Die NSDAP - Hans-Ulrich Thamer - E-Book

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Hans-Ulrich Thamer

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Beschreibung

Am 24. Februar 1920 wurde Die NSDAP in München gegründet. Wie sich der Aufstieg der radikal völkisch-nationalistischen Splitterpartei zur Massenpartei mit über sieben Millionen Mitgliedern vollzog, die im Julidie stärkste Reichstagsfraktion stellte, wird indem vorliegenden Band beschrieben. Weitere Themenschwerpunkte der Darstellung bilden die Sozial- und Machtstruktur der NSDAP, die Rolle Hitlers als Parteiführer, das Verhältnis von Parteimacht zur Staatsmacht und die Funktion der Partei als Propaganda- und Kontrollapparat während des Zweiten Weltkriegs.

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Hans-Ulrich Thamer

DIE NSDAP

Von der Gründung bis zum Ende des Dritten Reiches

C.H.Beck

Zum Buch

Am 24. Februar 1920 erfolgte die Gründung der NSDAP. Dreizehn Jahre später, am 31. Januar 1933, notierte Joseph Goebbels am Tag nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler in sein Tagebuch: «Es ist soweit. Wir sitzen in der Wilhelmstraße. Hitler ist Reichskanzler. Wie im Märchen.» Dieses «Märchen» endete am 8. Mai 1945 mit dem Grauen von Abermillionen Toten, einem verwüsteten Europa und einem geteilten Deutschland. All das wird heute als ein «Vogelschiss» in der deutschen Geschichte abgetan. Da der Schoß noch fruchtbar scheint, aus dem die mörderische Geisteshaltung gekrochen kam, und in einer Zeit, in der das Unsägliche hierzulande wieder sagbar wird, ist es notwendig, den Werdegang und das Funktionieren der NSDAP von den Anfängen im Bierdunst Münchner Wirtshaus-Hinterzimmer bis zum blutigen Ende des «Dritten Reiches» wieder in Erinnerung zu rufen. Mobilisierungs- und Machtmechanismen, Indoktrination und Hass, Aggressivität und Kriegstreiberei, Verantwortungsträger in der NSDAP und jene, die einfach mitgemacht haben, werden in dieser konzisen und hochinformativen Darstellung von einem international renommierten Fachmann für die Geschichte des Nationalsozialismus beschrieben und analysiert.

Über den Autor

Hans-Ulrich Thamer lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Im Verlag C.H.Beck sind von ihm ferner lieferbar: Adolf Hitler. Biographie eines Diktators (2018); Die Völkerschlacht bei Leipzig. Europas Kampf gegen Napoleon (22013); Die Französische Revolution (52019).

Inhalt

Wahlergebnisse der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1928–1933

1. Vom völkischen Debattierzirkel zur Führerpartei, 1919–​1923

Gründungsgeschichten

Die Ausbreitung einer völkischen Bewegung

«Diktatorische Machtbefugnisse»

«Sturmabteilung» und Förderer

Putschismus

2. Führerbewegung im Wartestand, 1925–​1930

Wiedergründung und neue Rivalitäten

Neue Wahlstrategie und neue Mitglieder

Die Organisation einer Glaubens- und Kampfbewegung

Die Inszenierung des Charismas

Die Finanzierung der Propaganda

3. «Hitler über Deutschland» Machtanspruch und Machtkämpfe 1930–​1933

«Erbitterungswahlen» 1930–​1932

Politische Gewalt und Varianten der Machteroberung

Unruhe in der Partei und die Macht der Intrige

4. Die Eroberung der Macht Die NSDAP 1933/34

«Parteirevolution von unten»

«Nationaler Aufbruch» und Gleichschaltungen

«Märzgefallene»

Das dynamische «Fundament der Diktatur»

Antisemitische Gewalt und vorläufige Ende der Revolution

5. Die Formierung der «Volksgemeinschaft»

«Daß ihr mich gefunden habt». Die Parteitage – Aufmarsch und Radikalisierung

Wachstum und Wandel der Parteiorganisationen

Die «kleinen Hitlers». Gauleiter, Ortsgruppenleiter und Blockwarte

Ordensburgen. Die Indoktrination der neuen «Herrenmenschen»

