Die Ordnung der Welt - Ulrich Menzel - E-Book

Die Ordnung der Welt E-Book

Ulrich Menzel

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Beschreibung

Die Ordnung der Welt ist eines der großen Probleme, mit denen die Staaten konfrontiert werden. Wer sorgt für Ordnung in der »Anarchie der Staatenwelt«, wenn als Folge von Globalisierung die Beziehungen zwischen den Staaten immer dichter werden und der Bedarf nach internationaler Ordnung wächst? Die freiwillige Kooperation der Staaten durch Verträge, die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen und die Normen des Völkerrechts stoßen immer wieder an Grenzen. Anhand der vergleichenden Analyse großer Mächte – von China der Song-Zeit bis zu den USA heute – formuliert Ulrich Menzel eine Theorie der internationalen Ordnung und liefert zugleich eine Interpretation des Kalten Krieges als eines Konflikts, der in einer neuen Konstellation zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch den hegemonialen Herausforderer China geprägt ist.

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Die Ordnung der Welt ist eines der großen Probleme, mit denen die Staaten konfrontiert werden. Wer sorgt für Ordnung in der »Anarchie der Staatenwelt«, wenn als Folge von Globalisierung die Beziehungen zwischen den Staaten immer dichter werden und der Bedarf nach internationaler Ordnung wächst? Die freiwillige Kooperation der Staaten durch Verträge, die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen und die Normen des Völkerrechts stoßen immer wieder an Grenzen. Russlands Krieg gegen die Ukraine ist der jüngste Beleg für diese Entwicklung. Anhand der vergleichenden Analyse großer Mächte – vom China der Song-Zeit bis zu den USA heute – formuliert Ulrich Menzel eine Theorie der internationalen Ordnung und liefert zugleich eine Interpretation des Kalten Krieges als eines Konflikts, der in einer neuen Konstellation zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch den hegemonialen Herausforderer China geprägt ist.

»Eine faszinierende globalgeschichtliche Betrachtung transnationaler Beziehungen.«Damals. Das Magazin für Geschichte

Ulrich Menzel ist Politikwissenschaftler und war bis zu seiner Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen und Vergleichende Regierungslehre an der TU Braunschweig. Im Suhrkamp Verlag erschien zuletzt Wendepunkte. Am Übergang zum autoritären Jahrhundert (es 2795).

Ulrich Menzel

Die Ordnung der Welt

Imperium oder Hegemonie in der Hierarchie der Staatenwelt

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2024

Der vorliegende Text folgt der Ausgabe des suhrkamp taschenbuch 5384

© Suhrkamp Verlag AG, Berlin, 2015

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten.

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Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner

Umschlagabbildung: Le Grand Atlas ou Cosmographie Blaviane, Amsterdam, Jean Blaeu, 1663

Foto: bpk Staatsbibliothek zu Berlin

eISBN 978-3-518-73113-0

www.suhrkamp.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einleitung: Die Idealtypen von Imperium und Hegemonie

2. Song-China 960-1204: Die erste Wirtschaftliche Revolution

2.1 Eurozentrismus versus Sinozentrismus

2.2 Der erste und zweite Zyklus (Nördliche Song) 960-1065 und 1065-1126: China als Landmacht

2.3 Der dritte Zyklus (Südliche Song) 1161-1204: China als Seemacht

3. Pax Mongolica 1230-1350 und die Globalisierung vor der Globalisierung

3.1 Die Reichseinheit 1206-1260

3.2 Das geteilte Reich 1260-1350

3.3 Das erste Weltsystem

4. Genua und die mediterrane Weltwirtschaft 1261-1350

4.1 Genua und das hegemonietheoretische Modell

4.2 Die maritimen Innovatoren

4.3 Aufstieg und hegemonialer Konflikt

4.4 Dirigent der »mediterranen Weltwirtschaft«

4.5 Der Niedergang und das Ende des ersten Weltsystems

5. Die frühen Ming (1368-1435) und die Restauration des Tributsystems

5.1 Die Grundlagen des hegemonialen Anspruchs

5.2 Die Expansionsphase: Die Seeexpeditionen in den Indik und die Landexpeditionen nach Zentralasien

5.3 Die hegemoniale Ordnung der Ming

5.4 Der selbstinszenierte hegemoniale Niedergang

6. Venedig – Seemacht mit imperialen Zügen 1381-1503

6.1 Venedig versus Genua

6.2 Der langsame Aufstieg im Mittelmeer

6.3 Die Grundlagen der venezianischen Macht

6.4 Die hegemoniale Ordnung

6.5 Der Niedergang als Folge des osmanischen Aufstiegs und der Verlagerung der Gewürzrouten

7. Portugal 1494-1580: »Seaborne Empire« oder Hegemonialmacht im Indik?

7.1 Was war Portugal im 16./17. Jahrhundert?

7.2 Die Erkundung des Atlantik

7.3 Tordesillas und die Folgen

7.4 Der Seeweg nach Indien und die Eroberung des Estado da India

7.5 Die hegemoniale Ordnung im Indik

7.6 Der lange Niedergang

8. Das Osmanische Reich (1453-1571): Imperium zwischen Europa, Asien und Afrika oder Hegemonialmacht im Orient?

8.1 Ein komplexer Fall nicht nur in typologischer Hinsicht

8.2 Expansion an fünf Fronten

8.3 Die Grundlagen der Macht

8.4 Das Osmanische Weltsystem

8.5 Der rasche hegemoniale und der langsame imperiale Niedergang

9. Spanien 1515/19-1648/49: Das geerbte Imperium

9.1 Was war Spanien?

9.2 Die Früchte von Tordesillas

9.3 Die Grundlagen der Macht und deren Schwächen

9.4 Der erste Zyklus 1519-1588

9.5 Das spanische Weltsystem und der Anspruch der Universalmonarchie

9.6 Der zweite Zyklus 1588-1648/59

9.7 Woran ist Spanien gescheitert?

10. Die Niederlande und ihr »Goldenes Zeitalter« 1609-1713

10.1 Was waren die Niederlande?

10.2 Der dreifache Prozess der Emanzipation

10.3 Schwacher Staat – starke Wirtschaft

10.4 Der Aufstieg zur ersten Welthandelsmacht

10.5 Mare liberum vs. Mare clausum

10.6 Das niederländische Weltsystem

10.7 Der langsame Positionsverlust

11. Frankreich 1635-1714: Der gezügelte Hegemon

11.1 Die klassische Landmacht

11.2 Die Frankreich-Paradoxien

11.3 Merkantilismus und Heeresreform

11.4 Die Kriege Richelieus und Ludwigs XIV.

11.5 Die Bilanz des ersten Machtzyklus

12. England/Großbritannien 1692/1713-1783: Merkantilismus und Empire

12.1 Was meint der Begriff »Großbritannien«?

12.2 Der Aufstieg zur Weltmacht unter dem Schirm des Merkantilismus

12.3 Die Grundlagen der britischen Macht im 18. Jahrhundert

12.4 Das Erste Empire 1713-1783

13. Großbritannien 1783-1919: Freihandel und Empire

13.1 Industrielle Revolution und Napoleonische Kriege

13.2 Der Aufbau des Zweiten Empire und die Hegemonie der Freihandelslehre

13.3 Große Depression, Imperialismus und British Decline

14. USA 1898-1990: Die erste Hegemonialmacht mit globaler Reichweite

14.1 Was meint der Begriff »Vereinigte Staaten von Amerika«?

14.2 Die Aufstiegsphase bis 1898

14.3 Die Grundlagen der Macht

14.4 Das amerikanische Jahrhundert: Der erste Machtzyklus 1898-1990

14.5 Der erste »American Decline«

15. USA 1990-2035: Hegemonialmacht oder »American Empire«?

15.1 American Decline versus American Empire

15.2 Die Grundlagen der Macht im zweiten Zyklus

15.3 Der zweite Machtzyklus und die Debatte zwischen Liberalen und Neokonservativen

15.4 Die Renaissance des »American Decline« und die chinesische Herausforderung

15.5 Die Zukunft der internationalen öffentlichen Güter

16. Das Ergebnis und der allgemeine Befund: Eine Theorie der internationalen Ordnung

16.1 Die Fallstudien im Licht der Idealtypen

16.2 Imperium und Hegemonie in der Aufstiegsphase

16.3 Die Weltordnungen der großen Mächte

16.4 Imperium und Hegemonie in der Abstiegsphase

16.5 Weltsysteme, internationale Ordnung und der Wechsel der Ordnungsmacht

Anhang: Die großen Verabredungen. Tausend Jahre Konferenzen, Verträge, Gesetze und Erklärungen zur Ordnung der Welt

Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tab.  1.1:

Die vier Güterarten

Tab.  1.2:

Sowjetunion und USA im idealtypischen Vergleich

Tab.  1.3:

Die Typologie von Imperium und Hegemonie

Tab.  2.1:

Staatliche Einkünfte aus dem Überseehandel 980-1159

Tab.  3.1:

Truppenstärke der Mongolen 1211-1275

Tab.  4.1:

Staatsgaleeren 1120-1291

Tab.  5.1:

Tributgesandtschaften der größten südostasiatischen Staaten 1370-1500

Tab.  7.1:

Pfeffer- und Gewürzimporte von Venedig und Portugal 1496-1531

Tab.  7.2:

Staatseinnahmen 1506 und 1518/19 in Cruzados (Goldkreuzer)

Tab.  7.3:

Durchschnittliche Pfeffer- und Gewürzimporte nach Lissabon in Quintalen

Tab.  7.4:

Schiffsverkehr und Ladung in t auf der Kaproute 1497 bis 1640

Tab.  7.5:

Zielgebiete des Frachtaufkommens von Indien kommend ca. 1600 in t

Tab.  7.6:

Hauptposten der Einkünfte des Estado da India 1584 und 1607 in Xer.

