Die Piraten - Robert Bohn - E-Book

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Robert Bohn

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Beschreibung

Die romantische Phantasie hat Die Piraten gern zu Helden des Meeres stilisiert. Robert Bohn stellt dem die harte Wirklichkeit des Piratenlebens gegenüber. Der Schwerpunkt des anschaulich geschriebenen B uches liegt auf der Zeit der europäischen Expansion vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Als Seeraub zum Instrument der Kolonialpolitik wurde, begann das «Goldene Zeitalter» der Kaperfahrer, Freibeuter und Piraten und damit eine Plage, der die Seemächte nur mit großer Mühe Herr werden konnten.

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Robert Bohn

DIE PIRATEN

C.H.Beck

Zum Buch

Das Leben der Piraten hat die Phantasie immer schon beflügelt. Sie wurden oft zu Helden der Meere stilisiert, doch die Wirklichkeit des Seeräuberlebens war alles andere als das verwegener Rebellen. Die Geschichte der Piraterie ist eine endlose Kette von Gräuel- und Mordtaten, von Plünderungen, Elend und Verzweiflung, aber auch von blutiger Verfolgung und gnadenloser Ahndung. Robert Bohn erzählt die Geschichte der Piraterie von der Antike bis zur Gegenwart. Der Schwerpunkt seines spannend geschriebenen Buches liegt auf dem «Goldenen Zeitalter» der Piraterie vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Er beschreibt die Verflechtungen der Piraterie mit den Interessen der Herrschenden und bietet einen tiefen Einblick in die Lebenswelt dieser rauen Gesellschaft, zu der erstaunlicherweise auch einige Frauen gehörten.

Über den Autor

Robert Bohn war bis zu seiner Pensionierung 2018 Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Europa-Universität Flensburg.

Inhalt

Karte 1: Der mittlere Atlantik zur Zeit der Freibeuter und Piraten

Karte 2: Der Indische Ozean um 1700 zur Zeit des «Arabisches-Meer-Fiebers»

Vorwort

1. Raum und Zeit

Antike und Mittelalter

Frühe Neuzeit

Kaperfahrer – Freibeuter – Piraten

Erscheinungsformen des Seeraubs

2. Seeraub und Seemacht

Koloniale Eroberung und Freibeuterei

Französische Korsaren

Englische Freibeuter

Francis Drake – Seefahrer und Pirat der Königin

Niederländische Freibeuterei

3. Die Bukaniere Westindiens

Die Entstehung der karibischen Seeräubergemeinschaft

Tortuga

Die Bukaniere und der koloniale Umverteilungskampf in der Karibik

4. Auf der Schattenlinie

Seeraub als Instrument der Kolonialpolitik

Henry Morgan – der Schrecken der Karibik

Thomas Tew und der Seeraub im Indischen Ozean

Captain William Kidd – Geschichte eines Losers

5. Das «Goldene Zeitalter» der Piraten

Madagaskar und das «Arabische-Meer-Fieber»

Henry Every – der erfolgreiche Pirat

Die Bahamas-Piraten des frühen 18. Jahrhunderts

6. Profiteure, Handlanger und maritime Outlaws

Die Neuengland-Kolonien und die Piraterie

Westafrika und das Ende des «Goldenen Zeitalters»

7. Piratinnen: Die Geschichte von Anne Bonny und Mary Read

8. Gegenwelt oder negativer Spiegel?

Piratenleben: Realität und Fiktion

Wie man Pirat wurde

Wie man als Pirat lebte

Piratenmythen

Literaturhinweise

Register

Karte 1: Der mittlere Atlantik zur Zeit der Freibeuter und Piraten

Der mittlere Atlantik zur Zeit der Freibeuter und Piraten

Karte 2: Der Indische Ozean um 1700 zur Zeit des «Arabisches-Meer-Fiebers»

Der Indische Ozean um 1700 zur Zeit des «Arabisches-Meer-Fiebers»

Vorwort

Die Geschichte der Piraterie ist eine endlose Kette von Gräuel- und Mordtaten, von Raub und Plünderung, Elend und Verzweiflung, aber auch von blutiger Verfolgung und gnadenloser Ahndung. Sie ist keine zusammenhängende Geschichte, keine zielgerichtete Entwicklung, sondern, wie Kriminalität überhaupt, Ausdruck gesellschaftlicher Instabilität, die unter bestimmten politischen Rahmenbedingungen aufblüht. Heutzutage treibt die Armut an den Küsten vieler unterentwickelter Länder die Menschen als Seeräuber aufs Meer hinaus. Andernorts wiederum sind es gut organisierte und hochtechnisierte Piratenbanden mit ausgeklügelter Logistik und Vernetzung mit regionalen Behörden, die die Handelsschifffahrt in einem Maße bedrohen, dass die Reeder für bestimmte Seegebiete kaum noch Versicherungen bekommen.

