Die Mordsfrau! - Gesine Schulz - E-Book
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Die Mordsfrau! E-Book

Gesine Schulz

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Beschreibung

Eine Frau für alle Fälle: Der humorvolle Krimi-Sammelband »Die Mordsfrau!« von Gesine Schulz jetzt als eBook bei dotbooks. »Kann Karo schießen? – Selbstverständlich. Karo kann sehr gut schießen. Sie trifft nur nicht immer.« Karo ist eine Frau mit vielen Talenten: Ob als Putzfrau, Mörderjägerin oder Ferkel-Kidnapperin – Karo Rutkowsky ist mit allen Wischwassern gewaschen! Und ihre Klienten wissen das zu schätzen. Erst recht, wenn bei ihnen ein Toter in der Badewanne sitzt und kurz darauf sein Bad unfreiwillig im Rhein fortsetzt, wenn einem Altersheim beinahe das Rauschgiftdezernat auf die Pelle rückt, oder ein berühmter Schauspieler nach einer authentisch scheinenden Sterbe-Darbietung nicht mehr aufsteht … Karo Rutkowsky: Die Privatdetektivin mit schwacher Auftragslage sowie erfolgreiche Putzfrau von Villen und Lofts, erledigt ihre Fälle mit Schwung – nicht immer legal, aber gründlich! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der humorvolle Kurzkrimi-Sammelband »Die Mordsfrau!« von Gesine Schulz. Trockener Humor gepaart mit einer Prise Ironie: Als hätte Janet Evanovich eine Episode für »Der Tatortreiniger« geschrieben! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 339

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Über dieses Buch:

»Kann Karo schießen? – Selbstverständlich. Karo kann sehr gut schießen. Sie trifft nur nicht immer.«

Karo ist eine Frau mit vielen Talenten: Ob als Putzfrau, Mörderjägerin oder Ferkel-Kidnapperin – Karo Rutkowsky ist mit allen Wischwassern gewaschen! Und ihre Klienten wissen das zu schätzen. Erst recht, wenn bei ihnen ein Toter in der Badewanne sitzt und kurz darauf sein Bad unfreiwillig im Rhein fortsetzt, wenn einem Altersheim beinahe das Rauschgiftdezernat auf die Pelle rückt, oder ein berühmter Schauspieler nach einer authentisch scheinenden Sterbe-Darbietung nicht mehr aufsteht …

Karo Rutkowsky: Die Privatdetektivin mit schwacher Auftragslage sowie erfolgreiche Putzfrau von Villen und Lofts, erledigt ihre Fälle mit Schwung – nicht immer legal, aber gründlich!

Über die Autorin:

Gesine Schulz wurde in Niedersachsen geboren und ist im Ruhrgebiet aufgewachsen. Weil sie Bücher mochte und die Welt sehen wollte, wurde sie Bibliothekarin und ging für mehr als zehn Jahre ins Ausland. Zurzeit lebt sie als Autorin überwiegend im Ruhrgebiet, ist aber auch gerne in Irland, wo ihr zweiter Schreibtisch steht. Gesine Schulz rief 2004 den »Internationalen Tag der Putzfrau« ins Leben, der seitdem am 8. November begangen wird.

Die Website der Autorin: www.gesineschulz.com

***

eBook-Sammelband-Ausgabe Juni 2019

Die jeweiligen Copyright-Angaben der enthaltenen Kurzgeschichten finden Sie am Ende dieses eBooks.

Copyright © der Neuausgaben 2015 dotbooks GmbH, München

Copyright © der vorliegenden Sammelband-Ausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Bomshtein, Militarist, riekephotos, mangpor 2004, Africa Studio, khuruzero, shamecun, Aquarius Studio

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)

ISBN 978-3-96148-319-8

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

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Gesine Schulz

Die Mordsfrau!

Privatdetektivin & Putzfrau Karo ermittelt

dotbooks.

Inhalt

Ausgebadet

Fieberhafte Suche

Süße Ruh’

Häufig gestellte Fragen über die Privatdetektivin & Putzfrau Karo Rutkowsky

Café mit Schuss

Privatissima in Wesel

Hallo Essen! Oder: Grab mit Aussicht

In Vino Sanitas

Das Panama-Huhn

Die nackte Wahrheit

After Eight

Greiffenstein junior

Karo hat Schwein

Requiem für einen Goldfisch

Lesetipps

Ausgebadet

Karo hievte einen Hocker auf den Tisch und stieg hinauf. Sie ging vorsichtig in die Knie, um nach dem Lappen zu greifen, als plötzlich jemand am Tisch ruckte. Sie verschluckte ihren Schrei und umklammerte den Fenstergriff. Die Birken und Bahngeleise unter ihr verschwammen. Karo war nicht schwindelfrei. Ohne den Griff loszulassen, drehte sie sich langsam um.

Karsten Baecker grinste. »Hey! Sie haben doch keinen Schreck gekriegt?«

»Herr Baecker!« Sie ignorierte seine ausgestreckte Hand und ließ sich auf den Boden herab. »Herr Baecker, ich habe es Ihnen mehr als einmal gesagt: Ich finde Ihre kleinen Scherze nicht witzig. Habe sie nie witzig gefunden. Werde sie nie witzig finden. Und wenn Sie damit nicht aufhören …«

»Ja?«

»Kündige ich.«

»Och, Frau Rutkowsky, nö. Das können Sie mir doch nicht antun.« Er ließ eine blonde Strähne über seine Augen fallen und verströmte jungenhaften Charme.

»Ich hätte gleich nach der abgehackten Hand im Gemüsefach gehen sollen.«

»Die war stark. Sah die nicht so was von echt aus? Die war gelungen.«

Karo schüttelte den Kopf. »Amüsieren Sie Ihre Kunden mit Ihrem Humor und verschonen Sie mich. Sonst mache ich Ernst.«

»Meine Kunden? Aber Frau Rutkowsky! Wie stellen Sie sich das vor? Seriosität ist im Bankgeschäft das oberste Gebot.«

Karo zuckte mit den Schultern. Das war es ja. Sie konnte sich diesen munteren Endzwanziger nicht als ernsthaften Banker vorstellen. Und doch musste er es sein. War er es. Erfolgreich dazu. Als Anlageberater bei der Düsseldorfer Filiale einer Kölner Privatbank. Als Börsenspekulant. Und neuerdings auf dem Immobilienmarkt.

Wohnen in alten Industriegebäuden wie dieser ehemaligen Maschinenhalle auf Zeche Zollverein. Von solch einem Loft träumte sie.

