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Zehn Jahre nach der Landung auf der Neuen Erde bekommt die Gruppe Besuch von Freunden. Eine Entdeckung verändert das Leben - nicht nur auf der Neuen Erde, sondern auch bald in den bekannten Universen. Die Art des Umgangs miteinander und die Haltung zum Leben bekommen Strahlkraft in alle Welten. "Die Neue Erde" ist der Nachfolgeband von "Der Untergang des Blauen Planeten".
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Seitenzahl: 672
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Umschlagbild: Michael Hesse
Liedtext: Christa Meyer
„Guten Morgen, Tommy!“ Es war die Stimme des Computers, welche ihn weckte.
Er hatte darauf bestanden, dass es die gleiche Stimme war, welche ihn jeden Morgen an Bord der >PHYLL< begrüßt hatte.
Verschlafen blinzelte er in die Sonnenstrahlen, die jetzt durch die Scheiben in das Schlafzimmer einfielen. Langsam verschwand die Dunkelheit, die durch die tief-dunkle Tönung, welche die Fensterscheiben abends annahmen, im Zimmer herrschte, und machte Platz für die Strahlen der Sonne der Neuen Erde.
Im Nachbarzimmer bereiteten sich die Zwillinge auf die allmorgendliche Eroberung des elterlichen Bettes vor.
Er konnte ihre Stimmen unterscheiden und hatte auch gelernt, sie an körperlichen Merkmalen auseinander zu halten, seit sie zwei Jahre alt waren.
Jetzt waren sie drei Jahre alt, und seit einem Monat war es ihr morgendliches Ritual, unter Jubelgeschrei ins Schlafzimmer zu stürmen und den Platz zwischen ihren Eltern in Beschlag zu nehmen.
Hatten sie ihn erobert, kuschelten sie sich zusammen und waren wenige Augenblicke später tief und fest eingeschlafen. Gerade so, als hätten sie eine Art inneren Ein- und Ausschalter betätigt.
Dann hatten er und Tina noch eine gute Stunde Zeit, bevor der Schalter erneut umgelegt wurde und Sean und Tobias ihre Eltern mit einem fröhlichen: „Guten Morgen! Hunger!“ begrüßten.
Nach den ersten beiden Tagen hatte Tommy dafür gesorgt, dass das Bett, in welchem Tina und Tommy schliefen, verbreitert wurde.
So konnten die Kleinen zwischen ihren Eltern schlafen und es wurde nicht zu eng.
Gerade für Tina war das wichtig, denn bald würden sie zu Fünft sein!
Die Untersuchung hatte ergeben, dass es dieses Mal ein Mädchen werden würde.
Einen Namen hatten sie auch schon. Die Kleine würde Christa heißen, so wie Tinas Mutter.
Er drehte sich in Richtung der Tür, durch welche die beiden jetzt eigentlich hereingestürmt kommen mussten.
Lächelnd schloss er die Augen und tat so, als würde er schlafen.
Die Tür öffnete sich, doch statt des erwarteten Geheuls hörte er nur ein leises Kichern.
Die Tür schloss sich, und gleich darauf spürte er, wie seine Söhne über das Fußende ins Bett kletterten.
Immer noch kichernd und leise prustend kuschelten sie sich hin und dann waren sie auch schon eingeschlafen. Tina schien gar nichts davon mitbekommen zu haben.
Er war stolz auf die beiden, denn er hatte am Abend zuvor mit ihnen gesprochen und ihnen erklärt, wie wichtig der Schlaf für ihre Mama und ihre zukünftige kleine Schwester war.
Viel erhofft hatte er sich von dem Gespräch zwar nicht, denn sie waren ja erst drei Jahre alt, aber er hatte sie wohl unterschätzt.
Wenn er so zurück dachte, musste er sich ein wenig über sich selbst wundern, denn hatte nicht gerade er erlebt, wie sehr Kinder von Erwachsenen unterschätzt wurden?
Er dachte an Or, an Mykbar, an Kara.
Wie sehr hatte ihn damals die – nach seiner Meinung – Arroganz der Erwachsenen aufgeregt, und wie oft hatte er fast eine Art Befriedigung empfunden, wenn er sie alle mal wieder widerlegt hatte.
Es war zwar unfair ihnen gegenüber gewesen, denn ohne sie wäre er längst tot, aber trotzdem ärgerte er sich oft über die Kurzsichtigkeit, welche die Erwachsenen damals an den Tag gelegt hatten.
Und wenn er jetzt nicht aufpasste, würde er bei seinen Kindern denselben Fehler machen!
Die Zwei hatten ihm, dem Präsidenten der Neuen Erde, mit ihren drei Jahren eine wichtige Lehre erteilt.
Liebevoll sah er in die Gesichter seiner Familie.
Vor rund dreizehn Jahren hätte er nie geglaubt, dass er jemals noch so einen Morgen erleben würde.
Und heute war er seit genau zehn Jahren auf der Neuen Erde.
Am 08. August 03 nach der Zeitrechnung der Neuen Erde oder am 08. August 2178 nach der Zeitrechnung eines Planeten, den es nicht mehr gab, weil die Menschheit die Reste, die von ihm übrig waren, auch noch in die Luft sprengen musste.
Und mit ihm fast das gesamte Sternensystem, in welchem sich der Blaue Planet befunden hatte.
Doch er musste an das Heute denken und an die Zukunft!
Er und Tina und alle anderen 58, die damals von der Erde ihren Fuß auf die Neue Erde gesetzt hatten, hatten nur diesen Planeten!
Er war ihre Heimat, und auf ihn mussten sich ihre Gedanken richten.
Und gerade er war dazu verpflichtet!
Heute würde zwar seine zweite Amtszeit als Präsident der Neuen Erde enden, aber er war sich sicher, dass es für ihn auch noch eine dritte und damit letzte Amtszeit geben würde.
Es hatte sich schlicht und ergreifend kein Gegenkandidat gemeldet!
Auch wenn er es für sich einfach nicht wahr haben wollte: Jeder auf diesem Planeten zeigte ihm dadurch, dass sie ihm und Tina ihre Heimat verdankten.
Hätten er und Tina sie nicht ausgewählt, wären sie tot! So einfach war das für sie!
Jede Amtszeit betrug nach ihrer Verfassung fünf Jahre. Also wäre seine zweite schon im vorletzten Jahr zu Ende gewesen.
Doch die Kinder hatten damals bereits am ersten Tag nach ihrer Landung einstimmig beschlossen, dass er erst ab diesem Tag ihr Präsident wurde.
Davor war er ihr Kommandant, und das war etwas anderes.
Seine Stimme zählte damals nicht, und er war zugegebenermaßen auch emotional nicht in der Lage gewesen, sie zum Einsatz zu bringen.
Und was für ihn galt, galt damals auch für Jok.
Und es würde auch heute wieder für ihn gelten!
Die ehemaligen Kinder von Elmers würden genauso geschlossen hinter ihm stehen wie auch die ehemaligen Kinder der Erde.
Er gönnte es Jok von Herzen.
Aus seinem Wahlbruder war ein prächtiger Mann geworden, dessen Fantasien maßgeblich dazu beigetragen hatten, wie sich die Hauptstadt der Neuen Erde, >Hoffnung<, bisher entwickelt hatte.
Und mit Korin hatte er seit vier Jahren eine starke Frau an seiner Seite.
Auch Korin war schwanger, und es würde auch bei ihr ein Mädchen werden. Die beiden hatten beschlossen, sie Keni zu nennen, nach Joks Mutter.
Aus den einhundert zweiundzwanzig Kindern, die vor zehn Jahren auf der Neuen Erde gelandet waren, waren inzwischen einhundert dreißig geworden.
Acht kleine Bewohner eines Planeten, auf dem sie hoffentlich glücklich und in Frieden aufwachsen konnten, waren in den letzten drei Jahren geboren worden.
Eine kleine rote Lampe blinkte neben dem Fenster auf. Tommy hatte dafür gesorgt, dass der Computer, wenn er feststellte, dass Tommy wach war, sich auf diese Weise bemerkbar machte, solange Tina oder die Kleinen schliefen. Er stand auf und ging ins Bad, wo bereits eine volle Wanne auf ihn wartete. Mit seinem obligatorischen Glas Erdbeersaft nahm er darin Platz.
„Computer, was gibt es?“
„Telin hat sich gemeldet! Sie hat Nachricht von der >PHYLL<. Soll ich dich verbinden?“
„Gern, aber ohne Bild!“
Keine Minute später hörte er Telin.
„Guten Morgen Tommy! Ist der Monitor kaputt?“
„Guten Morgen, Telin! Ich liege gerade in der Wanne, und den Anblick wollte ich dir ersparen!“
Telin lachte ihr sympathisches Lachen: „Keine Angst, ich bin von Ator Kummer gewöhnt! Aber nun mal im Ernst: Vor wenigen Minuten hat sich die >PHYLL< gemeldet. Sie wird in etwa zwei Stunden hier sein. Und gerade kommt eine Nachricht von der >SCHRE<. Das ist wohl ein Kreuzer der Krl. Auch sie braucht noch etwa eine Stunde bis zur Ankunft! Ich weiß nicht genau, wer außer Kri noch dabei ist, aber er ist auf jeden Fall an Bord!“
„Danke, Telin! Das heißt, ich muss meine Morgenzeremonie um einiges abkürzen.Verzichte ich auf das Brötchen oder den Anzug, was meinst du?“
Wieder erklang Telins Lachen. „Wenn ich dich jemals in einem Anzug sehe, wähle ich sofort einen anderen Präsidenten! Also: Iss dein Brötchen und verzichte darauf, einen Anzug zu replizieren!“
„Danke, Telin, du bist die Größte, denn du denkst nicht nur an mein leibliches, sondern auch an mein seelisches Wohl!“
Beide lachten, und Tommy trennte die Verbindung.