In den beiden letzten Jahrzehnten registrierte die International Maritime Organization mehrere Tausend Piratenüberfälle auf Handelsschiffe. Die regionalen Schwerpunkte waren dieselben wie zur «klassischen» Zeit der Piraterie – die Karibische Inselwelt einschließlich der südamerikanischen Ostküste, die afrikanische Küste und die fernöstlichen Hauptfahrwasser (Indischer Ozean, Straße von Malakka, Indonesisches Meer). Bei diesen Piratenangriffen wurden mehrere Hundert Seeleute und Passagiere getötet oder verletzt. Der jährliche Schaden durch Piraterie wird auf mehrere Hundert Millionen US-Dollar geschätzt, doch dürfte die Dunkelziffer erheblich größer sein. Man vermutet mit guten Gründen ein Vielfaches der Erhebung.

Und dennoch: Obwohl uns die Vernunft gebietet, auch die historischen Piraten als verabscheuungswürdige Kriminelle zu betrachten, begegnet uns der Pirat in der Literatur, im Film, in Kinderspielen und -büchern (in der neuesten Variante auch in Computer- und Videospielen) als in der Regel positiv konnotierte Figur – bei Pippi Langstrumpf im Takatukaland ebenso wie im Lego-Katalog. Und allerorten stellen Freizeitparks Piraten und szenisch nachgespielten Seeraub als besondere Attraktion heraus.

Viele der populären Vorstellungen vom Piratentum haben ihren Ausgangspunkt bei einem bemerkenswerten Buch, das erstmals 1724 in London veröffentlicht wurde und schnell mehrere Neuauflagen erlebte. Denn es war seinerzeit wie kaum eine Publikation beim Lesepublikum nachgefragt und fand auch rasch Eingang in andere Sprachen. Sein Autor war ein mysteriöser Captain Charles Johnson, und das Buch trug den barocken Titel A General History of the Robberies and Murders of the Most Notorious Pyrates, and also their Policies, Discipline and Government. Im Mittelpunkt dieses mehrere Hundert Seiten umfassenden Werkes stehen die Biographien von vierunddreißig herausragenden Piraten, allesamt Engländer, aus den Jahrzehnten um 1700. Es ist ein unerschöpfliches Kompendium, in dem alle Versatzstücke zu finden sind, die später von den Imaginationsmedien verwertet wurden. Dieses Werk ist eine wertvolle Quelle, aber nicht immer ganz zuverlässig, wie die moderne Forschung ergeben hat, obwohl es überwiegend auf Gerichtsakten und Prozessbeobachtungen aufbaut. Es wurde dennoch zu einer Art Handbuch für die Geschichte der Piraterie und ist es auch geblieben, denn immer wieder wurde und wird es zurate gezogen – nicht zuletzt beim Film.

Auch wenn die Schicksale der Piratenkapitäne von Johnson in aufklärerischer und letztlich auch abschreckender Absicht beschrieben wurden, kann der Autor seine Bewunderung für manch eine Leistung, auch und gerade auf dem Gebiet der Seefahrerkunst, nicht verbergen. In den 1930er-Jahren glaubte ein amerikanischer Historiker durch scharfsinnige Analyse herausgefunden zu haben, dass sich hinter dem Autorennamen Captain Johnson niemand anderes als der Gerichtsreporter und Schriftsteller Daniel Defoe verbarg, der in seiner Zeitschrift Review regelmäßig über dieses Sujet schrieb. Neueste kritische Untersuchungen haben dies wieder in Zweifel gezogen und vermuten hinter dem Autor Johnson einen jener damals zahlreichen Gerichtsreporter und Journalisten, die aus den Schicksalen der Seeräuber und den exotischen Schauplätzen ihren beliebten Stoff zogen.

Wie populär dieses Thema zu jener Zeit bereits war, zeigt die Tatsache, dass es auch schon allerlei Versuche gab, es literarisch zu bewältigen. Dabei sind allerdings nur wenige ernst zu nehmende Schriften entstanden, unter denen zwei herausragen, nämlich zum einen das Buch De Americaensche Zee-Rovers, das erstmals 1678 in Amsterdam auf Niederländisch erschien. Der Verfassername Alexandre Exquemelin dürfte authentischer sein als der des Captain Johnson, und was er uns zu berichten weiß, hatte er aus eigener Anschauung mitgemacht. Er bezeichnete sich selbst als Arzt, war aber eigentlich ein autodidaktischer Quacksalber, den es für zwölf Jahre unter die Bukaniere der Karibik verschlagen hatte. Er hat mit dieser populären Schrift, die viele unkritisch angereicherte Neudrucke und Übersetzungen erlebte, wesentlich das Bild geprägt, das sich die Zeitgenossen und die Nachwelt von dieser Piratengemeinschaft machten.

