11,99 €
Eine inspirierende Geschichte über die Macht alter Glaubenssätze und einen spannenden Neuanfang Mira ist sehr erfolgreich in ihrem Beruf, leidet jedoch zunehmend unter dem permanenten Druck. Sie sehnt sich nach einer Auszeit, um zu regenerieren und neue Kraft zu schöpfen. Ein Wellness-Resort auf Bali erscheint wie eine perfekte Zuflucht. Doch erst, als ein Surfkurs ausfällt und sie stattdessen in einer Yoga-Klasse landet, fängt Mira an, wirklich zu sich selbst zu finden. Die Suche nach dem Sinn des Lebens beginnt in dir In einem Umfeld, das so weit entfernt von ihrem gewohnten Alltag ist, entdeckt sie, wie sehr tief verwurzelte Glaubenssätze verhindern, dass sie ihr eigenes Leben lebt. Als erwachsene Frau glaubt sie noch immer, nicht gut genug zu sein, sich Liebe verdienen zu müssen und zu dick zu sein und deshalb nicht liebenswert. In ihrem vollgepackten Alltag sind diese Glaubenssätze nicht hörbar. Doch unter der einfühlsamen Leitung von Niklas, ihrem Yoga-Lehrer, lernt sie Schritt für Schritt, wirklich bei sich anzukommen und offen zu werden für neue Perspektiven. Liv Bergstrand gelingt ein hinreißender Roman über Selbstfindung – eine Inspiration für jede Frau, sich ihren Schatten zu stellen, um befreit und selbstbewusst zu leben.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 191
Veröffentlichungsjahr: 2025
Liv Bergstrand
Meine Befreiung von falschen Glaubenssätzen
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
Eine inspirierende Geschichte über die Macht alter Glaubenssätze und einen spannenden Neuanfang
Mira ist sehr erfolgreich in ihrem Beruf, leidet jedoch zunehmend unter dem permanenten Druck. Sie sehnt sich nach einer Auszeit, um zu regenerieren und neue Kraft zu schöpfen. Ein Wellness-Resort auf Bali erscheint wie eine perfekte Zuflucht. Doch erst, als ein Surfkurs ausfällt und sie stattdessen in einer Yoga-Klasse landet, fängt Mira an, wirklich zu sich selbst zu finden.
Die Suche nach dem Sinn des Lebens beginnt in dir
In einem Umfeld, das so weit entfernt von ihrem gewohnten Alltag ist, entdeckt sie, wie sehr tief verwurzelte Glaubenssätze verhindern, dass sie ihr eigenes Leben lebt. Als erwachsene Frau glaubt sie noch immer, nicht gut genug zu sein, sich Liebe verdienen zu müssen und zu dick zu sein und deshalb nicht liebenswert. In ihrem vollgepackten Alltag sind diese Glaubenssätze nicht hörbar. Doch unter der einfühlsamen Leitung von Niklas, ihrem Yoga-Lehrer, lernt sie Schritt für Schritt, wirklich bei sich anzukommen und offen zu werden für neue Perspektiven.
Liv Bergstrand gelingt ein hinreißender Roman über Selbstfindung – eine Inspiration für jede Frau, sich ihren Schatten zu stellen, um befreit und selbstbewusst zu leben.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de
Motto
Das, woran du glaubst, wird zu dem, was du in der Welt siehst
Deine tiefsten Überzeugungen formen still und leise dein Schicksal
Wie du über dich selbst denkst, bestimmt, wie du dich fühlst
Manchmal ist der erste Schritt zur Veränderung, dass man die eigenen Gedanken infrage stellt
Nichts in der Welt kann dich so zurückhalten wie deine eigenen Überzeugungen
Dein Körper flüstert die Wahrheit, wenn dein Geist still genug ist, um zuzuhören
Manchmal hält man etwas für die Wahrheit, dabei ist es nur eine Perspektive
Wie weit du kommst, hängt davon ab, wie weit du zu denken wagst
Es erfordert Mut, alte Überzeugungen loszulassen und neue Wege zu gehen
Glaub an dich selbst, und du wirst überrascht sein, was du alles erreichen kannst
Danksagung
Unsere Überzeugungen formen unser Leben. Ändere deine Überzeugungen, und du kannst dein Leben ändern.