Er blieb noch rund zehn Minuten in dem warmen Wasser liegen, bevor er seufzend aus der Wanne stieg.
Heute kamen viele Gäste, und mit ihnen auch Verpflichtungen, denen er nachkommen musste. Als Präsident hatte er normalerweise kaum etwas zu tun, und konnte so oft auf der Farm helfen.
Das hatte er sich ausgesucht, weil er der Meinung war, dass er an dieser Arbeit am meisten Spaß hatte.
Auch Jok arbeitete. Er war in der Bäckerei und ging voll in diesem Job auf.
Natürlich hätten sich die Bewohner der Neuen Erde ihre Lebensmittel auch replizieren können, aber sie waren schnell dahinter gekommen, dass frisch Gekochtes oder Gebackenes um Längen besser schmeckte.
Heute hatte Jok allerdings frei, denn auch er musste seinen Verpflichtungen nachkommen.
Jetzt hatte er allerdings noch häusliche Verpflichtungen.
Leise betrat er das Schlafzimmer und weckte seine Söhne.
Eigentlich war das das Zeichen für die beiden, nun so richtig aktiv zu werden, doch nachdem sie gesehen hatten, dass ihre Mama immer noch schlief, standen sie leise auf und flitzten ins Bad, wo Tommy ihnen half.
Er war gerade soweit, dass er den Tisch decken wollte, als auch Tina erschien.
„Guten Morgen, schöne Frau! Guten Morgen, kleine Maus!“
„Guten Morgen, starker Mann! Guten Morgen Vati!“
Die beiden küssten sich.
„Danke, dass du schon soweit bist!“
„Dafür bin ich doch da! Telin hat sich gemeldet. Die >PHYLL< und die >SCHRE<, ein Kreuzer der Krl, treffen bald ein. Ich freue mich schon riesig auf ein Wiedersehen mit allen!“
„Ich mich auch! Allerdings werde ich wohl viel sitzen müssen, denn Christa ist bereits ganz schön aktiv.“
„Dann stellen wir dir und Korin zwei bequeme Sessel auf, und ihr könnt von dort aus Audienzen geben!“
Die beiden lachten, und ihre Söhne stimmten mit ein. Sie verstanden zwar noch nicht, worum es ging, aber wenn Tina und Tommy lachten, lachten sie einfach mit. Ich bin auch auf Tommy gespannt! In vier Tagen wird er zehn Jahre alt! Ob er schon so groß ist wie ich?“
„Hoffentlich nicht! Einen Neunjährigen in deiner Größe kann ich mir nur schwer vorstellen. Aber ich freue mich auf ihn! Und ich kann mir vorstellen, wie sehr sich Jok auf seinen kleinen Bruder freuen wird!“
„Stimmt! Die beiden haben sich noch nie gesehen.
Wie es jetzt wohl auf Elmers und Url sein wird? Als wir vor vier Jahren das letzte Mal etwas gehört hatten, war ja so ziemlich alles im Umbruch!“
„Hoffentlich ist alles gut! Es muss aber auch ziemlich heftig gewesen sein, was da an Neuem auf diese Menschen zukam. Zum Glück ist alles friedlich geblieben!“
„Onkel Thomas!“ Überrascht hob Tommy seinen Kopf. Noch überraschter war er allerdings von der Tatsache, dass auch die Zwillinge wie auf Kommando verstummten und sich verwundert umsahen.
„Tommy?“
Der Einzige, der ihn Onkel nennen konnte, war Thomas, der Sohn von Yso und Mykbar. Also rief er ihn mit seinen Gedanken.
„Richtig geraten! Wir landen in zwei Stunden, und ich freue mich schon darauf, euch alle kennenzulernen! Ach so: Ich soll euch auch noch von allen anderen grüßen!“
„Dann grüße alle zurück, und wir freuen uns auch schon sehr auf euch!“
Er fühlte, wie Thomas sich zurückzog und konnte sich nun endlich auf seine Söhne konzentrieren, die ihn mit großen Augen ansahen.
„Wer war das?“
Sean war derjenige der beiden, der am besten sprach, und so war er es auch, der fragte.
„Das war Onkel Thomas! Ihr kennt ihn noch nicht, aber in zwei Stunden ist er hier.“
„Wo ist er?“
„Noch ist er unterwegs in einem Raumschiff!“
„Aber ich habe ihn gehört, und Tobias auch!“
„Ja, das stimmt! Aber ihr habt ihn nur in eurem Kopf gehört, genau wie ich.“
„Warum?“
„O je! Wie kann ich euch das erklären?“
Tina schaltete sich ein: „Was war denn los?“
„Tommy hat sich gemeldet. Durch Telepathie! Und unsere Söhne haben ihn ebenfalls gehört!“
Tina sah erst ihn und dann ihre Söhne erstaunt an. „Ihr habt ihn auch gehört?“
Die beiden nickten eifrig.
„Dann solltest du es ihnen so erklären, wie du es Ator und Kotan erklärt hast! Alles andere macht keinen Sinn, und ich kann da sowieso nicht helfen!“
„Das schaffe ich aber jetzt nicht mehr! Die Krl werden in wenigen Minuten landen und ich muss sie in Empfang nehmen. Du weißt ja: Präsident und so!“
Beide lachten.
„Gut, dann aber spätestens heute Abend! Ich halte sie solange hin!“
„Danke, Tina! Wenn ich dich nicht hätte!“
„Dann müsstest du allein klar kommen! Und nun sieh zu, dass du fertig wirst!“
Wieder lachten beide und Tommy stand auf, um sich noch ein paar offiziellere Sachen anzuziehen.
Knapp zwanzig Minuten später stand er zusammen mit Jok und vielen anderen am Landeplatz und sahen der Landung des Gleiters von den Krl zu.
Als sich der Einstieg öffnete, sahen sie zu ihrer Freude nicht nur Kri, sondern viele von denen wieder, die damals bei ihrer Ankunft auf der Neuen Erde mit dabei waren und die schlussendlich diese Siedlung für die Kinder gebaut hatten.
Tommy trat vor.
„Ich heiße euch im Namen der Bewohner der Neuen Erde herzlich willkommen! Wir freuen uns, dass ihr heute hier bei uns sein wollt, wenn wir nachher unseren zehnjährigen Jahrestag feiern, und hoffen, dass ihr einige Zeit hier bleiben könnt, um die Schönheit dieses Planeten genießen zu können!“
„Danke, Herr Präsident! Auch wir freuen uns, wieder hier zu sein, und wir würden gern einen Monat hier mit euch verbringen, wenn ihr es erlaubt!“
Tommy war froh, dass er das Rotwerden wirklich überwunden hatte, denn jetzt wäre er es bestimmt geworden.
Es war das erste Mal, dass er mit „Herr Präsident“ angesprochen wurde, und erst jetzt, in diesem Moment, wurde ihm klar, was dieses Amt bedeutete.
Telin hatte dem Gleiter die Landeerlaubnis auf der Neuen Erde erteilt. Aber wenn er jetzt sagen würde, dass die Krl nicht bleiben durften, würden sie wieder abfliegen.
Das würde allerdings nicht passieren, denn er freute sich genau wie die anderen darüber, dass sie hier waren, und würde jeden Tag, ja sogar jede Stunde mit ihnen genießen.
„Natürlich erlauben wir euch, solange ihr wollt, hier zu bleiben! Wir freuen uns über jeden Tag, den ihr hier seid! Aber bitte hört auf, mich Herr Präsident zu nennen! Bleibt wie früher bei Tommy! Diese Bitte gilt für euch alle! Auch für die Kinder!“
Kri lächelte. „Ich hatte gehofft, dass du das sagst, Tommy, denn es zeigt mir, dass du noch derjenige bist, den ich vor zehn Jahren kennen und schätzen gelernt habe. Deiner Bitte werden wir mit Freude nachkommen! Und danke dafür, dass du, oder besser gesagt, ihr, es auch dem Rest der Mannschaft erlaubt, die Zeit hier auf eurem Planeten zu verbringen! Vor allem die Kinder können es kaum noch erwarten, euch kennenzulernen, denn sie haben schon viel von euch durch ihre Eltern gehört. Und natürlich spielt es sich hier auch besser als in der Begrenztheit eines Raumschiffes.
Aber sagt mir: Wo sind Tina und Korin?“
„Die beiden sind schwanger, und der Weg hierher ist doch relativ lang, wenn man nicht allein ist. Und Tina kümmert sich außerdem um unsere Söhne! Du wirst sie nachher kennen lernen!“
Ein Schnurren war die Antwort, von dem die Kinder bereits vor zehn Jahren gelernt hatten, dass es ein Zeichen der Krl war, wenn diese etwas als besonders positiv empfanden.
„Ich freue mich bereits darauf!“
Nun begann die allgemeine Begrüßung, die ganz eindeutig länger als normal ausfiel, denn die Kinder der Krl von damals waren ebenfalls in dem Alter, in dem die Bewohner der Neuen Erde jetzt waren, und es gab natürlich viel zu erzählen.
Die Zeit verging so schnell, dass alle überrascht waren, als Telin die bevorstehende Landung der Gleiter von Yso, Mykbar und Tommy, sowie von Or und einigen Offizieren bekannt gab.
Zehn Minuten später war es soweit, und Tommy stand seinem Patenkind gegenüber. Dieser war tatsächlich noch nicht so groß wie Tommy, sondern reichte ihm „nur“ bis zur Nase.
Vollkommen frei von Scheu fiel er Tommy an den Hals.
„Hallo, Onkel Thomas! Schön, dass du mich gehört hast! Wo sind Tante Tina, Korin und Mir, und Onkel Jok und Tip?“
„Hallo Tommy! Ich freue mich riesig, dass ich dich endlich wieder sehe! Groß bist du geworden! Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du gerade drei Jahre alt genau wie meine Söhne jetzt!
