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Aktueller Überblick über Die Ortschaftsverfassung in Baden-Württemberg Das Buch bietet einen vollständigen Überblick über die Regelungen der Gemeindeordnung (GemO) zur Ortschaftsverfassung in Baden-Württemberg. Der Leitfaden enthält darüber hinaus konkrete Handlungsempfehlungen für alle in der Praxis relevanten Probleme. Die Autoren erklären die Aufgaben und Zuständigkeiten, die Rechtsstellung und die Pflichten des Ortschaftsrats sowie des Ortsvorstehers. In einem gesonderten Abschnitt sind Vorbereitung und Ablauf der Sitzungen des Ortschaftsrats – von der Eröffnung bis zur Beschlussfassung – im Detail erläutert. Im Anhang ist das Muster einer Geschäftsordnung für den Ortschaftsrat abgedruckt. Das ist neu Die 8. Auflage berücksichtigt die grundlegenden Änderungen des Kommunalverfassungsrechts und des Kommunalwahlrechts. So wurden unter anderem die Beteiligungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Bevölkerung maßgeblich verbessert. Wichtige Mitwirkungsrechte wurden von der Bürgerschaft auf die Gesamtheit der Einwohner ausgedehnt (Einwohnerversammlung, Einwohnerantrag, Einwohnersprechstunde). Unverzichtbares Arbeitsmittel Mit diesem wertvollen Ratgeber sind Ortschaftsräte und Ortsvorsteher bestens für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit gerüstet. Auch für direkt gewählte Bezirksbeiräte eignet sich der Band als praktische Arbeitshilfe, da die einschlägigen Bestimmungen entsprechend anwendbar sind.
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Seitenzahl: 143
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Die Ortschaftsverfassung in Baden-Württemberg
Leitfaden für Ortschaftsräte und Ortsvorsteher
von
Paul Metzger
Oberbürgermeister a. D., Ehrenbürger der Melanchthonstadt Bretten
Werner Sixt
Erster Beigeordneter a. D. des Gemeindetags Baden-Württemberg
8., aktualisierte Auflage, 2019
Es haben bearbeitet:
Paul Metzger Teil I und II
Werner Sixt Teil III–V, Anhang
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
8. Auflage, 2019
Print ISBN 978-3-415-06543-7 E-ISBN 978-3-415-06577-2
© 1984 Richard Boorberg Verlag
E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Titelfoto: © Daniel Coulmann – Fotolia
Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresdenwww.boorberg.de
Wenn es dem Ganzen gut geht,geht es auch seinen Teilen gut
(Paul Metzger)
Mit diesem Handbuch wollen die Verfasser den ehrenamtlich tätigen Ortschaftsräten und Ortsvorstehern eine Einführung in die für sie und ihre Arbeit im Gremium der Ortschaft bedeutsamen Vorschriften des Kommunalverfassungsrechts geben.
Der erste Teil beschreibt die landes- und kommunalpolitische Bedeutung der Ortschaftsverfassung sowie ihre grundsätzlichen Rechtsvorschriften. Im zweiten Teil werden die Funktionen, Aufgaben und Zuständigkeiten des Gremiums Ortschaftsrat und seines Vorsitzenden, des Ortsvorstehers, dargestellt. Im dritten und vierten Teil wird auf die Rechtsstellung sowie die Pflichten der Ortschaftsratsmitglieder und des Ortsvorstehers eingegangen.
Die Darstellung kann auch von direkt gewählten Bezirksbeiräten benutzt werden.
Die Verfasser wünschen sich, dass das Handbuch als Leitfaden den Ortschaftsräten und den Ortsvorstehern eine gute Orientierungshilfe sein möge.