»Dann suchen Sie sich ein anderes Opfer für Ihre Scherzchen. Und die Fenster putze ich heute nicht. Ich brauche eine stabile Leiter. Sie wollten eine besorgen. Erinnern Sie sich?«

Baecker schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Vergessen! Tut mir leid. Nächste Woche ist sie da. Hand aufs Herz. Übrigens, Frau Rutkowsky, nächste Woche kommen die ersten Interessenten für den Loft in Duisburg. Könnten Sie ihn Montag oder Dienstag auf Hochglanz bringen?«

»Montag geht.« Als Privatdetektivin war sie zurzeit weniger gefragt. Mit ihrem Zweitjob als schwarzarbeitende Putzfrau in den Villen des Essener Südens verdiente sie noch das meiste Geld. Normalerweise akzeptierte sie nur Putzstellen innerhalb der Stadtgrenze. Aber sie hatte Zeit. Und Baecker hatte ihr für diesen Ausflug an den Rhein das Doppelte ihres nicht gerade niedrigen Stundensatzes geboten.

»Bon.« Er nickte. »Ich hole Sie Montag gegen elf Uhr ab.«

»Na? Na, was sagen Sie? Ist das was?«, fragte Baecker.

Karo nickte. Eine Seite des dunkelroten Backsteingebäudes spiegelte sich in einem der Ruhrorter Hafenbecken. In der Nachbarschaft von mächtigen Lagerhäusern und Kränen, die wie Riesenkraniche aussahen, wirkte das vierstöckige ehemalige Verwaltungsgebäude beinahe zierlich.

»Unten kommt ein Restaurant rein. Es gibt bereits Interessenten. Darüber die vier Lofts.« Er schloss eine breite Eisentür auf. »Kommen Sie. Hinter der roten Tür ist ein Treppenhaus. Aber zum Haupteingang jeder Wohnung führt der Fahrstuhl.«

Es war kein Versuch gemacht worden, den Lastenaufzug aus den vierziger Jahren zu verschönern. In dem harschen Licht der von einem Gitter geschützten Deckenleuchte trat jeder Kratzer auf den Fahrstuhlwänden deutlich hervor.

Mit einem Schlüssel aktivierte Baecker den Aufzug. »Funktioniert nur mit dem Schlüssel oder durch Knopfdruck aus der jeweiligen Wohnung. Hoher Sicherheitsfaktor.«

Der Fahrstuhl glitt schnell und fast geräuschlos in den vierten Stock.

Karo war beeindruckt. »Neue Technik?«

Baecker grinste. »Die beste. Erwartet man nicht, oder?«

Die Tür öffnete sich und sie traten in den Wohnraum.

Karo nickte. Der Junge hatte was. Den Blick. Und den Mut. »Von Ihnen eingerichtet?«

»Nach meinen Vorstellungen von einer Innenarchitektin. Ina VanCampe. Kennen Sie vielleicht?«

»Mhm.« Aus den Architekturzeitschriften und Gesellschaftsjournalen einiger Villenhaushalte, die sie putzte. »Kostspielig.«

»Mindestens. Hat sich aber gelohnt. Ich hole es beim Verkauf des Lofts wieder rein. Dicke. Und mit dem Erlös renoviere ich die nächste Etage. Und so weiter. Als nächstes Objekt peile ich eine alte Zuckerrübenfabrik hier am Niederrhein an. Mit dazugehöriger Anlegestelle und Pappelallee.«

So machte man das. Vielleicht hätte sie lieber eine Banklehre machen sollen, statt arbeitslose Lehrerin zu werden. Dann wäre sie jetzt keine Putzfrau. Und Privatdetektivin, ermahnte Karo sich. Erfolgreiche Putzfrau und aufstrebende Privatdetektivin.

Der Loft war riesig. Mindestens dreimal so groß wie sein anderer in Katernberg. Nichts für Leute mit Platzangst. Dunkler Hartholzfußboden so weit das Auge reichte. Durch die Fensterfront flutete Licht bis unter die hohe Decke und in die letzten Winkel der paar Außenwände.

Überdimensionale Sofas und verwitterte Kabelrollen als Beistelltische bildeten den Wohnzimmerteil. Nicht weit davon befand sich eine Küchenzeile mit Theke. In der Ferne machten einige Fitness-Geräte den Eindruck moderner Skulpturen. Am anderen Ende des Raumes enthüllte ein transparenter Paravent das niedrige Bett und dunkle Schrank-Kuben.

Baecker deutete auf eine eingezogene Wand mit geschlossener Tür. »Das Bad. Ich verschwinde mal kurz.«

Karo trat ans Fenster. Der weite Blick auf den Rhein und die Hafenanlage war spektakulär. Sogar die Spitze von Rheinorange, der Skulptur, die den Zusammenfluss von Rhein und Ruhr markierte, war sichtbar.

Sie hörte, wie sich die Badezimmertür wieder öffnete und wandte sich um. »Wo haben Sie den Staubsauger und die Putz–«

Baecker sah aus, als habe er einen Geist gesehen.

»Ist Ihnen nicht gut? Sie sind ganz blass.«

Er deutete mehrmals ruckartig hinter sich.

Karo ging an ihm vorbei ins Bad und blieb stehen. Sie wollte dieses Badezimmer! Ziegelwände, Schieferboden und an der Stirnseite ein Fenster, das bis auf den Boden reichte. Sie trat mit langsamen Schritten näher ans Fenster und sah leicht schwindelig hinab.

Träge Wellen schwappten ans Gebäude. Ein touristenbeladener Rheindampfer bewegte sich flussabwärts. Karo wandte sich um. Die freistehende gusseiserne Badewanne war ein Museumsstück. Da war Vorsicht beim Saubermachen angesagt. Karo ging auf sie zu. Blieb stehen. Wurde ebenfalls blass. Versuchte, ruhig zu atmen, und beugte sich wieder vor.

Auf den zweiten Blick sah es gar nicht mehr so echt aus. Aber echt genug. Und anatomisch korrekt.

Karos Blutdruck schoss in die Höhe.

Sie schoss aus dem Badezimmer.

»Herr Baecker! Jetzt reicht’s. Wenn Sie das witzig finden, sollten Sie sich behandeln lassen. Ich habe genug. Jemand mit einem schwachen Herzen, der das für echt gehalten hätte, den hätten Sie glatt umbringen können mit solch einem Schreck. Ist Ihnen das eigentlich klar?«

Er sah auf wie aus einem Traum. »Nicht echt? Sie meinen, das ist kein Toter?«

Karo stampfte mit dem Fuß auf. »Nun hören Sie schon auf damit. Ich falle auf Ihre Tricks nicht mehr rein. Ich –«

Baecker schob sie zur Seite und ging ins Bad. Karo hörte ein kurzes Plätschern des Badewassers, ein gurgelndes Stöhnen, dann stand Baecker wieder in der Tür. Die Hemdmanschette und der rechte Anzugärmel waren nass.

»Er ist … ich habe …«, sagte Baecker und fiel um.

Karo stemmt die Arme in die Seiten und sah kopfschüttelnd auf ihn hinab. »Ohnmacht müssen Sie noch üben, Herr Baecker«, sagte sie und ging.

Sie ging ziemlich lange, wütend vor sich hinschimpfend, bis sie zu einer Kneipe kam und sich ein Taxi rufen ließ.

»Wohin?«, fragte der Taxifahrer.