Tante Mir und Onkel Jok und Tip sind dort drüben, und Tante Tina und Korin siehst du nachher!“
„Ich komme gleich wieder!“ Tommy Junior rannte zu den Genannten, um sie zu begrüßen, und somit hatte Tommy endlich Zeit, auch die anderen Gelandeten zu begrüßen.
Er nahm jeden von ihnen in den Arm und kämpfte innerlich mit den Tränen der Rührung.
Zu viel hatte er mit jedem von ihnen erlebt und zu viel verdankte er, und mit ihm die anderen, jedem von ihnen.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Jok seinen Vater in die Arme nahm, und auch, dass beide Tränen in den Augen hatten.
Er sah die Freude des Wiedersehens in jeder einzelnen Begrüßung, welche nicht selten mit einer Umarmung verbunden war.
Selbst Mir und Tip, welche keinerlei Verwandten hier hatten, wurden mit der gleichen Freude und Herzlichkeit begrüßt, als wären die Angekommenen ihre Eltern.
Und die beiden erwiderten diese Begrüßung unter Tränen.
„Nun wir es aber Zeit, auch die an Bord Wartenden landen zu lassen!“
Tommy hatte dies gesagt, und Kri und Or gaben ihm Recht.
Die nötigen Funksprüche waren schnell getätigt, und kurze Zeit später herrschte auf dem Landeplatz Hochbetrieb.
* * *
„... Und deshalb können wir jetzt hier zwischen unseren Eltern und Freunden stehen und ihr könnt mir zuhören! Und deshalb musste ich jetzt diese Rede halten, obwohl ich kein Freund vom Reden halten bin! Aber am wichtigsten ist, dass wir nur deshalb unsere Kinder in den Arm nehmen können und wissen, dass sie, wenn wir aufpassen, nie erleben müssen, was wir erlebt haben! Allein dafür war alles, was wir zusammen geleistet haben, die Anstrengung wert!“
Tommy stand ein wenig erhöht vor den versammelten Menschen.
Seine Rede hatte rund eine halbe Stunde gedauert, und trotzdem hatte jemand das Gefühl gehabt, sie sei zu lang gewesen.
An manchen Stellen mussten Einige lachen, an anderen mit den Tränen kämpfen. Ein Kampf, den die Meisten verloren.
Im Hintergrund von Tommy saßen sieben junge Frauen, die schwanger waren. Unter ihnen Tina, Korin und Til.
Und über ihren Köpfen wehte die Fahne der Neuen Erde.
Mir und Tip traten vor und begannen das Lied zu singen, welches sie an ihrem ersten Abend am Lagerfeuer gesungen hatten. Dieses Lied war offiziell die Hymne der Neuen Erde geworden, und ihre Bewohner legten ihre rechte Hand auf ihr Herz und stimmten aus tiefstem Herzen mit ein.
Sogar Sean und Tobias sangen mit, denn Kotan hatte ihnen im Kindergarten das Lied beigebracht.
Nachdem der letzte Ton verklungen war, übernahm Jok das Wort: „So, und nun will ich auch mal was sagen: Nachdem wir deine Rede angehört und halbwegs zumutbar gesungen haben, würde ich vorschlagen, dass wir uns in einer halben Stunde zum Essen versammeln. Ich weiß, dass unsere Frauen das Beste gegeben haben, und ich weiß, dass wir sie deshalb nicht zu lange warten lassen sollten! Außerdem habe ich Hunger! Ich hoffe, es wird euch schmecken!
Das war´s, was ich sagen wollte!“
Herzliches Gelächter und einige Bravorufe waren die Antwort.
Bereits am Abend zuvor waren Tischreihen aufgebaut worden, so dass alle Platz finden würden. Die Frauen der Neuen Erde, aber auch viele der Männer, hatten wirklich ihr Bestes gegeben, um die mehr als vierhundert Menschen zu versorgen.
Die Tische, auf denen das Buffet aufgebaut war, brachen fast zusammen unter der Last, und jede Speise sah genau so lecker aus wie die andere.
Bald war nur noch das Geräusch von Geschirr und Besteck zu hören.
Tommy wandte sich leise an Tina: „Kannst du dich noch an unser erstes gemeinsames Essen mit René und den anderen Sieben erinnern?“
„Ja, und zwar, als ob es erst gestern gewesen wäre!“
„Das hier erinnert mich an damals! Und ich freue mich, dass ich es denen zurück geben kann, denen wir es damals zu verdanken hatten.“
„Geht mir genau so! Sieh mal dort: Jok und sein kleiner Bruder Phil. Es ist fast so, als wären sie immer zusammen gewesen und hätten sich nicht erst heute kennen gelernt. Wie stolz Jok auf ihn ist! So habe ich ihn nur selten erlebt!“
„Ich freue mich für ihn! Aber auch für Or und Keni! Für sie muss es schwer gewesen sein, von hier wegzufliegen und ihr einziges Kind zurück zu lassen.“
Tina sah ihre Söhne an und nickte. Die Vorstellung, auch nur einen Tag ohne sie zu sein, raubte ihr die Sprache.
„Unsere Häuser sind eigentlich groß genug!“
„Na ja, ein wenig müsste man schon umräumen, aber es geht!“
„Und genügend leere Häuser gibt es auch, so dass die Idee gar nicht so schlecht ist!“
Tommy lachte. „Ist ja schon gut, ihr habt mich überzeugt! Aber wie kommt ihr auf die Idee?“
„Tommy hatte sie! Er kam vorhin zu uns und fragte, ob nicht wenigstens die Kinder mal wieder auf einem Planeten schlafen könnten. Und da eigentlich genug Platz da ist, haben wir uns überlegt, das auch den Erwachsenen anzubieten. Zumindest abwechselnd für eine Woche oder so!“
„Gut, ihr beiden, aber die Organisation übernehmt ihr! Sprecht am besten mit Kir, Mykbar und Or!“
„Einverstanden!“ Mir und Tip machten sich auf den Weg, um die drei zu suchen.
„Da ist er ja!“, erklang Kenis Stimme.
Tommy drehte sich freudig erregt zu ihr um und lag in ihren Armen, bevor er etwas sagen konnte.
„An dich heranzukommen, ist schwieriger, als Sternenstaub zu fangen!“, begrüßte ihn Keni lachend und gleichzeitig weinend.
Auch Tommy konnte seine Tränen nicht zurück halten.
Wie oft hatten diese Arme ihm Trost gegeben! Und wie oft hatte er der Versuchung widerstehen müssen, nicht doch noch Ja zu dem Angebot von Or zu sagen und so Keni als Mutter zu bekommen.
Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, ging Tommy auf die Knie und nahm seine Söhne auf den Arm, welche dem Geschehen mit großen verwunderten Augen zugesehen hatten.
„Sean, Tobias, das ist Tante Keni, die Mutti von Onkel Jok! Sie ist eine ganz liebe und tolle Frau und ich bin mir sicher, dass ihr sie bald genau so lieb haben werdet, wie ich sie habe! Sagt Hallo!“
Bevor die beiden Hallo sagen konnten, hatte Keni schon jeden von ihnen umarmt und einen Kuss auf die Wange gegeben.
Allein damit hatte sie die Herzen der beiden Kleinen im Sturm erobert, und ab sofort wetteiferten sie darum, Keni am nächsten zu sein.
„Da hast du dir was aufgehalst!“
„Tina! Endlich!“
„Meine Güte, du bist tatsächlich eine Frau geworden! Wo ist die Zeit geblieben?“
„Bei mir!“, meldete sich die Stimme eines Jungen zu Wort.
„Stimmt, mein Junge, bei dir!“, und an Tommy und Tina gewandt: „Darf ich vorstellen: Das ist Phil, Joks kleiner Bruder!“
„Gratuliere, Keni! Und du, wie alt bist du?“
„Neun Jahre! Seid ihr die Tina und der Tommy, von denen Mutti und Vati immer erzählen?“
Bevor einer der beiden antworten konnte, gab Keni die Antwort: „Ja, mein Junge, das sind die beiden!“
„Wow! Dann seid ihr richtig berühmt, und ich muss auch noch Danke sagen bei euch!“
Tina und Tommy sahen ihn verwundert und fragend an: „Wieso musst du dich denn bei uns bedanken?“
„Na ganz einfach: Wegen euch darf ich jetzt spielen, was ich will! Auch Fantasie!“
„Und was spielst du in Fantasie?“, fragte Tommy, nachdem er geschluckt hatte.
„Manchmal bin ich du! Oder Jok! Und dann erkunde ich viele Planeten oder streite mich mit den Priestern! Aber die gibt es ja jetzt nicht mehr! Vati hat gesagt, als Jok so alt war wie ich, hätte er so was nie spielen können! Jedenfalls nicht mit anderen! Sonst wäre er in ein Heim gekommen! Das kann ich mir gar nicht vorstellen, weil Fantasie so toll ist! Ich will immer welche haben!
Also: Vielen, vielen Dank, Tina, und vielen, vielen Dank, Tommy!“
Dieser konnte nicht anders, als den kleinen Kerl an sich zu ziehen und sein Haar zu strubbeln, was Phil mit einem fröhlichen Quietschen quittierte.
Nun kam Tina an die Reihe, und wieder quietschte er.
„Und warum sind wir berühmt?“, wollte Tina nun wissen?