Paul Metzger
Werner Sixt
Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO) in der Fassung vom 24.7.2000 (GBl. S. 581, ber. S. 698), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.5.2019 (GBl. S. 161, 186);
Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (DVO GemO) vom 11.12.2000 (GBl. 2001 S. 2); zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 28.10.2015 (GBl. S. 870, 875),
Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Gemeindeordnung (VwV GemO) vom 1.12.1985 (GABl. S. 1113), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 24.11.1989 (GABl. S. 1276) – automatisch außer Kraft getreten gemäß Vorschriftenanordnung vom 23.11.2004 (GABl. 2005 S. 194)*;
Kommunalwahlgesetz (KomWG) in der Fassung vom 1.9.1983 (GBl. S. 429), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4.4.2019 (GBl. S. 105);
Kommunalwahlordnung (KomWO) in der Fassung vom 2.9.1983 (GBl. S. 459), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13.7.2018 (GBl. S. 298);
Erlass des Innenministeriums zur Ortschaftsverfassung vom 12.5.1978 (GABl. S. 465); Weitergeltung durch VwV vom 3.9.1997 (GABl. S. 530); außer Kraft getreten*;
Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) vom 11.12.2009 (GBl. S. 770), zuletzt geändert durch Verordnung vom 8.2.2019 (GBl.S. 54).
* Die VwV GemO und der Erlass zur Ortschaftsverfassung sind wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die kommunale Praxis hier noch aufgeführt.
TEIL I Die Bedeutung der Ortschaftsverfassung als besondere Verwaltungsform in der Gemeinde
1. Allgemeines
1.1 Die kommunale Gebietskarte vor und nach der Reform
– Verwaltungsstruktur-Reformgesetz – Staatliche Untere Verwaltungsbehörde
1.2 Ortschaftsräte als Ausdruck örtlicher demokratischer Substanz
– Bürgerschaftliche Mitwirkung
1.3 Die Ortschaftsverfassung
– Viele Ortschaftsräte sehen sich nur noch in einer Alibifunktion
– Bestrebungen zur Abschaffung der Ortschaftsverfassung
2. Ziele und Grenzen der Ortschaftsverfassung
2.1 Allgemeines
2.2 Ziele der Ortschaftsverfassung
– Eigenverantwortlichkeit
– Bürgernahe Ortsverwaltung
– Bürgermitwirkung
– Erhaltung der Identität der Ortschaften
– Ortsreferenten
2.3 Grenzen der Ortschaftsverfassung
– Verfassungsrechtliche Gewährleistung der Einheitsgemeinde
– Integrationsbedürfnis der Gemeinden
– Stärkung der Zentralverwaltung
3. Einführung, Aufhebung oder Weiterführung der Ortschaftsverfassung
3.1 Einführung der Ortschaftsverfassung
– Regelungen in der Hauptsatzung
3.2 Aufhebung oder Weiterführung der Ortschaftsverfassung
3.3 Rücknahme oder Weiterführung von Entscheidungsbefugnissen
3.4 Kommunalverfassungsrechtlicher Organstreit (Organklage)
TEIL II Funktionen, Aufgaben und Zuständigkeiten von Ortschaftsrat, Ortsvorsteher und örtlicher Verwaltung
1. Ortschaftsrat
1.1 Anhörungsrecht
– Katalog für wichtige Angelegenheiten
– Grundsätze für die Anhörung
1.2 Unterlassung der Anhörung als wesentlicher Verfahrensfehler
– Auswirkungen unterlassener Anhörung
1.3 Vorschlagsrecht
1.4 Entscheidungszuständigkeiten
– Allgemeines
– Katalog möglicher Entscheidungsrechte
– Mittelbewirtschaftung, Budgetierung
– Grenzen der Mittelbewirtschaftung
– Haushaltsrecht und Budgetierung
1.5 Von der Übertragung ausgeschlossene Zuständigkeiten
1.6 Ortschaftsrat als Initiator bürgerschaftlicher Mitwirkung
2. Ortsvorsteher
2.1 Funktionen des Ortsvorstehers