Nach Essen-Süd, hätte sie am liebsten gesagt, so, wie sie behandelt worden war! Die Vernunft siegte. »Zur nächsten S-Bahn-Station bitte.«

Donnerstagnachmittag saß sie in ihrem Büro in der Lichtburg und kaute auf einem Bleistift. Das Telefon blieb stumm. Niemand brauchte eine Privatdetektivin. Regen pladderte an die Scheiben. Die Schreibtischlampe beschien den Staub auf dem Schreibtisch und ließ den Rest ihres kleinen Fünfziger-Jahre-Büros im Halbdunkel. Einziger Farbfleck war der apricotfarbene Cocktailsessel. Einst hatte Romy Schneider in ihm gesessen. Karo hatte ihn mal aus der Film-Bar mitgehen lassen. Mit einem Seufzer fischte Karo die Zeitung wieder aus dem Papierkorb. Dass selbst die FAZ eine kurze Meldung brachte, unterstrich den Ernst der Lage.

Lichtburg wieder in Gefahr

Nachdem die Zukunft des traditionsreichen Essener Filmpalastes endlich gesichert schien, machte die Stadt Essen gestern zum vierten Mal eine Kehrtwende. »Leere Stadtkassen zwingen uns zu diesem Schritt«, heißt es in einer Pressemitteilung.

Voraussichtlich wird das Kino zu einem Las Vegas artigen Vergnügungszentrum umgebaut, mit einer Spielbank, tausend einarmigen Banditen sowie zwei Striptease-Bars, eine davon für die Damenwelt.

Es war deprimierend. Nicht nur, weil ihr Büro wieder in Gefahr war, aber auch. Inzwischen mochte sie ihr schäbiges Büro, in dem selbst der Mantelhaken an der Wand noch aus der Hoch-Zeit des Kinos in den fünfziger Jahren stammte. Und die Miete war günstig.

Das Telefon überraschte sie. Es klingelte.

Giorgio aus der Film-Bar eine Etage tiefer warnte: »Kunde im Anmarsch!«

»Zeichen und Wunder«, murmelte Karo. Sie stopfte die FAZ zurück in den Papierkorb, verteilte aufgeschlagene Aktenordner, Gesetzbücher, Fahrpläne und einen Schreibblock über den Schreibtisch. Den Telefonhörer in der Hand wartete sie auf das Klopfen an der Tür.

»Herein«, sagte sie und ins Telefon: »Vielen Dank, gnädige Frau. Es freut mich, dass Sie mit meiner Arbeit zufrieden sind. Auf Wie–« Karo warf den Hörer auf die Gabel. »Sie schon wieder! Sie haben vielleicht Nerven!«

Baecker hob beschwichtigend eine Hand. »Ein Fall! Ich habe einen Fall für Sie. Hören Sie mich doch wenigstens an.«

Er ließ sich auf den Rand des Besucherstuhls nieder und schob ihr eine herausgerissene Zeitungsseite rüber.

»Aus der WAZ von gestern«, sagte Karo. »Duisburger Ausgabe. Na, und?«

Baecker tippte auf das Porträt eines schnurrbärtigen Mannes.

»Wer kennt den Ertrunkenen?«, las Karo halblaut. »Spaziergänger entdeckten gestern in Duisburg-Ruhrort eine unbekleidete männliche Leiche im Rhein. Sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen. – Und?«

»Ja, erkennen Sie ihn denn nicht? Der Mann in meiner Badewanne.«

Karo schloss ihre Augen. Wie würde sie diesen Verrückten wieder los?

Baecker schwenkte eine zweite Zeitungsseite. »Von heute«, sagte er. »Hören Sie: Die Obduktion des am Dienstag im Rhein gefundenen Toten ergab, dass der Mann nicht dem Rhein zum Opfer gefallen ist. Er ist in einem Gemisch aus Leitungswasser und Badeöl ertrunken, vermutlich in einer Badewanne. Aufgrund der Druckspuren über seinen Fußknöcheln nimmt die Kripo an, dass er ermordet wurde. Seine Identität liegt noch im Dunkeln. Kommissar Kinski gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass das ungewöhnliche, ebenfalls noch nicht identifizierte Badeöl auf eine Spur führen könnte. – Sie müssen den Fall übernehmen, Frau Rutkowsky. Bitte! Der Mann lag in meiner Wanne. In meinem Badeöl. Man wird mich für den Mörder halten.«

Karo nahm sich das Foto noch einmal vor. »Also, eine gewisse Ähnlichkeit ist da … eine ziemliche. Der … der Mann in der Wanne war also echt? Und tot?«

Baecker nickte heftig.

Peinlich, dachte Karo. Das ist ja so peinlich. Sie unterdrückte den Impuls, sich mehrmals gegen die Stirn zu schlagen.

»Nun, mh, gut«, sagte sie. »Gehen wir davon aus, dass dieser Mann tot in Ihrer Wanne lag. Die Frage ist, wie kam er da hin?«

Baecker nickte.

»Die andere Frage ist, Herr Baecker, wie kam er in den Rhein?«

Baecker zuckte mit den Schultern. »Er muss abgetrieben sein.«

»Aus Ihrer Wanne? Schwer vorstellbar.«

»Aus dem Hafenkanal natürlich. Aus dem Hafenkanal in den Rhein. Das ist doch nicht weit.«

Karo kritzelte Kringel in ihren Notizblock. »Bleibt immer noch die Frage, wie die Leiche in den Hafenkanal gelangte.«

»Ach so. Na, ich habe sie … ihn … hinein– … hineingeworfen. Durch das Badezimmerfenster. Es ist sehr groß. Sie haben es gesehen. Es war trotzdem nicht ganz einfach.«

»Das war keine gute Idee, Herr Baecker.«

»Ich hielt es für eine ausgezeichnete Idee. Ich wollte ihn loswerden. Und wenn das blöde Badeöl nicht wäre, könnte mich niemand mit dem Toten in Verbindung bringen. Ich schwöre, wenn Sie mich heil da rausbringen, Frau Rutkowsky, werde ich mein Badeöl nur noch bei Aldi kaufen.«

»Ich verstehe nicht ganz. Was ist denn mit dem Öl?«

»Es ist von Lifestyle-Rezeptur. Als ich neulich in Berlin war, habe ich es mir mitgebracht.«

»Oh! … Oh, da sitzen Sie aber in der Patsche. Das ist doch dieser Schicki-Micki-Laden. Individuelle Kosmetik nach Sternzeichen, Augenfarbe und so weiter.«

»Schicki-Micki. So ein Quatsch. Es geht um ganz individuell abgestimmte Kosmetik und Körperpflege, welche die neusten Forschungsergebnisse einbezieht, aber eben auch Aromatherapie, Ayurveda, Thalasso und das alles.«

»Und Sternzeichen.«

»Na ja, auch. Kann ja wohl nicht schaden.«

»Im Klartext heißt das: In diesem Berliner Laden gibt es Unterlagen, in denen das Rezept Ihres persönlichen Badeöls verzeichnet ist und –«

»Rasierwasser auch.«

»Okay, und was noch? Ihr Name?«

Baecker nickte. »Name, Anschrift und andere persönliche Einzelheiten.«

»Aus einer Analyse des Badezusatzes könnte man mit Hilfe von Lifestyle-Rezeptur also auf Sie kommen. Dann wundere ich mich, dass die Polizei noch nicht bei Ihnen war.«

»Vielleicht wissen die noch nicht, woher das Öl stammt.«

Karo griff nach dem Telefon und ließ sich von der Auskunft die Berliner Nummer geben.

