Die Lieder, das Töten - André Pilz - E-Book

Die Lieder, das Töten E-Book

André Pilz

4,8

Beschreibung

Eindringlich und düster wie ein Thriller und zugleich erschreckend realistisch: Nach einem Super-GAU mitten in einer deutschen Wohngegend wird ein riesiges Gebiet zur Sperrzone erklärt. Während die Bewohner evakuiert werden, versammeln sich zugleich Menschen, die in der "normalen" Welt nichts mehr zu verlieren haben, in einer verlassenen Stadt im Herzen der Sperrzone rund um ihren heimlichen Anführer Strasser. Ambros, der bei dem Reaktorunglück seine Freundin verloren hat, dringt im Auftrag der Regierung in die Sperrzone vor. Doch erliegt er selbst immer mehr der Faszination dieses Lebens jenseits aller Gesetze. Er beginnt eine Affäre, ausgerechnet mit jener Frau, die als die gefährlichste in der Zone gilt. So gerät Ambros immer weiter zwischen alle Fronten. Intensiv, erschütternd und bewegend.

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Titel

André Pilz

Die Lieder,

das Töten

Roman

Zitat

When I awake the world will be born anew

Wolves in the Throne Room

Sperrzone

Das Haus lag gut versteckt hinter ein paar wuchtigen Landhäusern in einer Sackgasse, etwas abseits der Bundesstraße. Die Eingangstür aus Glas war bemalt worden. Ich bestaunte die schwimmenden Figuren, menschenähnliche Gestalten, sie strahlten eine Sehnsucht aus, die mich seltsam berührte. Ich ging in die Hocke, um einen besseren Blick auf den unteren Teil zu haben. Die Figuren ließen mich nicht los. Das Haus war schlicht und nichts Besonderes, die Tür allerdings musste ein Vermögen gekostet haben, aber was wusste ich schon von Kunst.

Ich ging über den Rasen um das Haus herum. Hinter dem Haus führte eine Wiese steil hinauf in den Wald. Der starke Regen im Frühjahr hatte Teile des Hanges abrutschen lassen. Zwischen Haus und Wiese lag ein Garten, ein liebevoll gepflegter kleiner Garten. Tomaten wuchsen, ich pflückte eine rote vom Stock und steckte sie mir in den Mund. Bohnen gab es, Traubenstöcke, Zucchini, Gurken, Himbeeren hingen an einem Strauch … alles so bunt und verlockend, und doch nichts anderes als Sondermüll.

In einem kleinen Holzanbau an der Rückseite des Hauses standen das Fliegengitter und die Tür offen. Ich ging hinein, versteckte das Gewehr, und kam von dort durch zwei weitere Türen und die Garage ins Haus. Im Inneren war es kühl. Alles war aufgeräumt, sauber, so als wäre nie etwas geschehen. So als wäre alles wie immer. „Hallo?!“, rief ich, auch wenn ich keine Antwort erwartete. In der Zone wurde auf „Hallo“ nicht mehr geantwortet. Auf ein Hallo versteckte oder bewaffnete man sich.

Tanka folgte mir wie ein Gespenst. Völlig lautlos. Als würde sie sich schämen, dass es sie gab. Als wäre sie meiner nicht würdig. Manchmal vergaß ich, dass sie überhaupt da war. Ich ging zum Kühlschrank, es gab Milch und Joghurt, Käse, Obst, Gemüse, das Kühlfach war bis oben voll mit Lebensmitteln. Nach dem Unfall hatten die Menschen Supermärkte geplündert, aber mit der Zeit waren die Vorräte aufgebraucht und mittlerweile warf die Armee Essenspakete ab, die meist erst in der Nacht geholt wurden, aus Angst, es könnte sich um Fallen handeln. Angeblich lauerten Patrouillen den Leuten auf, die sich die Pakete schnappten. Es gab viele Gerüchte in der Zone und noch mehr Gerüchte über die Zone.

Ich stellte eine Schüssel Wasser auf den Boden, was Tanka dankend annahm. Ich durchwühlte die Klamotten in einem Kleiderschrank und schaute in ein paar Schubladen, fand aber nichts Brauchbares. Ich stand vor dem Spiegel im Hausflur, als ich ein Geräusch hörte. Wasser floss in einer Leitung in der Wand, sie schien also unter der Dusche zu sein. Tanka spitzte die Ohren und lief voran. Ich folgte ihr, die Glock in der Hand, ich kam an zwei Türen, hinter der einen befand sich das WC, aber das Geräusch musste aus dem Badezimmer kommen sie duschte, kein Zweifel. Ich steckte mir eine Tablette zwischen die Zähne, biss hinein und zerkaute sie langsam. Dann öffnete ich die angelehnte Tür und trat ein. „Hallo!“, rief ich. Und sofort wurde das Wasser abgestellt.

