Die Lilien auf dem Felde - Søren Kierkegaard - E-Book

Die Lilien auf dem Felde E-Book

Sóren Kierkegaard

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Beschreibung

Diese Ausgabe von "Die Lilien auf dem Felde" wurde mit einem funktionalen Layout erstellt und sorgfältig formatiert. Søren Kierkegaard (1813-1855) war ein dänischer Philosoph, Essayist, Theologe und religiöser Schriftsteller. In seinen meist unter Pseudonymen veröffentlichten Schriften zeigte er sich als engagierter Verfechter der Idee des Christentums gegen die Realität der Christenheit. Etwa ein Drittel seines gedruckten Werkes besteht ferner aus unter eigenem Namen veröffentlichten Predigten und religiösen Reden. Auch wird Kierkegaard vielfach als Wegbereiter der Existenzphilosophie oder gar als deren erster Vertreter aufgefasst. Aus dem Buch: "Du sagst vielleicht mit dem Dichter: o daß ich ein Vogel wäre, wie der freie Vogel, der in lustiger Fahrt weit weit fortfliegt, dem Himmel so nahe, zu fernen fernen Fluren - während mich Sorgen und Widerwärtigkeiten und Leiden täglich merken lassen, wie ich an die Stelle gebunden und genagelt bin. O daß ich ein Vogel wäre, frei wie der Vogel, frei von allen Rücksichten wie der kleine Singvogel, der demütig singt, ob auch Niemand auf ihn hört, oder der stolz singt, ob auch Niemand auf ihn hört! Ach, während ich keinen Augenblick und Nichts für mich selbst habe, sondern tausend Rücksichten nehmen muß. O daß ich eine Blume wäre, wie die Blume auf dem Felde, glücklich in mich selbst versunken und weiter nichts - ach, während ich auch in meinem Herzen diesen Zwiespalt des Menschenherzens fühle und weder in Selbstliebe mit Allem brechen, noch auch liebevoll Alles opfern kann!"

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Søren Kierkegaard

Die Lilien auf dem Felde

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1119-7

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
I.
II.
III.
I.
II.
III.

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

zu den ersten erbaulichen Reden vom 5. Mai 1843

Ungeachtet dies kleine Buch nur zu sein wünscht was es ist, ein Ueberfluß, und nur begehrt im Verborgenen zu bleiben gleichwie es in der Stille entstand, habe ich doch nicht Abschied von ihm genommen ohne eine fast abenteuerliche Hoffnung. Insofern es durch die Ausgabe in uneigentlichem Sinn eine Wanderung antritt, ließ ich ihm eine kleine Weile mein Auge folgen. Ich sah da, wie es seinen Gang ging auf einsamen Wegen oder einsam auf den vielbetretenen. Nach einem und dem andern kleinen Mißverständnis, wo es durch eine flüchtige Aehnlichkeit betrogen wurde, traf es endlich jenen Einzelnen, den ich mit Freude und Dankbarkeit meinen Leser nenne, jenen Einzelnen, den es sucht, nach dem es gleichsam seine Arme ausstreckt, jenen Einzelnen, der wohlwollend genug ist sich finden zu lassen, wohlwollend genug es aufzunehmen, ob es ihn im Augenblick der Begegnung froh und getrost findet oder müde und gedankenvoll. – Insofern es dagegen in eigentlicherem Sinn bei der Ausgabe in der Stille bleibt ohne von der Stelle zu kommen, ließ ich eine kleine Weile mein Auge auf ihm ruhen. So stand es da wie eine unbedeutende kleine Blume in der Verborgenheit des großen Waldes, nicht gesucht wegen ihrer Pracht noch wegen ihres Duftes oder ihrer Nährkraft. Aber ich sah auch oder glaubte zu sehen, wie der Vogel, den ich meinen Leser nenne, plötzlich sie erblickte, auf seinen Schwingen sich herabließ, sie abpflückte und mit sich nahm. Und da ich dies gesehen, sah ich nichts mehr.