Das zweite zeitgenössische Werk, das genannt werden muss, ist das Tagebuch des englischen Freibeuters William Dampier. Er ist einer der Wenigen gewesen, die über ihr abenteuerliches Leben auf See literarisch Rechenschaft ablegten, denn viele wirkliche Schriftsteller hat es nicht unter die schwarze Flagge getrieben. Dampier hat in den beiden letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts lange Zeit unter Piraten und Freibeutern gelebt, war selbst zwar nie Kapitän, doch nahm er als Navigator und Geograph an zahlreichen Raubfahrten teil, die ihn viele Jahre sowohl in die Karibik als auch in den Pazifik führten. Während er an Bord von rund einem Dutzend Freibeuter- und Piratenschiffen kreuz und quer durch die Welt segelte, hat er fleißig Tagebuchaufzeichnungen seiner Erlebnisse niedergeschrieben, die später Grundlage seines beachtlichen literarischen Werkes wurden.

1881 erblickte dann die unsterblichste und berühmteste aller Piratenerzählungen das Licht der literarischen Welt: Robert L. Stevensons Schatzinsel. In diesem Werk finden wir all die Versatzstücke, die wir brauchen, um uns das Piratenleben in der vormodernen Welt vorzustellen: den verschlagenen Piratenkapitän, der trotz des Handicaps eines Holzbeins an Geschicklichkeit kaum zu übertreffen ist, den unverzichtbaren Papagei, die Skelette, die von Suff und Zwietracht gekennzeichnete Piratengemeinschaft und schließlich den Piratenschatz auf einer einsamen Insel. Doch auch Stevenson hatte Inspirationsquellen, nicht nur Captain Johnsons Kompendium. Die Figur des John Silver ist von Herman Melvilles Captain Ahab beeinflusst, und auch andere Ingredienzen der Schatzinsel finden sich bereits im Repertoire der Mysterien- und Abenteuergeschichten des frühen 19. Jahrhunderts, wobei Edgar Allan Poe auch hier die Meisterstücke vorlegte.

Zum Kern der romantischen, legendenumwobenen Sichtweise auf die Seeräuber und Seeabenteurer zählt die stark überwiegende Abwesenheit von Arbeit. Nicht ohne Grund formte und festigte sich der Piratenmythos in einer Zeit, in der industrielle Arbeit, geregelt von der Stechuhr bei den einen und dem Terminkalender bei den anderen, die freie Verfügbarkeit von Zeit immer mehr einengte. Das romantische Bild des Piratenlebens mit seinen ganz anderen Zeitperspektiven stellt gegen diese Zwänge Momente eines ungebundenen, freien Lebens, das realiter nicht nachgeahmt werden kann. Und doch sehnen wir uns danach. Deshalb wird der Pirat, schöner noch der edle Freibeuter, zu einer Traumfigur, die alle kritischen Einwände überleben wird, denn sie ist die Gegenfigur des Arbeiters und Bourgeois und erst recht des Spießers.

So gilt auch hier das Wort John Fords, eines der bedeutendsten der großen Regisseure des klassischen Hollywood und Arbeiters am modernen amerikanischen Pionier-Mythos. Er hat das, worum es auch bei der Geschichte der Piraten geht, auf den Punkt gebracht: «Wenn Menschen die Wahl haben zwischen der wahren Geschichte und der Legende, dann wählen sie allemal die Legende.»

1. Raum und Zeit

Antike und Mittelalter.  Seitdem es Seefahrt und Seehandel gibt, gibt es Seeraub. Dieses Faktum ist ebenso simpel und einleuchtend wie die Tatsache, dass auch an Land zu allen Zeiten Raub in den verschiedensten Ausprägungen stattgefunden hat. Bis ins späte 18. Jahrhundert – und in manchen Regionen noch länger – konnte keine Seereise unternommen werden, ohne das Risiko des Seeraubes ernsthaft einzubeziehen. Das betraf Überseefahrer und Küstenfischer gleichermaßen. So ist – um beim Thema Seeraub und Piraterie nicht ins Beliebige oder Anekdotische abzugleiten – eine Abgrenzung des zeitlichen wie geographischen Rahmens genauso vonnöten wie die Aufstellung des allgemeinen geschichtlichen Bezugsrahmens, der sich vor allem an sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Fragen im Zusammenhang der kolonialen Expansion der europäischen Staaten und deren frühneuzeitlicher Machtpolitik orientieren soll. Denn auf diesen Zeitraum bezieht sich der populäre Piratenmythos in der Regel, und hier können überdies in besonders anschaulicher Weise die Mechanismen und Muster ermittelt werden, die den Seeraub im großen Stil zu allen Zeiten ermöglicht haben.