Tony Robbins
Die Insel, die die meisten Menschen, die Mira kannte, als Paradies bezeichnet hätten, roch an diesem Morgen nach Abgasen, verkohltem Gummi und frittierten Bananen. Kuta war ein einziges pulsierendes Chaos, und mitten darin saß sie, eingeklemmt zwischen einem Fahrer, der nicht sprach, und einem Fenster, das sich nicht mehr schließen ließ. Mit jedem Hupen, das durch die klebrige Luft ins Innere des Wagens drang, fragte sie sich, wie es überhaupt möglich war, dass sich hier noch etwas bewegte.
Warum bin ich nicht einfach zu Hause geblieben?, dachte Mira in diesem Moment. Im Harz gab es doch so schöne Wellnesshotels. Dort hätte sie sich genau die Ruhe gönnen können, zu der ihre Schwester und der Jobwechsel sie verdonnert hatten, ohne in dieser Gluthitze im Stau zu stehen.
Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das war alles ganz schön viel. Der Lärm. Die Hitze. Die schwüle Luft. Die vielen Menschen. Diese »Pause«, die ihre Schwester Luna ihr verordnet hatte, hätte die nicht eigentlich viel erholsamer sein sollen?
Mira spürte in sich hinein. Dieses Gefühl kam ihr nur allzu bekannt vor. Die Enge in der Brust hatte sie auch vor drei Jahren verspürt, damals, als sie von einem Tag auf den anderen plötzlich nicht mehr aus dem Bett hatte aufstehen können. »Erschöpfungssyndrom«, hatte der Arzt gesagt, zu dem sie sich nach einer Woche geschleppt hatte. »Burn-out«, tuschelten sich die Kolleginnen und Kollegen im Büro zu, als wäre es eine ansteckende Krankheit. Mira hatte es erst gar nicht wahrhaben wollen. Sie, ein Burn-out? Das war doch lächerlich. Sie war die Überfliegerin gewesen. Die, die doppelt so viel hatte leisten können wie alle anderen. Die, die am Morgen als Erste da gewesen war und am Abend das Licht ausgemacht hatte.
Aber sie war auch die gewesen, die an manchen Abenden im Bett gelesen und aus dem Nichts solches Herzrasen bekommen hatte, dass ihr ganz mulmig geworden war. Manchmal passierte das sogar noch heute.
Die letzten Wochen hatten sich ähnlich angefühlt wie die Zeit vor Miras Burn-out. Aber sie konnte ja nicht schon wieder einen bekommen. Zweimal Burn-out? Unsinn. Sie hatte sich doch gekümmert. Eine Grundimmunität erarbeitet. Antikörper gegen die Überlastung gebildet. Nein, sie war einfach nur ein wenig gestresst. In der letzten Zeit war es auf der Arbeit hoch hergegangen. Und dann die Kündigung, die nächste Stufe auf der Karriereleiter. Noch mehr Arbeit …
Mira starrte auf die verstopfte Hauptstraße, während eine weitere Abgaswolke in den Minivan strömte. Die Klimaanlage hielt tapfer dagegen, der Fahrer hatte sie auf höchste Stufe gestellt, was jedoch nur ein schwacher Trost angesichts der Gerüche und der unendlichen Hitze war, die von der Hauptstraße ins Innere des Autos wehten. Der Verkehr kam Mira wie ein lebendiger Organismus vor, der aus Motoren, Flüchen und waghalsigen Überholmanövern bestand. Rollerfahrer drückten sich an stehenden Autos, Bussen und Lastwagen vorbei, fuhren im Zickzack und Schlangenlinien um sie herum, manchmal so knapp, dass Mira die Augen zukneifen musste. Touristen überquerten in offenbar selbstmörderischer Absicht blind die Straße, latschten einfach drauflos, ohne den Verkehr zu beachten, der allem Anschein nach zum Erliegen gekommen war. Doch wie auf ein geheimes Kommando setzten sich die Autos plötzlich in Bewegung, und die Fahrer, genervt von dem schrecklich langen Warten, waren nicht eben zimperlich, wenn sich jemand oder etwas ihnen in den Weg stellte.