„Na, wir lernen doch alles über euch in der Schule! Über die Erde und wie sie zerstört wurde, und wie ihr vorher geholt wurdet und dann dafür gesorgt habt, dass noch mehr geholt wurden, und so weiter. Das ist viel spannender als alles andere! Und auf der >PHYLL< hängen Fotos von euch, und der Raum, in dem ihr eure Verfassung gemacht habt, und du Präsident und mein Bruder dein Stellvertreter geworden seid, ist in einem Museum auf Elmers nachgebaut worden. Mit eurer Fahne und so! Und wenn wir in der Schule über euch lernen, dann gibt es auch immer einen Film darüber zu sehen. Unsere Lehrer sagen, ihr seid Vorbilder!“
„Und was sagt ihr Kinder?“
„Ich kenne keins, das nicht so sein will wie ihr!“
„Und da gehst du mit leuchtendem Beispiel voran, mein lieber Sohn! Ganz ehrlich: Manchmal erinnerst du mich an deinen Bruder und manchmal an Tommy. Und ich finde es gut so! Aber du müsstest vielleicht mal eine Zeitlang hier leben, damit du weißt, was die beiden wirklich geleistet haben! Und nicht nur sie, sondern alle, die bei dieser Mission dabei waren!“
„Oh ja, Mutti, darf ich? Bitte! Stell dir mal vor, ich könnte mit Jok losziehen! Oder mit Tommy! Oder mit beiden! Weißt du, wie viel ich da lernen könnte? Bitte, bitte, Mutti, sag Ja!“
„Oh je, da habe ich was angerichtet! Phil, ich glaube nicht, dass das geht!“
„Warum denn nicht? Ihr wollt doch sowieso später hier wohnen. Da kann ich doch jetzt schon hier bleiben, und in sechs Jahren kommt ihr einfach nach!“
Tina, Tommy und Jok hatten mit wachsender Aufmerksamkeit zugehört. Nun schaltete sich Jok ein: „Wie meint er das, Mutti?“
Keni war sichtlich verlegen. „Eigentlich wollten Vati und ich das mit dir später besprechen, wenn wir unter uns sind. Aber jetzt ist es dazu wohl zu spät, deinem kleinen Bruder mit seinen viel zu großen Ohren sei Dank! Erinnert ihr euch noch, wie wir damals gesagt hatten, dass wir uns vielleicht auf unsre alten Tage hier bei euch niederlassen würden?“
Die drei nickten.
„Und ihr habt damals gesagt, dass wir willkommen wären. Dein Vater hat lange darüber nachgedacht und wir beide haben viel miteinander gesprochen.
Er hatte es nie leicht gehabt auf Elmers, aber jetzt, nach dem ganzen Umbruch, hat er es noch schwerer. Natürlich wagt es keiner, sich offen mit ihm anzulegen, aber seine Feinde arbeiten im Untergrund. Und sie sind immer noch mächtig genug, um ihm das Leben schwer zu machen.
Und nicht nur ihm! Auch Kara, Tolar und ganz besonders Tol und Sila haben es nicht gerade einfach! Die beiden Letztgenannten, weil durch sie ein uraltes Standesdenken über den Haufen geworfen wurde, welches durch die Priester festgeschrieben war. Kara, weil sie eine klare Position bezieht, und Tolar und dessen Frau, weil Korin ihre Tochter ist und deine Frau wurde.
Versteht mich nicht falsch: Der Umbruch ist geschafft auf Elmers! Aber die alten Beziehungen bestehen noch. Gerade unter der älteren Generation, zu welcher wir ja nun einmal zählen.
Und Or ist es leid zu kämpfen! Er will endlich seine Ruhe haben!
Deswegen haben wir überlegt, ob wir euch fragen, ob euer Angebot von damals noch Gültigkeit hat.“
Tommy schluckte. „Und die Anderen?“
„Es geht ihnen nicht viel besser als uns. Erinnert ihr euch noch, dass Kels Eltern gesagt hatten, ihr Vater sei Oberster Priester in dem Dorf, aus welchem sie stammten, und dass er bei ihnen wohnen würde?“
Wieder nickten die drei.
„Nun, als sie in das Dorf zurück kamen, war das Haus bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Ihr Vater hatte es mit allem, was darin war, angezündet, und niemand im Dorf hat versucht, es zu löschen. Dafür haben sie ihm ein neues Haus gebaut, in dem die beiden nicht mehr willkommen waren. Wenn sie jetzt nach Elmers kommen, werden sie in einer Stadt einen Neustart versuchen. Aber leicht wird es nicht für sie, denn ihr Vater hat immer noch viele Freunde.
Was mich so wütend macht ist die Tatsache, dass selbst diejenigen, die damals gar nichts mit allem zu tun hatten, sondern nur Mannschaftsmitglieder waren, darunter zu leiden haben, und sogar deren Kinder!
Und trotzdem ist die gesamte Mannschaft vollständig an Bord gekommen, als Or sie rief! Und auch die Kinder von damals sind alle dabei!“ Ihr versagte die Stimme und Tränen liefen über ihr Gesicht. Jok nahm sie in den Arm. Zu Tommy aber sagte er: „Ich weiß, was du sagen willst! Aber ich muss mich raus halten! Es ist die Neue Erde! Ihr Kinder der Erde habt diesen Planeten bekommen, und wir von Elmers sind hier, weil ihr es wolltet. Alles, was jetzt kommt, kann nur von euch kommen, und wir haben uns da vollkommen raus zu halten! Egal, wie schwer es ist! Und wir haben eure Entscheidung zu akzeptieren, egal wie sie ausfällt!“
Tommy legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihn nur an. Dann nickte er.
„Kommst du?“ fragte er Tina.
„Worauf du dich verlassen kannst!“
„Und du willst etwas lernen, hast du gesagt. Richtig?“
Diese Frage ging in Richtung Phil. Dieser nickte.
„Gut! Dann wirst du jetzt eine Gelegenheit dazu bekommen, wenn deine Mutti es dir erlaubt, Tina und mich zu begleiten.“
„Diese Erlaubnis gebe ich gern, auch wenn ich nicht weiß, wohin oder wozu!“
„Weißt du das wirklich nicht, Mutti? Du hast die beiden so oft an Bord erlebt und willst mir sagen, du hast keine Ahnung, was kommt? Das konntest du, als ich noch ein kleiner Junge war, und ich habe es dir damals fast immer geglaubt. Aber das war vor vielen Jahren!“
Jok begann zu lachen, und Kara stimmte unter Tränen ein.
„Tommy an alle, die von der Erde kommen: Bitte kommt zu einer Versammlung in unsere Konferenzhalle! Für alle anderen: Noch ein fröhliches Fest! Ich werde aber nachher noch Einiges bekannt geben müssen, was uns alle angeht. Und ich möchte Kil bitten, ebenfalls in die Halle zu kommen. Danke!“
Nach dieser Durchsage, die Tommy über das Kommunikationssystem der Stadt getätigt hatte, herrschte einige Augenblicke lang verblüfftes Schweigen.
Noch nie hatte Tommy nur mit einer Gruppe reden wollen! Doch dann erklang Joks Stimme:
„Nehmt es den Erdlingen nicht übel! Ich weiß, worum es in dieser Beratung geht, und ihr dürft mir glauben: Dabei haben wir Elmeraner außer Kil als Gewissen und meinem kleinen Bruder als Lehrling nichts zu suchen! Heute wird, so glaube ich, wieder einmal Geschichte geschrieben auf der Neuen Erde. Also Kotan: Halte schon mal deinen Computer bereit!“
„Phil, bitte setze dich dort hin und höre einfach nur zu! Okay?“
„Ja! Aber ich habe vorher noch eine Frage: Habe ich was falsch gemacht?“
„Nein, mein Junge, ganz und gar nicht! Ganz im Gegenteil!“
Phil ging zu dem ihm zugewiesenen Stuhl und setzte sich. Sein Gesicht war hoch rot und man konnte ihm seine Anspannung und seine Neugierde auf das Kommende förmlich ansehen.
Nachdem auch der Letzte saß, begann Tommy: „Danke, dass ihr so schnell gekommen seid! Ich hatte vorhin eine Unterhaltung mit Keni ...“ Er erzählte, was er von Keni erfahren hatte. „... Und nun seid ihr dran!“
Im Saal herrschte eine kurze Zeit lang Schweigen. Alle mussten das Gehörte erst einmal verdauen.
„Ohne diese Menschen wären wir doch gar nicht hier! Wenn wir sie jetzt mit solchen Problemen allein lassen, dann verstoßen wir gegen alles, was uns wichtig ist und was unsere Gesellschaft ausmacht!“, meldete sich René als Erster zu Wort.
„Sie damit allein lassen? Das kommt für mich überhaupt nicht in Frage!“, kam es von Biene.
„Wer zu uns kommen will, um hier zu leben, soll kommen! Ich werde ihn oder sie von Herzen willkommen heißen!“
So, oder so ähnlich gingen die Wortmeldungen weiter. Als wieder Ruhe eingekehrt war, übernahm wieder Tommy das Wort: „Auch ich bin dieser Meinung, aber ich habe ein Problem, welches ihr nicht bedacht habt. Und deshalb habe ich auch Kil gebeten, bei dieser Sitzung dabei zu sein. Als wir hier ankamen, waren beide Gruppen gleich groß, und wir hatten die gleiche Anzahl von Stimmen in beiden Gruppen. Als wir Or und Keni das Angebot gemacht hatten, sich später hier niederlassen zu können, sind wir davon ausgegangen, dass dies keine Auswirkungen auf ein Stimmenverhältnis haben könnte. Doch wenn es nun vielleicht eine ganze Kreuzer-Besatzung ist, ändert sich das total! Was sagst du, Kil?“
Kil dachte eine Weile nach. In der Halle herrschte vollkommenes Schweigen.
Selbst Phil, den Tommy als ziemlich gesprächig und aktiv erlebt hatte, saß mucksmäuschenstill. Aber man konnte ihm ansehen, wie sehr ihn das bisherige Geschehen beschäftigte.