2.2 Zuständigkeiten des Ortsvorstehers
– Vorsitz im Ortschaftsrat
– Vertretung des Bürgermeisters
– Leitung der örtlichen Verwaltung
– Vertretung der Gemeinde durch den Ortsvorsteher
– Vorbereitung und Einberufung von Sitzungen
– Sachentscheidungsbefugnisse
– Katalog möglicher Sachentscheidungsrechte
– Mittelbewirtschaftung
– Zusammenarbeit mit der Zentralverwaltung
2.3 Weitere Aufgaben und Möglichkeiten
– Bürgerkontakte
– Sprechstunden
– Anregung bürgerschaftlicher Initiativen
– Bauleitplanung, Dorfentwicklung
3. Die örtliche Verwaltung
3.1 Allgemeine Verwaltung
– Bürgerämter
3.2 Sonstige Verwaltungen in den Ortschaften
– Standesamt
– Ratschreiber
TEIL III Rechtsstellung und Pflichten des Ortschaftsrats
1. Das Amt des Ortschaftsrats
2. Öffentliche Verpflichtung der Ortschaftsräte
3. Freies Mandat
4. Mitwirkungsrechte
4.1 Rechte des einzelnen Ortschaftsrats
4.2 Gruppenrechte
5. Grundsätze der Mandatsausübung
6. Teilnahmepflicht an Sitzungen des Ortschaftsrats
7. Verschwiegenheitspflicht
7.1 Begründung
7.2 Umfang
7.3 Ausnahmen
7.4 Zeitdauer
7.5 Folgen von Pflichtverletzungen
8. Befangenheit
8.1 Mitberatungs- und Mitentscheidungsverbot
8.2 Befangenheitstatbestände
8.3 Ausnahmen von der Befangenheit
8.4 Befangenheitskatalog
8.5 Feststellung der Befangenheit
8.6 Rechtsfolgen der Befangenheit
9. Verantwortung und Haftung der Ortschaftsräte
9.1 Allgemeines
9.2 Haftung nach Strafrecht
9.3 Ahndung von Pflichtverletzungen
9.4 Disziplinarische Haftung
10. Entschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit
10.1 Auslagenersatz und Verdienstausfall
10.2 Einzelabrechnung, Durchschnittsbeträge
10.3 Reisekosten
10.4 Steuerliche Behandlung
11. Unfallschutz
11.1 Anspruchsbegründende Tätigkeit
11.2 Umfang der gesetzlichen Unfallversicherung
– Heilbehandlung
– Verletztengeld, Verletztenrente
– Sonstige Leistungen
– Leistungen bei tödlichen Unfällen
12. Wahl der Ortschaftsräte
12.1 Wahlgrundsätze
12.2 Vorzeitiges Ausscheiden
– Verlust der Wählbarkeit
– Hinderungsgründe
– Nachrücken
TEIL IV Rechtsstellung und Pflichten des Ortsvorstehers
1. Allgemeines
1.1 Ehrenamtlicher Ortsvorsteher
1.2 Hauptamtlicher Ortsvorsteher
1.3 Bisherige Bürgermeister als Ortsvorsteher
2. Amtszeit
3. Aufwandsentschädigung, Besoldung des Ortsvorstehers
3.1 Ehrenamtliche Ortsvorsteher
– Aufwandsentschädigung
– Steuerliche Behandlung
– Sozialversicherung
– Reisekosten
3.2 Hauptamtliche Ortsvorsteher
– Besoldung
– Dienstaufwandsentschädigung
4. Unfallfürsorge
TEIL V Sitzungen des Ortschaftsrats
1. Öffentliche Sitzungen
1.1 Allgemeines
1.2 Öffentliche Bekanntgabe der Sitzungen
1.3 Öffentlichkeit
2. Nichtöffentliche Sitzungen
3. Sitzungsvorbereitung
3.1 Zuständigkeit
3.2 Einberufung von Sitzungen
3.3 Einberufungsnotwendigkeit
3.4 Einberufungsfrist
3.5 Grundsatz der schriftlichen Einberufung
3.6 Tagesordnung
4. Geschäftsordnung
5. Vorsitz und Verhandlungsleitung
6. Eröffnung der Sitzung, Beschlussfähigkeit
6.1 Eröffnung
6.2 Beschlussfähigkeit
6.3 Beschlussfähigkeit in Sondersituationen
6.4 Ersatzbeschlussrecht des Ortsvorstehers
7. Verlauf der Sitzungen
7.1 Allgemeines
7.2 Sachvortrag
7.3 Aussprache
7.4 Redezeit
7.5 Beendigung der Aussprache
8. Anträge
8.1 Begriff
8.2 Antragsrecht
8.3 Antragsarten
9. Beschlussfassung
9.1 Stimmberechtigte
9.2 Formen der Beschlussfassung
9.3 Abstimmungen
9.4 Wahlen
10. Beendigung der Sitzungen, Sitzungsunterbrechungen