Kuta war ein fürchterlicher Ort, der Ballermann von Bali. Eine Fast-Food-Kette grenzte an die andere, dubiose Wechselstuben, schmierige Massagesalons und abgetakelte Quick-Shops reihten sich aneinander wie Perlen an einer Kette. Die Hotels an der Hauptstraße, direkt hinter dem langen Strand, waren riesig und hässlich, nichtssagende Silos, in denen die Pauschaltouristen abgefrühstückt wurden. Natürlich nach westlichem Standard, was Bacon, Beans und labbriges Baguette bedeutete, denn nach authentischem balinesischem Essen suchte man in dieser Stadt vergebens.
Vor sieben Tagen war Mira in Kuta angekommen, nach einem langen, anstrengenden Flug, und wäre am liebsten direkt wieder umgekehrt, so laut und grell hatte sie der Ort mit seinen Geräuschen, Gerüchen und blinkenden Lichtern überrollt. Und das, obwohl sie es eigentlich mochte, wenn es trubelig und wuselig war. In ihrem Job war es ja nicht anders. Da war von morgens bis abends die Hölle los, alle naslang klingelte ihr Telefon, gab Piepgeräusche von sich, wenn eine Nachricht eintraf, es klopften Kolleginnen an die Tür, wollten Unterschriften, Vorgesetzte fragten nach einer Information, riefen ihr über den Gang Anweisungen zu. Mira arbeitete in einer Unternehmensberatung, und im Studium hatte sie noch geglaubt, dass dies ein gediegener Job war. Im Grunde war ihre Arbeit bei Consultixion aber genau wie eine Fahrt mit dem Taxi durch Kuta: laut, überfrachtet und überfordernd.
Nach der Burn-out-Diagnose damals hatte Mira deshalb auch das Gefühl gehabt, in einen geräuschlosen Raum zu fallen. Mit einem Mal war es im Außen so unendlich ruhig gewesen – in ihrem Inneren dafür aber umso lauter. Es war ihr vorgekommen, als ob all die Empfindungen, die sie jahrelang durch die Arbeit überhört hatte, auf einmal auf sie einprasselten. Vielleicht war Mira deswegen bis heute allzu viel Ruhe und Entspannung suspekt … dann hörte man die ganzen Störgeräusche im eigenen Selbst.
Zum Glück hatte sich Mira nach dem Schock der Diagnose und dem Dauerbeschuss ihrer Emotionen schnell berappelt und ihre Genesung mit demselben Feuereifer verfolgt, mit dem sie normalerweise auf der Arbeit performte. Ambulante Kurzzeittherapie, eine App mit Entspannungstechniken, Baldriantropfen vor dem Schlafengehen und das obligatorische Dankbarkeitstagebuch. Genau acht Wochen nach dem Tag, an dem sie das Bett nicht mehr hatte verlassen können, stand sie wieder im Büro auf der Matte. Lächelte, krempelte die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit. Sie hatte sich selbst geheilt, in Lichtgeschwindigkeit. »Typisch Mira«, hatte Luna danach gesagt.
Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. Nur ein kleiner Moment Ruhe. Ein Augenblick der Stille. Was würde sie nur dafür geben! Der Harz kam ihr auf einmal wirklich wie ein kleines Paradies vor.
Zum Glück war sie nach ihrer Ankunft in Kuta vor einer Woche nur eine Nacht in diesem Moloch geblieben, bevor es am nächsten Tag mit der Gruppenreise nach Ubud weitergegangen war, einem Ort im Landesinneren. Im spirituellen Zentrum der Insel war es ganz anders als in Kuta – wenn auch nicht weniger touristisch. Denn wenn Kuta für Party und Pauschale bekannt war, war Ubud es für Yoga und Kultur. Auch hier gab es viele Touristen, aber sie waren anders. Keine wild feiernden australischen Junggesellenabschiede, sondern kalifornische Yoginis in Schlabberhosen und Häkeltops. Diese nach Erleuchtung suchenden Hippies, die sich offensichtlich ein paarmal zu oft Eat Pray Love angeschaut hatten und Bali nun für ihr persönliches Mekka hielten, gingen Mira aber fast genauso auf den Keks wie die lauten, sonnenverbrannten Feierwütigen. Sie standen nämlich verdammt oft im Weg herum, weil sie ein Palmblatt fotografierten oder mit seligem Lächeln Frangipaniblüten vom Boden aufsammelten.