Nach etwa zehn Minuten meldete sich Kil: „Es ist möglich! Aber es müssen zwei Voraussetzungen geschaffen werden. Erstens: Jeder Elmeraner, der sich auf der Neuen Erde ansiedeln will, muss schwören, unsere Verfassung in jedem Punkt anzuerkennen und unsere Gesetze einzuhalten. Und jeder von euch Erdlingen erhält bei Abstimmungen zwei Stimmen anstatt nur der einen, die er normalerweise hat. So bleiben eure Ur-Rechte erhalten. Sollte die Zahl der Stimmen, die auf Seiten der Elmeraner sowie von Mir und Tip liegt, dann immer noch höher sein, muss eure Stimmzahl entsprechend angepasst werden. Dazu müsste allerdings ein neues Gesetz verabschiedet werden, über welches nur diejenigen, die zu unsrer eigentlichen Gruppe gehören, abstimmen dürfen! Das kann innerhalb der nächsten Stunde passieren, so dass du danach deine Bekanntgabe machen kannst.“
Aufmerksam hatten die Anderen zugehört.
„Wer für diesen Vorschlag ist, steht bitte auf!“, meldete sich Tommy zu Wort.
Keiner der Anwesenden blieb sitzen.
„Gut, dann hole ich jetzt den Rest der Gruppe zusammen!“
Etwa zwanzig Minuten später waren alle versammelt.
Kil erklärte, um was es ging und wie ihrer Meinung nach die Lösung aussehen könnte.
„Bitte denkt in Ruhe darüber, denn es geht um viel!“, beendete sie ihre Rede.
„Ich brauche darüber nicht nachzudenken, sondern lediglich darüber, wie ich unseren Freunden von der Erde hier jemals für das danken kann, was sie damals für mich getan haben, und jetzt für meine Eltern und meine kleine Schwester tun wollen. Und selbst wenn ich in Zukunft keine Stimme mehr hätte, dann wäre das noch lange nicht Dank genug!“
Diese Aussage kam von Kel. Er war zwar einer der Jüngsten im Raum, aber trotzdem bereits zu einem stattlichen Mann heran gereift, dem die Arbeit auf der Farm an seinen Muskeln anzusehen war. Trotzdem schämte er sich seiner Tränen nicht, welche ihm während seiner Worte gekommen waren.
„Ich verstehe nicht, worüber wir überhaupt diskutieren sollen! Was ihr für uns tut, können wir euch nicht in zehn Leben zurück geben! Und nicht nur für uns und unsere Familien, sondern auch für die, welche damals und auch heute wieder einfach nur an Bord der >PHYLL< sind. Wo wäre ich heute, wenn ihr mich damals nicht aus dem Heim geholt hättet? Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich meine Eltern jemals wieder hätte in den Arm nehmen können! Vorhin habe ich das erste Mal seit rund vierzehn Jahren mit ihnen reden, sie in den Arm nehmen und mit ihnen lachen können! Wir müssen darüber reden oder nachdenken, ob wir ein Gesetz beschließen wollen, welches eure Rechte absichert? Ich glaube, ich bin in einem schlechten Traum! Beschließen wir endlich und hören mit diesem blödsinnigen Drum-Herum-Gerede auf!“
Alle anwesenden Elmeraner nickten.
„Ich konnte mir denken, dass von euch diese Reaktionen kommen würden, denn ich fühle und denke genau so wie ihr! Trotzdem musste ich zu dieser Abstimmung rufen, denn nur durch sie achten wir die uns gegebenen Gesetze. Also: Wer dafür ist, steht auf! Das gilt für alle hier im Saal!“
Alle erhoben sich. Selbst Phil stand auf, was Tommy lächelnd zu Kenntnis nahm.
„Dann ist das neue Gesetz hiermit beschlossen, und Kotan wird es verschriftlichen. Ich danke euch allen! Tommy: Du kannst deine Bekanntgabe machen!“
Noch bevor Tommy überhaupt etwas sagen konnte, stand Jok vor ihm und nahm ihn in die Arme. Tränen liefen über sein Gesicht und alles, was er sagen konnte, war:
„Danke, großer Bruder!“
Und kaum hatte er ihn losgelassen, lag er in den Armen von Korin, die sich ebenfalls bedankte.
Aber nicht nur er wurde in den Arm genommen, sondern im Saal umarmten die Elmeraner die Erdenkinder, um sich zu bedanken. Als auch der Letzte von ihnen Tommy umarmt hatte, stand plötzlich Phil vor ihm.
„Du Tommy, ich weiß jetzt, warum Jok und Korin so unheimlich stolz darauf sind, dass du ihr Bruder bist und Tina ihre Schwester. Wenn ich das hier meinen Lehrern oder Thomas oder Mik erzähle, werden die vor Neid platzen, weil sie nicht dabei sein konnten. Ich möchte wirklich gern auch euer kleiner Bruder sein! Darf ich?“
„Von meiner Seite aus gern! Tina musst du fragen. Ich würde vorschlagen, du machst das direkt nach der Bekanntgabe von mir, denn die muss ich jetzt machen, damit die Leute draußen endlich Bescheid wissen, um was es hier ging und was beschlossen wurde. Das verstehst du doch, oder?“
„Na klar, das ist ganz wichtig! Aber danach frage ich! Das können ruhig alle hören!“
Und damit rannte er los, um Jok zu suchen, der zusammen mit Korin auf dem Weg zu ihren Familien war.
„... Und damit habe ich alles gesagt, was gesagt werden musste! Für jeden von euch, der sich dafür entscheidet, die Neue Erde als seine neue Heimat zu wählen: Ein herzliches Willkommen von uns allen!“
Auf dem Platz vor ihm herrschte Stille.
Alle 122 Mitglieder der eigentlichen Mission standen hinter Tommy, um seinem Willkommen Nachdruck zu verleihen.
In den Strahlen der untergehenden Sonne kreiste ein Raubvogel, und seine Rufe waren die einzigen Laute, welche die Stille unterbrachen.
Das Gehörte hatte die Menschen sprachlos gemacht. Aber man konnte in ihren Gesichtern lesen, was in ihnen vor sich ging.
Tommy sah, wie Phil etwas zu Or, der mit Keni und Phil in der ersten Reihe neben den Große Alten stand, sagte, und Or ihm etwas antwortete.
Dann trat Or nach vorn und bat um das Wort:
„Als Keni mir erzählte, was mein Sohn aus ihr herausgelockt hatte, und dann erst die Kinder der Erde und später der Rest der Gruppe in der Konferenzhalle verschwand, hatte ich eine Ahnung von dem, was kommen würde. Aber es war nicht nur eine Ahnung die von meiner Hoffnung genährt wurde, sondern eine Ahnung, die davon unterstützt wurde, dass ich die Erdlinge, wie sie hier liebevoll genannt werden, kannte und kenne! Ich habe auf Keslar erlebt, wie sie und unsere Kinder gemeinsam Mir und Tip aufgenommen haben. Ich habe Tommy und Tina in Situationen erlebt, die ich mir für mich nicht wünschen würde. Ich habe die Gruppe erlebt, wie sie unsere Kinder bei sich willkommen geheißen hat. Und ich könnte diese Liste noch eine ganze Weile so fortsetzen. All das hat meiner Ahnung Nahrung gegeben und meine Hoffnung während unseres Fluges hierher aufrecht erhalten!
Wir haben auf Elmers viel, sehr viel erreicht! Aber den Rest sollen andere erledigen!
Ich bin es leid, ständig mit unterschwelligen Anfeindungen jeglicher Art zu leben! Ich habe es so satt, ständig gegen den alten Mief zu kämpfen, der immer noch in vielen Köpfen seinen Platz hat! Ich will endlich Ruhe und Frieden für meine Familie und mich! Und ich weiß, dass ihr das alle wollt!
Und als Keni mir erzählte, wie Tommy auf ihren Bericht reagiert hatte, war ich mir fast sicher, das mein, unser Wunsch in Erfüllung gehen würde! Im Namen aller, die hierbleiben wollen, danke ich euch aus tiefstem Herzen!
Doch nun muss noch geklärt werden, wer von euch wirklich hier leben will. Ich weiß noch nicht genau, wie wir das so schnell herausbekommen wollen. Vielleicht ist es am einfachsten, wenn diejenigen, die zurück nach Elmers wollen, einfach innerhalb der nächsten Stunde zu mir kommen, um es mir zu sagen. Diese Stunde Zeit sollte sein, denn das ist eine schwere Entscheidung!
Und nun noch eine letzte Sache, bevor wir auseinandergehen um nachzudenken, und die betrifft meinen Sohn Phil. Komm her, mein Junge!“
Dieser kam mit hoch erhobenen Kopf nach vorn. Mit fester Stimme begann er zu reden, obwohl man ihm seine Unsicherheit ansehen konnte: „Ich habe von meinen Eltern, von Tante Kara, meinen Lehrern und von so vielen anderen Leuten erzählt bekommen, was Tina und Tommy für Menschen sind. Ich habe so viele Berichte über sie gelesen, und wenn ich >Fantasie< gespielt habe, dann war ich mit meinem Bruder Jok oder mit Tommy auf anderen Planeten. Ich habe mir immer gewünscht, Tina und Tommy mal richtig kennenzulernen. Heute hat es endlich geklappt! Und kaum bin ich hier, nimmt mich Tommy mit! Zwar nicht auf einen anderen Planeten, aber das, was er mir gezeigt hat, wäre auf Elmers nicht möglich. Vielleicht später, aber jetzt noch nicht! Und das, was er mir gezeigt hat, betraf mich, meine Mutti und meinen Vati. Er hatte mich gerade mal ein paar Minuten gekannt und hat mich trotzdem mitgenommen und sich darum gekümmert, dass Mutti, Vati und ich endlich glücklich sind! Und Tina war immer bei ihm und hat nie gesagt, dass er das nicht machen soll, sondern sie ist mit aufgestanden, als abgestimmt wurde, ob wir alle hierbleiben dürfen oder nicht. Und deshalb will ich die beiden jetzt um etwas wichtiges bitten.“
Er ging zu den beiden und nahm ihre Hände. Tommy war ja bereits informiert, und Tina begriff sofort, um was es gehen würde.