Kontrolle und Verfolgung. Die NSDAP und die Judenverfolgung

6. Krieg und Nationalsozialismus

Mobilmachung

«Menschenführung» und neue Aufgaben

Die «Volksgemeinschaft» als Kampfgemeinschaft

Volkssturm

7. Nachgeschichte

Entnazifizierung

«Kollektives Beschweigen» und öffentliches Reden

Mitglieder in der NSDAP und deren Organisationen

Ausgewählte Literatur

Register

Für Piet

Wahlergebnisse der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1928–1933

Wahlergebnisse der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1928–1933

Aus: München und der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentationszentrums München, hrsg. von Winfried Nerdinger, München 22.015, S. 94.

Mitglieder in der NSDAP und deren Organisationen

Mitglieder in der NSDAP und deren Organisationen (Stand: 1. September 1939)

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)

5.310.000

Gliederungen

Sturmabteilung (SA)

1.329.448

Schutzstaffel (SS)

235.526

Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps (NSKK)

350.000

Hitler-Jugend (HJ) und Bund Deutscher Mädel (BDM)

8.700.000

Nationalsozialistische Frauenschaft (NSF)

1.400.000

Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund (NSDStB)

27.700

Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund (NSDozB)

15.000

Angeschlossene Verbände

Deutsche Arbeiterfront (DAF)

22.127.793

Nationalsozialistischer Deutscher Ärztebund (NSDÄB)

30.000

Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund (NSRB)

104.171

Nationalsozialistischer Lehrerbund (NSLB)

300.000

Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)

14.187.834

Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung (NSKOV)

1.600.000

Reichsbund der Deutschen Beamten (RDB)

1.700.000

Nationalsozialistischer Bund Deutscher Technik (NSBDT)

140.000

Betreute Verbände

Deutsches Frauenwerk (DFW)

4.000.000

Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen (NSRL)

3.613.000

Nationalsozialistischer Fliegerkorps (NSFK)

230.000

Nationalsozialistischer Altherrenbund (NSAhb)

75.000

Nationalsozialistischer Reichskolonialbund (RKolB)

1.200.000

Nationalsozialistischer Reichskriegerbund (RKrB)

2.307.250

Nationalsozialistischer Reichstreubund ehemaliger Berufssoldaten (RTrB)

130.000

Quelle: Armin Nolzen, Die NSDAP, der Krieg und die deutsche Gesellschaft, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 9/I: Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegeben von Jörg Echternkamp, München: Deutsche Verlagsanstalt 2004, S. 99–​193, S. 103

1. Vom völkischen Debattierzirkel zur Führerpartei, 1919–​1923

Es war eine merkwürdige Geburtsstunde einer politischen Bewegung, zu der die «Deutsche Arbeiterpartei» (DAP) zum 24. Februar 1920 eingeladen hatte. Der Propagandaredner der völkischen Splitterpartei, der Gefreite Adolf Hitler, verlas ein 25-Punkte-Programm einer Partei in Gründung, der «Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei» (NSDAP). Auf der Einladung zu der «Gründungsversammlung» tauchte weder der Name Hitlers auf, noch war von der Gründung der NSDAP die Rede, vermutlich weil die Umbenennung der Partei intern umstritten war. Hitler war zwar seit seinem Eintritt in die DAP Ende September 1919 rasch zu einem Starredner und Zugpferd der völkischen Splitterpartei aufgestiegen, aber der Vorstand der DAP hielt die Fäden noch in der Hand.

Hitler hatte lediglich den Vorsitz der mit rund 2000 Teilnehmern gut besuchten Versammlung übernommen; er hielt sich zunächst zurück und überließ dem Hauptredner, dem Mediziner Johannes Dingfelder, das Wort. Dann erst verlas Hitler das von Gottfried Feder und Anton Drexler erarbeitete, von ihm und von Drexler redigierte 25-Punkte-Parteiprogramm der NSDAP. Es gab einigen Beifall, aber auch laute Buhrufe und schließlich heftige Tumulte. Ein Jahr später machte Hitler die Erinnerung an diese Versammlung zum Gründungsereignis, um es danach jedes Jahr als feste Größe im Festkalender der NSDAP feierlich zu begehen.