Eines konnte Mira mittlerweile mit Gewissheit sagen: Die Dichte der hippen Cafés und coolen Concept-Stores, die Hafermilch-Cappuccino und Açaí-Bowls oder stylishe, lokal hergestellte Ökoklamotten anboten, wuchs proportional zur Anzahl der anwesenden Influencer, egal ob in Berlin, Sydney oder Ubud. Wenn sie mit der Gruppe, mit der sie unterwegs gewesen war, an einer Sehenswürdigkeit oder einer Attraktion angehalten hatte, waren sie garantiert schon da gewesen: die jungen Frauen mit den in perfekte Wellen gelegten Haaren, die in langen, fließenden Gewändern oder ausgesprochen knappen Bikinis Bilder von sich machen ließen, natürlich vom Insta-Boyfriend, der ausschließlich deswegen da war, damit er die Ersatzoutfits anreichen oder die unzähligen Fotos und Videos schießen konnte. Bis heute hatte Mira nicht verstanden, warum man so viel Geld ausgab, um in ein weit entferntes Land zu reisen, wenn man in Wahrheit nur eine Kulisse suchte, um den Daheimgebliebenen zu zeigen, was für ein tolles und aufregendes Leben man führte.
Na ja, überlegte sie, du wolltest ja auch lieber nach Bali als nach Bad Sachsa.
Der Minivan holperte über eine Bodenwelle, und Mira wurde durchgeschüttelt. »Wie lange dauert es noch?«, fragte sie ihren Fahrer, einen jungen Mann, dessen Namen sie schon wieder vergessen und der seit dem Moment, in dem er sie im Hotel eingesammelt hatte, auf sein Handy starrte, während er den Wagen langsam durch die verstopfte Hauptstraße bugsierte.
»Zwei Stunden. Vielleicht drei«, antwortete er mit einem Lächeln, während sein Blick den ihren im Rückspiegel suchte.
Mira blies die Backen auf und seufzte. Warum hatte sie sich ausgerechnet für dieses Surfcamp im Westen der Insel entschieden? Warum nichts um die Ecke? Näher an der Zivilisation? Weil du keine Ahnung hattest, wie lange man auf Bali für achtzig Kilometer braucht, gab sie sich selbst die Antwort.
Je weiter sie sich von dem pulsierenden, blinkenden Zentrum von Kuta entfernten, desto besser roch die Luft. Mittlerweile fuhren sie so schnell, dass sogar ein wenig Fahrtwind für Abkühlung sorgte.
Mira hing ihren Gedanken nach – dazu hatte sie in den vergangenen sieben Tagen kaum Gelegenheit gehabt. Zu viel hatte auf dem Programm gestanden, zu viele Menschen waren um sie herum gewesen. Eigentlich war das ja genau nach Miras Geschmack, und ebendarum hatte sie sich auch für das Resort in Pulukan entschieden, wo sie die kommenden zwei Wochen verbringen würde: weil sie dort jeden Tag an einem Surfkurs teilnehmen konnte und zahlreiche andere optionale Aktivitäten zur Auswahl standen.
Im Vorfeld der Reise waren die wenigen Menschen, denen sie von ihrem Trip erzählt hatte, ins Schwärmen geraten. »Oh, Bali, was für ein Traum!«, hatten die einen gerufen. »Da wollte ich immer schon mal hin«, hatten die anderen geseufzt. Und wenn sie dann gehört hatten, dass Mira ganze drei Wochen auf der indonesischen Insel verbringen würde, waren sie ausgeflippt. Dabei wäre Mira in diesem Moment viel lieber zu Hause gewesen und hätte gearbeitet. Der Urlaub war mehr oder weniger eine notgedrungene Entscheidung gewesen, Mira bedeutete ihr Job nämlich so ziemlich alles.
Sie war gut darin, das war das eine. Eine hervorragende, blitzgescheite und hochfunktionale Unternehmensberaterin. Sie liebte aber auch das Gefühl der Kontrolle, das ihr der Job vermittelte. Wenn sie zum Beispiel vor einem Dutzend mittelalter weißer Anzüge und Kostüme in den unterschiedlichsten Grautönen stand und in ihrer schonungslosen Analyse vorrechnete, wie wenig lukrativ das ach so tolle Business in Wahrheit war. Während der zwei Burn-out-Monate hatte sie gelesen, dass Selbstwirksamkeit eine der wichtigsten Zutaten im beruflichen Leben war: das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Herausforderungen zu meistern und Ziele zu erreichen. Darin war Mira richtig gut, im Erreichen der Ziele, die sie sich setzte. Und ihr nächstes Ziel lautete Elevation Nexus. Ein noch größerer Laden, in dem man ihr noch mehr Verantwortung übergeben würde.