Ruhig nahm sie Tommys andere Hand, so dass der Kreis geschlossen war.
Auf dem Platz verstummte jedes gerade begonnene Gespräch. Es wurde so leise, dass lediglich die Geräusche der Natur zu hören waren.
In diese Stille erklang Phils Stimme: „Tina, Tommy! Wir kennen uns erst seit wenigen Stunden, aber ich weiß jetzt schon ganz viel über euch. Und das, was ich heute schon mit euch erlebt habe, hat das alles bestätigt! Ihr habt Mutti und Vati glücklich gemacht, und dafür habe ich euch lieb! Ihr habt mich glücklich gemacht, und dafür habe ich euch lieb! Mein großer Bruder und seine Frau sind glücklich wegen euch, und dafür habe ich euch lieb! Und er ist euer kleiner Bruder!
Und deshalb möchte ich euch um folgendes bitten: Christine, sei auch du meine große Schwester! Thomas, sei auch du mein großer Bruder!“
Die beiden sahen sich an und nickten sich nur mit den Augen zu.
Tina antwortete zuerst: „Phil, ich kenne dich ebenfalls erst seit sehr kurzer Zeit, aber du hast etwas geschafft, was nicht gerade leicht ist: Du hast es geschafft, dass ich dich in dieser kurzen Zeit lieb gewonnen und schätzen gelernt habe allein durch die Tatsache, dass du immer zuerst die Frau und dann erst den Mann nennst! Du hast Mutti und Vati gesagt und du hast mich zuerst und danach Tommy gefragt, obwohl ich weiß, dass es auf Elmers andersherum ist. Und schon allein deswegen erfülle ich dir deine Bitte gern: Phil-Sohn von Keni und Or, sei auch du mein kleiner Bruder!“
Nun kam Tommy an die Reihe: „Phil, du hast Recht, wenn du sagst, dass wir uns erst seit sehr kurzer Zeit kennen. Und trotzdem habe ich das Gefühl, ich würde dich schon seit dreizehn Jahren kennen, denn du ähnelst in vielem Jok, der Tinas und mein Bruder geworden ist. Die Art, wie du um etwas bittest, die Aufmerksamkeit, mit der du zuhörst, und die Leidenschaft, mit der du bei einer Sache dabei bist, zeigen mir, dass du ein Junge bist, auf den man sich verlassen kann und der weiß, was er will. Und auch ich habe dich für die Tatsache, dass du immer zuerst die Frau nennst und damit das Geschlecht ehrst, durch welches wir alle überhaupt am Leben sein können, sofort lieb gewonnen. Auch ich erfülle dir deine Bitte gern: Phil – Sohn von Keni und Or – sei auch du mein kleiner Bruder!“
Jubelnd bedankte sich dieser bei seinen Wahlgeschwistern, während die Anwesenden durch rhythmisches Klatschen Beifall spendeten.
Als sich das Treiben ein wenig gelegt hatte trat Kil nach vorn. „Es tut mir leid, dass ich mich melden muss, aber es ist sehr wichtig! Heute vor zehn Jahren um zweiundzwanzig Uhr dreißig begann Tommys erst Amtszeit als Präsident und endete heute vor fünf Jahren um zweiundzwanzig Uhr dreißig. Seine zweite Amtszeit begann zweiundzwanzig Uhr fünfundvierzig. Das Gleiche gilt für Jok als sein Stellvertreter. In dreißig Minuten endet die Amtszeit der beiden, und unsere Verfassung besagt, dass der Planet nicht länger als eine Stunde ohne einen regierenden Präsidenten oder seinen Stellvertreter sein darf. Ist er es doch, gibt es eine Neuwahl, und für den bisherigen Präsidenten gilt die letzte Amtszeit als beendet. Er kann nicht mehr kandidieren und auch sein Stellvertreter nicht. Da sich bisher kein weiterer Kandidat für diese Ämter gemeldet hat, sehe ich die erneute Wahl von Tommy und Jok als eine Formsache, die aber trotzdem wichtig ist. Wir sollten also die Wahl und die Vereidigung als Nächstes vornehmen, denn sonst wird die Zeit knapp!
Ich lade euch alle, die ihr heute zu uns gekommen seid, herzlich ein, bei der Wahl und der Vereidigung dabei zu sein, denn die Gewählten werden für die nächsten fünf Jahre auch eure Präsidenten sein, wenn ihr hier bleiben wollt. Auch, wenn ihr sie noch nicht wählen konntet.
Nach dem Feuerwerk sollten wir die Kinder ins Bett bringen und anschließend feststellen, wer von euch hierbleiben und wer zurück nach Elmers möchte. Danach dürften wohl auch alle so müde sein, dass wir nur noch in die Betten wollen.
Diejenigen, deren Kinder hier auf dem Planeten wohnen, finden Platz in derem Haus, und alle anderen beziehen erst einmal eins der leerstehenden Häuser. Ihr werdet dort alles finden, was ihr braucht. Für einen Rückflug zu den Schiffen ist es dann zu spät. Und morgen besprechen wir alles weitere.“
Nun drehte sie sich zu den Einwohnern um: „Ist alles für die Zeremonie vorbereitet?“
Ein junger Mann antwortete mit Ja.
„Dann lasst uns beginnen!“
Aus der Gruppe lösten sich einige und verschwanden in Richtung der Aufzüge, die zur Erde führten. Wenig später folgten ihnen auch alle anderen.
Unten angekommen, betraten sie einen mit Fackeln abgesteckten Weg, der sie zu dem Platz führte, an dem die Kinder an ihrem ersten Abend um ein Lagerfeuer gesessen hatten.
Auch diesmal brannte ein Lagerfeuer, welches allerdings kleiner war als das von damals. Es brannte in der Mitte eines rund fünfhundert Quadratmeter großen Kreises, der ebenfalls mit Fackeln abgesteckt war. Diese Fackeln dienten nicht nur als Lichtspender, sondern sorgten dafür, dass sich die in dem Meer aus Gras lebenden Tiere fernhielten. Kein Löwe würde sich an ein Feuer wagen, um einen Menschen zu reißen, wenn es einige hundert Meter weiter wesentlich leichtere Beute gab.
Vor dem Feuer stand ein kleiner Tisch, auf den Kil jetzt die Verfassung und die Fahne der Neuen Erde legte.
„Es ist jetzt zweiundzwanzig Uhr und fünfundvierzig Minuten! Tommy, Jok, eure zweite Amtszeit ist ab sofort beendet!
Ich rufe zur Wahl für das Amt des Präsidenten und seines Stellvertreters! Wer für diese Ämter kandidieren will, möge jetzt vortreten!“
Sie wartete fünf Minuten.
„Da niemand kandidieren möchte, stehen Tommy für eine dritte Amtszeit als Präsident und Jok für eine dritte Amtszeit als sein Stellvertreter zur Verfügung. Ich habe bereits mit ihnen gesprochen.
Wer dafür ist, Tommy für weitere fünf Jahre als Präsident zu wählen, hebt jetzt bitte die Hand!“
Alle Hände gingen in die Luft.
„Obwohl das nach einstimmig aussah, muss ich trotzdem fragen: Gibt es Gegenstimmen?“
Niemand meldete sich.
„Gibt es Stimmenthaltungen?“
Wieder meldete sich niemand.
„Dann ist die Wahl des Präsidenten einstimmig für Tommy entschieden! Thomas, nimmst du dieses Amt noch einmal an?“
„Ja!“
Nun folgte die Wahl von Jok, welche genauso einstimmig ausfiel.
Nachdem die beiden vereidigt waren, wandte sich Kil noch einmal an die Gruppe: „Ich muss euch darauf hinweisen, dass dies die dritte und somit letzte Amtszeit der beiden sein wird. Dies haben wir vor gut zehn Jahren in unserer Verfassung niedergeschrieben. Also macht euch in den nächsten fünf Jahren Gedanken darüber, wer ihre Nachfolger werden sollen! Und nun: Viel Spaß beim Feuerwerk!“
* * *
Die Kinder waren in den Betten, und für alle Elmeraner war ein Schlafplatz gefunden, auch wenn es eng geworden war.
Tommy Junior teilte sich das Zimmer mit Sean und Tobias. Da er noch nicht ausgewachsen war, war dies möglich.
Die Krl waren bis auf Kri zurück auf ihr Schiff geflogen und würden im Laufe des Vormittages wieder zurückkommen. Yso, Mykbar und Kri wollten in ihren Gleitern schlafen, die dafür bestens ausgerüstet waren.
Doch jetzt saßen die drei zusammen mit Or, Jok und Tommy in der Konferenzhalle.
„Ich hatte mir schon gedacht, dass dieser Tag lang werden würde, aber eigentlich hatte ich eher an Geschichten erzählen und Feiern gedacht und nicht daran, so kurz nach Beginn meiner dritten Amtszeit Organisatorisches zu klären.“, meinte Tommy lächelnd.