S.K.

Vater im Himmel! Was man in der Gesellschaft der Menschen und besonders im Menschengewimmel so schwer zu wissen bekommt, und was auch so leicht wieder vergessen wird, wenn man es zu wissen bekam – was es heißt, ein Mensch zu sein, und welches die Aufgabe für uns Menschen ist: daß wir dies lernen möchten von der Lilie und dem Vogel; daß wir es lernen möchten, wenn nicht auf einmal und, ganz, so doch etwas davon und nach und nach, daß wir diesmal vom Vogel und von der Lilie lernen möchten: Schweigen, Gehorsam und Freude!

I.

Inhaltsverzeichnis

Sehet die Vögel unter dem Himmel an; schauet die Lilien auf dem Felde!

Du sagst vielleicht mit dem Dichter: o daß ich ein Vogel wäre, wie der freie Vogel, der in lustiger Fahrt weit weit fortfliegt, dem Himmel so nahe, zu fernen fernen Fluren – während mich Sorgen und Widerwärtigkeiten und Leiden täglich merken lassen, wie ich an die Stelle gebunden und genagelt bin. O daß ich ein Vogel wäre, frei wie der Vogel, frei von allen Rücksichten wie der kleine Singvogel, der demütig singt, ob auch Niemand auf ihn hört, oder der stolz singt, ob auch Niemand auf ihn hört! Ach, während ich keinen Augenblick und Nichts für mich selbst habe, sondern tausend Rücksichten nehmen muß. O daß ich eine Blume wäre, wie die Blume auf dem Felde, glücklich in mich selbst versunken und weiter nichts – ach, während ich auch in meinem Herzen diesen Zwiespalt des Menschenherzens fühle und weder in Selbstliebe mit Allem brechen, noch auch liebevoll Alles opfern kann!

So spricht der Dichter. Wenn man flüchtig darauf hört, klingt es fast, als sagte er dasselbe, wie das Evangelium, da er ja in den stärksten Ausdrücken das Glück des Vogels und der Lilie preist. Aber höre nur weiter; er sagt: daher ist es beinahe wie eine Grausamkeit von dem Evangelium, daß es die Lilie und den Vogel preist und sagt: Du sollst so sein – ach während ich so sehnsüchtig wünsche, daß ich wie der Vogel unter dem Himmel wäre und wie die Lilie auf dem Felde. Aber es ist ja eine Unmöglichkeit so zu werden, und deßhalb ist das Verlangen gerade so innerlich, so wehmütig und doch so brennend in mir. Wie grausam von dem Evangelium, daß es zu mir sagt: Du sollst so sein, während ich nur allzu tief fühle, daß ich es nicht bin und nicht sein kann.«

Und so geht es dem Dichter immer mit dem Evangelium; es geht ihm ebenso, wenn das Evangelium sagt: werdet wie die Kinder! O daß ich ein Kind wäre, sagt der Dichter, unschuldig und froh als ein Kind – ach, während ich früh alt und schuldig und traurig geworden bin!

Wenn er an den Vogel und die Lilie denkt, so möchte er weinen; ach daß ich wäre wie der Vogel, von dem ich als Kind im Bilderbuch las, ach daß ich wäre wie die Blume, die in meiner Mutter Garten stand! Aber wollte man mit dem Evangelium zu ihm sagen: es ist Ernst, der Vogel ist im Ernst der Lehrmeister, so müßte der Dichter lachen; und er scherzt über den Vogel und die Lilie so witzig, daß er uns Alle zum Lachen bringt, selbst den ernsthaftesten Menschen, der je gelebt hat; aber das Evangelium bleibt unbewegt. So ernsthaft ist das Evangelium; alle Wehmut des Dichters verändert es nicht, während sie doch selbst den ernsthaftesten Menschen bewegt, daß er einen Augenblick nachgiebt und in des Dichtes Gedanken eingeht und mit ihm seufzt und sagt: Lieber, ist es wirklich eine Unmöglichkeit für dich, ja so darf ich auch nicht sagen: »Du sollst«! Aber das Evangelium darf dem Dichter befehlen, daß er soll wie ein Vogel sein. Und so ernst ist das Evangelium, daß auch der unwiderstehlichste Einfall des Dichters es nicht zum Lächeln bringt.