Tab.  7.7:

Einnahmen und Ausgaben des Estado da India in Reis

Tab.  8.1:

Sozioökonomische Struktur des Osmanischen Reiches

Tab.  8.2:

Argumentationsfiguren über die Ursachen des osmanischen Niedergangs seit dem 16. Jahrhundert

Tab.  9.1:

Truppenstärke europäischer Mächte 1470-1710

Tab.  9.2:

Galeerenflotten im Mittelmeer 1562-1577

Tab.  9.3:

Atlantikflotte 1587-1626

Tab.  9.4:

Schiffsverkehr zwischen Spanien und Amerika 1510-1650

Tab. 10.1:

Steuerquoten nach Provinzen 1515-1612 in Prozent des Gesamtbudgets

Tab. 10.2:

Struktur des niederländischen Außenhandels im 17. Jahrhundert

Tab. 10.3:

Durchschnittliche jährliche Importe der VOC und EIC 1641-1760 in t

Tab. 11.1:

Typologie Frankreichs und der Niederlande im 17. Jahrhundert

Tab. 11.2:

Kriegsschiffsbau 1688-1700

Tab. 11.3:

Europäische Kriegsmarinen im Vergleich 1655-1715

Tab. 11.4:

Frankreichs Außenhandel 1776 in Mio. Livre

Tab. 11.5:

Steuern und steuerliche Belastung in Frankreich 1453-1683

Tab. 11.6:

Europäische Armeen 1615-1719 in 1000 Mann

Tab. 12.1:

Die beiden britischen Machtzyklen

Tab. 12.2:

Englische und ausländische Schiffe im Außenhandel 1580-1779

Tab. 12.3:

Britischer Außenhandel 1697-1815 in Mio. £

Tab. 12.4:

Britischer Staatshaushalt 1692-1815 in Mio. £

Tab. 12.5:

Flottenstärken 1700-1815

Tab. 12.6:

Britische Hegemonialkriege im 17. und 18. Jahrhundert

Tab. 13.1:

Entwicklung der Arbeitsproduktivität in der Baumwollspinnerei 18. Jhd.-1840

Tab. 13.2:

Britischer Außenhandel 1805-1815 in Mio. £

Tab. 13.3:

Britischer Außenhandel 1815-1915 in Mio. £

Tab. 13.4:

Regionale Verteilung der britischen Flotte 1848-1898

Tab. 13.5:

Verteilung der Schlachtschiffe der Dreadnought-Klasse nach Ländern 1906-1918

Tab. 14.1:

Die beiden US-amerikanischen Machtzyklen

Tab. 14.2:

Relation von Landwirtschaft und Industrie der USA 1869-1929 in Prozent

Tab. 14.3:

Anteile am Welt-Bruttosozialprodukt 1700-1998 in Prozent

Tab. 14.4:

US-Kriegsschiffe 1925-1990

Tab. 14.5:

Flugzeugträger 1917-1990

Tab. 14.6:

Nukleare U-Boote 1955-1990

Tab. 14.7:

Armeestärke 1900-1989 in 1000 Mann

Tab. 14.8:

Seemacht versus Landmacht 1950

Tab. 14.9:

BSP und Militärausgaben der USA 1897-1990

Tab. 14.10:

Grundmuster der außenpolitischen Orientierung der USA im 20. Jahrhundert

Tab. 14.11:

USA: Zahlungsbilanz 1969-1990 in Mrd. US-$

Tab. 15.1:

Die Paradigmen der Debatten über »American Empire« und »US-Hegemonie«

Tab. 15.2:

Bruttoinlandsprodukt 1990-2009 in Mrd. US-$/Prozent des Weltprodukts

Tab. 15.3:

Indikatoren zur Positionierung der großen Wirtschaftsmächte im Informationszeitalter 1995

Tab. 15.4:

Globale Szenarien des 1. US-Machtzyklus (2. Hälfte) und des 2. US-Machtzyklus (1. Hälfte)

Tab. 15.5:

USA: Zahlungsbilanz 1990-2007 in Mrd. US-$

Tab. 16.1:

Imperium oder Hegemonie

Tab. 16.2:

Variablen, die den Aufstieg großer Mächte bestimmen

Tab. 16.3:

Mechanismen des Aufstiegs

Tab. 16.4:

Machtzyklen und Internationale Ordnung

Tab. 16.5:

Die Bereitstellung internationaler öffentlicher Güter/Clubgüter

Tab. 16.6:

Politische Systemmerkmale

Tab. 16.7:

Wirtschaftspolitik der großen Mächte

Tab. 16.8:

Die große Zeit der großen Mächte und ihrer Herausforderer

Tab. 16.9:

Weltsysteme und Ordnungsmächte

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1:

Imperium und Hegemonie

Abb. 1.2:

Vier Modelle internationaler Ordnung

Abb. 1.3:

Außenverhalten großer Mächte

Abb. 2.1:

Sinozentrismus und Tributpflicht

Abb. 2.2:

Kasachische Gesandte offerieren Pferde als Tribut vor dem Kaiser Qianlong

Abb. 2.3:

Frieden regiert den Fluss, Bildrolle (Ausschnitt) von Zhang Zeduan (um 1120)

Abb. 2.4:

Hanfspinnmaschine mit Wasserantrieb (etwa 1313)

Abb. 2.5:

Liao und Nördliche Song

Abb. 2.6:

Fuzhou-Schiff

Abb. 2.7:

Chinesische Seerouten (Song-Dynastie)

Abb. 2.8:

Plan von Quanzhou

Abb. 3.1:

Batus Feldzüge gegen Russland und Europa

Abb. 3.2:

Die Genealogie von Zentralreich und den vier Nachfolgekhanaten

Abb. 3.3:

Das Weltsystem des 13./14. Jahrhunderts

Abb. 3.4:

Das Mongolische Weltsystem 1250-1350

Abb. 4.1:

Genua auf einem Gemälde von 1482

Abb. 4.2:

Das Genuesische Weltsystem im 13. und 14. Jahrhundert

Abb. 4.3:

Der Seehandel von Genua 1271-1530 (Indexwerte)

Abb. 4.4:

Der Seehandel von Pera 1301-1430 (Indexwerte)

Abb. 5.1:

Zheng Hes »Schatzschiff« im Vergleich zur Santa Maria des Kolumbus

Abb. 5.2:

Chinesische Weltkarte von Ch'uan Chin/Li Hui (1402)

Abb. 5.3:

Die Hauptrouten der sieben Seeexpeditionen (1403-1433)

Abb. 5.4:

Die wichtigsten Stationen der Pax Sinica (zu Wasser) im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts

Abb. 5.5:

Die wichtigsten Stationen der Pax Sinica (zu Land) im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts

Abb. 5.6:

Außenhandel via Kanton 1368-1567

Abb. 6.1:

Die Fassade von San Marco

Abb. 6.2:

Die Pyramide des venezianischen Staates

Abb. 6.3:

Europäische Staatshaushalte 1410 und 1423

Abb. 6.4:

Venezianische Kriegsgaleere

Abb. 6.5:

Arsenal nach der zweiten Erweiterung

Abb. 6.6:

Das Venezianische Weltsystem im 14./15. Jahrhundert

Abb. 6.7:

Fahrten auf den Routen der Galeere da Mercato 1330-1570

Abb. 7.1:

Modelle einer Karavelle und einer Galeone

Abb. 7.2:

Windverhältnisse im Atlantik

Abb. 7.3:

Arabisches Astrolabium (14. Jahrhundert)

Abb. 7.4:

Die Demarkationslinien von Alcáçovas, Tordesillas und Zaragossa

Abb. 7.5:

Vertrag von Tordesillas 1494

Abb. 7.6:

Das System der Monsun-Perioden in Asien

Abb. 7.7:

Das Portugiesische Weltsystem im 16. Jahrhundert

Abb. 8.1:

Das Osmanische Reich (ca. 1481-1683)

Abb. 8.2:

Mehmed der Eroberer

Abb. 8.3:

Die fünf Richtungen der osmanischen Expansion im 15./16. Jahrhundert

Abb. 8.4:

Weltkarte des Piri Reis von 1513 (Fragment)

Abb. 8.5:

Konflikt und Kooperation auf den maritimen und territorialen Schauplätzen im 16./17. Jahrhundert

Abb. 8.6:

Das Osmanische Weltsystem im 16. Jahrhundert

Abb. 9.1:

Die Genealogie des Hauses Habsburg

Abb. 9.2:

Die habsburgischen Besitzungen zur Zeit Karls V.

Abb. 9.3:

Die spanischen Besitzungen in Südamerika um 1600

Abb. 9.4:

Die spanischen Besitzungen in Nord- und Mittelamerika um 1600

Abb. 9.5:

Registrierte Silberproduktion in Potosí 1556-1760

Abb. 9.6:

Die Spanische Heerstraße und der Zug Albas 1567

Abb. 9.7:

Genealogie der politischen und religiösen Konflikte in der Ära Karls V.

Abb. 9.8:

Armada-Schlacht 1588

Abb. 9.9:

Das Spanische Weltsystem im 16. Jahrhundert

Abb. 9.10:

Somerset House-Konferenz von 1604

Abb. 9.11:

Beschwörung des niederländisch-spanischen Friedens in Münster 1648

Abb. 10.1:

Die 17 Provinzen der Niederlande im 16. Jahrhundert

Abb. 10.2:

Die Verlagerung der Handels- und Finanzzentren in Europa

Abb. 10.3:

Der niederländische Staatsaufbau im 17. Jahrhundert

Abb. 10.4:

Niederländische Fleute

Abb. 10.5:

Technische Patente, ausgestellt durch die Generalstaaten und die Stände von Holland 1590-1780 (Zehnjahressummen)

Abb. 10.6:

Die Vorsteher der Tuchmachergilde (Staalmeesters)

Abb. 10.7:

Angriff der Niederländer auf Bahia 1624

Abb. 10.8:

Niederländisches und englisches Pro Kopf-Einkommen 1650-1850

Abb. 10.9:

Der niederländische Hegemoniezyklus 1579-1810

Abb. 10.10:

Das Niederländische Weltsystem Mitte des 17. Jahrhunderts

Abb. 11.1:

Französische Flusssysteme und Wasserstraßen bis 1830

Abb. 11.2:

Das Französische Weltsystem Anfang des 18. Jahrhunderts

Abb. 11.3:

Der französische »Hegemoniezyklus« 1635-1714

Abb. 11.4:

Organigramm des französischen Staatsrates

Abb. 11.5:

Ludwig XIV.