„Du bist selbst Schuld! Du hättest das ja nicht direkt vor dem Ende deiner zweiten Amtszeit anfangen müssen!“, bekam er von Jok lachend zu Antwort. „Aber im Ernst: Wenn ich dich richtig verstanden habe, Vati, dann wollen alle, die mit der >PHYLL< hierher gekommen sind, auch hier bleiben.“
„Richtig, mein Junge!“
„Das heißt, wir müssen zuerst genügend Wohnraum schaffen. Wie viele Familien sind es?“
„Einhundert sechs, wenn du deine Mutter, Phil und mich dazu rechnest.“
„Wir haben sechzig leere Häuser zur Verfügung. Das stimmt doch, Tommy?“
„Stimmt genau! Also brauchen wir noch sechsundvierzig, wobei mir lieber wäre, wenn wir gleich ein paar mehr bauen würden. Das stellt aber kein Problem dar! Wir haben hier oben noch maximal Platz für zwölf neue Häuser. Und wir werden es niemals in so kurzer Zeit schaffen, die Plattform zu erweitern, denn wenn wir die >PHYLL< tatsächlich in vier Wochen per Autopilot zurück nach Elmers schicken, haben wir nur diese vier Wochen für den Ausbau!“
„Ich hätte da eine Idee, welche vielleicht die Lösung des Problems sein könnte!“, meldete sich Kri zu Wort. „Was wäre, wenn die Regierung von Elmers den Bewohnern der Neuen Erde die >PHYLL< schenken würde? Quasi als nachträgliche Anerkennung für ihre Leistungen! Was meint ihr dazu?“ Diese Frage ging an Yso und Mykbar.
Mykbar lachte. „Du bist eine diplomatische Schleichkatze, Kri! Natürlich bekommt die Regierung auf Elmers mit, dass jedes Mal, wenn die >PHYLL< auf Elmers ist, die Aktivitäten der Gegner steigen. Die >PHYLL< und ihre Mannschaft sind ein Symbol, welches von den einen geliebt und verehrt und von den anderen gehasst wird. Würde sie hier bleiben, hätten es die Kräfte auf Elmers einfacher, den alten Sumpf in Ruhe auszutrocknen, denn er würde nicht alle zwei oder drei Jahre aus dem Dämmerschlaf erwachen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Strukturen, die zum Schluss auf Elmers herrschten, nur langsam und über viele Jahrhunderte hinweg entwickeln konnten und es bestimmt Generationen gebraucht hat, um sie so starr in den Köpfen der Menschen zu verankern.
Ich erkenne auf jeden Fall den doppelten Sinn deines Vorschlages und ich finde ihn gut!
Kann ich das Funksystem der >SCHRE< benutzen, um mit der derzeitigen Regierung Kontakt aufzunehmen? Es ist fast zehnmal so stark wie das der >PHYLL< und immer noch viermal stärker als das meines Gleiters. So hätten wir in rund zwei Wochen eine Antwort!“
„Sicher kannst du das, Mykbar! Und ich werde mein altes Schiff zusammen mit den Transportschiffen hierher beordern, damit die Arbeit möglichst schnell voran geht. Allerdings wird es knapp vier Monate dauern, bis es hier ist. Und da kommt meine zweite Idee, für die du mich ruhig Schleichkatze nennen kannst: Ich bin ja jetzt Oberster Flottenadmiral von Krl. Und als solchem steht mir Urlaub zu, den ich seit drei Jahren nicht beansprucht habe. Da komme ich problemlos auf vier Monate! Und meiner Mannschaft kann ich jederzeit Sonderurlaub geben. Sie werden ihn genießen! Somit bin ich da, wenn die Schiffe eintreffen, kann zeitgleich meinen Dienst wieder antreten und die nötigen Anweisungen geben.“
Mykbar lachte. „Bist du dir sicher, dass du nicht ein genmanipulierter Url bist? Die Idee ist großartig!“
„Ein Url ganz bestimmt nicht! Aber der viele Umgang mit dir schadet mir wohl doch mehr, als ich zugeben will!“, erwiderte Kri.
Or sah fassungslos von Mykbar zu Kri und wieder zurück. Aber auch Tommy und Jok waren sprachlos geworden.
Ein ganzer Raumkreuzer für die Neue Erde? Mit einer kompletten Mannschaft? Die beiden waren ja schon viel gewohnt, aber das war dann doch wieder einmal zu viel!
Mykbar sah Or an: „Was meinst du zu dieser Idee? Ich weiß, wie sehr du dein Schiff liebst. Und nun hättest du sogar die Möglichkeit, es wieder mit deiner Heimat zu verbinden und sogar noch eine neue Besatzung auszubilden. Viele der derzeitigen Besatzungsmitglieder haben noch genügend Zeit bis zum Ruhestand und ihre Kinder kennen zum größten Teil nur das Leben an Bord. Und soweit ich das beurteilen kann, möchten sie später genau wie ihre Eltern im All unterwegs sein. Aber kein Wort davon zu Yso, sonst habe ich die nächsten zwanzig Jahre Stress pur!“ Er lachte.
„Wusstet ihr übrigens, das Yso wieder schwanger ist? Tommy bekommt einen kleinen Bruder und er wird Tip heißen, weil Jok ja schon vergeben ist. Oder, Kri?“
„Wehe dem, der meine Frau merken lässt, dass er weiß, was los ist! Sie will es euch selbst verkünden!“ Kri knurrte regelrecht.
„Mensch, toll!“ Ich gratuliere euch beiden!“ Tommy freute sich aufrichtig. „Wo ist deine Frau übrigens? Ich habe sie noch nicht gesehen!“
„Sie kommt morgen auf den Planeten, denn sie will das Kind wie damals Yso hier direkt auf der Neuen Erde zur Welt bringen. Und wir müssen in ein paar Tagen mit der Geburt rechnen. Vorher muss sie aber noch euren Ärzten einiges erklären, denn wie ihr euch vorstellen könnt, sind wir ein ganz klein wenig anders als ihr. Und dann wird sie für einige Wochen hier auf dem Planeten bleiben. Keine Sorge, unsere Gleiter sind dafür bestens ausgestattet, wie ihr morgen sehen werdet! Und weil wir gerade bei Gleitern sind, Tommy, eure Gleiter sind zwar schön und durchaus brauchbar, aber wenn es wirklich mal hart auf hart kommt, sind sie nicht nur ziemlich unter bewaffnet, sondern wirklich erbarmungslos veraltet und langsam. Und weil wir auf Krl das wissen, haben wir beschlossen, euren Bestand durch neue Gleiter von uns zu ersetzen. Und weil ich alte Schleichkatze schon vor einiger Zeit den Gedanken hatte, die >PHYLL< an diesen Planeten zu binden, wird auch ihr Gleiter-Bestand ersetzt. Außerdem wird die >PHYLL< durch uns grundlegend erneuert und auf den neuesten Stand gebracht. Vorausgesetzt, du, Tommy, als Präsident und Oberster Befehlshaber der Neuen Erde, und du, Or, als Kommandant der >PHYLL<, habt nichts dagegen.
Das Transportschiff mit den Gleitern und den Teilen für die >PHYLL< kommt in sieben Tagen hier an. Solltet ihr zustimmen, würde das noch ein weiteres Problem lösen, denn die >PHYLL< müsste landen, da auch der Rumpf komplett erneuert und mit einer neuen Panzerung versehen wird. Wenn die Wohnbereiche als Letztes dran kommen, ist der Platz zum Schlafen für alle gesichert.“
Weder Tommy noch Or brachten einen Ton hervor. Dafür war es Mykbar, der zuerst reagierte: „Wenn ich dich nicht besser kennen würde, würde ich glauben, an der Sache wäre irgendein Haken! Aber so frage ich dich einfach: Wieso?“
„Ich werde den Moment nie vergessen, als Tommy mir zum ersten Mal gegenüber stand. Seinen Vergleich und seine Beschwerde zusammen in wenigen Sekunden hervorgebracht, haben ihn mir sofort sympathisch gemacht. Die Form, wie die damaligen Missionsteilnehmer mit uns umgegangen sind, hat nicht nur mich, sondern die Krl aller an der damaligen Mission beteiligten Schiffe begeistert. Und später viele Krl in unserer Heimat, denn diese Daten sind öffentlich zugänglich.
Unsere Kinder, die hier mit den Kindern gespielt haben, wurden von den Kindern auf Krl beneidet, denn sie waren die ersten, und sind leider immer noch die letzten, die mit Kindern anderer Völker gespielt hatten. Und sie werden noch heute von den Kindern auf Krl dafür beneidet.
Wie du weißt, hat Kotan uns damals einen Koffer mit Datenkristallen übergeben, was für uns wie die Übergabe eines unbezahlbaren Geschenkes war. Bei der Auswertung ist mir und später auch vielen anderen etwas ganz Wichtiges aufgefallen: Nach allem, was die Kinder der Erde durchgemacht hatten, sind sie nie daran zerbrochen! Und sie sind nach allem, was sie im Laufe der Zeit erreicht hatten und was aus ihnen geworden war, dankbar und bescheiden geblieben. Das sind einfach Eigenschaften, die wir zutiefst ehren und von denen wir uns wünschen würden, dass sie von allen Völkern und Rassen gelebt würden. Du weißt, worauf ich hinaus will!
Wieso wir das machen? Weil es sich diese Menschen hier auf der Neuen Erde mehr als nur verdient haben! Weil meine Worte von Freundschaft damals keine leeren Worte waren! Und weil wir es wollen!
Allein Tommy, Jok, Tina, Korin, Mir und Tip wären es wert! Phil hat es heute deutlich gemacht. Aber auch jeder andere Missionsteilnehmer, egal ob Frau oder Mann, ob von der Erde oder von Elmers und jedes Besatzungsmitglied der >PHYLL<, das in einigen Stunden durch seinen Eid auf die Verfassung zu einem Bürger der Neuen Erde wird, ist es wert.
