück nichts mit und gemeinsam gingen sie den Pfad zum Bus zurück. Zitternd drückte sie sich den ganzen Weg lang fest an Sœlve. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten die beiden den Bus und der Fahrer ließ sie einsteigen. Erschöpft ließen sie sich auf die letzte Bank fallen und fielen in einen kurzen Schlaf. Beide merkten nicht wie die anderen wieder in den Bus kamen und sich dieser wieder auf den Weg in Richtung der Jugendherberge machte.
Nach einiger Zeit kamen sie dann endlich an und Mia weckte Sœlve vorsichtig auf. Lilly war schon vorher von Steffi hinausgebracht worden. Nach wie vor wusste keiner was an der Brücke wirklich passiert war. Da Sœlve immer noch sehr erschöpft war, ging sie mit Mia auf ihr Zimmer, wo sie sich sofort auf ihr Bett flätzte. Mia hingegen machte es sich in einem Sessel gemütlich und fing an in einem Buch zu lesen. Reden wollte keine von ihnen in dem Moment.
Nachdem einige Zeit verstrichen war, klopfte es leise an der Tür. Mia öffnete die Tür und sah verdutzt Lilly an, die leicht unsicher vor der Tür stand. „Darf ich hereinkommen?“, fragte sie mit dünner Stimme. „Ähmmm ja... klar“, kam es nur von Mia zurück. Vorsichtig betrat sie den Raum und setzte sich zu Sœlve aufs Bett. Noch bevor sie irgendetwas sagen konnte, fing sie schon an zu weinen und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Die beiden Mädchen waren überrascht und wussten nicht wirklich was sie tun konnten. So nahmen sie Lilly in ihre Arme, die daraufhin nur noch schlimmer weinte als zuvor. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigte sie sich ein wenig. Bis die letzte Träne geflossen war, waren aber noch viele liebe Worte von Mia und Sœlve nötig. Sie fragtenauch immer wieder was denn mit ihr sei, aber Lilly wollte auf keinen Fall sagen was los war.
Nachdem aber auch die letzte Träne mit einem Taschentuch weggewischt war, kuschelten sie sich einfach aneinander und fingen an sich gegenseitig zu kraulen, bis sie irgendwann alle langsam einschliefen.
Mitten in der Nacht wurde Mia wach und krabbelte in ihr eigenes Bett um etwas mehr Platz zu haben. Dabei wachten Lilly und Sœlve auf und kuschelten sich näher aneinander. Bevor Lilly wieder einschlief, murmelte sie noch etwas in einem leisen unverständlichen Ton.
Als am nächsten Morgen der Wecker Mia und Sœlve aus den Träumen riss, war Lilly bereits verschwunden. Sie machten sich zwar ein wenig Sorgen, aber um einigermaßen fit für den Tag zu sein, gingen sie erst einmal Duschen. Für den letzten Tag der Klassenfahrt war eine Bootsfahrt geplant, an deren Ende ein Himmelsspektakel stattfinden sollte, das sogar die Nordlichter in den Schatten stellen sollte.
Nur alle 10 Jahre standen die Sterne in einer Konstellation, die den Anschein gab, als ob man mit dem bloßen Auge einen Blick in andere Galaxien werfen konnte.
Im Essensraum saß Lilly wieder neben Steffi, aber sie sah vollkommen anders aus. Ihre Haare waren auf einmal auf Kinnlänge abgeschnitten. Sie hatte wohl in dem Moment nicht so viel Acht darauf gegeben, wie es aussehen würde. Steffi hingegen sah wütend aus und der Ursprung ihrer Wut schien bei Lilly zu liegen. Die ganze Zeit redete Steffi auf sie ein und wirkte als würde sie gleich platzen.
Sœlve versuchte einen Moment lang Lillys Aufmerksamkeit zu erregen, indem sie ihr zuwinkte, aber Lilly sah nicht einmal auf. Sie sah noch viel trauriger als am Abend zuvor aus.
Den ganzen Tag hielt sich Lilly von Sœlve fern und Steffi klebte die ganze Zeit wie ein Schatten an ihr, so dass sie keine Chance hatte sie irgendwie abzupassen. Sie versuchte es zwar einige Male, aber jedes einzelne Mal tauchte Steffi auf und fing beinahe an sie anzubrüllen während sie verscheucht wurde.
So verging der Tag schleppend langsam während sich Sœlve Gedanken und Sorgen machte.
Nach dem Abendessen sollten sich alle in festlicher Kleidung treffen und gemeinsam einen kleinen Spaziergang zum Fluss machen, um dort mit dem Schiff zu dem Ziel zu gelangen. Sœlves Laune war inzwischen so richtig im Keller und sie hatte absolut keine Lust mehr mitzugehen. Erst nachdem Mia lange auf sie eingeredet hatte, machte sie sich dann doch fertig.