Du sollst wieder Kind werden, und zu dem Zweck mußt Du das Wort verstehen können und wollen, das wie für Kinder berechnet ist, und welches jedes Kind versteht, das Wort: Du sollst, und du sollst es verstehen, wie das Kind es versteht. Das Kind fragt niemals nach Gründen, das darf das Kind nicht, das braucht das Kind auch nicht. Für das Kind ist es Grund genug, daß es soll; alle anderen Gründe zusammen sagen nicht so viel wie dieser eine. Und das Kind sagt niemals: ich kann nicht. Das darf das Kind nicht, und es ist auch nicht wahr – das Eine entspricht ganz dem Anderm; grade weil das Kind nicht darf sagen »ich kann nicht«, deshalb ist es auch nicht wahr, daß es nicht könnte; denn wenn man nicht anders darf, dann muß man ja können, das ist ganz gewiß – es kommt bloß darauf an, daß einem ganz gewiß ist: man darf nicht anders, dann kann man auch. Und das Kind sucht niemals Ausflüchte oder Entschuldigungen; es versteht, daß es keinen Versteck giebt weder im Himmel noch auf Erden, nicht in der Stube, noch im Garten vor diesem »Du sollst«. Und wenn man gewiß weiß, daß es keinen solchen Versteck giebt, so giebt es auch keine Ausflucht oder Entschuldigung, und giebt es keine, so sucht man natürlich auch keine und thut also, was man soll. Und das Kind braucht niemals lange Ueberlegung; denn wenn es soll, so ist ja keine Gelegenheit zum Ueberlegen. Ja, wollte man ihm auch eine Ewigkeit zum Ueberlegen geben, das Kind würde sie nicht brauchen, das Kind würde sagen: wozu all die Zeit, wenn ich doch soll. Denn was das Kind soll, das soll das Kind, das steht fest und hat gar nichts mit Ueberlegen zu thun.

So laß uns denn nach der Anweisung des Evangeliums Lilie und Vogel im Ernst als Lehrmeister betrachten. Im Ernst, denn das Evangelium ist nicht so überspannt geistlich, daß es Vogel und Lilie nicht brauchen könnte, aber es ist auch nicht so irdisch, daß es auf Lilie und Vogel nur wehmütig oder lächelnd sehen könnte. Laß uns von Lilie und Vogel als Lehrmeistern lernen

Schweigen.

Denn es ist zwar die Sprache, die den Menschen vor den Tieren auszeichnet und wenn man will noch viel mehr vor der Lilie. Aber deswegen kann Schweigen doch eine Kunst sein und keine geringe Kunst. Ja, gerade weil der Mensch reden kann, deswegen ist Schweigen eine Kunst, und grade weil sein Vorzug ihn so leicht versucht, ist Schweigen eine große Kunst. Aber das kann man von den verschwiegenen Lehrmeistern lernen, von der Lilie und dem Vogel.

»Suchet zuerst Gottes Reich und seine Gerechtigkeit«. Aber was will das sagen, was habe ich zu tun, wenn ich nach Gottes Reich suchen und trachten soll? Soll ich sehen ein Amt zu bekommen, das meinen Gaben und Kräften entspricht, um darin zu wirken? Nein zuerst sollst Du Gottes Reich suchen. Soll ich da all mein Vermögen den Armen geben? Nein, zuerst sollst Du Gottes Reich suchen. Soll ich da ausgehen und diese Lehre in der Welt verkündigen? Nein, du sollst zuerst Gottes Reich suchen. Aber dann soll ich ja eigentlich nichts thun? Ja, allerdings, es ist in gewissem Sinn nichts; Du sollst Dich im tiefsten Sinne zu Nichts machen, Nichts vor Gott werden, schweigen lernen; in diesem Schweigen ist der Anfang, welcher ist, zuerst Gottes Reich suchen.