Unglücklicherweise würde es aber noch dauern, bis sie bei Elevation Nexus ihren Schreibtisch einrichten konnte. In der alten Firma hatte sie vor vierzehn Tagen gekündigt und nun gezwungenermaßen vier Wochen frei, bevor es auf der neuen Stelle losging. Denn egal, wie oft sie es angeboten hatte: Im neuen Unternehmen wollte man sie erst zu Beginn des zweiten Quartals sehen, am 1. April. Und in dem alten Unternehmen hatte man sie in der Sekunde, in der sie ihre Kündigung eingereicht hatte, beurlaubt. So war es üblich in ihrer Branche, nicht mal richtig verabschieden hatte sie sich von den Leuten bei Consultixion können. Obwohl sie zugeben musste, dass das im Grunde auch gar nicht nötig war, denn dass man sich mit Kolleginnen und Kollegen höchstens mal auf ein Feierabendbier traf, aber nicht anfreundete, das war ein ungeschriebenes Gesetz in ihrer Branche und eine Überzeugung, die Mira noch in ihrem ersten Jahr verinnerlicht hatte.
Mit Mitte dreißig blickte sie bereits auf eine Karriere zurück, die ausgesprochen steil verlaufen war und auch in Zukunft nur nach oben zeigen würde. Ihr Studium hatte sie in Rekordzeit hinter sich gebracht und gerade einmal zwei Tage nach der letzten Prüfung bei einer kleinen Unternehmensberatung angefangen. Seitdem kletterte sie die Karriereleiter hoch, ohne Zäsur, ohne Zweifel, ohne Zögern. Wenn es ihr in dem Unternehmen, in dem sie arbeitete, zu langsam voranging oder die Leute sie nervten, bewarb sie sich auf eine höhere Stelle in einem anderen Laden. Binnen einer Dekade war sie bei ihrem fünften Arbeitgeber angekommen und hatte in ihrem Handy mehr Nummern von Headhuntern eingespeichert als von Freunden. Aber Mira machte das nichts aus. Ihr fehlte es an nichts. Beziehungen waren ihr nicht sonderlich wichtig, deshalb war sie Single und gönnte sich maximal eine Affäre pro Jahr. Sie wollte hoch hinaus, so hoch es ging, und sie wusste, dass das nicht möglich war, ohne das eine oder andere Opfer zu bringen. Von nichts kommt nichts, daran glaubte sie bedingungslos. Sie hatte vor, es bis vierzig ins Topmanagement geschafft zu haben. Danach konnte sie sich auf ihren Erfolgen ausruhen und sich um das Private kümmern. Heutzutage war es ja kein Problem mehr, wenn man als Frau erst nach der Karriere Kinder bekam. Und selbst wenn es nicht mehr funktionieren sollte mit der erfüllten Partnerschaft und dem Nachwuchs: Dann würde sie sich eben einen Hund anschaffen und viermal im Jahr an die schönsten Orte der Welt in den Urlaub fahren.
Es klang so einfach und so schön. Vielleicht sogar ein wenig zu schön, um wahr zu sein. Denn seit einem halben Jahr spielte Miras Körper nicht mehr so mit, wie sie sich das vorstellte. Sie litt an plötzlichen Schwindelanfällen, an Kopfschmerzen, und morgens fühlte sie sich zuweilen, als wäre sie hundert Jahre alt. Vom gelegentlichen nächtlichen Herzrasen gar nicht zu reden. Immerhin: Sie fühlte sich nicht wie bei ihrem Burn-out damals, als sie ihren Körper gar nicht mehr hatte bewegen oder spüren können. Das hatte sie in regelmäßigen Abständen überprüft. Und doch verunsicherten sie diese Momente der Schwäche. Denn wie sollte sie weiter Bestleistungen abrufen, wenn ihr Körper nicht mitspielte?
Alles eine Frage der richtigen Einstellung, sagte sie sich ein ums andere Mal. Auch wenn sie manchmal am Nachmittag so müde war, dass sie sich hinter ihrem Schreibtisch hinlegen musste, natürlich nur für fünfzehn Minuten und immer in der Sorge, dass jemand sie bei ihrem Powernap erwischen könnte. In ihrer Position benötigte man keine Pausen und keine Mittagsschläfchen und auch keinen »purpose«, denn man hatte Geld, Erfolg und Macht, und das entschädigte für so ziemlich alles.