Im Aufenthaltsraum der Jugendherberge herrschte schon eine große Aufregung und es wurde laut darüber diskutiert wer denn das tollste Kleid trug oder wer die tollsten Haare hatte.
Einige Minuten später betrat auch Lilly den Raum und Sœlve wurde ganz still. Sie trug einen schicken Minirock mit einer Bluse und darüber einen Blazer. Von Steffi war diesmal weit und breit nichts zu sehen.
Es war Zeit zum Losgehen und Lilly kam auf Sœlve zu und hakte sich in ihrem Arm ein. Sie sah weiterhin sehr traurig aus und sprach nicht ein Wort.
Der Weg zu dem Schiff war wirklich sehr schön. Nach einigen Metern veränderte er sich zu einem festen Lehmpfad, der an den Seiten von hohen Gras gesäumt war. Da die Dämmerung schon einsetzte sahen sie im Vorbeigehen überall kleine Glühwürmchen aufsteigen. Das grüne Leuchten war wunderschön anzusehen.
So erreichten sie, begleitet von den Glühwürmchen, das Schiff und machten es sich an Bord bequem nachdem ein Entertainer jeden Einzelnen begrüßte und ihnen eine angenehme Fahrt wünschte. Als sie ablegten, kuschelte sich Lilly ganz nah an Sœlve, die ihren Arm um sie legte.
Während der Fahrt redete der Entertainer ununterbrochen in sein Mikrofon um ihnen alles Mögliche zu erklären. Es hörte ihm jedoch eh niemand zu.
Nach und nach beschlich Sœlve allerdings das Gefühl ein Déjà-vus von dem Traum zu haben, den sie in der Vergangenheit immer wieder gehabt hatte. Doch wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, da Lilly in ihrem Arm wieder zu schluchzen begann.
Endlich begann Lilly zu sprechen und flüsterte ihr leise ins Ohr: „Ich hab dich lieb!“ Sœlve war einen Moment lang sprachlos, antwortete aber dann mit einem leisen: „Ich dich auch!“
Die beiden schwiegen und schauten auf das Wasser, während das Schiff weiter über den Fluss glitt. An den Ufern des Flusses flogen überall Glühwürmchen auf. Vereinzelt konnte man auch kleine Häuser sehen, die zwar verlassen aussahen, aber in deren Fenstern Kerzen ein sanftes Licht erscheinen ließen.
Sœlves Herz schlug ein wenig schneller, da es immer mehr wie in ihrem Traum war.
Langsam nahm die Zahl der Häuser zu, die aneinander gereiht waren und in allen war derselbe Anblick. In jedem einzelnen Fenster brannten Kerzen, aber nicht ein einziger Mensch war zu sehen. Dafür zeichnete sich eine Erhebung in der Ferne ab, auf die sie unaufhaltsam zufuhren. Es war langsam alles andere als ein reines Déjà-vu, aber Sœlve wusste nicht, was sie tun konnte.
Sie kamen schließlich an einem Fähranleger an und während das Schiff anlegte, redete der Entertainer immer noch ohne eine Pause weiter.
Als sie das Schiff verließen, nahm Sœlve Lillys Hand in ihre eigene. Aus dem Augenwinkel sah sie einen leicht kritischen Blick von Mia, kümmerte sich aber nicht so sehr darum. Es machte sie, trotz ihres schlechten Gefühls im Bauch, einfach glücklich Lilly neben sich zu haben.
Der Weg vom Schiff zur Aussichtsplattform führte durch wahre Häuserschluchten auf eine emporragende Treppe zu. Im Zickzack schlängelte sich die fast unendlich lang erscheinende Treppe den Berg hinauf und schimmerte gleichzeitig im Licht der letzten Sonnenstrahlen golden. Alle stöhnten auf als ihnen bewusst wurde, dass sie da hoch mussten. Aber auch wenn es wirklich sehr viele Treppenstufen waren, kam ihnen der Weg beim Aufstieg komischerweise gar nicht so schwer vor.
An den Seiten der Treppe reihte sich ein Haus an das Nächste und es gab keine andere Möglichkeit von der Treppe herunterzukommen, außer man würde eines dieser Häuser betreten. Sœlve fiel auf, dass in jedem einzelnen Fenster drei rote Kerzen brannten, obwohl es noch gar nicht so dunkel war, dass es sich gelohnt hätte. Lilly wurde offenbar etwas nervös, drückte aber nur Sœlves Hand stärker als zuvor und ihre Hand wurde leicht feucht.