Abb. 11.6:

Schematische Darstellung einer Bastion

Abb. 11.7:

Richelieu als »Herr« über Frankreich, Spanien, Österreich und die Osmanen

Abb. 11.8:

Genealogie der Spanischen Erbfolge

Abb. 12.1:

Der doppelte Union Jack

Abb. 12.2:

The East Offering Her Riches to Britannia

Abb. 12.3:

Das britische Weltsystem bis 1776

Abb. 12.4:

The East India House in der Londoner Leadenhall Street (nach dem Umbau 1729)

Abb. 12.5:

Organigramm der EIC

Abb. 13.1:

Verteilung des britischen Bruttosozialprodukts 1801-1907

Abb. 13.2:

Asiatischer Dreieckshandel Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts

Abb. 13.3:

Das Britische Weltsystem um 1900 (militärisch)

Abb. 13.4:

Das Britische Weltsystem um 1900 (kommerziell)

Abb. 13.5:

Rohstahlproduktion in Großbritannien und Deutschland 1870-1913

Abb. 14.1:

Territoriale Expansion der USA seit 1803

Abb. 14.2:

Fließbandfertigung bei Ford

Abb. 14.3:

Das erste US-Weltsystem

Abb. 14.4:

Anteil der US-Militärausgaben am BSP in Prozent 1897-2000

Abb. 14.5:

Haushaltsdefizit/-überschuss und Militärausgaben der USA 1908-1990 in Mrd. US-$

Abb. 15.1:

USA: Militärausgaben in Mrd. US-$ und Anteil der Militärausgaben am BSP in Prozent 1990-2009

Abb. 15.2:

Die sechs Regionalkommandos der USA mit ihren Unterkommandos 1941-2008

Abb. 15.3:

Die Häfen der sechs Flotten der US-Marine

Abb. 15.4:

Basen der US Air Force (außerhalb des amerikanischen Kernlands)

Abb. 15.5:

Die mediale Wahrnehmung Chinas

Abb. 15.6:

USA: Förderung, Import und Export von Erdöl 1859-2009

Abb. 15.7:

USA: Haushalt und Militärausgaben 1990-2008 in Mrd. US-$

Abb. 16.1:

Typologische Kombination I

Abb. 16.2:

Typologische Kombination II

Abb. 16.3:

Typologische Kombination III

Abb. 16.4:

Die Konstellation der drei typologischen Kombinationen

Abb. 16.5:

Der Eiserne Vorhang als Grenze zwischen Imperium und Hegemonie

Vorwort

Mit diesem Buch will ich die Welt erklären und zugleich einen späten Beitrag zur Millenniums-Literatur liefern. Es soll darin gezeigt werden, was die Welt im Innersten zusammenhält[1], wer für Ordnung sorgt in der Anarchie der Staatenwelt, in der es keine übergeordnete Instanz, keinen Weltstaat gibt, der mit einem internationalen Gewaltmonopol ausgestattet ist. Meine axiomatische Annahme lautet: Die Ordnung in der Anarchie der Staatenwelt resultiert aus der Hierarchie der Staatenwelt. Die Welt bzw. das, was die Zeitgenossen jeweils darunter verstanden haben, wird seit gut 1000 Jahren von aufeinander folgenden »großen Mächten« (Ranke)[2] imperialen oder hegemonialen Zuschnitts regiert, die zwar nicht die Welt beherrschen, aber stellvertretend für den nicht vorhandenen Weltstaat eine internationale Ordnungsfunktion wahrnehmen. Imperien bedienen sich dabei anderer Mittel als Hegemonialmächte. Deshalb lautet der Untertitel des Buches »Imperium oder Hegemonie in der Hierarchie der Staatenwelt«. Damit folge ich nicht dem realistischen Billardball- oder dem idealistischen Spinnwebmodell, sondern dem strukturalistischen Schichttortenmodell.

Die Abfolge großer Mächte (nicht Großmächte) ist nicht lückenlos. Die Hierarchie der Staatenwelt wurde immer wieder, mal kürzer, mal länger, unterbrochen durch die Anarchie der Staatenwelt, durch die Konflikte, die aus der unterschiedlichen Interessenlage souveräner Staaten resultieren. Für die Unterbrechungen sorgte vielfach, aber nicht immer, die Konkurrenz der großen Mächte um die Position an der Spitze der Hierarchie, wiederum Folge ihrer Aufwärts- und Abwärtsmobilität in der Pyramide des internationalen Systems. Nur im Zenit ihrer Macht und an der Spitze der Pyramide kam ihnen das Mandat zu und waren sie in der Lage, eine Ordnungsfunktion zu erfüllen. Also steht hier die jeweils große Zeit der großen Mächte im Vordergrund des Interesses. Der Status als große Macht bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sie das Mandat zur Ordnung der Welt auch annehmen. Große Mächte können im Unterschied zu kleinen Mächten die Option des Isolationismus wahrnehmen und die Staatenwelt ihrer Anarchie überlassen. China und die USA liefern dafür klassische Beispiele. Ordnung und Unordnung der Welt resultieren aus dem Wechselspiel von Hierarchie und Anarchie der Staatenwelt.

Auch die Reichweite internationaler Ordnung hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Phasen der Ausdehnung wurden abgelöst von Phasen der Kontraktion. Man denke nur an die Entdeckung der »Neuen Welt« oder an das Zusammenwachsen und Auseinanderbrechen der von China und Europa ausgehenden Ordnungssysteme, erst auf den Karawanenwegen der eurasischen Landmasse und später auf den alten und neuen Seewegen von und nach »Indien«. Die Weltmeere waren seit etwa 1000 Jahren in Asien und 500 Jahre später in Europa verbindende und keine trennenden Elemente. Die Beziehungen zwischen den Hafenstädten weltweit, auch wenn sie landeinwärts an schiffbaren Flussläufen lagen, waren viel dichter als zu ihrem jeweiligen Hinterland. Nicht umsonst werden sie als »Brides of the Sea« apostrophiert.[3] Ausgangspunkte der Modernisierung und damit auch eines Bedarfs nach internationaler Ordnung waren bis auf den heutigen Tag immer die Hafenstädte mit einer kosmopolitischen Bevölkerung als Netzknoten für den internationalen Verkehr von Menschen, Ideen und Waren. Die Erschließung des Hinterlands und seine Aufnahme in eine internationale Ordnung jenseits der schmalen eurasischen Entwicklungsschiene ist erst ein Phänomen des 19. oder gar 20. Jahrhunderts. Die alte Entwicklungsschiene, auf der sich das erste, vormoderne Weltsystem erstreckte, reichte vom chinesischen »Zayton« durch das Südchinesische Meer und die indonesische Inselwelt, passierte die Malacca-Straße, streifte die Küsten Indiens, umschiffte die Arabische Halbinsel, verlief durch das Rote Meer und den Persischen Golf, durchquerte die Levante, umschloss das Schwarze Meer und das Mittelmeer und verengte sich von dort zu der nach Westen gekrümmten europäischen »Banane« von Oberitalien bis in die Niederlande, um schließlich am Hafenkran von Brügge zu enden. Die Zirkulation von Menschen, Ideen und Waren wurde durch die Perioden des Monsuns bestimmt, an denen sich noch die Abfahrtszeiten auf den mediterranen Galeerenrouten zu orientieren hatten.

Die Ordnung der Welt hat nicht alle gesellschaftlichen Dimensionen gleichermaßen und gleichzeitig durchdrungen. Fernhandel, auf den Fernhandel bezogene internationale Dienstleistungen und dessen militärische Absicherung waren die ersten Felder, auf denen sich die großen Mächte ihrer Zeit um eine internationale Ordnung bemühten. Nur in Zeiten des Friedens und wirtschaftlicher Prosperität konnte der internationale Austausch von Waren und Ideen gedeihen, konnte die Kenntnis der Welt und der sich daraus ergebenden ordnungspolitischen Aufgaben zunehmen. Die Zuständigkeit von Verträgen und Organisationen für jedes denkbare grenzüberschreitende Politikfeld ist ein junges Phänomen, das erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich und nach 1945 mit wachsender Geschwindigkeit in Erscheinung tritt. Aber auch die Internationalen Organisationen und Verträge zur Ordnung der Welt sind das Werk der großen Mächte. Die Art und Weise, wie diese für internationale Ordnung sorgen und welcher Instrumente sie sich dabei bedienen, kann viele Formen annehmen. Imperium und Hegemonie sind nur Idealtypen, die in der Praxis zahlreiche Varianten, Abstufungen und Mischformen aufweisen.

Aus diesen Beobachtungen ergibt sich eine Reihe von Forschungsfragen. Welche Umstände führen dazu, dass einzelne Staaten in der Hierarchie der Staatenwelt emporklimmen, zu großen Mächten aufsteigen? Wie sind sie in der Lage, für internationale Ordnung zu sorgen? Warum tun sie das überhaupt? Die Chinesen gebrauchten dafür die Metapher vom »Mandat des Himmels«. Warum verweigern sie sich ggf. dem Mandat? Was sind die Ursachen, dass sie die Fähigkeit zur Ordnung der Welt wieder verlieren, dass sie ihren Anspruch aufgeben oder aufgeben müssen? Wie vollzieht sich der Übergang auf eine nachfolgende große Macht, die diese Aufgabe wahrnimmt? Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen bedarf es einer großen Theorie, die die Theorie und Geschichte des internationalen Systems mit der Entwicklungstheorie verbindet. Insofern verbindet diese Arbeit auch einzelne Abschnitte meiner wissenschaftlichen Tätigkeit der letzten 30 Jahre.[4]

Um zu dieser großen Theorie zu kommen, wurde komparativ verfahren. Der Vergleich, insbesondere die historisch-komparative Methode, hat sich wieder[5] als Königsweg zur Erkenntnis erwiesen. Da die Zahl der für einen Vergleich in Frage kommenden Fälle selbst aus einer Millenniums-Perspektive überschaubar bleibt, kann fast der Anspruch einer Totalerhebung erhoben werden, um über deren vergleichende Auswertung auf induktive Weise eine Theorie internationaler Ordnung zu gewinnen. Der Anspruch der Totalerhebung steht auch dem Argument entgegen, dass die Zahl der Fälle zu gering sei. Viel mehr als die ins Auge gefassten 20 Fälle, in denen große Mächte über einen Zeitraum, der mindestens eine Generation überdauerte, eine internationale Ordnungsfunktion wahrgenommen haben, gibt es nicht. Ihre Zahl zu verdoppeln hieße weitere 1000 Jahre zu warten, bevor man mit der Untersuchung beginnen könnte.