11. Teilnahme anderer Personen an der Sitzung
11.1 Bürgermeister
11.2 Gemeinderäte
11.3 Sachkundige Einwohner und Sachverständige
11.4 Gemeindebedienstete
11.5 Rechtsaufsichtsbehörde
12. Beschlussfassung im schriftlichen und elektronischen Verfahren sowie durch Offenlegung
12.1 Voraussetzungen
12.2 Schriftliches, elektronisches Verfahren
12.3 Offenlegung
13. Änderung und Aufhebung von Beschlüssen
14. Sitzungsniederschriften
14.1 Umfang
14.2 Schriftführer
14.3 Bekanntgabe der Niederschrift, Einsichtnahme
Anhang
Muster einer Geschäftsordnung für den Ortschaftsrat
Sachregister
Schlusspunkte der seit dem Jahre 1968 zunächst freiwillig und auch mit Hilfe des „Goldenen Zügels“ durchgeführten Gemeindereform waren die am 03. und 04.07.1974 mit knapper Mehrheit vom Landtag von Baden-Württemberg beschlossenen Gemeindereformschlussgesetze. Neben vielen kleinen und leistungsschwächeren Gemeinden, wegen derer die Gemeindegebietsreform zunächst mit dem Ziel eingeleitet worden war, stärkere Verwaltungseinheiten auch im ländlichen Bereich zu schaffen, verloren auch große und leistungsfähige Gemeinden, die aus damaliger Sicht ohne Zweifel in der Lage waren, selbständig lebensfähig und gestaltungsfähig zu sein, ihre Selbständigkeit. Es rumorte damals vor allem in den Gemeinden, in denen sich die Bürger mehrheitlich gegen eine Eingliederung oder gegen den Zusammenschluss mit anderen Gemeinden ausgesprochen und die gewählten Gemeindevertreter oder aber der Staatsgerichtshof anders entschieden haben. In diesen Gemeinden erlahmte das bürgerschaftliche Engagement zum Nachteil der gesamten Kommune. Das hat in diesen Gemeinden eine positive Entwicklung stark gehemmt. Mit den Ortsteilvertretungen nach den Regeln der Ortschaftsverfassung Baden-Württemberg, die am 16.07.1970 eingeführt wurde, wollte der Gesetzgeber solchen Problemen entgegenwirken.
Vor Einleitung und Abschluss der Gemeindereform gab es in Baden-Württemberg noch 3379 Städte und Gemeinden mit in vielen Jahrhunderten gewachsenen Traditionen und Vielgestaltigkeiten, sowie zwei unbewohnte gemeindefreie Gebiete („Gutsbezirk Münsingen“, „Landkreis Reutlingen“ und der „Gemeindefreie Grundbesitz Rheinau“ im Ortenaukreis). Am 01.01.1975 gab es lediglich noch 1111 Kommunen. Aktuell gibt es noch 1101 selbständig gebliebene Städte und Gemeinden. Davon sind 911 Kommunen Teil der noch bestehenden 270 Verwaltungsgemeinschaften. Ein nicht unwesentlicher Teil der eigentlichen Aufgabenerfüllung wird für die so selbständig gebliebenen Gemeinden vom Personal der jeweiligen Verwaltungsgemeinschaft erbracht. Die im Zuge der Gemeindereform gesetzlich eingeführten Verwaltungsgemeinschaften blieben jedoch im Gegensatz zu den sogenannten Altverwaltungsgemeinschaften wenig (Gemeindeverwaltungsverbände) deutlicher effektiv. Deshalb wird diese besondere Verwaltungsreform immer wieder infrage gestellt – ähnlich wie die Nachbarschaftsverbände in den Ballungsräumen, denen lediglich Planungsaufgaben zur gemeinsamen Gebietsentwicklung übertragen worden waren. Begründet wird diese Kritik damit, dass dort, wo notwendig, eine interkommunale Zusammenarbeit nach dem Gesetz über kommunale Zusammenarbeit (GKZ) vom 16.09.1974 (GBl. S. 408 mit Änderungen) wesentlich effektiver wäre. Eine Befürwortung solcher Auflösungstendenzen hätte jedoch Folgewirkungen auch auf aufgelöste Städte und Gemeinden haben müssen.