Sie folgten den Treppen und erreichten schließlich ein Plateau, in dessen Mitte sich eine Art Pyramide mit einem schwarzen dreieckigen Eingang befand. Sie sahen Menschen in schwarzen Kutten und Fackeln in den Händen auf den Eingang zugehen und in ihm verschwinden. Sœlve war von diesem Anblick fasziniert und wollte nachschauen was dort genau passierte. Aber Lilly war an der Treppe stehen geblieben und nun ganz weiß im Gesicht. Sœlve spürte, dass auch ihre Hand ganz kalt war und ihr Griff sich immer mehr festigte.
Außer Lilly und Sœlve hatten die meisten kein Auge für diese Pyramide, denn die Mehrheit wurde von einem Fast Food-Tempel direkt neben den Treppen abgelenkt. Nach dem Essen in der Jugendherberge waren die meisten wie ausgehungert nach Fast Food. Sie strömten hinein und waren glücklich als sie ihre Burger und Pommes in den Händen hielten.
„Wir ... nein, du dürftest gar nicht hier sein!“, flüsterte Lilly mit erstickter Stimme. Hinter ihnen zischte es und die Treppe war wie in Luft aufgelöst.
„Alle 10 Jahre wird die Erscheinung am Himmel genutzt, damit Vampire ihre Vampirhochzeit durchführen können. Es geht einfach nur darum möglichst vielen Menschen das komplette Blut auszusaugen…“ Während Sœlve sie nur mit riesigen ungläubigen Augen anstarrte, redete sie einfach weiter: „...durch das Licht der Sterne und Planeten bilden sich leuchtende Muster auf den Körpern der Vampire, die sie noch wilder und aggressiver als sonst schon machen. Und wenn das Ritual erst einmal angefangen hat, dann hören sie erst auf, wenn sie alle Menschen ausgesaugt haben. Und das Schlimme ist in wenigen Momenten…“, doch bevor Lilly den Satz beenden konnte, veränderte sich die Luft um sie herum und aus dem Eingang, in den zuvor die Kuttenträger gegangen waren, erklang eine leichte Melodie und sie konnten Bewegungen in dem Eingang erkennen.
Sie schauten sich nur kurz an und gingen ganz langsam rückwärts. Nach einigen Metern drehten sie sich um und fingen an zu rennen. Vor ihnen kamen hölzerne Stufen in Sicht, die den Tempel hinab in den Wald führten. Auf einmal dröhnte eine unendlich laute, dunkle Stimme durch ihre Ohren. Sie konnten zwar nicht verstehen was die Stimme sagte, aber es konnte nicht gut sein.
Während sie die Treppen hinunterstürzten, fing diese Stimme auf einmal an laut ZEHN zu brüllen. Der Wiederhall kam von allen Seiten als ob sie von der Stimme umzingelt wären.
Pure Angst ergriff sie und sie rannten schneller. Auf einmal zog Lilly Sœlve zur Seite und sie rannten in den Wald, der die Treppen säumte.
NEUN
Donnerte es in dem Moment. Sie durchbrachen ein Gestrüpp, das ihnen diverse Schrammen an Armen und Beinen zufügte.
ACHT
Durch den Boden, der leicht lehmig war, wurden ihre Schritte etwas schwerer als sie es auf den Treppen gewesen waren.
SIEBEN
Lilly rutschte aus und fiel auf den Boden. Als Sœlve versuchte ihr aufzuhelfen, rutschte sie auch fast aus.
SECHS
Lilly war wieder auf ihren Beinen und sie rannten weiter. Ein großer Baum, der aussah als wäre er gerade erst umgestürzt, tauchte vor ihnen auf und würde ihren Weg versperren.
FÜNF
Sœlve ergriff Lillys Hand, sammelte sich beim Rennen und riss Lilly mit sich während sie hinübersprang.
VIER
Sie wurden immer schneller und fingen an mehr den Berg hinunterzurutschen als zu rennen.
DREI
Die Stimme wurde noch lauter als zuvor.
„Der verdammte Fluss müsste doch langsam zu sehen sein!“, dachte sich Sœlve, denn so langsam wurde es einfach nur brenzlig.
ZWEI
Da war der ersehnte Fluss und auch das Schiff kam in Sicht. Sie mussten nur noch schneller laufen. Sie erhöhten das Tempo und kamen endlich am Ufer an.
Die gebrüllte EINS wurde von schallendem Lachen begleitet. Der Himmel verdunkelte sich langsam. Sœlve riss Lilly empor und sie fanden sich auf dem Schiff wieder.
NULL
... Stille...
Vollkommene Stille.
Nicht ein Hauch eines Windes oder auch nur ein Tier war zu hören. Einzig Lillys und Sœlves angestrengtes Keuchen war das Geräusch, dass sie wissen ließ, dass sie noch am Leben waren. Auf einmal war es pechrabenschwarz und man konnte nichts mehr sehn. Ein vielfaches Zischen gefolgt von hämischen Lachen durchschnitt die Nacht.