„Thomas?“, sagte eine Stimme.

„Ja?!“

„THOMAS?!“ Die Kabinentür wurde aufgerissen, eine Frau mit kurzen brünetten Haaren, Ende vierzig, starrte mich an. Sie verdeckte ihre großen Brüste und ihre behaarte Scham, als gäbe es hier noch etwas zu sehen. „Mein Gott … raus! RAUS!“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, das Haus wäre leer.“

„Was fällt Ihnen ein! Verschwinden Sie!“

„Sie sollten nicht mehr hier sein.“

Sie griff nach dem Handtuch, das an einem Haken hing. Ich konnte meinen Blick nicht von ihr wenden. Sie band es um ihre Hüfte, nahm ein weiteres Handtuch und wickelte es um ihren Oberkörper.

„Warum sind Sie in der Sperrzone?“, fragte ich und zielte nicht länger auf sie.

„Warum brechen Sie in mein Haus ein?“

„Sie dürften gar nicht hier sein.“ Mich überkamen böse Gedanken, und es dauerte, ehe ich sie verscheuchen konnte.

„RAUS JETZT!“

„Was machen Sie in der Sperrzone?“, sagte ich.

„RAUS!“

„Die Zone ist verseucht.“

„Der Regen war rot. Haben Sie jemals roten Regen gesehen? Die Wissenschaftler behaupten, er könne nicht rot gewesen sein, das sei nur ein Gerücht, ein Mythos. Aber ich war eineinhalb Stunden in dem Regen und er war rot! Das, was ich jetzt noch abbekomme, ist ein Klacks dagegen.“

„Ich war auch im Regen“, sagte ich. „Ich war doch auch in diesem Scheißregen“ ich war sogar nackt gewesen wie sie jetzt, aber das behielt ich für mich „und ich schwör genauso tausend Eide, dass er rot gewesen ist.“

„Sie sind von hier?“

„Es bringt nichts, über den ganzen Scheiß nachzudenken. Die, die darüber nachdenken, sterben.“

„Sie sind von hier. Ich kann das hören. Da können Sie sich auch noch so bemühen, Schriftdeutsch zu sprechen. Wer hier groß geworden ist, kriegt das niemals hin.“

„Ich bin zwei Kilometer von hier geboren und fünf Kilometer von hier aufgewachsen. Kennen Sie das Gasthaus Adler? Das war mein Onkel.“

„Oh?“ sie nickte „Der Wilfried war Ihr Onkel? Wir waren Stammgäste!“

„Ich war oft dort, ehe ich weggezogen bin.“

„Wenn Sie weggezogen sind, warum waren Sie dann im Regen?“

Tanka näherte sich der Frau misstrauisch, hielt aber respektvoll Abstand. „Ich hatte die grandiose Idee, Urlaub in meinem Heimatdorf zu machen. Konnte nicht ahnen, dass dieses Scheißding ausgerechnet dann in die Luft fliegt.“

„Konnte ja niemand damit rechnen, dass nach Fukushima so bald wieder was passieren würde.“

Ich nickte müde. „In München wären wir sicher gewesen“, sagte ich. „Eines von drei Wochenenden, das wir in neun Jahren hier verbrachten, und ausgerechnet da fliegt das Ding in die Luft.“ ich zucke mit den Schultern „Der liebe Gott hat uns gefickt.“

Sie trocknete ihren Oberkörper ab, ohne mir nochmals ihre Titten zu zeigen. „So redet man nicht über Gott“, sagte sie, ohne mich anzusehen.

„Ich glaube, dem macht das Spaß, uns leiden zu sehen.“

„Gott hat nicht Schuld. Die Menschen haben Schuld.“

Ich sah auf meine Uhr, die ich mir in einer Villa geklaut hatte. „Das Haus ist noch nicht so alt, hab ich Recht? Sieht noch ziemlich neu aus.“

„1986.“ sie schlüpfte in ihre Badeschlappen „Nein, 1987. Der Regensommer.“

„Die Eingangstür … Ist schön, die Tür.“

„Hat mein Mann gemacht“, sagte sie. „Die Vertreibung aus dem Garten Eden.“

„Sag ich doch Gott liebt es, uns leiden zu sehen. Alles wegen eines verfluchten Apfels. Das ist doch lächerlich.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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