»Lifestyle-Rezeptur, guten Tag. Hier spricht Carolin-Marie. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Tag«, sagte Karo. »Ein Freund bezieht sein Rasierwasser von Ihnen. Ich würde gerne eine Flasche bestellen. Als Geschenk. Geht das telefonisch?«

»Selbstverständlich, kein Problem. Wir akzeptieren die meisten Kreditkarten. Allerdings können wir Aufträge erst am Ende nächster, spätestens Anfang übernächster Woche ausführen. Unsere EDV wird gerade umgestellt. Wir haben vorübergehend keinen Zugriff auf die Rezept- und Kundendateien.«

»Phantastisch«, rief Karo. »Ich meine, das ist nicht so schlimm. Ich melde mich dann noch mal. Wiederhör’n.« Sie legte auf. »Na gut. Das gibt uns etwas Spielraum. Okay, Herr Baecker. Fangen wir mit dem Toten an …«

Karo befragte ihren Klienten, bis dem der Schweiß auf der Stirn stand. Der Block füllte sich mit Notizen.

Baecker kannte den Ertrunkenen nicht. Auch nicht, wenn er ihn sich ohne Bärtchen, mit Glatze oder blonden Locken vorstellte. Er hatte ihn noch nie gesehen. Sämtliche Fenster und Türen des Lofts waren unversehrt. Keine Anzeichen für einen Einbruch. Er war der Einzige, der einen Schlüssel zum Loft besaß. Die vier Schlüsselkopien befanden sich noch in seinem Safe. Er war zuletzt vor sechs Wochen im Loft gewesen, nachdem er vierzehn Tage dort zur Probe gewohnt hatte. Handwerker hatten für die Dauer des Umbaus Schlüssel bekommen, doch die Sicherheitsschlösser von Securotop waren erst danach eingebaut worden. Ina VanCampe, die Innenarchitektin, hatte während der Einrichtungsphase einen Schlüssel gehabt, ihn aber wieder abgegeben.

Er glaubte nicht, dass es jemanden gäbe, der ihm einen Mord anhängen wollte. Er fürchtete, der Mord würde den Verkaufswert des Lofts senken. Es war ihm ein Rätsel, wie der Mann reinkommen konnte.

»Mit einem Schlüssel«, sagte Karo. »Ich gehe mal davon aus, dass es in dem Gebäude keine geheimen Eingänge gibt und dass der Mann nicht durch Schlüssellöcher kriechen konnte. Dann muss er einen Schlüssel gehabt haben oder von jemandem eingelassen worden sein, der einen Schlüssel hatte. Ich gehe weiter davon aus, dass Sie nicht derjenige waren –«

»Frau Rutkowsky! Ich schwöre …!«

Karo winkte ab. »Ich erwähne es nur. Regen Sie sich nicht auf. Nach dem, was Sie mir erzählt haben, wäre die offensichtlichste und einfachste Lösung, und meist ist das auch die richtige, dass Frau VanCampe den Schlüssel kopieren ließ. Aus uns noch unbekannten Gründen.«

»Das glaube ich nicht. Die VanCampes gehören zur besten Gesellschaft. Wissen Sie, in wieviel Aufsichtsräten er sitzt?«

»Ja, und?«

»Ich glaube es einfach nicht. Außerdem kann man diese Schlüssel nicht ohne weiteres nachmachen lassen. Man muss die entsprechenden Papiere vorlegen, die einen autorisieren, und die liegen bei mir im Safe. Außerdem werden alle Kopien an Securotop gemeldet.«

»Hm. Gut. Ich brauche den Schlüssel, eine Anzahlung und die Zeitungsberichte. Alle zwei Tage erstatte ich Ihnen telefonisch Bericht. Wenn auf Ihrer Seite etwas passiert oder Ihnen etwas einfällt, melden Sie sich bei mir. Wenn nicht, halten Sie sich bitte zurück.«

Karo fuhr nach Duisburg und untersuchte das Gebäude und den Loft gründlich. Keinerlei Anzeichen für einen Einbruch. Sie versuchte, den Schlüssel nachmachen zu lassen.

Die Betreiber der kleinen Läden, die angeblich in Minuten jeden Schlüssel kopieren konnten, schüttelten nach einem Blick auf den Schlüssel den Kopf. Das konnten nur Spezialgeschäfte.

Ein Anruf bei der Zentrale von Securotop in Solingen, und sie hatte eine Liste von elf Geschäften an Rhein und Ruhr, die technisch in der Lage und autorisiert waren, Kopien von Schlüsseln der Firma anzufertigen.

Karo begann in Essen, in einem Laden in der Fußgängerzone. »Guten Tag, ich führe Recherchen für eine Schriftstellerin durch. Haben Sie einen Moment Zeit?«

Der Mann guckte mürrisch.

»Wäre es möglich, einen solchen Schlüssel ohne Papiere nachmachen zu lassen?«

»Securotop? Möglich ist alles. Aber würde es jemand machen? Nee! Wenn’s rauskommt, verliert der Laden die Lizenz. Und den guten Ruf. Und dann könn’se zumachen.«

Karo fuhr wieder gen Rhein. In Düsseldorf wohnten die VanCampes in einem Penthouse mit Rheinblick unweit des Filmmuseums. Karo erwartete eigentlich nicht, dass die Innenarchitektin es hier versucht hatte, und hatte recht. Fehlanzeige auch in dem Schlüsselladen in der Duisburger Innenstadt. Aber auf der anderen Rheinseite, in einem kleinen Fachgeschäft in Rheinhausen traf sie auf eine Spur. Der vertrauenerweckende Meister im grauen Kittel schüttelte auf ihre Frage den Kopf. Aber der junge Mann, der Schlüsselschilder sortierte, sah sie sehr aufmerksam an. Als Karo sich verabschiedete, machte er eine kurze Kopfbewegung und deutete mit den Augen nach draußen. Karo nickte.

Sie wartete ein paar Schritte vom Geschäft entfernt. Nach wenigen Minuten gesellte er sich zu ihr und zündete sich eine Zigarette an.

»Rauchpause«, sagte er. »Sind Sie ’n Bulle?«

»Ich habe doch gesagt, ich recherchiere für eine Krimiautorin, und –«

Er schnaubte und machte Anstalten zu gehen.

»Okay, okay. Ich bin Privatdetektivin und untersuche einen Fall.«

Er blieb stehen. »Was springt raus?«

Karo zückte einen von Baeckers Fünfzigern.