In diesem Moment wussten sie, dass sie nicht mehr alleine auf dem Schiff waren. Schwarze Umhänge öffneten sich und leuchtenden Symbole kamen zum Vorschein. Lilly fing an zu kreischen, was die Vampire als eine Art Signal ansahen anzugreifen. Als das Geheule der Vampire begann, schlang Sœlve ihre Arme um Lilly und fing sofort an grün zu leuchten. Das Leuchten wurde immer stärker und umgab sie wie eine Art Schutzwand. Die Vampire, die wie verrückt auf sie zu rannten, prallten gegen die Schutzwand und lösten sich dabei in schwarze Asche auf. Das Geräusch der Sterbenden kreischte schrill in ihren Ohren.
Panisch wachte Sœlve aus ihrem Traum auf. Ihr Herz raste unglaublich schnell und sie war vollkommen mit Angstschweiß benetzt. Aus den Augenwinkeln nahm sie unversehens eine Bewegung wahr und sie drehte sich auf das Schlimmste gefasst danach um. Das "Schlimmste" war jedoch nur eine friedlich schlafende Lilly, die sich im Schlaf umgedreht hatte. Sœlve saß noch einen Moment mit geballten Fäusten da, bis sie sich völlig albern vorkam und sich erleichtert ins Bett zurückfallen ließ.
Jegliche Anspannung war von ihr abgefallen und sie strich sich die Haare aus dem verschwitzten Gesicht. Während sie sich die letzte Strähne wegstrich, verharrte sie mit der Hand vor ihrem Gesicht. Im Mondlicht, der durch das Fenster fiel, sah sie, dass an ihren Fingern dunkle Spuren waren, die wie schwarze Asche aussahen...
Es war ein angenehmer Tag im Frühherbst, als Sœlve müde nach Hause kam und noch einmal den Briefkasten kontrollierte. Eigentlich hatte sie gar keine große Motivation überhaupt hinein zu schauen, da sie nicht gerade oft Post erhielt. Wenn dann doch mal etwas im Kasten war, handelte es sich meist nur um irgendwelche Werbung oder andere Dinge, die sie nicht interessierten.
So war sie umso erstaunter, als sie einen Brief eines großen Fernsehsenders herausfischte. Sie beeilte sich in die Wohnung zu gehen und riss den Briefumschlag bereits im Treppenhaus halb auf. In der Wohnung ging sie direkt in ihr Zimmer und fläzte sich auf ihr weiches Sofa.
Sehr geehrte Frau Lopez,
hiermit möchten wir Sie zu unserer Premierensendung unserer neuen Spielshow „BorderlessMinds" einladen. Wir leben heute in der Zukunft und würdigen dies mit einer Spielshow, die dessen angemessen ist.
In modernen Virtual Reality Kapseln erleben Sie ein Abenteuer, das Sie in eine fantastische Welt bringen wird. Vertrauen Sie uns: das möchten Sie sich nicht entgehen lassen.
Als Gast der Premierensendung werden Sie selbstverständlich von einer unserer Luxuslimousinen abgeholt und nächtigen den Tag zuvor, wie auch am Tag der Sendung in einem der edelsten Hotels unserer Stadt.
Sie werden sich sicherlich nur noch fragen, wann dieses Spektakel stattfinden wird.
Am 19. dieses Monats findet die Aufzeichnung statt.
Über eine positive Rückmeldung von Ihnen würden wir uns bis zum 10. freuen. Rufen Sie einfach bei der im Briefkopf angegeben Rufnummer an und sagen Sie zu, den Rest erledigen wir für Sie!
In Vorfreude auf Ihre Zusage
Ihr BorderlessMinds Team
Sœlve warf einen Blick auf ihren Kalender, der ihr sagte, dass heute der 9. des Monats war. Sie wusste nicht warum ausgerechnet sie ausgewählt worden war, hatte aber schon eine gewisse Lust daran teilzunehmen.
Kurze Zeit später erschien das Gesicht von Lilly auf ihrem Handy.
„Hey Mausi!“, erklang freudig die Stimme ihrer Freundin: „Ich hab ne Einladung zu einer neuen Spielshow erhalten, ist das nicht verdammt cool?!“
Sœlve fing an zu grinsen und antwortete: „Rate mal wer auch so eine Einladung vor sich liegen hat.“
Ein lautes Quietschen erklang auf der anderen Seite. „Dann können wir ja gemeinsamfahren!!“ „Ich weiß noch gar nicht, ob ich überhaupt hin will… hast du ne Idee warum die gerade uns ausgewählt haben?“
„Woher soll ich das denn wissen? Aber wir kommen ins Fernsehen! Das kannst du doch auch nicht jeden Tag! Und wir können etwas Zeit miteinander verbringen!“
Das war natürlich ein Argument.