Aus den großen Mächten, die in den letzten 1000 Jahren für internationale Ordnung gesorgt haben, wurden die folgenden ausgewählt: Das Chinesische Kaiserreich während der Song (960-1204), mit denen alles anfing, und der frühen Ming (1368-1435), die als Erste die Welt erkundeten, das Tributsystem auf den Höhepunkt brachten und dennoch eine radikale isolationistische Wende vollzogen; das Reich des Großkhans der Mongolen (1230-1350), der seinen Nachkommen den Auftrag zur Welteroberung gab; die italienischen Fernhandelsstädte und Kolonialmächte Genua (1261-1350) und Venedig (1381-1503), die im Verbund mit Byzanz und den Mongolen bzw. den Mameluken und Osmanen die mediterrane Weltwirtschaft dirigierten; die iberischen Entdeckernationen und Feudalmächte Portugal (1494-1580) und Spanien (1515/19-1648/59), die erstmals die ganze Welt, ohne sie zu kennen, in Tordesillas unter sich aufteilten und nach der Personalunion den Anspruch der Universalmonarchie erhoben; das Osmanische Reich auf den Spuren der Mongolen (1453-1571), das in seiner Glanzzeit Imperium und Hegemonie zugleich sein wollte; seit der Frühen Neuzeit die Niederlande als erste moderne Ökonomie (1609-1713); das absolutistische Frankreich (1635-1714) als klassischer militärischer und kultureller Hegemon in Europa; Großbritannien (1692-1919) mit seinem ersten auf den Merkantilismus und seinem zweiten auf den Freihandel gestützten Empire und zuletzt die USA (1898-2035). Die USA gelten als erste Hegemonialmacht mit weltweiter Reichweite und werden zugleich als »American Empire« apostrophiert, eine Paradoxie, die es aufzulösen gilt. Aus den Jahreszahlen ergibt sich, dass die Untersuchung jeweils auf diejenige Phase in der Geschichte großer Mächte beschränkt wurde, in der sie an der Spitze der Hierarchie der Staatenwelt gestanden haben. Die Zahl der Fallstudien hat sich dadurch erhöht, dass manche nicht nur einen, sondern zwei Machtzyklen unterschiedlicher Dauer, Reichweite und Intensität durchlaufen haben. Die Aufzählung der berücksichtigten Fälle liefert die Hauptkapitel. Ihnen voran steht die Einleitung, in der in klassischer Manier und wie es sich gehört die zentralen Begriffe definiert und die Idealtypen formuliert werden, die für die Auswahl der Fallstudien und die darin zu untersuchenden Aspekte die Heuristik liefern. Die Untersuchung wird abgeschlossen durch das Ergebnis und den allgemeinen Befund: eine (induktiv gewonnene) Theorie der internationalen Ordnung.

Weitere Fallstudien wurden in Betracht gezogen, aber nur kursorisch gestreift, weil die Arbeitskraft endlich, weil die Materiallage zu beschränkt ist oder die notwendigen Sprachkenntnisse nicht gegeben sind. Zu den nicht berücksichtigten Fällen gehören Lübeck als Vorort der Hanse, das die Rolle Genuas und Venedigs im Nord- und Ostseeraum wahrnahm, ferner Byzanz, die Kalifate der Umayyaden und Abbasiden, die Mameluken (Ägypten), die Safawiden (Persien) und die Moguln (Indien), die zusammen über 1000 Jahre hinweg die eurasische Entwicklungsschiene politisch überwölbt haben, China unter der Qing-Dynastie, das dem Aufstieg des Westens Tribut zollen musste, sowie das zaristische Russland, das der Pax Mongolica auf dem nördlichen Tiel der eurasischen Landmasse folgte. Frankreich in der Napoleonischen Ära, Deutschland zwischen 1870 und 1945, Japan zwischen 1905 und 1945 und die Sowjetunion wurden nicht berücksichtigt, weil es sich um gescheiterte imperiale oder hegemoniale Aspiranten gehandelt hat. Nur perspektivisch und nicht systematisch zu einem denkbaren abschließenden Kapitel verarbeitet wurden China seit der Öffnung des Landes im Jahre 1978 als aktueller Herausforderer der USA oder gar Indien als potentieller künftiger Herausforderer Chinas. Vieles deutet darauf hin, dass das Zentrum der Welt, nachdem es zwischenzeitlich Eurasien verlassen und sich in die Neue Welt verlagert hat, wieder an das östliche Ende der alten Entwicklungsschiene zurückkehrt.[6]

Das Material für die Fallstudien liefert die Literatur zur großen Zeit der großen Mächte. Quellen im engeren Sinne wie z. ‌B. Behördenschrifttum konnten nur exemplarisch herangezogen werden. Statistisches Material wurde, soweit möglich, genutzt. Die Literatur zu den Fällen dient hier als Primärmaterial, während als Sekundärliteratur solche Literatur verstanden wird, die sich ihrerseits aus einer vergleichenden Perspektive um eine Theorie der internationalen Ordnung bemüht. Damit lässt sich die konsultierte Literatur auf fünf Analyseebenen ansiedeln: Auf der untersten Ebene finden sich Detailstudien zu einzelnen Aspekten einzelner Fälle in Form von Aufsätzen oder Monographien, die auf dem Studium von Quellen basieren. Die zweite Ebene bilden Gesamtdarstellungen zu einzelnen Fällen, die auf den Detailstudien basieren. Auf der dritten Ebene finden sich fallübergreifende Gesamtdarstellungen zu einzelnen Epochen, die die Ländermonographien ausgewertet haben, und auf der vierten Ebene die hegemonie- und imperiumstheoretische Literatur im engeren Sinne, die sich vielfach auf die Gesamtdarstellungen der dritten Ebene stützt. Auf der fünften Ebene schließlich findet sich die metatheoretische Literatur, die die letztgenannte kategorisiert und vergleicht.

Die Kunst der Verarbeitung des jeweiligen Typus von Literatur bestand im adäquaten, die jeweilige Ebene reflektierenden, Umgang mit dem Material. Um das zum Verständnis des einzelnen Falls notwendige Faktenwissen in den für die Fragestellung notwendigen Details zu erwerben, war die Literatur der ersten Stufe besonders hilfreich, selbst wenn sie unter einer anderen oder gar keiner expliziten Fragestellung verfasst wurde. Je theoretisch einschlägiger die Literatur auf der dritten oder vierten Stufe ist, desto mehr musste darauf geachtet werden, ob sie sich zur Schärfung des eigenen Blicks, zur kritischen Auseinandersetzung mit konträren oder zur Untermauerung der eigenen Position verwenden ließ. Ich selber verstehe mich als Spezialist fürs Allgemeine. Der Horizont, der in den Kapiteln abgeschritten und vermessen wird, ist deshalb immer universal. Immer geht es um den Blick auf die Welt, selbst im Detail wie der Interpretation von politischer Ikonographie[7], die bisweilen an die Stelle harter Indikatoren treten musste. Rigauds Darstellung Ludwigs XIV. als Sonnenkönig oder Rembrandts »Nachtwache« liefern, entsprechend kontextualisiert, die gleiche Erklärungskraft wie die Stärke der französischen Armee im Vergleich zu den europäischen Nachbarn oder die Zahl der niederländischen gegenüber den englischen Linienschiffen im 17. Jahrhundert. Die skizzierte Herangehensweise ist meine Antwort auf die berühmte Frage, die Friedrich Schiller 1789 in seiner Jenaer Antrittsvorlesung gestellt hat: »Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?«[8]

Als besondere Schwierigkeit meines Studiums stellte sich heraus, dass die für das Thema einschlägige Literatur zu den frühen Fällen eher spärlich ist, weil die Quellenlage, wie etwa im Fall der Mongolen, die als Analphabeten selber keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben, sehr dünn ist oder weil, wie im Falle Genuas, nur wenige Forscher sich mit dem Fall überhaupt befasst haben. Hinzu kommt, dass die hier zugrunde gelegte Fragestellung in der Literatur zu den frühen Fällen kaum zu finden ist, weil sie eher von Kulturwissenschaftlern verfasst wurde. In den späteren Fällen, insbesondere bei den Niederlanden, Großbritannien und den USA, ist es geradezu umgekehrt. Die einschlägige Literatur, auch aus der vergleichenden Perspektive, ist so umfangreich, dass sie kaum mehr überschaubar ist und im Fall USA dazu noch laufend wächst. Der gleiche Befund gilt für die Verfügbarkeit von Behördenschrifttum und amtlicher Statistik, die es in den späten Fällen zulässt, lange Zeitreihen von geeigneten Indikatoren zu bilden. Das hier verfolgte methodische Spektrum innerhalb der Komparatistik reicht deshalb von strikter szientistischer Herangehensweise bis zu rein hermeneutischen Verfahren, das in einen einzigen Forschungsprozess zu integrieren war.

Trotz der Heterogenität des Materials lässt sich aus dem Vergleich eine Theorie über die Ordnung der Welt kondensieren, die die eingangs aufgeworfenen Fragen beantwortet. Bei aller Rücksicht auf das historische Detail und dessen kontextbezogenes Verständnis werden die systematischen und strukturellen Aspekte des Themas im Vordergrund stehen. Auch insofern und nicht nur weil das vorliegende Material es gebietet, war es notwendig, eine Mischung aus ontologisch-hermeneutischer (traditionalistischer) und empirisch-analytischer (szientistischer) Herangehensweise zu verfolgen. Hermeneutisch ist die Arbeit, indem die konsultierte Literatur aus der Perspektive des Gesamtzusammenhangs ausgewählt oder abgelegt, gelesen, ausgewertet, gedeutet und verglichen wurde. Mit wachsender Lektüre und wachsendem Verständnis des Gesamtzusammenhangs wuchs in einem iterativen Prozess auch das Verständnis jedes einzelnen Textes, darüber das Verständnis um die Besonderheit des einzelnen Falles, das wiederum Konsequenzen für das Verständnis des Gesamtzusammenhangs hatte. Nach der Lektüre ist vor der Lektüre. Eigentlich ist man erst nach der Fertigstellung des Manuskripts bereit, den ersten Satz zu schreiben. Insofern geht der Erkenntnisfortschritt, geht die Arbeit am Text (wie im Fußball) immer weiter, ist ein Manuskript, das einen so welthistorischen Horizont ausleuchten will, nie zu Ende, auch wenn ein Redaktionsschluss gemacht werden muss.

Szientistisch ist die Arbeit, weil sie den Anspruch erhebt, alle Aussagen, soweit möglich, mit Hilfe geeigneter Indikatoren oder gar langer Zeitreihen empirisch zu belegen. Damit ist sie entgegen dem aktuellen wissenschaftstheoretischen Zeitgeist keine konstruktivistische. Soweit sogar Zeitreihenvergleiche möglich waren, ergeben sich Befunde, die die Befunde rein qualitativ arbeitender Autoren mal bestätigen,[9] mal in zweifelhaftem Licht erscheinen lassen. Insofern ist es legitim, alles, was sich anbot, zu verwenden. Entsprechend folgt die Niederschrift einem Wechsel von systematischer und chronologischer Darstellung und versteht sich eher als große sozialwissenschaftliche und weniger als große geschichtswissenschaftliche Erzählung.