»Es ist nicht unmöglich, einen Securotop ohne den ganzen Papierkram nachmachen zu lassen«, sagte er und pflückte ihr den Schein aus der Hand.

»Aha. Und? Hat jemand …?«

»Sie erwarten nicht, dass ich hier etwas Illegales zugebe, oder?«

Eigentlich schon. Karo seufzte und zeigte ihm ein Foto von Ina VanCampe. »Schon mal gesehen?«

Er nickte. »Ich sage nicht, dass es im Zusammenhang mit der Schlüsselkopie war.«

»Vor etwa zwei Monaten?«

»Könnte hinkommen. Klasse Blondine. Hatte einen Mann dabei. Kleiner als sie, fiel mir deshalb auf. Dunkelhaarig. Oberlippenbart.«

»Und Sie könnten sich nicht zu einer Aussage –«

»Aussage? Was für ’ne Aussage? Ich hab nichts gesagt, oder?« Er trat seine Zigarette aus und ging.

Wer war der Mann mit dem Bärtchen? Karo lehnte sich in Romys Sessel zurück und kaute eine der Lakritzstangen, die sie sich auf dem Weg in ihr Büro unten geholt hatte. Er war nicht ihr Mann. Wahrscheinlich nicht ihr Bruder. Möglicherweise ihr Geliebter. Und der Loft im Hafen die Liebeslaube. Karo nickte. Dann der Streit. Er wollte Schluss machen, hatte vielleicht eine andere. Mord aus Eifersucht. Oder: Sie wollte die Affäre beenden. Er drohte, ihrem Mann alles zu enthüllen. Ein letztes Bad, sie packte seine Füße, zog ihn unter Wasser …

So könnte es gewesen sein. Doch wie die Identität des Mann herausfinden?

Am nächsten Morgen half eine Schlagzeile der NRZ Karo auf die Spur:

Graf löst Rätsel um Rhein-Toten!

Adeliger Freizeit-Mönch trauert um nackten Butler!

Als der Graf von Bredeney aus seinem vierwöchigen Aufenthalt in einem Zen-Kloster im Hochsauerland in sein Schlösschen in Kettwig zurückkehrte, musste er feststellen, dass sein Butler Henry James, ein außerordentlich zuverlässiger Mensch, spurlos verschwunden war. Der Graf gab eine Vermisstenanzeige auf, anhand derer nun die Identität der Rheinleiche vom Dienstag aufgeklärt werden konnte.

Karo rief Baecker in der Bank an. »Haben Sie die Zeitungen gesehen? Das war Henry James in Ihrer Wanne, der Butler des Grafen von Bredeney! Ich werde mal sehen, ob ich irgendeine Verbindung zwischen ihm und Ihrer Innenarchitektin nachweisen kann. Dass sie sich kannten, weiß ich bereits. Der Zeuge möchte leider anonym bleiben.«

»Können Sie sich sparen«, sagte Baecker. »Ina VanCampe hat die Wohnräume des Grafen neu eingerichtet, stand in ihren Referenzen. In postmodernem Neo-Barock. Dabei wird sie den Butler getroffen haben.«

»Oh. Ja, dann …« Karo dachte nach. »Hören Sie, Herr Baecker, wir haben nicht mehr viel Zeit. Der Computer von Lifestyle-Rezeptur kann jeden Tag wieder funktionieren, und dann steht die Polizei bei Ihnen vor der Tür. Die Suche nach weiteren Zeugen würde zu lange dauern. Es gibt zwei Möglichkeiten. Sie können meine Untersuchungsergebnisse der Polizei beziehungsweise Ihrem Rechtsanwalt vorlegen, und zwar bevor die Polizei bei Ihnen auf der Matte steht. Oder –«

»Ich tauche unter! Bis Sie alles aufgeklärt haben.«

Karo schüttelte den Kopf. »Erst den Butler verschwinden lassen und dann abhauen? Würde nicht den besten Eindruck machen. Nein, ich frage mich, was passieren würde, wenn ich Frau VanCampe mit allem konfrontieren würde. Mit etwas Glück wird sie gestehen. Wenn nicht, kann man immer noch auf Plan eins zurückgreifen.«

»Eine ausgezeichnete Idee, Frau Rutkowsky. Ich komme mit!«

Er ließ sich nicht davon abbringen, und zwei Stunden später klingelten sie an der Tür von Ina VanCampes Atelier. Es befand sich eine Etage unter der Penthouse-Wohnung. Karo hatte sich telefonisch als mögliche Klientin angekündigt.

In der blassen Blondine, die ihnen öffnete, erkannte Karo nur mit Mühe die strahlende Frau aus den Illustriertenberichten. Dunkle Ringe unter den Augen, das Make-up nachlässig verteilt, die Haare von einem Gummiband zusammengehalten.

Frau VanCampes Blick glitt von Karo zu Karsten Baecker. Sie zuckte zusammen. »Herr Baecker …«, flüsterte sie.

Er nickte.

»Können wir reinkommen, Frau VanCampe?«, frage Karo und trat ins Atelier.

Die Innenarchitektin folgte ihr. Baecker schloss die Tür. Ina VanCampe setzte sich hinter einen Glasschreibtisch. Karo und Baecker nahmen auf den Besucherstühlen Platz.

»Ich bin Privatdetektivin, Frau VanCampe. Herr Baecker hat mich engagiert, und –«

»Und wir wissen alles«, unterbrach Karsten Baecker. »Wie konnten Sie nur, Frau VanCampe? Wie konnten Sie das tun?«

»Ich weiß. Es tut mir leid. Ein äußerst unprofessionelles Verhalten.«

»Hah! Das können Sie wohl laut sagen!«

Karo räusperte sich. »Ehe wir die Polizei benachrichtigen, Frau VanCampe, wollten wir Ihnen die Gelegenhei–«

»Die Polizei!? Oh nein! Müssen Sie denn wirklich die Polizei hineinziehen? Herr Baecker, bitte! Ich verspreche, es wird nie wieder vorkommen.«

Karsten Baecker schnappte nach Luft.

»Was wird nie wieder vorkommen?«, frage Karo. »Dass Sie den Schlüssel eines Kunden kopieren, in sein Eigentum einbrechen und es als Liebesnest benutzen oder dass Sie Leute in seiner Wanne ermorden?«

»Was?!«

»Haben Sie sich nicht gefragt, wie er aus der Badewanne in den Rhein gelangt ist?«

»Meinen Sie Henry? Ich las heute Morgen, dass er tot ist. So schrecklich … Sie meinen … meinen Sie, er ist in der Wanne im Loft ertrunken?«

»Worden«, sagte Karo.

Ina VanCampe krauste die Stirn. »Ich verstehe das nicht. Was machte er im Loft? Henry wusste, dass ich bis Montag in den USA sein würde. Wenn wir verabredet waren, kam er manchmal etwas eher als ich und entspannte sich in der Badewanne, aber …«

»Sie hatten zwei Schlüssel nachmachen lassen?«

»Ja.«

»Hatten Sie Ihren mit in den USA?«

Ina VanCampe schüttelte den Kopf. »Er war hier, in meinem Schmuckkasten. Im Safe. Da kommt niemand ran außer mir und meinem –« Sie verstummte.