Wir wollen keinen Einfluss hier! Wir werden keinen Stützpunkt wie auf Keslar bauen! Wir wollen Freunde sein, die helfen, wenn Hilfe gebraucht wird. Haben die Url die Waffentürme mit der neuen Software versorgt?“
Mykbar schwieg einen Moment verlegen, bevor er antwortete: „Darüber wird noch beraten!“
„Siehst du: Genau das meine ich damit! Ihr beratet und beratet und beratet. Durch wie viele Gremien und Arbeitskreise muss denn auf Url eine so lebensnotwendige Sache gehen, bevor entschieden wird, ob und wann sie umgesetzt wird? Ich weiß, dass dein Rat diese Software vor über einem Jahr bekommen hat. Wir haben sie so schnell wie möglich eurem Rat übermittelt, als wir von den Veränderungen der Schildtechnik bei den Gemex erfahren und unsere Waffen- und Schildtechnik angepasst hatten. Kannst du dir vorstellen, was passiert wäre, wenn die diesen Planeten ins Visier gefasst hätten, während bei euch noch beraten wird? Ich hätte keinen Fuß auf diesen Planeten gesetzt und schon gar nicht meine Frau und mein Kind hier runter gelassen, wenn ich nicht die >SCHRE< im Orbit wüsste.
Das geht nicht gegen dich oder Yso! Aber euer Volk ist immer noch durchsetzt von Köpfen, die an die guten alten Zeiten denken oder sich auf längst überholten Erfolgen ausruhen. Und das wird sich erst ändern, wenn diese Köpfe ausgestorben sind und deine und die nach dir kommende Generation endlich das Ruder übernehmen kann. Auf Elmers ist es leider ähnlich und auf der Erde war es genauso. Leider ist es für diesen Planeten zu spät!
Ich hoffe, du nimmst mir diese Worte nicht übel, aber unter Freunden muss man offen reden können!“
Mykbar war deutlich anzusehen, wie überrascht, aber auch verlegen er war. Dann stand er auf, ging auf Kri zu, der ebenfalls aufstand, und nahm ihn in die Arme. „Auch wenn deine Worte hart waren, hat mir deine Ehrlichkeit unendlich gut getan. Und mit dieser Umarmung will ich dir zeigen, dass unsere Freundschaft noch tiefen geworden ist von meiner Seite! Danke!“
„Das freut mich aufrichtig! Doch noch haben Tommy und Or nichts gesagt!“
„Ich war von deinem Angebot viel zu überwältigt und musste erst einmal Luft bekommen. Aber natürlich würden wir euer Geschenk mit großer Freude annehmen!“ Man merkte Tommy seine Freude deutlich an.
„Und ich würde natürlich dem Umbau zustimmen, auch wenn ich da eigentlich nichts zu sagen habe, denn auch ich leiste nachher meinen Eid, und somit wird Tommy mein Oberbefehlshaber und Jok sein Stellvertreter!“, schloss sich Or den Worten Tommys an.
„Dann ist es beschlossene Sache! Und du kannst deinem Rat bei der Gelegenheit gleich mitteilen, dass sie mit ihren Beratungen aufhören können, weil wir dieses Problem gleich mit erledigen. Ich werde die nötigen Anweisungen geben!“
Und ich würde sagen, wir machen hier Schluss! Um Neun ist die Nacht zu Ende und jetzt ist es bereits ein Uhr zweiundzwanzig. Wir alle brauchen noch ein wenig Schlaf, sonst kommen wir nicht über den Tag!“
„Eine gute Idee! Viel mehr könnten wir jetzt sowieso nicht besprechen, und wie ich die Sache sehe, werden noch einige Dinge auf uns zukommen, an die wir jetzt noch gar nicht denken!“, meldete sich Jok.
Während Mykbar und Kri in Richtung der Landeplattform für die Gleiter davon gingen, wandte sich Tommy noch an Or: „Du hast da vorhin etwas gesagt, dass ich noch gar nicht bedacht hatte! Or, du bist mein Freund und das weißt du ...“
Or unterbrach ihn: „Ich weiß, worauf du hinaus willst, Tommy! Mache dir da keine Sorgen! Ich bin Soldat und als solcher loyal gegenüber meiner Regierung. Zumindest soweit, wie ich es mit meinem Gewissen vereinbaren kann! Und wenn meine Regierung aus meinem Freund, meinem Sohn und einer Frau besteht, die ich schon als kleines Mädchen kennen und respektieren gelernt habe, dann kann mir gar nichts Besseres passieren. Und ich hatte auf Elmers bereits angekündigt, dass ich den Dienst quittiere und mit mir auch alle anderen Besatzungsmitglieder. Also ist das in Ordnung! Und da ich ebenfalls eine Schleichkatze bin, hatte ich auf Elmers bereits durchblicken lassen, dass die Möglichkeit besteht, dass wir nicht zurück kommen. Allerdings erst, nachdem mich Tolar im Namen der Besatzung darum gebeten hatte, mit euch darüber zu sprechen.“ Er lachte auf. „Vielleicht hätte er sich gleich an Phil wenden sollen!“
„Mein Bruder gefällt mir auf jeden Fall!“, meinte Jok.
„Welchen von uns meinst du?“, fragte Tommy lachend.
„Euch beide, du Dussel!“
* * *
„Gibt es jemand, der unsere Verfassung nicht kennt, einmal abgesehen von den Kleinen? Dann möge er oder sie sich jetzt melden!“ Kil hatte diese Frage an die Elmeraner gestellt, die mit der >PHYLL< angekommen waren.
Sie stand an dem Platz, an dem Tommy am Tag zuvor seine Willkommensrede gehalten hatte. Neben ihr standen Tommy und Jok und hinter den Dreien standen alle eigentlichen Missionsteilnehmer. Lediglich die sieben schwangeren Frauen saßen genau wie am Tag zuvor.
Keine Hand hob sich.
„Gut! Dann möchte ich euch jetzt bitten, mir nachzusprechen und damit den Eid auf die Verfassung der Neuen Erde zu leisten: Ich schwöre hiermit, dass ich die Verfassung und die Gesetze der Neuen Erde anerkenne, sie achte und einhalten werde. Ich schwöre, dass mein Denken und Handeln dem Wohl des Planeten Neue Erde gilt, getreu den Artikeln der Verfassung! Von diesem Moment an verpflichte ich mich, an dem Grundvorhaben der Mission, die Neue Erde zu besiedeln, teilzunehmen und meinen Beitrag dazu leiste! Das schwöre ich bei meiner Ehre!“
Die Menschen vor Kil hatten die linke Hand nach oben gehalten und die rechte auf ihr Herz gelegt. Man konnte ihnen ansehen, wie wichtig dieser Moment für sie war und wie sehr es sie berührte. Selbst die Gesichter der kleineren Kinder waren ernst und feierlich.
Aber auch die Menschen hinter Kil waren zutiefst berührt, denn vor ihnen standen ihre Eltern, Geschwister und Freunde, die ab sofort zusammen mit ihnen die Neue Erde bewohnen würden, nachdem sie doch eine ziemlich lange Zeit voneinander getrennt gewesen waren.
Viele der Heimkinder konnten jetzt ihre Eltern wieder jeden Tag in den Arm nehmen, denn nachdem sie ihnen auf Elmers weggenommen und in ein Heim gesteckt worden waren, war den Eltern der Umgang mit ihnen verboten gewesen. Sie hatten sich an Or gewandt und darum gebeten, dass er sie mitnehmen würde, und dieser hatte der Bitte nur zu gern stattgegeben.
„Ich möchte euch danken, dass ihr diesen Eid geleistet habt, und darf euch dadurch als Bürger der Neuen Erde von Herzen willkommen heißen! Und aus tiefstem Herzen gratuliere ich euch dafür!“
Unter Jubel vermischten sich die Gruppen und wurden somit eins.
„Und wenn ich es heute wieder nicht schaffe, dich in den Arm zu nehmen, dann reiche ich einen Antrag bei Tina ein“ Die konnte ich nämlich gestern schon umarmen!“
„Kara!“ Tommy bekam kein weiteres Wort mehr heraus, sondern nahm die Frau vor ihm fest in die Arme. Vor Freude liefen ihm die Tränen über das Gesicht und wieder und wieder drückte er sie an sich.
„Nun lass eine alte Frau doch mal wieder Luft holen!“ Auch ihr liefen die Tränen. „Seid ihr groß geworden! Ich kann mich noch gut daran erinnern, als vor mir zwei abgemagerte Kinder auf der Pritsche lagen und Or sagte: Egal, was kommt, das Leben dieser beiden hat oberste Priorität!
Damals hatte ich noch keine Ahnung, was ihr mir einmal bedeuten würdet. Erst nachdem wir von der Neuen Erde abgeflogen waren, merkte ich, wie sehr ihr mir wirklich ans Herz gewachsen wart. Und als Or andeutete, dass wir vielleicht für immer hier bleiben würden, konnte ich es nicht erwarten, hier wieder anzukommen!
Dich dort oben gesehen zu haben, deiner Vereidigung beizuwohnen und dich jetzt als Präsident zu haben, erfüllt mich mit Stolz auf dich! Und zu wissen, dass du Vater von zwei prachtvollen Jungen und bald auch eines Mädchens sein wirst, mit Liebe zu dir! Und wenn ich sehe, zu was für prachtvollen jungen Menschen ihr alle herangewachsen seid und was ihr hier geleistet habt, dann sehe ich bestätigt bekommen, was ich damals schon gewusst habe: Keine einzige Sekunde der Zeit, die ich mit euch allen verbringen durfte, war verschwendete Zeit!“ Wieder umarmte sie ihn.
„Danke für alles, was du für uns getan hast, Kara! Ohne dich, ohne euch, wäre all dies hier gar nicht möglich geworden, und die Hälfte von dieser ganzen Gruppe wäre gar nicht mehr am Leben!“
„Ach Pa – per – la – pap! Vergiss es einfach! Aber jetzt möchte ich dir jemanden vorstellen! Mik, komm zu mir!“