Das im Literaturverzeichnis dokumentierte Material ist so umfangreich, dass die Grenze der Aufnahmefähigkeit, die Grenze der intellektuellen Kapazität, das Aufgenommene zu verarbeiten, zu verdichten und in eine lesbare Form zu bringen, erreicht war. Ein so ambitioniertes Unternehmen zu wagen setzt Unbefangenheit, Mut, Erfahrung im Umgang mit Texten und Willensstärke voraus, das Vorhaben nach langer Zeit der Reflektion und Reifung zum Abschluss zu bringen. Hegel hat es auf den Begriff gebracht: »Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.«[10] Der Flug kann nur gelingen, wenn ein Gelehrter diese Bezeichnung verdient, wenn er am Beginn seiner letzten Schaffensperiode steht, wenn die Zeit gegen alle postmoderne Kritik reif ist für das Opus magnum, die »Meistererzählung«, wie die Historiker sagen.[11] Es schlägt sich nieder in der langen Entstehungszeit, die mindestens bis auf das Jahr 2000 zurückreicht, allerdings durch größere und kleinere Arbeiten immer wieder unterbrochen wurde. Vorstudien und Teilergebnisse sind dokumentiert in etlichen Forschungsberichten, Aufsätzen, Vorträgen und Folien zu Lehrveranstaltungen.[12] Nur nebenbei sei nicht ohne Stolz und Genugtuung bemerkt, dass die Arbeit gegen einen anderen Zeitgeist, den wissenschaftspolitischen, ganz ohne Drittmittelförderung ausgekommen ist. Auch die Grundausstattung einer Universität macht Wissenschaft möglich.

Den allerersten Anstoß für das Erkenntnisinteresse hat die erste Debatte über den »american decline« der 1980er Jahre und die mögliche japanische Herausforderung der Hegemonie der USA gegeben.[13] Der zweite Anstoß folgte durch die säkulare Wende der Jahre 1989/90, die die bipolare, durch den Ost-West-Konflikt bestimmte, Konstellation der Welt aufhob und nicht nur die internationale Politik, sondern auch die Lehre von den Internationalen Beziehungen vor eine große Herausforderung stellte. Es ging um nichts Geringeres als die Formulierung eines neuen Paradigmas zur Erklärung der Welt. Um diese Erklärung hat sich die Zunft der IB-Theoretiker seit gut 20 Jahren in immer neuen Entwürfen und vielen großen und kleinen Debatten bemüht. Meine Antwort auf die intellektuelle Herausforderung steht auf den nachfolgenden Seiten. Aus dem vielfältigen, sich in rascher Folge abwechselnden Angebot hat sich neben der Global Governance-[14] auch die hegemonie- und imperiumstheoretische Literatur als vielversprechend angeboten.[15] Diese blickt zwar auf eine lange Geschichte zurück, gewann aber erst neue Aktualität und bekam Zulauf, seit sich herausstellte, dass aus dem »unipolaren Moment«[16] des Jahres 1990 für die USA eine dauerhafte Konstellation wurde. Diese Erkenntnis führte zur Historisierung der American Decline-Literatur der 1970er/80er Jahre. Die American Empire-Literatur im Anschluss an die Anschläge des 11. September 2001 und der neuerliche Aufstieg Chinas zur großen Macht, die sich anschickt, die USA herauszufordern und, so die Prognose, um das Jahr 2030 als Führungsmacht ablösen wird, hat dieser Sicht der Welt weiteren Auftrieb gegeben und zu einer Renaissance der Decline-Literatur geführt, die hier als Neodecline-Literatur bezeichnet wird.[17] Die Herabstufung der Bonität der USA 2011 von AAA auf AA+ brachte den Lauf der Zeit auf den Punkt.

Auch und gerade eine »Meistererzählung« kann nicht das Resultat einer schönen Einzelleistung sein. Viele haben direkt oder indirekt dazu beigetragen, zuallererst die Anregungen aus der Lektüre anderer Meistererzählungen. Wir stehen immer nur auf den Schultern unserer Vorgänger und bauen ein Stück weiter an der Erklärung der Welt. Ich nenne diejenigen Werke in alphabetischer Reihenfolge, die mich inspirierten, auch wenn ich nicht immer übereinstimme mit allem, was ich darin gelesen habe: Janet Abu Lughod (Before European Hegemony), John Agnew (Hegemony), David Armitage (Theories of Empire), J. ‌M. Blaut (The Colonizer's Model of the World), Philip Bobbitt (The Shield of Achilles), Fernand Braudel (Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II.), Mark R. Brawley (Liberal Leadership), Pamela Brummet (Ottoman Seapower and Levantine Diplomacy in the Age of Discovery), Jane Burbank/Frederick Cooper (Empires in World History), Angus Calder (Revolutionary Empire), K. ‌N. Chaudhuri (Asia Before Europe), Piere Chaunu (Séville et l'Atlantique), Carlo M. Cipolla (Guns, Sails and Empires), Warren I. Cohen (East Asia at the Center), Philip D. Curtin (The World and the West), John Darwin (Der imperiale Traum), Ralph Davis (The Rise of the Atlantic Economies), Ludwig Dehio (Gleichgewicht oder Hegemonie), Charles F. Doran (The Politics of Assimilation), Michael W. Doyle (Empires), Heinz Duchardt (Balance of Power und Pentarchie), Wolfram Eberhard (Conquerers and Rulers), Mark Elvin (The Pattern of the Chinese Past), Niall Ferguson (Das verleugnete Imperium), Michael Gehler/Robert Rollinger (Imperien und Reiche in der Weltgeschichte), Andre Gunder Frank (ReOrient), Aaron L. Friedberg (The Weary Titan), Robert Gilpin (War and Change in World Politics), Heinz Gollwitzer (Geschichte des weltpolitischen Denkens), Geoffrey C. Gunn (First Globalization), Andrew Hess (The Forgotten Frontier), John M. Hobson (The Eastern Origins of Western Civilisation), G. John Ikenberry (After Victory), Eric Lionel Jones (Das Wunder Europa), Paul Kennedy (The Rise and Fall of the Great Powers), John Keay (The Spice Route), Parag Khanna (Der Kampf um die zweite Welt), Charles P. Kindleberger (World Economic Primacy), Harald Kleinschmidt (Geschichte der internationalen Beziehungen), Richard Koebner (Empire), Charles A. Kupchan (The Vulnerability of Empire), David S. Landes (Wohlstand und Armut der Nationen), Louise Levathes (When China Ruled the Seas), Angus Maddison (The World Economy), Michael Mann (Geschichte der Macht), John J. Mearsheimer (The Tragedy of Great Power Politics), George Modelski (Long Cycles in World Politics), George Modelski/William R. Thompson (Seapower in Global Politics), Alexander J. Motyl (Imperial Ends), Herfried Münkler (Imperien), Hans-Heinrich Nolte (Weltgeschichte), Douglass C. North/Robert Paul Thomas (The Rise of the Western World), Joseph S. Nye (Soft Power), Mancur Olson (Aufstieg und Niedergang von Nationen), Jürgen Osterhammel (China und die Weltgesellschaft), Geoffrey Parker (Die militärische Revolution), J. ‌H. Parry (The Age of Reconnaissance), Timothy H. Parsons (The Rule of Empire), Jan Nederveen Pieterse (Empire & Emancipation), David Omrod (The Rise of Commercial Empires), Roderich Ptak (Die maritime Seidenstraße), Karen A. Rasler/William R. Thompson (The Great Powers and Global Struggle), Armin Reese (Europäische Hegemonie versus Weltreich), Anthony Reid (Southeast Asia in the Age of Commerce), Wolfgang Reinhard (Geschichte der europäischen Expansion), Clark G. Reynolds (Command of the Sea), Richard Rosecrance (The Rise of the Trading State), Stephen K. Sanderson (Social Transformations), G. ‌V. Scammel (The World Encompassed), Graeme Donald Snooks (The Dynamic Society), Klaus Schwabe (Weltmacht und Weltordnung), Jack Snyder (Myths of Empire), Hendryik Spuyt (Ending Empire), Stefan Topp (Qualifikationsattribute von Hegemonialmächten), Heinrich Triepel (Die Hegemonie), Immanuel Wallerstein (The Modern World System), Karl A. Wittfogel (China und die osteurasische Kavallerie-Revolution), Faared Zakaria (From Wealth to Power).[18] Die Liste ist lang, doch konstruktivistische Arbeiten sind nicht darunter.

Beigetragen haben ferner die Anregungen und kritischen Kommentare, die ich in den Vorlesungen und Seminaren an der TU Braunschweig von Seiten der Studierenden erfahren habe und die Diskussionen auf Tagungen und Vortragsveranstaltungen in Shanghai, Passau, Tutzing, Hildesheim[19], Bielefeld und Berlin, auf denen ich erste und letzte Ergebnisse vorstellen konnte. Besonderer Dank gilt dem leider viel zu früh verstorbenen Josef »Jupp« Esser, der die Arbeit anstieß, und den Kollegen Gehler, Harstick, Kohler, Lademacher, Münkler, Osterhammel, Schmidt-Glintzer und Senghaas, mit denen ich mich über einzelne Fragen austauschen konnte. John Lennon und Paul McCartney haben den Song »With a little help from my friends« mit den Zeilen begonnen: »What would you do if I sang out of tune? Would you stand up and walk out on me?«[20] Ich hoffe, den richtigen Ton getroffen zu haben. Von wirklich unschätzbarem Wert war die Zuarbeit bei der Materialrecherche, den unsäglichen Bedarf nach Büchern und Aufsätzen durch die Fernleihe zu stillen, die Hilfe bei der Anfertigung von Tabellen, Graphiken und Abbildungen sowie der redaktionellen Fertigstellung der einzelnen Manuskriptteile durch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Studentischen Hilfskräfte am Institut für Sozialwissenschaften der TU Braunschweig Michael Fürstenberg, Gerald Heere, Levke Kelm, Bastian Loges, Yann Lorenz, Matthias Marx, Holger Niemann, Sonja Reinecke und Lisa Simon. Bettina Kolodziej ist nicht müde geworden, die zahlreichen Fassungen zu schreiben und immer und immer wieder zu überschreiben, bis das mäandernde Manuskript schließlich die Endfassung erreicht hatte. Auch dies ist ein iterativer Prozess. Auch hier gilt: Nach der Überarbeitung ist vor der Überarbeitung. Am Ende steht dennoch die alleinige Verantwortung des Autors für mögliche Fehler und Fehlinterpretationen, die sich eingeschlichen haben mögen. Eine große Arbeit ist eigentlich nie zu Ende, weil es immer wieder neue Veröffentlichungen gibt, die die Teile des Manuskripts, deren Fertigstellung schon Jahre zurückliegt, in immer neuem Licht erscheinen lassen. Ich habe, wie bei einem so großen Thema nicht anders möglich, die Forschungsergebnisse und Interpretationen vieler verarbeitet, doch alles, worauf ich mich stütze, kaum im Sinn von Zitaten, sondern im Sinn von Hintergrundwissen, ist dokumentiert in Fußnoten und im Literaturverzeichnis. Das Ganze ist das Wahre.[21]

Zuletzt gilt mein Dank meiner Frau Petra, die die Fertigstellung des Manuskripts über die vielen Jahre mitgetragen hat, indem sie mir die Zeit gab, die die Arbeit verlangte.