Ähnliche Auflösungsaktivitäten gab es bei Gemeinden, als Mitglieder der 114 Gemeindeverwaltungsverbände (Altverwaltungsgemeinschaften) nie. In diesen „Alt-Verwaltungsgemeinschaften“ mit umfassender Aufgabenzuständigkeit blieben 200 zum Teil auch kleinste Dörfer kommunalpolitisch selbstständig. Die laufenden Geschäfte erledigt in aller Regel das Personal des Gemeindeverwaltungsverbands. Der oft ehrenamtliche Bürgermeister befindet jedoch zusammen mit dem Gemeinderat seiner selbständig gebliebenen Gemeinde über sämtliche Schwerpunkte der kommunalen Weiterentwicklung und über die zu tätigenden Investitionen in der Gemeinde. Die Qualität dieser Zuständigkeit entspricht den Grundsätzen interkommunaler Zusammenarbeit nach dem Gesetz über kommunale Zusammenarbeit und ist daher deutlich höher, als die Aufgabenzuständigkeiten von Ortsvorsteher und Ortschaftsrat in den aufgelösten Gemeinden, denen häufig „nur“ beratende Funktionen zugestanden wurden.
Den aktuell 94 Großen Kreisstädten sind nach § 16 Landesverwaltungsgesetz Aufgaben als staatliche untere Verwaltungsbehörde übertragen. Dazu zählen Zuständigkeiten im Ausländer- und Baurecht oder die Aufgaben als Straßenverkehrsbehörde. Solche Zuständigkeiten sind im ländlichen Raum auch auf insgesamt 38 leistungsfähige Verwaltungsgemeinschaften übertragen. Diese bürgernahe Aufgabenerledigung nützt den Verwaltungsgemeinschaften angehörenden und damit selbständig gebliebenen Gemeinden substanziell.
Im Rahmen des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes, das am 30.06.2004 verabschiedet wurde und am 01.01.2005 in Kraft getreten ist, haben die beiden kommunalen Landesverbände, Gemeindetag und Städtetag, zusätzliche Zuständigkeiten für Große Kreisstädte und Verwaltungsgemeinschaften gefordert und eine vertretbare Reduzierung des Negativkatalogs des Landesverwaltungsgesetzes angeregt. Gefordert war unter anderem die Übertragung weiterer Zuständigkeiten nach dem Naturschutz- und dem Wassergesetz. Die Kraftfahrzeugzulassung sollte ebenfalls insgesamt übertragen werden. Diese bürgerorientierten, begründeten Forderungen der beiden kommunalen Landesverbände blieben im Landtag von Baden-Württemberg jedoch leider bis heute weitestgehend unberücksichtigt.
Umfassend gestärkt wurden vom Landtag die Stadt- und Landkreise. Durchgesetzt hat sich im Parlament die Argumentation des Landkreistags. Mit der Zusage zur Erwirtschaftung einer sogenannten Effizienz-Rendite wurden ehemals ureigene Aufgaben der Regierungspräsidien auf die Stadt- und Landkreisebene übertragen und staatliche untere Sonderbehörden wie Schul-, Gesundheits- oder Straßenbauämter dort integriert.
Der gesetzlich notwendige Finanzausgleich beispielsweise für die Unterhaltung von Bundes- und Landesstraßen oder für verbesserte Standardvorgaben bezüglich der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern ist bisher für viele Kommunen noch nicht verlässlich geregelt.
Mit der Reduzierung der Gemeinden nahm auch die Anzahl der Gemeinderatssitze deutlich ab. 1974 wurde vom damaligen Verbandsdirektor des Gemeindetags Baden-Württemberg, Kurt Heppner, dieser Verlust an demokratischer Substanz wie folgt kommentiert: „Statt 33 000 Männer und Frauen in den Gemeinderäten unseres Landes werden wir von 1975 an nur noch 15 000 haben.“ Weniger Mitsprache ist weniger Demokratie. Man müsse deshalb nach neuen Möglichkeiten bürgerschaftlicher Mitarbeit suchen, damit die vielen bisher ehrenamtlich tätigen Menschen nicht in die Anonymität zurückgestoßen werden, so die damalige Schlussfolgerung. Die Bereitschaft der politisch aktiven und engagierten Bürger sollte als wertvollstes Kapital erhalten und entsprechend gefördert werden.
Ein wesentlicher Beitrag dafür war in Baden-Württemberg die Einführung und weitere Stärkung der Ortschaftsverfassung. Diese demokratisch legitimierten Mitwirkungsrechte für ehemals selbständige Gemeinden haben sich bewährt.