»Ihrem Mann?«

Ein Nicken.

Die Kriminalpolizei beschlagnahmte Herrn VanCampes Kleidung. Lobortests wiesen auf seinen Jeans und an den Ärmeln eines karierten Oberhemdes Spuren von Baeckers persönlichem Badeöl nach. Im Loft fand die Spurensicherung seine Fingerabdrücke.

Nach mehrstündigen Verhören gab Herr VanCampe gegen den Rat seines Rechtsanwalts zu, den Liebhaber seiner Frau mit einer E-Mail-Nachricht zum Stelldichein in den Loft gelockt und dort umgebracht zu haben. Er leugnete hartnäckig, Henry James anschließend in den Rhein befördert zu haben.

Weit entfernt davon, sich durch den Mord im Loft abschrecken zu lassen, erklärten sich genügend zahlungskräftige Interessenten von der Aussicht auf den Rhein und auf Rheinorange dermaßen überwältigt, dass sie sich im Preis für den Loft überboten.

Karo litt unter schlaflosen Nächten. Sollte sie auf Baeckers ebenso großzügige wie erpresserische Offerte eingehen? Er bot ihr einen kleinen Loft, eher ein Löftchen, auf Zeche Zollverein zum Kauf. Teils aus Dankbarkeit, teils aus Eigennutz zu einem mehr als günstigen Preis. Seine Bedingung: Sie müsste ihn für die nächsten fünf Jahre als Putzkunden behalten.

Die Frage war: Würden ihre Nerven das aushalten?

Fieberhafte Suche

Das Telefon klingelte schon wieder, verdammt. Karo kroch wie blind unter dem Federbett hervor.

»Hano«, röchelte sie in den Hörer.

»Hallo? Wer ist das? Karo? Bist du das?«

Karo nickte. Sie zupfte ein Papiertuch aus der Schachtel und schnaubte. Gründlich.

»Karo! Wirklich. Ein Elefant ist nichts dagegen. Bist du etwa erkältet?«

Karo nickte und ließ sich in die Kopfkissen sinken.

»Genug davon. Karo, du musst mir helfen. Lass alles stehen und liegen und komm nach Köln. Es ist schon wieder passiert. Ganz unglaublich. Ich versuche schon den ganzen Morgen, dich zu erreichen. Na ja, die letzte Stunde. Wo warst du denn? Ich denke, eine Detektivin muss immer erreichbar sein! Hast du etwas zum Schreiben? Ich gebe dir die Adresse. Die Wohnung meines Anwalts. Ich glaube, er glaubt mir nicht. Also, wann kannst du hier sein? … Karo?«

Karo öffnete ihren Mund und hustete in den Hörer. Ihre Seiten schmerzten. Rippenfellentzündung vielleicht. Sie tupfte ihre tränenden Augen ab.

»Rosie«, flüsterte sie. »Rosie, ruf mich in einer halben Stunde wieder an. Ich muss zum Hustensaft.«

»Aber, Karo! Ich habe doch –«

Karo hängte auf. Ihr Nachthemd war durchgeschwitzt. Sie fröstelte auf dem Weg ins Bad. Sie schwankte und schlurfte und kam sich vor wie die älteste Frau der Welt. Und die hässlichste. Aus dem Spiegel blickte ihr ein glubschäugiges rotnasiges Geschöpf mit aufgesprungenen Lippen entgegen. Ihre feuchten Haare klebten wie Flaum auf dem Schädel. Karo nahm einen kräftigen Schluck aus der Hustensaftflasche. Sie duschte lange und heiß. Schon besser. Sie gurgelte mit Salbeiwasser, badete ihre Augen in Kamillenlösung, tupfte Salbe auf ihre entzündeten Nasenflügel und spachtelte eine Schicht Vaseline auf ihre Lippen.

Als Rosie wieder anrief, war Karo bereit. Schwach und schniefend, aber warm und sauber lag sie unter all ihren Wolldecken auf dem Sofa. Ganz hinten im Kleiderschrank hatte sie das orangefarbene Flanellnachthemd gefunden, das ihr sonst immer zu warm war. Ein Weihnachtsgeschenk von Frau Rogalla, für die sie freitags putzte. Dazu handgestrickte Wollsocken von Frau Bischof (jeden zweiten Donnerstag Hausflur und Fenster). Und der flauschige Morgenmantel von Frau Rainiger, der ein Traum war, solange man nicht die Augen öffnete und von dem aufgeregten Himbeerrot erschreckt wurde. Ein Fehlkauf, den Frau Rainiger (Villa, montags) nur zu gerne ihrer Putzfrau übergeben hatte.

»Karo, häng bloß nicht wieder auf. Ich drehe bald durch hier. Wann kommst du?«

Karos Hände zitterten. Die Überdosis Hustensaft. Aber sie konnte ohne Hustenreiz sprechen. »Rosie, ich kann nicht kommen. Ich bin krank.«

»Im Moment hat fast jeder eine Erkältung. Sei nicht so wehleidig. Ich brauche dich, ich hab’s dir doch gesagt. Hast du noch dein albernes Auto? Wie lange brauchst du? Eine Stunde höchstens, oder?«

Karo fehlte die Kraft, um mit den Zähnen zu knirschen. »Rosie, ich habe Fieber und keinen Kreislauf. Ich kann heute nicht nach Köln kommen. In ein paar Tagen viellei–«

Rosie kreischte. »Aber ich brauche dich jetzt, du kannst mich doch nicht im Stich –«

Der Rest des Satzes ging in Karos Niesanfall unter.

»’tschuldigung, Rosie. Ich lasse dich schon nicht im Stich. Worum geht es denn?«

»Na, habe ich doch vorhin gesagt: Es ist wieder passiert!«

»Es?« Hatte Rosie sich früher auch so unklar ausgedrückt? »Es? Was meinst du mit – Oh, ist etwa wieder eine Patientin von dir, äh … unerwartet gestorben?«

»Unerwartet wäre ja nicht so schlimm. Das kommt immer wieder mal vor. Und damals stellte sich ja auch raus, dass es gar nicht so unerwartet gewesen wäre, wenn der Arzt die richtige Diagnose gestellt hätte, dieser Blödmann, dann hätte man es erwartet, und ich wäre nicht, wenn auch vorübergehend, wie du dich erinnern wirst, in den Verdacht geraten, sozusagen nachgeholfen zu haben, um an das Legat zu kommen – absurd, als würde ich für bloße zehntausend, na ja, natürlich auch nicht für mehr, ich meine, der Gedanke ist lächerlich, und hier geht es nur um viertausend, aber wenn du mir nicht hilfst, lande ich im Knast, wie heißt er hier noch, im Klingelpütz, nicht, und das könnte –«

»Noch ein Wort und ich lege auf«, sagte Karo.