[1] Johann Wolfgang v. Goethe, Faust. Eine Tragödie. Erster Teil. Nacht. In einem hochgewölbten, engen, gothischen Zimmer Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte: »Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medicin, und leider! auch Theologie durchaus studiert, mit heißem Bemühn …«

[2] Leopold von Ranke, Die grossen Mächte. Politisches Gespräch. Göttingen 1955.

[3] Frank Broeze (Hrsg.), Brides of the Sea: Port Cities of Asia from the 16th-20th Centuries. Honolulu 1989.

[4] Vgl. dazu in Auswahl Globalisierung versus Fragmentierung. Frankfurt 1998; Zwischen Idealismus und Realismus. Die Lehre von den Internationalen Beziehungen. Frankfurt 2001; Paradoxien der neuen Weltordnung. Politische Essays. Frankfurt 2004; mit Dieter Senghaas, Europas Entwicklung und die Dritte Welt. Eine Bestandsaufnahme. Frankfurt 1986; Das Ende der Dritten Welt und das Scheitern der großen Theorie. Frankfurt 1992; mit Reinhard Stockmann und Franz Nuscheler, Entwicklungspolitik. Theorien – Probleme – Strategien. München 2010.

[5] Diese Methode habe ich erstmals in »Auswege aus der Abhängigkeit. Die entwicklungspolitische Aktualität Europas«, Frankfurt 1988 verfolgt.

[6] So auch die These des besonders geschätzten Andre Gunder Frank, ReOrient: Global Economy in the Asian Age. Berkeley 1998. Vgl. dazu Ricardo Duchesne, Between Sinocentrism and Eurocentrism: Debating Andre Gunder Frank's Re-Orient: Global Economy in the Asian Age. In: Science & Society 65.2001/02,4, S. 428-463 und meinen Aufsatz Eurozentrismus versus ReOrientierung. In: Menzel 2004, S. 64-90.

[7] Sehr hilfreich dazu ist das »Handbuch der politischen Ikonographie«, hrsg. von Uwe Fleckner/Martin Warnke/Henrick Ziegler. 2 Bde. München 2011.

[8] Friedrich Schiller, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? Hrsg. von Volker Wahl. Jena 1996.

[9] Vgl. dazu den szientistisch arbeitenden William R. Thompson, Dehio, Long Cycles, and the Geohistorical Context of Structural Transition. In: World Politics 45.1992/93,1, S. 127-152, der zu den gleichen Befunden wie der traditionalistisch arbeitende Ludwig Dehio, Gleichgewicht oder Hegemonie. Betrachtungen über ein Grundproblem der neueren Staatengeschichte. Krefeld 1947, kommt. Ein anderes Beispiel sind die Arbeiten von Pierre Chaunu, Séville et l'Atlantique. Paris 1955-1959, in denen der Einfluss des Silberstroms aus Amerika auf die spanische Macht in Europa quantitativ gemessen wird im Vergleich zu der klassisch qualitativen Studie von Alfred Kohler, Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521-1648. München 1990.

[10] Grundlinien der Philosophie des Rechts, Vorrede. In: Werke Bd. 7. Frankfurt 1970, S. 28.

[11] So auch Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. München 2009, S. 19. Osterhammel benötigt für seine Meistererzählung 1568 Seiten.

[12] Vgl. dazu in der Reihenfolge des Erscheinens: Comeback der drei Welten. Der amerikanische Sonderweg und die Alternativmacht Europa. In: Blätter für deutsche und internationale Politik Nr. 12, 2003, S. 1453-1462; Hegemoniale Ordnung oder Anarchie der Staatenwelt? Über die Zyklen von Krieg und Frieden. In: Ders., Paradoxien der neuen Weltordnung. Frankfurt 2004, S. 51-63; Amerika: Die neue Hegemonie der USA und die Krise des Multilateralismus. Ebd., S. 93-151; Anarchie der Staatenwelt oder hegemoniale Ordnung? In: WeltTrends 12.2004, Nr. 44, S. 125-142; Imperium oder Hegemonie? Die USA als hegemoniale Ordnungsmacht. In: Kommune 23.2005/06, Dez.-Jan., S. 65-72; Die Hierarchie der Staatenwelt: Historisch-komparative Untersuchungen zu einer Theorie der internationalen Ordnung. In: Zeitschrift für Weltgeschichte 11.2010,2. S. 161-191, Die Idealtypen von Imperium und Hegemonie. In: Gehler/Rollinger 2014, S. 1645-1676.

[13] Ulrich Menzel, Lange Wellen und Hegemonie. Ein Literaturbericht. Bremen 1985, Neuaufl. Braunschweig 1996. Danach entstand im Anschluss an einen Japan-Aufenthalt 1985/86 die Textanthologie »Im Schatten des Siegers: Japan«. 4 Bde. Frankfurt 1989 mit drei Beiträgen des Herausgebers.

[14] Z. ‌B. Volker Rittberger (Hrsg.), Wer regiert die Welt und mit welchem Recht? Beiträge zur Global Governance-Forschung. Baden-Baden 2009.

[15] Vgl. dazu den auf der fünften Ebene angesiedelten Aufsatz von Michael Zürn, Institutionalisierte Ungleichheit in der Weltpolitik. Jenseits der Alternative »Global Governance« versus »American Empire«. In: Politische Vierteljahresschrift 48.2007,4, S. 680-704.

[16] Charles Krauthammer, The Unipolar Moment. In: Foreign Affairs 70.1990/91,1, S. 23-33.

[17] Die einschlägige Literatur der drei Phasen ist ausgiebig zitiert in den beiden USA-Kapiteln.

[18] Die bibliographischen Angaben stehen im Literaturverzeichnis.

[19] Die Beiträge der Tagung sind zusammengefasst in Michael Gehler/Robert Rollinger (Hrsg.), Imperien und Reiche in der Weltgeschichte. Epochenübergreifende und globalhistorische Vergleiche. 2. Bde.Wiesbaden 2014.

[20] Auf dem Album »Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band« von 1967.

[21] Ich halte es wieder mit Hegel und nicht mit Adorno, der vom Gegenteil ausging. Vgl. dazu Theodor W. Adorno, Negative Dialektik. Frankfurt 1966, Einleitung.

1. Einleitung: Die Idealtypen von Imperium und Hegemonie

Das erste Axiom der Lehre von den Internationalen Beziehungen ist die »Anarchie der Staatenwelt«. Wie im internationalen System damit umgegangen werden soll, ist eine zentrale Frage des Fachs, weil aus der unterstellten Anarchie ein fundamentaler Unterschied der innerstaatlichen zu den zwischenstaatlichen Beziehungen resultiert. Innerhalb der Grenzen eines Staates gibt es keine Anarchie, weil der Staat das Gewaltmonopol besitzt und damit zuständig ist für den inneren Frieden, Rechtssicherheit und den Schutz des Eigentums, aber auch ordnungspolitische Aufgaben wahrnimmt wie die Garantie funktionierender Märkte oder eines Zahlungsmittels. Ferner ist er zuständig für die Bereitstellung von Infrastruktur und Institutionen für Bildung, Gesundheit, Kultur und Daseinsfürsorge. Um alle diese Aufgaben wahrzunehmen, erlässt er Gesetze und Verordnungen, unterhält seine Organe aus Verwaltung, Polizei, Gerichtswesen und Armee und erhebt Steuern, um diese Aufgaben zu finanzieren. Ökonomisch formuliert: Der Staat stellt öffentliche Güter zur Verfügung, die zu liefern für private Anbieter uninteressant ist, weil deren Erzeugung zwar notwendig oder zumindest nützlich ist, sich aber nicht rentiert.

Jenseits der Grenzen eines Staates stellt sich die Problematik anders. Auch in den zwischenstaatlichen Beziehungen gibt es vielfältigen Regelungsbedarf, gibt es Bedarf nach internationaler Ordnung. Statt um den inneren Frieden geht es um den äußeren Frieden. Statt um die nationale Währung geht es um Weltgeld oder zumindest um ein System, das die nationalen Währungen miteinander verknüpft. Statt um den Schutz des Eigentums daheim geht es um den Schutz des Eigentums in der Welt, der z. ‌B. durch die Piraterie bedroht ist. Statt um die Bereitstellung einer nationalen Infrastruktur geht es um globale Infrastruktur wie z. ‌B. Internet oder GPS, zumindest um die Koordination der vielen nationalen Infrastrukturen, die Handel, Transport, Wanderung und Kommunikation, Energie- und Rohstoffversorgung erst möglich machen. Statt um die Integration des eigenen Wirtschaftsraums nach innen oder dessen Separation nach außen geht es um die Öffnung und Verknüpfung der einzelnen Wirtschaftsräume, um die Vorteile internationaler Arbeitsteilung wahrnehmen zu können.