»Du hörst dich an wie einer dieser Investmentbanker in The Wolf of Wall Street«, sagte Luna manchmal kopfschüttelnd, wenn Mira einen weiteren Rat ihrer Schwester abwehrte, auf der Arbeit mal etwas kürzerzutreten und mehr auf ihre Gesundheit zu achten. »Und wenn du nicht aufpasst, fällst du tot um, bevor du vierzig bist.«
Luna war zwei Jahre jünger und die einzige Person, die Mira aus ihrem nicht beruflichen Leben in den Favoriten gespeichert hatte. Ihr fühlte sie sich verbunden, obwohl sie so unterschiedlich waren, wie man es überhaupt nur sein konnte. Luna, die es in der Schule immer schwer gehabt hatte, war Erzieherin geworden und glücklich mit ihrer Wahl – sie wäre aber niemals auf die Idee gekommen, am Wochenende in den Kindergarten zu gehen, in dem sie arbeitete, um etwas vorzubereiten oder aufzuräumen.
»Ich liebe meine Kinder, aber meinen Feierabend liebe ich mindestens genauso sehr«, sagte Luna oft.
Obwohl ihr Job sie glücklich machte, war er nicht ihr Lebensinhalt – das war der Gnadenhof, auf dem sie ehrenamtlich fast jeden Tag arbeitete. In die Jahre gekommene Ponys vom Jahrmarkt, vor dem Schlachter gerettete Kühe, unvermittelbare Hunde aus dem Tierschutz, Hühner, die bis zu ihrer Befreiung aus den Legebatterien nie den Himmel gesehen hatten, vergessene Wellensittiche und sogar ein Teich mit Koikarpfen, die man in einem japanischen Restaurant in Düsseldorf beschlagnahmt hatte, wo die Besitzer sie unter vollkommen unangemessenen Bedingungen gehalten hatten – das war Lunas Welt. Eine Welt, in der die Aufgaben nie endeten und das Geld immer knapp war, weshalb Mira jedes Jahr großzügig an den Gnadenhof spendete. Mehr um ihrer Schwester eine Freude zu machen, als dem ganzen Getier zu helfen, aber das war ein netter Nebeneffekt. Solange Luna glücklich war, war Mira es auch … nur eben dann nicht, wenn ihre jüngere Schwester ihr wegen der Work-Life-Balance in den Ohren lag.
»Du siehst scheiße aus«, hatte Luna zu ihr gesagt, ein paar Tage bevor Mira nach Bali geflogen war. »Tu mir einen Gefallen und mach wirklich mal Urlaub. Keine Action, keinen durchgetakteten Tagesplan, sondern auf einer Liege am Pool herumgammeln und nichts tun. Sag den Surfkurs ab und probier Yoga. Das wird in dem Resort doch auch angeboten. Denkst du, du bekommst das hin?«
»Yoga. Nichts tun. Prima«, hatte Mira gemurmelt, und beiden Schwestern war gleichermaßen klar gewesen, dass es eine Lüge war.
Mira hasste nichts mehr als Nichtstun. Sie wollte aktiv sein, etwas erleben, noch lieber etwas machen, und bei allem immer vorankommen. Sie beschäftigte sich nicht gern mit der Vergangenheit und war nur selten wirklich im Moment, sondern interessierte sich eigentlich nur für das, was vor ihr lag – die hoffentlich goldene Zukunft.
Gleichwohl spürte sie, dass ihr Körper vielleicht wirklich eine kleine Atempause brauchen könnte, auch wenn ihr Hirn das nicht wahrhaben wollte. Im neuen Job würde es noch mehr zur Sache gehen als im alten. Das Unternehmen, bei dem sie in drei Wochen anfing, war dafür bekannt, mit den Angestellten nicht gerade zimperlich umzugehen. Es galt genau aus diesem Grund als Sprungbrett in die nächste Einkommensklasse. Wer es dort schaffte, der schaffte es überall. Und Mira hatte nicht vor, an dieser nächsten Hürde zu scheitern.