Gründungsgeschichten

Hitlers Erzählung von der Parteigründung, fünf Jahre danach in seiner Rechtfertigungs- und Bekenntnisschrift Mein Kampf veröffentlicht, bauschte seinen Auftritt zu einem Erweckungsvorgang einer völkischen «Freiheitsbewegung» auf. Er stellte diesen Abschnitt an das Ende des ersten Bandes seiner Schrift, auch um dem eigenen politischen Formierungsprozess eine Sinnerfüllung zu geben und sich als massenwirksamen Redner zu feiern. Nichts davon entsprach dem tatsächlichen Verlauf des Abends, so wie ihn die Münchner Zeitungen und auch ein Polizeibericht übereinstimmend wiedergaben. Hitlers angeblich so zielstrebiger Weg in die Politik, der am 24. Februar 1920 eine erste wichtige Stufe erreicht haben soll, war eine Erfindung, um seine politische Biographie zurechtzurücken und den eigenen Führungsanspruch zu begründen. Der «Führermythos», der bald darauf von seiner Münchner Clique wirkungsvoll propagiert wurde, wurde mit der Gründungslegende einer Führerpartei verknüpft, die sich inmitten der völkischen Bewegungen der frühen Zwanzigerjahre erst noch durchsetzen musste. Noch Wochen später tauchte in Aufrufen, Zeitungen und Flugblättern der alte Parteiname DAP auf. Selbst Hitler benutzte den neuen Namen nur zögerlich, vermutlich zum ersten Mal bei einer Rede in Rosenheim am 2. Mai 1920. Ein Jahr später war das anders. Selbststilisierungen und politische Inszenierungen gehörten zum Repertoire des politischen Newcomers Adolf Hitler, der seine mangelnde politische Erfahrung durch seine performativen Fähigkeiten, die er sich als Opernfreund und verhinderter Künstler angeeignet hatte, wettzumachen versuchte. Weder der Eintritt Hitlers in die DAP im September 1919 noch die Parteigründung der NSDAP am 24. Februar 1920 bedeuteten den alles auslösenden Startschuss, mit dem aus dem Debattierzirkel eine schlagkräftige Führerpartei wurde. Neben der auffälligen Aggressivität seiner Auftritte waren es günstige Umstände und hilfreiche Förderer, die der Splitterpartei zum Durchbruch verhalfen.

Hitlers Kontakte zur DAP und sein Weg in die Politik waren zögerlich und tastend verlaufen. Denn er hatte die ersten dreißig Jahre seines Lebens am Rande der Gesellschaft gelebt, und er fand erst in die Politik, nachdem Krieg und Revolution die alte Ordnung durcheinandergewirbelt hatten und dem Niemand eine Chance zu bieten schienen, in der Politik eine soziale Existenz zu finden. Selten zuvor war ein Politiker so wenig auf seine politische Laufbahn vorbereitet. Er besaß keinen Schulabschluss, hatte sich nie ernsthaft um eine Berufsausbildung gekümmert und auch den politischen Dingen keine sonderliche Aufmerksamkeit gewidmet. Seine schrittweise Politisierung begann erst nach dem Krieg und der Revolution 1918/19 mit seiner Verwendung als Redner in der Propagandaabteilung des Heeres. In seiner Rechtfertigungsschrift Mein Kampf wurde daraus ein konsequenter Weg einer eindeutigen Bewusstseinsbildung. Doch bereits sein angeblicher Entschluss: «Ich aber beschloss Politiker zu werden» fiel nicht, wie er behauptete, während des unmittelbaren Erlebnisses des militärischen Zusammenbruchs und der deutschen Revolution im November 1918 im Lazarett von Pasewalk, sondern, wenn überhaupt, in München im Herbst 1919. Sein «Beschluss» war nicht Ergebnis einer wohlerwogenen Entscheidung, sondern von Zufällen und von der Überlegung bestimmt, das fortzusetzen, was er konnte und was ihm endlich Anerkennung gebracht hatte: Reden und Agitieren.