Aktuell gibt es in den 1101 Städten und Gemeinden 18754 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, 1600 Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher und rund 16 000 Ortschaftsrätinnen und Ortschaftsräte, die sich als Repräsentanten für ihre ehemals selbständige Gemeinde und heutige Ortschaft ehrenamtlich engagieren.
Kaum ein anderes Gesetz wurde so oft geändert wie die Gemeindeordnung. Mit sogenannten „Demokratisierungs-Novellen“ wurden nicht nur Minderheitenrechte in den kommunalen Gremien, sondern auch die unmittelbaren bürgerschaftlichen Mitwirkungsrechte gestärkt.
Die bürgerschaftlichen Mitwirkungsrechte wurden insbesondere durch die Änderung der Gemeindeordnung vom 28.10.2015 weiter gestärkt. Auch der Personenkreis der möglichen Antragsteller wurde erweitert und die Quoren für Einwohnerantrag, Einwohnerversammlung und Bürgerentscheid abgesenkt. Anerkannt hat damit der Gesetzgeber, dass über die gewählten Vertreter der kommunalen Gremien hinaus Bürgerinnen und Bürger basisorientiert in verschiedensten Arbeitskreisen zusammenarbeiten, Vorschläge zu allen Fragen der kommunalen Daseinsvorsorge erarbeiten und den kommunalen Organen zur Entscheidung vorlegen können. Das stärkt den kommunalen Planungs- und Gestaltungswillen und fördert vielfach das unverzichtbare, ehrenamtliche Engagement.
Die Realisierung von Vorschlägen steht jedoch nach wie vor unter dem Gremienvorbehalt in den Städten, Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und den Ortschaften. Nur in den nach der Gemeindeordnung zuständigen Gremien ist nach Abwägung aller Aspekte auch unter Berücksichtigung der finanziellen Auswirkungen abschließend zu entscheiden. Damit ist ein neues Problempotenzial nicht auszuschließen. Bei schwieriger Finanzlage kann es frustrieren, wenn das zuständige Gremium selbst beste Bürgervorschläge nicht umsetzt. Dem informellen Austausch zur Vermeidung von Streitigkeiten kommt deshalb eine sehr hohe Bedeutung zu. Das gilt für die Diskussion der strittigen Themen zwischen Gemeinderat, Ortschaftsrat, Bürgermeister und Ortsvorsteher einerseits und bürgerschaftlich gemachten Vorschlägen andererseits.
Bis heute fehlt es an einem optimierten, kommunalen Finanzausgleich. Das Spannungsverhältnis zwischen Stadtkreisen, Mittel-, Unter- und Kleinzentren müsste schon längst den unterschiedlichen Aufgaben und Zuständigkeiten angeglichen werden. Auch spezifische Mehrbelastungen durch mehrfach vorzuhaltende Infrastrukturen in Flächengemeinden werden bisher beim Finanzausgleich nicht in der eigentlich gebotenen Weise gewürdigt.
Wenn den Ortschaften keine Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden können, weil in der Gesamtgemeinde die Mittel für zentrale Aufgaben, wie z. B. als Schulträger für weiterführende Schulen oder wegen der Unterhaltung mehrerer Friedhöfe, Sportplätze, Feuerwehrhäuser usw., bei vergleichsweise niedriger Einwohnerzahl gebunden sind, und wenn zusätzliche Hemmnisse durch zunehmende Bürokratisierung aufgebaut werden, z. B. im Planungsrecht, werden die Zielsetzungen der Ortschaftsverfassung stark negativ belastet. Wer stellt sich schon gerne und engagiert als Ortschaftsrat oder in bürgerschaftlichen Arbeitskreisen zur Verfügung, wenn man zwar reden, aber letztlich nichts bewirken kann? Demokratische Substanz kann sich im Rahmen der Zielsetzungen für mehr Beteiligung nur dann nachhaltig entwickeln, wenn die ehrenamtlich tätigen Frauen und Männer in den Ortschaften nicht nur diskutieren und fordern, sondern vor allem auch fördernd, mitentscheidend und mitverantwortend tätig werden können.
„Mitdenken, mitreden, mitmachen und mitverantworten!“, so hat der Gemeindetag Baden-Württemberg vor Jahren zu Recht seine Strategie zu den verschiedenen Facetten der Bürgerbeteiligung überschrieben.