Das alles – die Kündigung, die Zwangspause bis zum 1. April, aber auch diese merkwürdige Müdigkeit, die durch Ausschlafen nicht in den Griff zu bekommen war, und natürlich das nervige Drängeln von Luna – hatte sie dazu gebracht, den freien Monat zwischen den beiden Anstellungen mit einem Bali-Urlaub zu füllen. Erst sieben Tage Gruppenrundreise, danach zwei Wochen Surfcamp – das war genau das Richtige. Und falls sie nach den sicher anstrengenden Kursen Tag für Tag immer noch Langeweile hatte, könnte sie es eventuell tatsächlich mal mit Yoga probieren. Vielleicht. Auch wenn sie wusste, dass sie es nur Luna zuliebe versuchen würde, denn sie war für diese komische Gymnastik nicht gemacht. Dafür war Mira viel zu ungeduldig.
Endlich verließen sie den Ballungsraum von Denpasar und Kuta, und für die nächsten zwanzig Minuten fuhr der Minivan mit achtzig Kilometern pro Stunde auf der Schnellstraße entlang. Mira holte ihr Handy aus der Tasche und überprüfte ihre Nachrichten. Dann fiel ihr ein, dass es in Europa ja noch mitten in der Nacht war. Sie entschloss sich dennoch dazu, ihrer Schwester eine Sprachnachricht aufzunehmen, die sie dann direkt nach dem Aufstehen abhören konnte.
»Guten Morgen, du Schlafmütze«, begann sie und musste unweigerlich grinsen – bei sieben Stunden Zeitverschiebung war es natürlich keine Kunst, früher aufzustehen als die Daheimgebliebenen. »Ich bin jetzt auf dem Weg nach Pulukan, ins Surfcamp. Die Rundreise war total schön, wir haben echt viel gesehen und fast jeden Abend Party gemacht.« Sie gähnte. »Das war jetzt nicht unbedingt der Entspannungsurlaub, den du für mich vorgesehen hast. Aber nun kommt ja der zweite Teil am Arsch der Welt. Ich gehe davon aus, dass da mit Party nicht viel sein wird. Ich melde mich, wenn ich da bin. Vielleicht können wir in den nächsten Tagen mal wieder facetimen? Fotos bekommst du ja sowieso, ob du willst oder nicht.« Sie lächelte erneut, auch wenn sie wusste, dass Luna es nicht sehen konnte. »Komm gut in den Tag, hab dich lieb. Bis später!«
Mira steckte das Handy wieder weg und warf einen Blick aus dem Fenster. Mittlerweile hatten sie die Schnellstraße verlassen und waren auf einer zweispurigen Fahrbahn durch eine ländlichere Umgebung unterwegs. Sie passierten dörfliche Ortschaften, in denen sich Warungs – kleine inhabergeführte Suppenküchen und Straßenrestaurants – an Autowerkstätten im DIY-Stil und Rollerverleiher reihten. Hunde, manche mit Halsband, aber die meisten ohne, lagen oder saßen vor den Läden und chillten, den vorbeibrausenden Verkehr schienen sie gar nicht zu beachten. Menschen liefen herum, deutlich weniger Touristen als in Kuta, dafür mehr Einheimische. Sie trugen prall gefüllte Plastiktüten, Körbe mit Hühnern oder Wasserkanister durch die Gegend, fegten die Einfahrten, die in einer halben Stunde wieder eingestaubt sein würden, oder rückten die Canang Sari zurecht, die kleinen Opfergaben in den Hofeinfahrten oder auf den Stufen zu einem Lokal, die durch eine Unachtsamkeit durcheinandergewirbelt worden waren.
Auf Bali stolperte man alle naslang über eine den Göttern dargebotene Gabe, denn der Alltag der Balinesen war voller Rituale und Bräuche. Vor fast jedem Haus legten die Bewohner allmorgendlich ein Palmblatt mit Blüten, Reis, Betelnüssen, einem Duftstäbchen und ein paar Geldmünzen oder Scheinen ab. Das waren die Canang Sari. Sie wurden Göttern, Naturgeistern und Ahnen dargebracht, um Dankbarkeit zu zeigen und Harmonie im Universum zu bewahren. Mira hatte keine Ahnung, wie das Zeug auf dem Palmblatt Harmonie im Universum herstellen sollte, aber als bekennende Atheistin war sie vielleicht auch nicht die beste Ansprechpartnerin für derlei Themen. Und immerhin sahen die kleinen Arrangements ausgesprochen hübsch aus.