Auch sein Besuch bei der Versammlung der DAP am 12. September 1919 war Teil eines militärischen Auftrags und nicht Folge eines eigenen Entschlusses. Hauptmann Karl Mayr, Chef seiner Propagandaabteilung und sein erster Förderer, wollte die kleine Partei unterstützen, zu der er bereits politische Kontakte hatte. Zusammen mit Hitler tauchten dort noch sieben weitere Kameraden auf, die alle zum Aufklärungskommando gehörten. Auch den Verlauf der Versammlung beschrieb Hitler nicht korrekt. Es gab keinen Zusammenstoß mit einem «Professor», der sich für eine Lostrennung Bayerns vom Reich ausgesprochen und den er daraufhin als Beweis für seine rhetorische Begabung niedergeschrien hatte. Sein politischer Weg begann nicht mit einem großen rhetorischen Auftritt. Diese Gründungslegende, mit der für viele Jahrzehnte fast jede Geschichte der NSDAP begann, beruht zu nicht geringen Teilen auf einer Erfindung Adolf Hitlers. Immerhin hatte der stellvertretende DAP-Vorsitzende Drexler den Gefreiten Adolf Hitler zur nächsten Versammlung seiner Partei eingeladen und ihm dabei seine Broschüre mit dem bezeichnenden Titel «Mein politisches Erwachen» in die Hand gedrückt.

Seine erste Rede für die DAP hatte er am 16. Oktober 1919 im Hofbräukeller gehalten, dem bekanntesten Bierkeller der Stadt. Sie war ein Erfolg. Von nun an trat der kommende Werbeobmann der DAP, der noch Angehöriger des Heeres war, regelmäßig als Redner auf und fand immer mehr Zuhörer. Im Januar 1920 hatte die DAP rund 200 Mitglieder, Männer und Frauen, sie wuchs im Laufe des Jahres 1920 auf rund 2000 Mitglieder. Der «Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund», ohne dessen Starthilfe Hitler und die DAP sich wohl kaum so rasch hätten entfalten können, hatte im Januar 1920 immerhin schon 7000 Zuhörer angelockt.

Die kleine DAP, mit der Hitler am 12. September 1919 in Berührung kam, war längst nicht mehr der hoffnungslose Hinterzimmerverein, als den Hitler sie beschrieb. Sie war nicht mehr eine Mischung aus Geheimbund und Stammtisch, sondern bereits in das völkische Netzwerk in München eingebunden. Den Anstoß zur Gründung der DAP hatte der Werkzeugschlosser Anton Drexler gegeben, der seit dem Frühjahr 1918 beharrlich das Ziel verfolgte, eine Partei zu gründen, die im Gegensatz zur internationalistischen sozialistischen Arbeiterbewegung eine nationale, antimarxistische und antisemitische Alternative bilden und die sozialen Gegensätze zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft überwinden sollte. Drexler hatte in Verbindung mit dem Sportjournalisten Karl Harrer nach dem Vorbild der radikalnationalistischen Thule-Gesellschaft, der beide angehörten, zunächst einen politischen Arbeiterzirkel geplant und dann eine politische Partei gegründet, die «politisch Obdachlose» unter Beamten, Kleinbürgern und Arbeitern vereinen sollte. Die Deutsche Arbeiterpartei wurde von der Thule-Gesellschaft weitgehend finanziert und auch organisatorisch gefördert. Während deren Sitzungen im vornehmen Hotel «Vier Jahreszeiten» stattfanden, hielt die DAP ihre Treffen zunächst in Hinterzimmern von Münchner Gaststätten ab. Ihre Mitglieder kamen aus dem Bürgertum und der Arbeiterschaft. Sie war eine von vielen völkischen Gruppen, die sich nach der Münchner Räterevolution gebildet hatten und den ubiquitären Ideologien des Antimarxismus und radikalen Nationalismus verpflichtet waren. Vor allem in der scharfen Agitation gegen den Versailler Friedensvertrag taten sich die völkisch-nationalistischen Gruppen hervor.