Die Liste des Bedarfs nach internationaler Ordnung ist ellenlang und an jeder Kerbe der Elle stellt sich angesichts der unterstellten Anarchie der Staatenwelt das gleiche Problem: Wer soll den Bedarf bedienen? Wer soll die Regelungen erlassen? Wer soll die zu ihrer Durchsetzung notwendigen Institutionen schaffen? Wer soll für die notwendigen Investitionen und Unterhaltskosten aufkommen? Die adäquate Instanz wäre ein Weltstaat mit internationalem Gewaltmonopol, den es aber nicht gibt und der allenfalls in einer sehr fernen Zukunft theoretisch vorstellbar ist.[1] Der Idee des Weltstaats entgegen steht das Souveränitätsprinzip. Dieses hat sich im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges, der sich als »Staatenbildungskrieg«[2] interpretieren lässt, und im Anschluss an den Westfälischen Frieden herausgebildet. Im Artikel VII, § 2 des Osnabrücker Friedens war festgelegt worden, dass alle deutschen Reichsstände (Kurfürsten, Fürsten, freie Reichsstädte) das Recht hatten, Gesandtschaften zu unterhalten. Bereits im 17. Jahrhundert bildete sich in Europa das Netz ständiger Vertretungen, traten die internationalen Beziehungen von Staaten an die Stelle der interdynastischen Beziehungen von Fürsten.[3] Konsequenz der Durchsetzung des Souveränitätsprinzips war die wachsende Zahl souveräner Staaten. Die Auflösung der großen Imperien, die bisweilen in der Absicht zur Eroberung der Welt durchaus eine Weltstaatsperspektive hatten, führte dazu, dass die Zahl der souveränen Staaten auf mittlerweile fast 200 gestiegen ist. Die großen Kriege der Weltgeschichte, an deren Ende immer wieder neue Ordnungen der Welt verabredet wurden[4], haben, obwohl sie vielfach als Eroberungskriege angelegt waren, zur Auflösung der Imperien beigetragen, dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und der Durchsetzung des Souveränitätsprinzips Schübe verliehen. Man denke nur an die Auflösung des Spanischen Imperiums seit dem Dreißigjährigen Krieg bis zu den Napoleonischen Kriegen, des Osmanischen und Österreichischen Imperiums am Ende des Ersten Weltkriegs, des Britischen und Französischen Imperiums nach dem Zweiten Weltkrieg und zuletzt des Russisch/Sowjetischen Imperiums nach dem Ende des Kalten Krieges. Ein Ende des Nationalstaatsbildungsprozesses ist angesichts der immer noch vorhandenen imperialen Überreste oder der künstlichen Grenzen als Folge früherer Imperiumsbildung in Subsahara-Afrika nicht abzusehen.

Solange es nur wenige souveräne Staaten gab, sollte die Welt durch das »Konzert« bzw. die Pentarchie von zunächst fünf (Großbritannien, Frankreich, Russland, Österreich-Ungarn, Preußen/Deutschland) und später sieben (zusätzlich USA, Japan) Großmächten in eine Ordnung durch Gleichgewicht gebracht werden.[5] Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats oder die Treffen der G7-Staaten haben die Idee des Konzerts nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt, wenn auch die Gestaltungskraft dieser Idee abgenommen haben mag. Jedenfalls lässt sich konstatieren: Seit die Zahl der souveränen Staaten immer weiter zugenommen hat, hat auch die Anarchie der Staatenwelt zugenommen. Damit scheint sich das erste Axiom in der Lehre von den Internationalen Beziehungen zu bestätigen. Da auch die Vielfalt der Interessen zugenommen hat, die die Staaten in ihren Außenbeziehungen verfolgen, wächst auch die Komplexität der Anforderungen, die an eine internationale Ordnung zu stellen sind.

Sowohl die realistische wie die idealistische Schule[6] bieten Antworten, wie mit der skizzierten Problematik umzugehen ist. Der klassische Realismus setzt auf das Prinzip der Selbsthilfe. Jeder Staat sucht seine Interessen nach außen gegenüber widerstrebenden Interessen anderer Staaten so gut durchzusetzen, wie er kann. Dazu benötigt er Macht. Hierbei geht es in erster Linie um militärische, in zweiter Linie um wirtschaftliche Macht. Nur sind die Fähigkeiten, das Selbsthilfeprinzip zu verfolgen, sehr unterschiedlich verteilt. Großen, mächtigen und wohlhabenden Staaten ist es viel eher möglich, ihre Interessen in der Welt zu verfolgen, als kleinen, schwachen und armen Staaten. Auch ist zu erwarten, dass die Verfolgung des Selbsthilfeprinzips zu einer konfliktgeladenen Konstellation führt, in der der Krieg oder die Androhung des Krieges, der Handelskrieg oder die Androhung wirtschaftlicher Sanktionen an der Tagesordnung sind. Einhegen kann diese Konstellation nur eine Politik der Abschreckung oder des Gleichgewichts, bei der sich die Kleineren gegen die Größeren zusammentun. So kann zwar Stabilität erreicht werden, aber schwerlich eine positive internationale Ordnung, die gestalterisch den internationalen Bedarf bedient. Außerdem lauert hinter dem Selbsthilfeprinzip das Sicherheitsdilemma. Wenn ein Staat rüstet, um seine Sicherheit zu steigern, produziert er bei den anderen Staaten Unsicherheit. Macht im internationalen System ist ein Nullsummenspiel. Also müssen die anderen Staaten mit Gegenrüstung antworten, die wiederum die eigene Sicherheit schmälert.[7]

Der klassische Idealismus[8] setzt stattdessen auf die Kooperation der Staaten. Weil die Staaten bzw. deren verantwortliche Politiker vernünftig sind, werden sie sich den rationalen Argumenten, dass Zusammenarbeit bessere Politikergebnisse erzielt als das Selbsthilfeprinzip oder dass die Kosten des Krieges höher sind als dessen Nutzen, nicht entziehen. Das gilt besonders für die kleinen Staaten, die kaum die Möglichkeit haben, dem Selbsthilfeprinzip zu folgen. Mindestens geht die idealistische Theorie davon aus, dass demokratisch verfasste Staaten eine politische Kultur besitzen, die auch in den Außenbeziehungen den normativen Rahmen setzt und zu kooperativem Verhalten, zu Kompromiss und Ausgleich von Interessen anhält.[9] Frieden, Wohlstand, Durchsetzung der Menschenrechte, Schutz der Umwelt und andere idealistische Ziele sind grundsätzlich durch Kooperation zu erreichen. Dazu nehmen die Staaten diplomatische Beziehungen auf, schließen Verträge, unterwerfen sich den Regeln des Völkerrechts, verinnerlichen Normen, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen zum Ausdruck kommen. Deshalb sind sie sogar bereit, Souveränität an Internationale Organisationen abzutreten, die auf ihren jeweiligen Politikfeldern zuständig sind für die Errichtung einer internationalen Ordnung. Zu deren Finanzierung sind die Staaten ferner bereit, entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit Beiträge abzuführen.

Nicht nur die ambivalenten Erfahrungen mit internationaler Kooperation, auch die Theorie kann zeigen, dass auch das idealistische Modell und der ihm zugrunde liegende Rationalismus Probleme aufwirft. Ein klassisches Argument dafür liefert die »Tragedy of the Commons«.[10] Das gemeinsame Weideland der Dorfgemeinde oder die Fischbestände der Weltmeere vertragen nur eine begrenzte Anzahl von Tieren oder einen begrenzten Fischfang, sonst droht die Überweidung bzw. die Überfischung. Also müssten alle Hirten oder alle Fischer ein Interesse haben, sich auf ein abgestimmtes Verhalten zur Nutzung der Weide oder Meere zu einigen, um dauerhaft für alle die Existenzgrundlage zu sichern. Dennoch kann es für den Einzelnen rational sein, immer noch ein Stück Vieh mehr auf das Gemeindeland zu schicken bzw. so viel Fisch wie möglich zu fangen, selbst auf die Gefahr hin, dass das Weideland abgegrast, das Meer leergefischt wird, wenn alle Hirten bzw. Fischer sich so verhalten. Die Rationalität liegt darin, dass der Vorteil des zusätzlichen Stück Viehs oder des zusätzlichen Fangs nur einem Hirten/Fischer zukommt, den Nachteil der Überweidung/Überfischung aber alle Hirten/Fischer zu tragen haben. Solange der Anteil des Einzelnen am kollektiven Nachteil geringer ist als der individuelle Nutzen, wird er sich als homo oeconomicus so verhalten. Hier liegt der Kern des Problems, warum es so schwierig ist, in der internationalen Umweltpolitik zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, obwohl die Wissenschaft Empfehlungen für vernünftiges Verhalten macht.

Gelöst werden kann die Anarchieproblematik, zu deren Überwindung Selbsthilfe und Kooperation nur unzureichende Angebote liefern, durch die Bereitstellung internationaler öffentlicher Güter. Deren Theorie geht wesentlich auf die Arbeiten von Mancur Olson[11], Charles P. Kindleberger[12], Inge Kaul u. ‌a.[13] und Wolfgang H. Reinicke[14] zurück. Öffentliche Güter[15] (auch Kollektivgüter) sind definiert durch die Kriterien »Nichtrivalität« und »Nichtausschließbarkeit«. Nichtrivalität heißt, dass die beliebige Nutzung eines Gutes durch den einen nicht zur Beeinträchtigung der Nutzung durch einen anderen führt. Nichtausschließbarkeit heißt, dass niemand von der Nutzung des Gutes ausgeschlossen werden kann. Häufig wird als drittes Kriterium die Unentgeltlichkeit der Nutzung genannt, doch trifft dies nur bedingt zu. Die Bereitstellung öffentlicher Güter verursacht Kosten, an deren Bestreitung auch die Nutzer über ihre Steuerleistung beteiligt sein können. Private Güter sind demzufolge durch Rivalität und Ausschließbarkeit, aber auch durch Kostenpflichtigkeit definiert. Zur Abgrenzung beider Güterarten kann man auch formulieren: Die Bereitstellung öffentlicher Güter ist notwendig, mindestens aber nützlich, aber nicht unbedingt profitabel. Die Bereitstellung privater Güter muss profitabel sein, auch wenn diese nicht unbedingt nützlich oder gar notwendig sind. Allerdings gibt es die beiden Sonderfälle, dass eines der beiden Kriterien nicht erfüllt ist. Fehlt die Nichtausschließbarkeit, spricht man von Clubgütern, fehlt die Nichtrivalität, spricht man von Allmendegütern. Die vier Güterarten lassen sich mit einer Vierfeldertafel abbilden.