Die Grundsätze und Ansätze, die Chancen und Risiken und nicht zuletzt die rechtliche Einordnung zu mehr direkter Demokratie im Rahmen der repräsentativen Demokratieansätze der Gemeindeordnung wurden in 17 lesenswerten Aufsätzen von kompetenten Autoren erläutert. Angereichert sind die Beiträge durch Praxisbeispiele der Bürgerbeteiligung in 14 Städten und Gemeinden. Das ist nach wie vor hoch aktuell und zum Lesen empfehlenswert.
Teilweise war der Forderung nach mehr bürgerschaftlicher Mitwirkung schon mit der Einführung der baden-württembergischen Ortschaftsverfassung durch das Zweite Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden vom 28.07.1970 (GBl. S. 419) Rechnung getragen worden. Zielsetzung dieses Gesetzes war es seinerzeit vor allem, möglichst viele Gemeinden vor einem gesetzlichen Abschluss zu einem freiwilligen Verzicht auf die Selbständigkeit zu bewegen. Im Vordergrund aller damaligen Überlegungen stand die weit verbreitete Ansicht, dass die größere und leistungsfähigere Gemeinde die für die Gemeindeentwicklung wichtigen Aufgaben wie die Bauleitplanung, den Ausbau der Infrastruktur und die Vorhaltung zentraler öffentlicher Einrichtungen, im Allgemeinen besser und zweckmäßiger als die bisher kleineren Verwaltungseinheiten zu erfüllen vermag. Da jedoch viele Gemeinden die Aufgabe ihrer Selbständigkeit scheuten – weil sie befürchteten, dass als Folge des Zusammenschlusses ein Verlust an bürgerschaftlicher Selbstverwaltung und damit an örtlicher demokratischer Substanz eintreten würde – wurde die Ortschaftsverfassung als neue Verwaltungsform für räumlich getrennte Ortschaften eingeführt.
Die innere Organisation der Gemeinde wollte der Gesetzgeber mit der Ortschaftsverfassung so gestaltet sehen, dass sie ihre Aufgaben bürgernah erfüllen und die Belange der Ortschaft und der Gesamtgemeinde partnerschaftlich ausgleichen kann.
In der Endphase der Gemeindereform wurden durch die Einführung der Ortschaftsverfassung tatsächlich freiwillige Gemeindezusammenschlüsse stark gefördert. Die Zielplanung zur Gemeindereform und das Vorschaltgesetz zur Gemeindeneugliederung taten ihr Übriges. 1976 war in 456 der damals 1110 Städte und Gemeinden die Ortschaftsverfassung für 1711 Ortschaften in der Hauptsatzung abgesichert. Die kleinste Ortschaft hatte damals knapp 50 Einwohner, die größte, der Karlsruher Stadtteil Neureut, knapp 14 000 Einwohner.
Aktuell gibt es noch immer rund 1600 Ortschaften mit insgesamt etwa 16.000 Ortschaftsrätinnen und Ortschaftsräten, die ehrenamtlich für die Belange ihrer „Gemeinde“ tätig sind. Neben Auflösungen der Ortschaftsverfassung wurde durch Änderung der Hauptsatzung die Ortschaftsverfassung auch neu eingeführt, wie zum Beispiel im rund 30.000 Einwohner großen Stadtteil Durlach der Stadt Karlsruhe.
Eine Auflösung wäre bei der unbefristet eingeführten Ortschaftsverfassung nur durch Selbstauflösungsbeschluss des jeweiligen Ortschaftsrats zur nächsten regelmäßigen Wahl möglich (§ 73 GemO). Gerade in der Einheitsgemeinde mit verschiedenen Ortsteilen gilt es gewachsene Strukturen und damit Vielfalt in der Einheitsgemeinde zu erhalten. Ansätze und Möglichkeiten gibt es hierfür in vielfältiger Weise. Im Jahre 1977 waren über 90 v. H. der Gemeinden und Ortschaften mit der Ortschaftsverfassung als besonderer kommunaler Verwaltungsform zufrieden. Dieses gute Ergebnis ist durchaus indifferent einzustufen. Die Gründe der abnehmenden Akzeptanz sind vielschichtig.
Beklagt werden vor allem mangelnde Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte. Auch durch die negativen Wirkungen des horizonta