Rosie schnappte nach Luft und schwieg.

»Dein Patient ist eines unnatürlichen oder verdächtigen Todes gestorben, und du stehst unter Tatverdacht, weil er dir im Falle seines Todes Geld vermacht hat?«

Aus dem Hörer kam nichts als Schweigen.

»Du darfst wieder etwas sagen. In wenigen, kurzen Sätzen, bitte.«

»Sie. Eine Patientin, Frau Lenzmaier. Vorgestern. Akute Vergiftung. Mord. Ich bin die Verdächtige. Die einzige. Die einzige Mordverdächtige, o Gott, Karo, ich halte das nicht aus, es ist so aussichtslos, ich verstehe ja selbst nicht –«

»Stop!!«

Rosie brach ab.

»Also, Rosie, was soll ich tun?«

»Na, du sollst meine Unschuld beweisen. Den wirklichen Mörder finden. Es sieht schlecht aus, sagt auch mein Anwalt. Die Umstände sprechen gegen mich.«

»Ich könnte dir einen anderen Detektiv besorgen, vielleicht sogar jemanden aus Köln, wäre das –«

»Karo, nein! Ich brauche jemanden, der mir glaubt! Der deshalb sein Möglichstes tut, mich da rauszuhauen. Und du kennst mich doch. Du weißt, dass ich niemanden umbringen würde.«

»Mh.« Von wem weiß man das schon? Karos Mandeln schmerzten beim Schlucken und ihre Augen brannten. Sie hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Sie und Rosie kannten einander schon eine ganze Weile, aber kannte man die andere gut? Eher nicht. Ein paar gemeinsam verbrachte Semester in Köln, winzige Apartments im selben Haus, einem ehemaligen Bordell, derselbe Berufswunsch, das war’s. Aber seitdem schickte Rosie Urlaubskarten, und ein-, zweimal im Jahr, wenn Rosie ihre Oma in Essen besuchte, traf Karo sie im Café Overbeck und erfuhr die neusten Dönekes aus Rosies jeweiliger Stelle. Anders als Karo hatte Rosie eine feste Anstellung als Realschullehrerin erhalten. Bald darauf entschied sie, dass sie ihr Berufsleben lieber mit dankbaren Erwachsenen als mit gleichgültigen Jugendlichen verbringen wollte, und wurde Krankenschwester. Stellungen in verschiedenen Privathaushalten folgten, beste Referenzen, und nun dies.

Eine Kältewelle überrollte Karo. Sie umklammerte die Wärmflasche und rutschte tiefer unter die Decken. »Ja, dann erzähl mal, Rosie, damit ich mir ein Bild machen kann. Was ist passiert?«

»Also, es geschah vorgestern. Wir waren allein in der Wohnung, Frau Lenzmaier und ich. Die Haushaltshilfe hatte frei, deshalb hatte ich ein kleines Mittagessen zubereitet, Omelettes und Salat. Zum Nachtisch gab es Schokoladenmousse, fertig gekauft, aber sehr gut, ganz köstlich, ich weiß nicht, ob du sie kennst, na, ist ja auch egal …«

Karo musste lächeln. Schon damals in Köln hätte Rosie am liebsten in Schokolade gebadet.

»Jedenfalls, ich brachte das Tablett in die Küche und wusch ab. Ich ließ mir Zeit, rauchte eine, aß noch etwas Mousse, trank ein Käffchen, hörte Radio. Und als ich wieder in ihr Zimmer ging, so vierzig, fünfzig Minuten später, war sie bewusstlos und wurde von Krämpfen geschüttelt. Es war schrecklich. Ich sah, dass sie im Sterben lag. Ich wollte den Notarzt anrufen, da schellte es an der Tür. Ich öffnete, es war Peter Schilling, der Neffe ihres Mannes und ihr Anwalt. Ich rief nur ›Krankenwagen!‹ und rannte zurück. Ich versuchte, sie wiederzubeleben, aber als der Notarzt kam, war sie schon tot. Er bemerkte einen Geruch nach bitteren Mandeln, dachte gleich an Blausäure und benachrichtigte die Polizei. Das war’s. Die Obduktion ergab, dass sie tatsächlich mit Blausäure vergiftet wurde. Das wirkt rasch. Außer mir war an dem Tag niemand in der Wohnung, deshalb sind sie überzeugt, dass ich sie umgebracht habe.«

»Spuren?«

»Nein, keine. Dass ich das Geschirr per Hand abgewaschen hatte, fanden sie sehr verdächtig. Warum ich es nicht für die Haushaltshilfe gelassen hätte, für den nächsten Tag, und nicht einfach alles in die Spülmaschine gestellt hätte.«

»Hm. Und Selbstmord wird ausgeschlossen?«

»Selbstmord kommt nicht in Frage. Frau Lenzmaier war seit ihrem Sturz querschnittsgelähmt, sie hätte sich nichts besorgen können. Sie war auch nicht suizidal. Sie wusste, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte. Krebs. Etwa ein Jahr, meinte der Arzt, allerhöchstens zwei bis drei. Aber innerhalb dieses Rahmens war sie ganz zufrieden. Hatte sich in ihr Schicksal ergeben, sollte ich vielleicht sagen. Eine angenehme Patientin.«

»Erzähl mir von ihr.«

»Von Frau Lenzmaier? Tja, sie war neunundfünfzig, letzte Woche hatte sie Geburtstag. Eine Witwe. Ihr Mann starb so vor drei Jahren, glaube ich. Er war Diplomat. Sie haben in allen möglichen Ländern gelebt. Afrika, Indien, Nordamerika, Südamerika, und was weiß ich. Ich habe ihr gerne zugehört, wenn sie aus diesen Zeiten erzählte. Die Leute, die sie kennengelernt hat! Auf einem Foto ist sie mit Indira Gandhi zu sehen. Und Minister zum Mittagessen – das war ganz normal für sie. Für Willy Brandt hat sie mal einen Empfang gegeben, irgendwo im Ausland. Und Hanna Schygulla, für diese Frau schwärme ich ja so, sie hat auf einer Party gesungen. Nicht, als Willy Brandt da war, glaube ich, ein anderes Mal. Und Liza Minelli hat sie getroffen und noch alle möglichen anderen interessanten Menschen, beinahe Liz Taylor … ach, und Marlene Dietrich! Denk mal an. Sie hat irgendetwas zu Frau Lenzmaier gesagt, ich habe vergessen, was, aber Frau Lenzmaier war sehr beeindruckt. Ihr Mann war wesentlich älter als sie. Vor seiner Pensionierung war er nach Bonn versetzt worden, und dann haben sie sich in Köln niedergelassen. Er wollte die Großstadt, sie das Rheinland, da war Köln der Kompromiss. Sie war ursprünglich aus Godesberg. Eine rheinische Frohnatur, wie man so sagt. Ja, was noch? Keine Kinder. Ich glaube nicht, dass sie das bedauerte, sie sagte mal …«

Karos Lider senkten sich. Mit geschlossenen Augen ließ es sich viel besser zuhören. Keine visuelle Ablenkung. Begleitet von Rosies Stimme glitt Karo in einen angenehmen Halbschlaf. Palmblätter raschelten in einer sanften Brise. Indira Gandhi und eine zierliche blonde Rheinländerin wollten sich gerade mit gigantischen Erdbeer-Daiquiris zuprosten, als ein Elefant auftauchte und in Karos Ohr trompetete.