Rivalität

Ausschließbarkeit

ja

nein

ja

private Güter

Clubgüter

nein

Allmendegüter

öffentliche Güter

Tab. 1.1: Die vier Güterarten

Das klassische Beispiel für ein internationales öffentliches Gut ist der Leuchtturm. Jedes vorbeifahrende Schiff kann dessen Dienste beliebig oft in Anspruch nehmen, ohne dass dadurch die Nutzung durch andere Schiffe beeinträchtigt wird. Kein Schiff kann von der Nutzung ausgeschlossen werden. Die Nutzung des Leuchtturms ist zudem kostenlos, obwohl irgendjemand für seinen Bau, das Gehalt des Leuchtturmwärters und die Energie des Leuchtfeuers aufkommen muss. Hier beginnt das Problem. Ein Clubgut, etwa die Anlagen eines Sportclubs, ist für die Mitglieder beliebig oft nutzbar, ohne dass dadurch die Nutzung der anderen Mitglieder beeinträchtigt wird. Nichtmitglieder sind aber von der Nutzung ausgeschlossen. Die Dienste einer Internationalen Organisation, z. ‌B. den Vorteil der Meistbegünstigungsklausel bei Handelsverträgen, können nur diejenigen Staaten wahrnehmen, die Mitglied der Organisation sind. Für die Kosten der Organisation haben die Mitglieder aufzukommen. Sie tun das, weil ihnen auch der Nutzen zufällt. Bei Allmendegütern kann zwar niemand ausgeschlossen werden, weil alle Mitglieder der Dorfgemeinschaft ein Anrecht auf die Nutzung des Gemeindelandes haben (Weiderecht, Recht zum Holzschlag, Wasserrecht). Die Entnahme von Allmendegütern durch den einen geht aber immer zu Lasten eines anderen. Der Fisch des einen kann nicht mehr von einem anderen gefangen werden. Die Verabredung des Prinzips »Freiheit der Meere« kann ein Allmendegut sein, wenn darunter auch die Freiheit zur wirtschaftlichen Nutzung durch Fischfang oder Tiefseebergbau verstanden wird. Sogar internationale private Güter sind denkbar, etwa die Dienste von Sicherheitsfirmen zum Schutz von Frachtschiffen in den Zonen fragiler Staatlichkeit. Der Dienst ist nicht kostenlos, der Auftrag rentiert sich für die Firma, Nutzen davon hat nur die Reederei, die die Firma engagiert hat.

Mancur Olson hat die ökonomische Theorie auf politische Organisationen übertragen und gezeigt, dass die Zusammensetzung von Gruppen und die Interessenlage ihrer Mitglieder an den Ergebnissen kollektiven Handelns relevante Variablen für das individuelle Verhalten sind.[16] Zwar möchten alle Mitglieder eines sozialen Systems an dessen Nutzen teilhaben, verweigern vielfach aber die angemessene Beteiligung an den Kosten. Auf die Staatenwelt übertragen gilt: Jeder Staat möchte zwar eine saubere Luft, zögert aber, die eigenen Emissionen zu reduzieren, wenn damit wirtschaftliche Nachteile verbunden sind. Auf den Feldern Frieden, Steuergerechtigkeit, Strafverfolgung, Finanzmärkte, Freihandel u. ‌a. lassen sich viele weitere Beispiele finden. Abhängig ist das individuelle Verhalten auch von der Gruppengröße. Je größer die Gruppe, desto eher die Versuchung, sich nicht kooperativ zu verhalten.

Unter den Bedingungen der Anarchie der Staatenwelt beeinflussen die genannten Faktoren das Verhalten der Staaten bei der Bereitstellung von internationalen öffentlichen Gütern. Die Folge ist, dass das Freeridertum oder zumindest das Cheapridertum, gerade auf Seiten kleinerer Staaten, ein weit verbreitetes Phänomen ist. Der Beitrag des Kleinen ist so gering, dass er für das Gesamtergebnis kaum etwas ausmacht. Also fällt es nicht ins Gewicht, wenn er verweigert wird. Die Konstellation der Anarchie fördert auch das Misstrauen über das Handeln der anderen. Solange ein Staat nicht sicher ist, ob die anderen mitziehen, will er nicht allein der »Dumme« sein, wie sich spieltheoretisch durch die Konstellation des Gefangenendilemmas abbilden lässt. Oder sie liefert den Staaten eine Ausrede, überhaupt zu kooperieren, weil behauptet wird, dass die anderen auch nicht kooperieren werden. Paradoxerweise ist es vielfach sogar so, dass kleinere Staaten die größeren »ausbeuten«, indem sie sich unangemessen oder gar nicht an den Kosten eines öffentlichen Gutes beteiligen. So kommt z. ‌B. die Schweiz in den Genuss von Leistungen der EU (Freizügigkeit im Schengenraum) oder NATO (Nuklearschirm), ohne in beiden Organisationen Mitglied zu sein. An den Kosten der EU beteiligt sie sich unangemessen, an den Kosten der NATO gar nicht.

Das idealistische wie realistische Konzept zur Überwindung der Anarchie stößt auch deshalb auf viele Hindernisse, weil beide Paradigmen ein anderes Axiom der Lehre von den Internationalen Beziehungen, die »Hierarchie der Staatenwelt«[17], zu wenig berücksichtigen. Dieses zweite Axiom besagt: Die Staaten sind ungleich in nahezu jeder Hinsicht, gleichviel ob man ihre Geschichte, die Bevölkerungszahl, die Ausstattung mit natürlichen Ressourcen, die geopolitische Lage, die politische Verfasstheit, den Modernisierungsgrad oder Wohlstand der Gesellschaft, die wissenschaftlich-technische Leistungsfähigkeit, die zivilisatorische Entwicklung betrachtet. Nicht nur die Anarchie, auch die Hierarchie hat im Laufe der Zeit zugenommen, weil es nicht nur mehr Staaten gibt, sondern auch, weil das Gefälle zwischen Vorreitern und Nachzüglern zugenommen hat und weil viele Staaten in sich zerklüftet sind. Zu Zeiten des europäischen Konzerts im 19. Jahrhundert mit seinen fünf Großmächten war nicht nur die Anarchie überschaubar, sondern auch die Hierarchie flach, waren internationale Fragen einfacher zu handhaben als heute in einer Konstellation von 200 Staaten mit extremen Unterschieden in jeder Hinsicht. Weil es die Asymmetrie der Staaten gibt und diese eine eher steiler als flacher werdende Hierarchie im internationalen System bilden, sind die Umstände auch systematisch bei der Frage zu berücksichtigen, wie die Anarchie der Staatenwelt zu überwinden ist, wie zwischenstaatliche Regulierung, wie internationale Ordnung zustande kommt.

Die hier aufgestellte These und das daraus resultierende Argument lauten: Große Mächte sind in der Lage, entweder allein oder maßgeblich für internationale Ordnung zu sorgen.[18] Es wird allerdings nicht der Anspruch erhoben, dass das im weiteren Verlauf der Arbeit entfaltete Paradigma von der Ordnungsfunktion großer Mächte in jedem Fall und in jedem Detail stimmen muss. Im Anschluss an Kuhn[19] genügt es, wenn das Hierarchieparadigma eine größere Erklärungskraft als das Anarchieparadigma in seiner idealistischen oder realistischen Variante besitzt, um sich durchzusetzen. Der Begriff »große Mächte« (nicht Großmächte) wird hier als Oberbegriff verschiedener Typen großer Mächte verwendet, die noch zu definieren sind. Auch wenn die Staaten bezüglich der typologischen Merkmale und der Ausprägung von »Größe« ein Kontinuum bilden, so gibt es doch eine Schwelle, jenseits der ein Staat erst befähigt ist, den Status einer großen Macht an der Spitze der Hierarchie der Staatenwelt einzunehmen, um in der Lage zu sein, deren Anarchie einzuhegen. Er tut das durch die Bereitstellung von internationalen öffentlichen Gütern, ggf. auch von Clubgütern, die nicht für alle Staaten, sondern nur einen Teil der Staatenwelt zugänglich sind. Große Mächte sind dazu bereit, weil sie über die notwendigen Mittel verfügen und weil sie als größte Nutznießer ein besonderes Interesse daran haben.

Kleine Länder werden nur dann eine hohe Bereitschaft zeigen, wenn sie sich einen besonders hohen Nutzen versprechen. Diese Überlegung erklärt, warum kleine Länder wie Portugal oder die Niederlande, sogar Stadtstaaten wie Genua oder Venedig, in ihren großen Zeiten wie Großmächte gehandelt haben und sich etwa beim Kampf gegen die Piraterie, bei der Bereitstellung eines internationalen Zahlungsmittels oder der Organisation der internationalen Arbeitsteilung hervorgetan haben. Als Handelsmächte mussten sie daran ein hohes Interesse haben. Hier trifft auch das Argument der sog. Kuppelgüter. Der Schutz der Meere durch die Kriegsmarine hat die Organisation der internationalen Arbeitsteilung durch die Handelsmarine erst ermöglicht. Also waren die niederländischen Kaufleute bereit, Zölle auf die von ihnen gehandelten Waren zu zahlen, mit denen ihre Kriegsmarine finanziert wurde. Die von der niederländischen Kriegsmarine garantierte Sicherheit vor Piraterie kam allen anderen Handelsmarinen als Abfallprodukt kostenlos zugute.

Es gibt nicht nur ein Angebot, sondern auch einen internationalen Regelungsbedarf, eine Nachfrage nach öffentlichen Gütern. Dieser Bedarf kann nicht durch private Akteure bedient werden, weil es sich nicht rentiert, und nur schwerlich durch eine Kooperation der Staaten, bei der jeder Staat einen seinen Fähigkeiten adäquaten oder gar einen gleichen Beitrag leistet. Damit fallen sowohl der Markt wie Internationale Organisationen, in denen das Gleichheitsprinzip herrscht, als Regelungsinstanzen aus. Die besten Aussichten zur Bereitstellung internationaler öffentlicher Güter und deren größte Leistungsfähigkeit bestehen dann, wenn große Mächte allein oder maßgeblich dafür sorgen.[20] So lautet jedenfalls das Argument der Theorie der hegemonialen Stabilität.[21] Je größer eine Macht an der Spitze der Hierarchie der Staatenwelt und je größer der Abstand zu den nachfolgenden Mächten, desto eher kann sie stellvertretend für den nicht vorhandenen Weltstaat agieren. Die Hierarchie der Staatenwelt bildet demzufolge ein Gegengewicht zur Anarchie der Staatenwelt. Je ausgeprägter die Hierarchie, desto eher, so die These, wachsen die Möglichkeiten, der Anarchie Herr zu werden.

Doch muss eine große Macht gar nicht alles selber machen. Sie verfügt nämlich über die Möglichkeit, andere dazu zu bringen, Beiträge für die internationale Ordnung zu leisten. Sie kann das, weil sie im Sinne Max Webers die Macht besitzt, gegen widerstrebende Länder ihren Willen durchzusetzen.[22]