Der Anfang ist die Kunst still zu werden; denn still zu sein, wie die Natur es ist, das ist keine Kunst. Und so in tiefstem Sinn still zu werden, still vor Gott, das ist der Anfang der Gottesfurcht; denn wie die Furcht Gottes der Weisheit Anfang ist, so ist Stille sein der Gottesfurcht Anfang. Und wie Furcht Gottes mehr ist als Anfang der Weisheit, selbst Weisheit ist, so ist Stille sein mehr als Anfang der Gottesfurcht, ist selbst Gottesfurcht. In diesem Schweigen verstummen gottesfürchtig die vielen Gedanken des Wünschens und Begehrens.

Gott ist im Himmel, der Mensch ist auf Erden; darum können sie nicht gut zusammen reden. Gott weiß alle Dinge, aber das Wissen des Menschen ist nur Geschwätz; darum können sie nicht gut zusammen reden. Gott ist die Liebe, der Mensch ist, wie man zu dem Kinde sagt, ein kleiner Narr, selbst wenn es sich um sein eigen Wohl handelt; darum können sie nicht gut zusammen reden. Nur in viel Furcht und Zittern kann der Mensch mit Gott reden; in viel Furcht und Zittern. Aber in viel Furcht und Zittern zu reden, ist aus anderem Grunde schwierig; denn wie die Angst macht, daß die Stimme stockt, so schafft wol auch viel Furcht und Zittern, daß die Rede in Schweigen verstummt. Das weiß der rechte Beter, und wer dies noch nicht war, der lernte es vielleicht gerade im Gebet. Da war etwas, das lag ihm so sehr am Herzen; die Sache war ihm so sehr wichtig, und es lag ihm so viel daran, sich für Gott so recht verständlich zu machen. Er sorgte, er möchte etwas vergessen haben, ach, und dann möchte Gott nicht von selbst daran denken: deshalb wollte er seinen Sinn sammeln um recht innerlich zu beten. Und was geschah ihm dann, wenn er anders innerlich betete? Ihm geschah etwas Verwunderliches. Als sein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte er immer weniger und weniger zu sagen; zuletzt wurde er ganz still. Er wurde still, ja, was womöglich ein noch größerer Gegensatz zum Reden ist, er wurde ein Hörer. Er meinte erst, beten sei reden; er lernte, daß beten nicht bloß ist schweigen, sondern hören. Und so ist es; beten heißt nicht sich selbst reden hören, beten heißt stille werden und stille sein und harren bis der Betende Gott hört.

Daher erzieht jenes Wort des Evangeliums die Menschen so, daß es ihnen gleichsam den Mund bindet, indem es auf jede einzelne Frage, ob er dies oder das thun solle, antwortet: nein, Du sollst zuerst Gottes Reich suchen. Daher kann man auch dieses Wort umschreiben, indem man sagt: Du sollst beginnen mit Beten – weil das Gebet, wenn es innerlich wird, Schweigen schafft. Suche zuerst Gottes Reich, das ist: bete! Wenn Du fragst, soll ich dies tun, und suche ich damit Gottes Reich – ja wenn Du auch alles Einzelne aufzähltest, es muß geantwortet werden: nein, Du sollst zuerst Gottes Reich suchen. Aber beten, nämlich recht beten und still werden, das ist zuerst Gottes Reich suchen.

Dieses Stillesein kannst Du bei Lilie und Vogel lernen. Ihr Stillesein ist freilich keine Kunst, aber wenn Du stille wirst wie Lilie und Vogel, so beginnst Du zuerst Gottes Reich zu suchen.