»Karo! Karo, hörst du überhaupt zu?«

Karo öffnete widerwillig die Augen. »’tschuldigung. Muss eine Sekunde weggedöst sein. Wo waren wir?«

»Ich weiß ja nicht, seit wann ich ins Leere gesprochen habe.«

»Sie hatten keine Kinder«, sagte Karo. »Warte mal bitte einen Moment.« Sie setzte sich aufrecht hin und schlug sich mit den Handflächen ein paar Mal auf die Wangen, als wiederbelebende Maßnahme. Noch ein kräftiger Zug aus der Hustensaftflasche, und sie war wieder einsatzbereit. »Okay. Keine Kinder. Einwandfrei Mord. Wer erbt? Außer dir, meine ich. Und wieso erbst du überhaupt? Du bist doch noch nicht lange dort, oder?«

»Nein, seit etwas über drei Monaten. Meine Vorgängerin war mehrere Jahre bei Frau Lenzmaier, seit dem Treppensturz. Jetzt ging sie in Rente. Und Frau Lenzmaier fand den Wechsel zu einer neuen Pflegerin sehr schwierig. Sie mochte mich und hoffte, mit ihrem Legat sicherzustellen, dass ich lange bleiben würde, bis zu ihrem Tod. Und das wäre ich auch, nicht nur wegen des Geldes.«

»Aber auch?«

»Na ja. Geld kann man immer brauchen, nicht?«

Rosie schien plötzlich reserviert. Hatte Karo eine empfindliche Stelle berührt? Lag hier ein Motiv? Hatte Rosie ihre Patientin vielleicht doch umgebracht?

Der Besuch des Rechtsanwalts, des Neffen! Wäre er nicht aufgetaucht und Zeuge des Notfalls geworden, hätte Rosie den Notarzt vielleicht gar nicht alarmiert. Und wäre überhaupt eine Obduktion vorgenommen worden, wenn der Hausarzt erst nach ein paar Stunden gerufen worden wäre? Wahrscheinlich nicht, denn er hatte erwartet, dass seine Patientin früher oder später sterben würde. Und der verdächtige Bittermandelgeruch wäre bis dahin verflogen gewesen.

»Sag mal, Rosie, war der Besuch des Rechtsanwalts eigentlich geplant?«

»Nun, ich wusste nichts davon. Herr Schilling ist ja der Neffe ihres Mannes. Meist kam er an ihrem Geburtstag zum Gratulieren vorbei. Doch letzte Woche war er verreist und rief nur an, aus München. Es war ein bisschen schade, weil ihre Patentochter Ellie gerade auf Mallorca ist und auch nicht kommen konnte. Jedenfalls, Herr Schilling hatte Frau Lenzmaier wohl angedeutet, dass er versuchen würde, seinen Besuch am Mittwoch, also vorgestern, nachzuholen. Sie hatte ihn sehr gern. Jetzt verstehe ich auch, warum sie den Spiegel und ihre Kosmetika wollte, und das neue Bettjäckchen, bevor ich das Geschirr in die Küche brachte. Sie machte sich immer zurecht, bevor Besuch kam.«

Konnte Rosie so dumm sein? Sie gab zu, von Schillings Besuch nichts gewusst zu haben. Also könnte er es sein, der durch sein unerwartetes Auftauchen ihren Plan durchkreuzt und sie reingerissen hatte. Aber so beschränkt war sie nicht, entschied Karo. Es musste die Wahrheit sein. Oder war es ein Bluff, und sie hoffte, Karo so von ihrer Unschuld zu überzeugen? In Karos Kopf drehte es sich. Sie stöhnte.

»Rosie, soll ich nicht doch versuchen, einen anderen Detektiv für dich zu finden? Mein Kopf platzt gleich.«

»Bitte, Karo, nein. Ich bin in einer verzweifelten Lage. Nur jemand, der fest an mich glaubt, wird seine ganze Energie einsetzen, um meine Unschuld zu beweisen, das weiß ich genau. Und du glaubst mir doch, nicht?« Rosies Stimme klang ungewohnt unsicher.

Karos Antwort ging in einem ganz echten Hustenanfall verloren. »Zurück zu den Erben. Wer profitiert noch von Frau Lenzmaiers Tod? Der Neffe? Ihre Patentochter? Hat sie andere Verwandte?«

»Nein, sie hat gar keine Angehörigen mehr. Ellie Hermann ist die Tochter einer verstorbenen Freundin. Und weder sie noch der Neffe haben ein Motiv. Er bekam sein Erbe nach dem Tod seines Onkels ausbezahlt, und für Ellie hatte Frau Lenzmaier schon die Ausbildungskosten übernommen. Sie bekommen beide nur noch einige Erinnerungsstücke.«

»Was denn? Vielleicht ein paar dekorative Goldklumpen? Oder ein Briefmarkenalbum mit der blauen Mauritius?«

Rosie kicherte. »Schön wär’s. Nein, Herr Schilling kriegt jetzt den Siegelring seines Onkels und seine Tabakspfeifen, von denen Frau Lenzmaier sich noch nicht trennen konnte, und Ellie die drei kleinen Briefbeschwerer vom Nachttisch. ›Meine Glücksbringer’ nannte Frau Lenzmaier sie. Geschenke ihres Mannes. Der Ring wäre mir lieber. Alles andere soll verkauft werden. Den Erlös davon und den Rest des Vermögens hat Frau Lenzmaier Kinderheimen in Indien vermacht.«

»Und du hast in letzter Zeit keine verdächtigen Inder herumschleichen sehen.«

»Nein. Siehst du, Karo, niemand hatte ein Motiv, ganz abgesehen davon, dass niemand die Gelegenheit hatte. Es ist ein Alptraum.«

»Hm. Hm. Hmm … In welchem Stock liegt die Wohnung? Kann jemand durchs Fenster eingestiegen sein?«

»Ausgeschlossen. Am helllichten Tag in den sechsten Stock? Wer? Und warum sie vergiften? Außerdem wehte ein kühler Wind, ich hatte die Balkontüren geschlossen. Wenn es angenehm war, saß Frau Lenzmaier nachmittags gerne im Rollstuhl auf der Terrasse und beobachtete die Schiffe auf dem Rhein.«

Karo war warm geworden. Sie legte die Wärmflasche auf den Boden und befreite ihren Oberkörper von den Decken. Ihr Gesicht glühte. »Ist in letzter Zeit irgendetwas Außergewöhnliches vorgefallen?«

»Was denn?«

»Keine Ahnung, deshalb frage ich ja.«